Daniel Holenstein
Verrechnungssteuerstrafrecht – Haftungsrisiken für Verwaltungsräte und Treuhänder/Verjährung/Vorsatz
Workshop von Daniel Holenstein anlässlich des ISIS)-Seminars vom 21. Oktober 2024 mit dem Titel «Verrechnungssteuerstrafrecht – Haftungsrisiken für Verwaltungsräte und Treuhänder/Verjährung/Vorsatz»
Fall 1: Abschreibung des zu überhöhten Preisen erworbenen Warenlagers
1. Sachverhalt
Die zu einem internationalen Konzern gehörende X. AG mit Sitz in Zug hat von ihrer Schwestergesellschaft ein Warenlager zu einem überhöhten Preis übernommen, weshalb sie in ihrer Jahresrechnung eine erfolgswirksame Abschreibung von CHF 1.5 Mio. verbucht hat.
Rechtsanwalt Y. hat im Zuge seiner Tätigkeit für den Konzern Einsitz in dem Verwaltungsrat der X. AG genommen. Er hat als einer der drei Verwaltungsräte den Vertrag betreffend Übernahme des Warenlagers mitunterzeichnet, sowie mit der Revisionsstelle den Jahresabschluss besprochen, sowie die Abschreibungen zugelassen. Drei Jahre später, nach seinem Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat, hat die X. AG in einer Buchprüfung eine geldwerte Leistung von CHF 1.5 Mio. eingeräumt und die geschuldete Steuer abgeliefert.
Fragen
- Hat Rechtsanwalt Y. eine strafbare Widerhandlung gegen das Verrechnungssteuergesetz begangen?
- Falls ja: Welche Haftungsrisiken bestehen für ihn?
Fall 2: Nachdeklaration geldwerter Leistungen
1. Sachverhalt
A. ist Aktionär und Verwaltungsrat der B. AG. Der Verwaltungsrat hat die Geschäftsführung delegiert. Für steuerliche Angelegenheiten hat die B. AG eine regionale Treuhandunternehmung beigezogen.
Nachdem die kantonale Steuerverwaltung Leistungen an A. nicht als geschäftsmässig begründete Aufwendungen zugelassen und zum steuerbaren Gewinn hinzugerechnet hat, hat die B. AG diese geldwerten Leistungen an die ESTV gemeldet. Nachdem die Abteilung Externe Prüfung die dafür geschuldete Verrechnungssteuer erhoben hat, hat die Abteilung Strafsachen und Untersuchungen ein Verwaltungsstrafverfahren gegen A. wegen Hinterziehung der Verrechnungssteuer eingeleitet.
Fragen
- Hat sich A. der Hinterziehung der Verrechnungssteuer schuldig gemacht?
- Falls ja: Wie ist die Busse zu bemessen?
Fall 3: Lizenzzahlungen an Offshore Gesellschaft
1. Sachverhalt
Die G. GmbH mit Sitz in Frauenfeld hat mit der auf den BVI domizilierten H. Ltd einen Lizenzvertrag geschlossen, in welchem sie sich zur Zahlung von Lizenzgebühren von CHF 10'000 pro Monat für eine vom Gesellschafter der G. GmbH entwickelte Software verpflichtet hat. Alleinaktionär der H. Ltd ist der in Frauenfeld ansässige Gesellschafter der G. GmbH. Diese hat die Lizenzgebühren als Geschäftsaufwand verbucht.
Nach einer Mehrwertsteuerprüfung haben die Abteilung Externe Prüfung gegen die G. GmbH ein Erhebungsverfahren für die Geschäftsjahre 2017-2020 und die Abteilung Strafsachen und Untersuchungen (ASU) gegen den Geschäftsführer der G. GmbH ein Verwaltungsstrafverfahren eröffnet. Nach der Befragung des Geschäftsführers hat die ASU das Strafverfahren auf I., den Treuhänder der G. GmbH, ausgedehnt. I. ist zugelassener Revisor.
Die G. GmbH hat ihre Generalversammlung jeweils im Januar des auf das Geschäftsjahr folgenden Jahres abgehalten. Sie hat der ESTV keine Jahresrechnungen eingereicht.
Am 9. September 2024 hat die ESTV die Erhebungsverfügung erlassen.
Fragen
- Hat sich I. der Hinterziehung der Verrechnungssteuer schuldig gemacht?
- Falls ja: Welche Haftungsrisiken bestehen für ihn?
- Welche steuerstrafrechtlichen Folgen hätte die Einsprache gegen die Erhebungsverfügung?