Daniel Holenstein
Verrechnungssteuerstrafrecht
Workshop anlässlich des ISIS)-Seminars vom 21. September 2020 mit dem Titel «Praxisfälle zur Verrechnungssteuer und Ausblick auf aktuelle Entwicklungen».
Fallbeispiel verspätete Meldung
Sachverhalt
Die X. AG mit Sitz in Bern hat ihre Generalversammlung für das Geschäftsjahr 2018 am 26. Juni 2019 durchgeführt und an dieser Generalversammlung die Jahresrechnung genehmigt, in welcher sie geldwerte Leistungen (Verzinsung von verdecktem Eigenkapital) an ihre Muttergesellschaft in einem EU-Staat genehmigt hat. Die X. AG verfügt über eine gültige Bewilligung zur Meldung statt Entrichtung der Verrechnungssteuer (Formular 823B). Mit Meldung vom 19. Dezember 2019 hat die X. AG die Meldung erstattet.
Fragestellung:
Die ESTV hat der X. AG eine Busse von CHF 750.- auferlegt. Zu Recht?
Fallbeispiel unterlassene Überwälzung
Sachverhalt
Die Y. AG hat sich mit der ESTV im Herbst 2013 im Erhebungsverfahren in einer Gesamtlösung darauf geeinigt, der ihr nahestehenden Gesellschaft Z. Ltd mit Sitz auf den BVI geldwerte Leistungen im Umfang von CHF 11,5 Mio. erbracht zu haben. In der Folge hat die Y. AG die geschuldete Steuer samt Zins entrichtet und der Z. Ltd in Rechnung gestellt. Da jedoch diese bereits vor 2012 liquidiert war, blieb diese Rechnung unbezahlt, weshalb die Y. AG diesen Betrag – in Absprache mit ihrer Revisionsstelle – in ihrer Erfolgsrechnung 2013 als ausserordentlichen Aufwand verbucht hat.
Nachdem die ESTV gestützt auf die von der Y. AG bei der kantonalen Steuerverwaltung eingereichten Unterlagen auf diesen Vorgang aufmerksam geworden ist, hat sie von der Y. AG die Verrechnungssteuer von 35 % der erneuten geldwerten Leistung erhoben und angedroht, im Falle der Nichtüberwälzung eine Aufrechnung ins Hundert vorzunehmen. Nachdem die Y. AG die Steuer auf ihre Tochtergesellschaft überwälzt hat, hat die ESTV von der Aufrechnung ins Hundert abgesehen.
Daraufhin hat die ASU ein Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt.
Fragestellung:
Im Verwaltungsstrafverfahren hat die ASU den Verwaltungsrat der Y. AG wegen vollendeter Hinterziehung der Verrechnungssteuer zu einer Busse von CHF 72'000.- verurteilt. Zu Recht?
Fallbeispiel nachträglich festgestellte geldwerte Leistung
Sachverhalt
Frau A. war Verwaltungsrätin von insgesamt mehr als 20 Gesellschaften, an denen im Ausland domizilierte natürliche Personen beteiligt waren. Diese Gesellschaften hatten in Rendite-Liegenschaften investiert. Die Aktionäre bildeten den Beirat zum Verwaltungsrat und nahmen diverse Aufgaben wahr, darunter den Entscheid über den Verkauf von Immobilien und Gesellschaften. Für diese Tätigkeit haben sie kein Honorar bezogen, jedoch ihre Spesen einer dieser Gesellschaften verrechnet, der B. AG, welche diese an die übrigen Gesellschaften weiterbelastet hat.
Ursprünglich hatten die Gesellschaften ihren Sitz im Kanton Zug. Dort blieb das Vorgehen unbeanstandet. Im Jahr 2009 haben die Gesellschaften ihren Sitz in den Kanton Zürich verlegt. Im Veranlagungsverfahren für die Steuerperioden 2009 und 2010 hat der Steuerkommissär die einer dieser Gesellschaften in Rechnung gestellten Management-Kosten als geldwerte Leistungen aufgerechnet.
Diese Gesellschaft hat sich (erfolglos) gegen die Aufrechnung gewehrt. Im Herbst 2014 hat das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich die Aufrechnungen bestätigt.
In der Folge hat das Kantonale Steueramt Zürich bei allen übrigen Gesellschaften die geschäftsmässig nicht begründeten Aufwendungen aufgerechnet. Die Gesellschaften akzeptierten diese Aufrechnungen.
Daraufhin meldete das Kantonale Steueramt Zürich diese Aufrechnungen an die ESTV, welche von sämtlichen Gesellschaften die Verrechnungssteuer auf den geldwerten Leistungen erhob. Die Gesellschaften haben die Steuer vorbehaltlos bezahlt.
Im Anschluss daran hat die ASU ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die Verwaltungsrätin eröffnet.
Fragestellung:
Im Verwaltungsstrafverfahren hat die ASU die Verwaltungsrätin wegen eventualvorsätzlicher Hinterziehung von Verrechnungssteuern hinsichtlich der in den Geschäftsjahren 2012 – 2013 unter dem Titel Management-Kosten verbuchten, geschäftsmässig nicht begründeten Aufwendungen zu einer Busse von CHF 70'000.- verurteilt. Zu Recht?
Fallbeispiel Strafzumessung
Sachverhalt
Die ASU hat unter anderem den im Ausland domizilierten Aktionär der A. AG wegen vorsätzlich begangenem Abgabebetrug hinsichtlich von geldwerten Leistungen verurteilt. Die in der gegen die A. AG erlassenen Verfügung festgesetzte Verrechnungssteuer beläuft sich auf CHF 38'230'173.-.
Fragestellung:
Die ASU hat den Aktionär zu einer unbedingt vollziehbaren Geldstrafe von 320 Tagessätzen zu je CHF 3'000.- sowie zu einer bedingten Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je CHF 3'600.- verurteilt. Zu Recht?