Roger Rohner
Ralf Imstepf
Update zur Mehrwertsteuer
Workshop von Roger Rohner und Ralf Imstepf anlässlich des ISIS)-Seminars vom 3. - 4. Juni 2024 mit dem Titel «Update zur Mehrwertsteuer»
Fall 1: Sacheinlage
1. Grundsachverhalt: Einbringung Liegenschaft in Immo AG
Frau Livia Wenger mit Wohnsitz in Wohlen (AG) hat in ihrem Privatvermögen eine Gewerbeliegenschaft in Rümlang (ZH), welche sie 2022 von ihrer Mutter geerbt hat. Ihre Mutter hatte die Liegenschaft 2015 inkl. MWST gekauft. Wie bereits ihre Mutter, so hat auch Frau Livia Wenger für die Vermietung der Gewerbeliegenschaft mehrwertsteuerlich optiert.
Da Frau Livia Wenger auch weitere Immobiliengeschäfte plant und nicht Gefahr laufen will, dereinst als gewerbsmässige Liegenschaftenhändlerin qualifiziert zu werden, bringt sie diese Liegenschaft neben andern in die neu von ihr gegründete Wenger Immo AG mit Sitz in Wohlen ein.
Gemäss Praxis des kantonalen Steueramts Zürich wird ein Einbringungswert von 75 % des Verkehrswerts akzeptiert. Der Verkehrswert beträgt CHF 5 Mio., die Liegenschaft wird zu CHF 4 Mio. in die Wenger Immo AG eingebracht. Die Optierung der Mieten soll beibehalten werden.
Frage
- Wie ist die Einbringung der Liegenschaft in die Wenger Immo AG mehrwertsteuerlich zu beurteilen?
2. Sachverhaltsvariante 1: Einbringung Fahrzeug
Nach der Übertragung der Gewerbeliegenschaft deregistriert sich Frau Livia Wenger von der MWST.
Ein Jahr später bringt sie ihr Privatfahrzeug im Wert von CHF 65'000 als Sacheinlage in die Wenger Immo AG ein. Als Einbringungswert wird CHF 50'000 gegen Agio verbucht. Das Fahrzeug wird von ihr als Geschäftsführerin der Wenger Immo AG benutzt.
Frage
- Wie ist die Einbringung des Fahrzeugs mehrwertsteuerlich zu beurteilen?
3. Sachverhaltsvariante 2: Abgabe GA/Halbtax
Nochmals ein Jahr später stellt die Wenger Immo AG Frau Livia Wenger ein SBB-Generalabonnement (alternativ ein SBB-Halbtaxabonnement) zur Verfügung.
Frage
- Wie beurteilen Sie dies aus Mehrwertsteuersicht?
Fall 2: Unternehmensbegriff, Drittpreis und Steuerumgehung
1. Grundsachverhalt: Flugzeug
Die im Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen eingetragene Pegasus AG ist Eigentümerin eines in der Schweiz immatrikulierten Flugzeugs. Im Zusammenhang mit der Einfuhr und des Betriebs des Flugzeugs fallen im Jahr 2022 Vorsteuern in der Höhe von CHF 2 Mio. an.
Das Flugzeug wird im Jahr 2022 im Rahmen von 1000 Flugstunden wie folgt genutzt:
- 500 Flugstunden vom CEO der Pegasus AG, der damit weltweit Geschäftstermine wahrnimmt.
- 200 Flugstunden vom Alleinaktionär der Pegasus AG, Herrn Bellerophon. Er nutzt das Flugzeug insb. für Flüge zwischen Zürich und Dubai (Ferienhaus). Für die Flüge zahlt Herr Bellerophon den marktüblichen Drittpreis. Er hat weder ein faktisches noch ein rechtliches Vorrangrecht.
- 100 Flugstunden von Peirene, der Tochter von Herrn Bellerophon, für Reisen zwischen Zürich und Dubai. Für die Flüge zahlt Tochter Peirene den marktüblichen Drittpreis. Sie hat weder ein faktisches noch ein rechtliches Vorrangrecht.
- 200 Flugstunden im Zusammenhang mit Positionierungsflügen (100 davon in Zusammenhang mit den Flügen von Herrn Bellerophon und seiner Tochter Peirene).
Fragen
- In welcher Höhe darf die Vorsteuer im Zusammenhang mit der Einfuhr und des Betriebs des Flugzeugs geltend gemacht werden?
- Was würde sich ändern, wenn der CEO Flugstunden in der Höhe von 2'100 benötigt?
2. Sachverhaltsvariante 1: Fahrzeug (Standardfall)
Die im Mehrwertsteuerregister eingetragene Phaethon AG vermietet Tiefgaragenparkplätze für Autos im Luxussegment und betreibt ein Atelier für Autopflege. Per 31. Dezember 2022 war die Phaethon AG Eigentümerin von zwei Oldtimern. Diese werden auch dem Alleinaktionär der Phaethon AG, Herrn Bellerophon, für private Zwecke zur Verfügung gestellt. Herrn Bellerophon wird zudem ein Geschäftsfahrzeug gestellt.
Frage
- Darf im Zusammenhang mit dem Betrieb der Oldtimer der volle Vorsteuerabzug geltend gemacht werden? Falls ja, was ist vorzukehren?
2. Sachverhaltsvariante 2: Ferienhaus
Herr Bellerophon ist Alleinaktionär der Fides AG, die im Treuhandgeschäft tätig ist. Die Fides AG ist zudem seit dem 1. Januar 2022 Eigentümerin eines Ferienhauses im Goms (Kanton Wallis). Das Ferienhaus steht Herrn Bellorophon zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Hierfür entrichtet er der Fides AG ein marktübliches Entgelt, was der Besteuerung zum Sondersatz von 3.7 % unterliegt. Die Fides AG rechnet bei einer Haltedauer von 20 Jahren mit einem Gesamtvorsteuerüberhang von CHF 40'000.
Frage
- Darf die Fides AG im Zusammenhang mit dem Erwerb und dem Betrieb des Ferienhauses den Vorsteuerabzug geltend machen?
Fall 3: Rückbau von Immobilien
1. Grundsachverhalt: Rückbau von Immobilien
Die Fabrik AG mit Sitz in St. Gallen ist Eigentümerin eines Grundstücks in St. Gallen. Bis Ende 2022 betrieb sie darauf eine Fabrik, wobei sie die Vorsteuern voll abziehen konnte. Im Jahr 2023 erfolgt eine Umzonung von Industrie- in Wohnzone. Die Fabrik AG entwickelt in der Folge denn auch ein Konzept für die Überbauung mit Wohnliegenschaften.
Nach Beendigung der operativen Tätigkeit in der Fabrik Ende 2022 vermietet die Fabrik AG die ehemalige Fabrikliegenschaft zwischenzeitlich weiter an verschiedene Mieter, wobei sie auf den Mietverhältnissen optiert. Diese Mietverhältnisse sind jedoch auf 2 Jahre befristet, wobei sie jeweils kurzfristig verlängert werden können, bis dann schliesslich mit der Wohnüberbauung begonnen werden soll.
Im Herbst 2023 findet die Fabrik AG eine Käuferin für das Grundstück, nämlich die Immo AG mit Sitz in Zürich. Die Immo AG übernimmt sowohl die optierten Mietverträge wie auch das Entwicklungsprojekt für die Wohnüberbauung. Allerdings verzögert sich der Baubeginn noch, sodass die Mietverträge jeweils kurzfristig verlängert werden, bis schliesslich im Jahr 2027 mit dem Abbruch der Fabrik und dem Neubau begonnen wird.
Frage
- Kann die Immo AG die Vorsteuern auf den Rückbaukosten der Fabrik abziehen?
1 Inspiriert durch BGer, 13.9.2022, 2C_876/2020.
Fall 4: Teilrechtskraft
1. Grundsachverhalt: Teilrechtskraft einer Einschätzungsmitteilung (EM)
Im Anschluss an eine Kontrolle bei der Janus GmbH korrigierte die ESTV mit Einschätzungsmitteilung (EM) vom 18. Juni 2018 die Steuerforderung um CHF 20’000 zu ihren Gunsten (Steuerperiode 2011). Hiervon bezahlte die Janus GmbH am 9. Juli 2018 den im Zusammenhang mit der Nachbelastung der Bezugsteuer und von Privatanteilen stehenden Betrag von CHF 15'000 vorbehaltlos.
Frage
- Ist die EM aufgrund der vorbehaltlosen Zahlung in Teilrechtskraft erwachsen?
2. Sachverhaltsvariante 1: Objekt der Teilrechtskraft
Mit EM vom 13. Januar 2017 fordert die ESTV von der Entoria AG für die Steuerperiode 2012 CHF 20'000 nach. Diese setzen sich wie folgt zusammen:
- Umsatzsteuer Bezugsteuerbetreffnis wegen des Bezugs von Leistungen der Magnus Anwaltskanzlei (Sitz in Kopenhagen, Dänemark): CHF 30'000.
- Vorsteuerabzug Bezugsteuerbetreffnis wegen des Bezugs von Leistungen der Magnus Anwaltskanzlei (Sitz in Kopenhagen, Dänemark): CHF 10'000 (kein voller Vorsteuerabzug möglich).
- Privatanteile wegen Geschäftsfahrzeugen: CHF 5'000.
- Von der Entoria AG vergessene, übrige Vorsteuern: 5'000.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2017 teilt die Entoria AG der ESTV mit, sie anerkenne die Ziffern 2 und 4 der EM an. Im Übrigen bestreite sie aber die Nachforderung und verlange diesbezüglich eine anfechtbare Verfügung.
Frage
- Das Verfahren zieht sich hin. Welche Betreffnisse verjähren per 1. Januar 2023, wenn sie nicht vorher rechtskräftig würden?
3. Sachverhaltsvariante 2: Zurückkommen auf rechtskräftige Teile der EM
Die ESTV stellt im Rahmen des Bestreitungsverfahrens fest, dass ihr im Rahmen der Kontrolle bei der Cardea GmbH erhebliche Fehler unterlaufen sind. Anstatt einer Nachforderung im Zusammenhang mit Vermittlungsleistungen im Finanzbereich in der Höhe von CHF 1 Mio. wurden der Cardea GmbH lediglich CHF 5'000 nachbelastet. Die Cardea AG hat die CHF 5'000 vorbehaltlos bezahlt. Im offenen Streit liegen nur noch die Nachbelastungen im Zusammenhang mit nicht abgerechneten Bezugsteuern und Privatanteilen.
Frage
- Darf die ESTV im Rahmen des Bestreitungsverfahrens auf die Nachforderungen im Zusammenhang mit den Vermittlungsleistungen im Finanzbereich zurückkommen?
4. Sachverhaltsvariante 3: Teilrechtskraft im Einspracheverfahren
Im Einspracheverfahren beantragt die Cardea AG lediglich noch, dass die Nachbelastung im Zusammenhang mit den Privatanteilen aufzuheben sei. Bezüglich die Bezugsteuer stellt sie dagegen keine Begehren.
Fragen
- Erwächst die Nachforderung bezüglich die Bezugsteuer in Rechtskraft?
- Kann die ESTV trotz Fehlens eines Antrags der Cardea AG die Bezugsteuer zum Thema des Einspracheverfahrens machen?