Emanuel Lauber
Verrechnungssteuerstrafrecht – Praxis und Ausblick
Workshop anlässlich des ISIS)-Seminars vom 20. März 2018 mit dem Titel «Aktuelle Probleme des Verrechnungssteuerrechts»
Die A AG ist ausschliesslich in der Schweiz tätig.
A ist Alleinaktionär und einziger Verwaltungsrat.
S war bis 2013 Sekretär des Verwaltungsrates, er hatte keine Zeichnungsberechtigung.
Die T AG ist eine grössere Treuhandunternehmung. Sie ist mit der Buchführung und der Erledigung der laufenden Steuerangelegenheiten beauftragt. Das Mandat wird durch T geführt.
Fall 1: Beginn und Ende
Geschäftsjahr 2010:
Die Generalversammlung hatte wie in den Vorjahren eine Dividende von CHF 50‘000 beschlossen, fällig am 30.04.2011. Am 01.05.2011 hatte A die Jahresrechnung und das Formular 103 mit Angabe der Dividende von CHF 50‘000 eingereicht. Wie im Vorjahr ist kein Konto „Kontokorrent Aktionär“ ausgewiesen.
Geschäftsjahr 2011:
Die Generalversammlung hatte wie in den Vorjahren eine Dividende von CHF 50‘000 beschlossen, fällig am 15.05.2012. Am 01.08.2012 hatte A die Jahresrechnung und das Formular 103 mit Angabe der Dividende von CHF 50‘000 eingereicht. Wie im Vorjahr ist kein Konto „Kontokorrent Aktionär“ ausgewiesen.
Geschäftsjahr 2012:
A reichte der ESTV am 02.05.2013 das Formular 103 mit der Deklaration einer Dividende von CHF 50‘000 ein. Auf Nachfrage hin schickt er am 01.11.2014 die Jahresrechnung 2012.
Geschäftsjahr 2013:
Für das Geschäftsjahr 2013 reichte A weder eine Jahresrechnung noch ein Verrechnungssteuer-Formular ein. Auf Nachfrage hin schreibt A am 30.01.2015 der ESTV: „Ich bestätige als Verwaltungsrat der A AG, dass die A AG für 2013 keine Dividende ausgeschüttet hat.“
Geschäftsjahr 2014:
Für das Geschäftsjahr 2014 reichte A weder eine Jahresrechnung noch ein Verrechnungssteuer-Formular ein.
Geschäftsjahr 2015:
Für das Geschäftsjahr 2015 reichte A weder eine Jahresrechnung noch ein Verrechnungssteuer-Formular ein.
Im Jahr 2016 kontrollierte die ESTV die Geschäftsjahre 2010 bis 2015 der A AG. Dabei entdeckte sie, dass A dem Aufwand der A AG seit 2010 seine Familienferien (im In- und Ausland) belastet hatte. Die Kosten zu Lasten der A AG betrugen jährlich CHF 20‘000.
Frage: Wie sind diese Vorgänge steuerstrafrechtlich zu werten?
Fall 2: Legitimation zur Versiegelung
Im Rahmen des Steuerstrafverfahrens gegen die A AG spricht die ASU mit einem Durchsuchungsbefehl bei der T AG vor und will Akten beschlagnahmen, welche die Geschäftsjahre 2009 bis 2015 der A AG betreffen. Es handelt sich dabei um die Buchhaltung, eMail- und Postverkehr, GV- und Verwaltungsratsprotokolle sowie Steuerunterlagen.
Die T AG wehrt sich gegen die Durchsuchung dieser Papiere (Art. 50 Abs. 3 VStrR) und macht dabei geltend
- Die Akten des Geschäftsjahres 2009 seien nicht verfahrensrelevant;
- Unter den Akten befänden sich private Aufzeichnungen der A AG;
- Die Akten seien der T AG anvertraut worden, deshalb unterstünden sie dem Geheimnisschutz gegenüber der Klientschaft;
- Die T AG gelte als vertrauenswürdige Treuhandunternehmung, diese Reputation leide, wenn sie Akten, die ihr an- vertraut worden seien, an Strafverfolgungsbehörden her- ausgebe.
Frage 1: Wie ist in dieser Situation vorzugehen?
Frage 2: Wie sind die Vorbringen der T AG zu würdigen?