Thomas Jaussi
Verfahrensrechtliche Schwerpunkte
Workshop von Thomas Jaussi anlässlich des ISIS)-Seminars vom 21. Oktober 2024 mit dem Titel «Verfahrensrechtliche Schwerpunkte»
Fall 1: Verdecktes Eigenkapital
1. Sachverhalt
Die Finanz GmbH, Schweiz, hat seit 2016 die folgende Bilanz (Zahlen in CHF):
- Das Passivdarlehen wird mit X.00 Prozent verzinst, das Aktivdarlehen mit X.50 Prozent.
- Die Finanz GmbH ist bis und mit Steuerperiode 2021 definitiv veranlagt.
- Die TopCo USA ist die indirekte Muttergesellschaft der Finanz GmbH, die SubHold EU ist eine «Schwestergesellschaft».
- Die kant. StV fragt im Jahr 2023 in Bezug auf die StE / Steuerperiode 2022 nach, ob nicht verdecktes Eigenkapital und Zinsen darauf vorliegen.
- Der Steuerberater empfiehlt, verdecktes Eigenkapital / eine Aufrechnung von Zinsen auf verdecktem Eigenkapital für die Steuerperiode 2022 zu akzeptieren und für die Verrechnungssteuer für das Jahr 2022 ein Formular 102 bei der ESTV einzureichen.
Fragen
- Handelt die Finanz GmbH korrekt?
- Was ist die Hauptthematik?
- Was ändert sich, wenn die Darlehensgeberin eine inländische Muttergesellschaft ist, welche die Finanz GmbH direkt hält?
Fall 2: Wer ist hier der Boss?
1. Sachverhalt
Die Gesellschaften der Muster-Gruppe werden von Herrn Muster über die Muster Holding AG gehalten. Herr Muster und alle Muster-Gruppe-Gesellschaften haben den Wohnsitz bzw. Sitz im gleichen Kanton. Die Muster Management AG stellt Herr Muster Personal und Dienstleistungen für seine persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung. Die kantonale Steuerverwaltung prüft die Steuerperioden n, n+1 und n+2 der Muster Management AG, insbesondere die Kostenweiterverrechnung an Herrn Muster, und befindet alles für korrekt. Somit finden weder bei der Muster Management AG noch bei Herr Muster Aufrechnungen für diese drei Steuerperioden statt.
Die ESTV, HA MWST, nimmt eine Buchprüfung der Muster Management AG für die Jahre n, n+1, n+2, n+3 und n+4 vor.
Auf den Leistungsverrechnungen der Muster Management AG an Herrn Muster rechnet sie geldwerte Leistungen von CHF 50’000 p.a. auf.
Angesichts des tiefen Steuersatzes wird auf eine Anfechtung verzichtet.
Unmittelbar danach kommt ein Schreiben der ESTV, HA DVS:
- Verrechnungssteuer auf CHF 250’000 Verzugszins
- Ankündigung, dass Rückerstattung mangels ordnungsgemässer Deklaration wahrscheinlich nicht gewährt wird
- Androhung der Prüfung von strafrechtlichen Folgen
Frage
- Ist das Vorgehen der ESTV korrekt?
Fall 3: Frist
1. Sachverhalt
- Herr Muster ist der einzige Verwaltungsrat der Muster AG, welche wiederum der Muster Holding AG gehört
- Am 30. Juni 20XX beschliesst die Muster AG eine Dividende ohne Fälligkeit
- Am 10. August 20XX reicht Herr Muster das Formular 103, das Formular 106, die Jahresrechnung und das GV-Protokoll ein
- Am 1. September 20XX wird die Meldung bestätigt, jedoch eine Busse über CHF 2’500 wegen Verspätung ausgesprochen
Frage
- Ist das Vorgehen der ESTV korrekt?
Fall 4: Entstehung der Verrechnungssteuerforderung
1. Sachverhalt
Die Zuschnell AG wird von Herrn Muster gehalten. Sie beschliesst am 30. Juni 20XX eine Dividende, wobei die Generalversammlung kein Fälligkeitsdatum beschlossen hat. Am 10. Juli 20XX findet eine ausserordentliche Generalversammlung statt, welche die – bisher nicht ausgeschüttete Dividende – rückgängig macht.
Frage
- Wie ist der Fall verrechnungssteuerlich zu beurteilen?