Roger Rohner
Ralf Imstepf
Update zur Mehrwertsteuer (2023)
Workshop zu den Updates bei der Mehrwersteuer von Roger Rohner und Ralf Imstepf anlässlich des ISIS-Seminars «Unternehmenssteuerrecht 2023» vom 19./20. Juni 2023.
Fall 1: Eigene Aktien
Grundsachverhalt – Verkauf eigener Aktien
Die Lucky Shares AG mit Sitz in Zürich (MWST-registriert, effektiv und nach vereinbarten Entgelten abrechnend) bezweckt den Erwerb, die Gründung und den Verkauf von Unternehmen sowie deren Finanzierung.
Die Lucky Shares AG hält eigene Aktien, die zum einen unmittelbar aus vorgängigen Kapitalerhöhungen geschaffen worden sind und zum andern auf einem Aktienrückkaufprogramm beruhen. Sie will nun sämtliche Aktien zum Verkehrswert verkaufen. Im Zusammenhang mit diesem Verkauf entstehen vorsteuerbelastete Beratungs- und weitere administrative Kosten.
Frage
Wie ist der Verkauf der eigenen Aktien mehrwertsteuerlich zu beurteilen und welchen Einfluss hat er auf den Vorsteuerabzug der damit zusammen-hängenden Kosten?
Sachverhaltsvariante 1 – Trading
Die Lucky Shares AG ist börsenkotiert und betreibt neben ihren Investment-Tätigkeiten auch den Handel mit Wertpapieren. In ihrem Trading Department werden auch eigene Aktien an der Börse ge- und verkauft.
Frage
Wie ist der Verkauf der eigenen Aktien mehrwertsteuerlich zu beurteilen und welchen Einfluss hat er auf den Vorsteuerabzug der damit zusammen-hängenden Kosten?
Sachverhaltsvariante 2 – Verkauf von Aktien der Muttergesellschaft
Die Lucky Shares AG verkauft nicht ihre eigenen Aktien, sondern diejenigen ihrer Muttergesellschaft, der Mother Earth AG mit Sitz in Zürich.
Frage
Wie ist der Verkauf der eigenen Aktien mehrwertsteuerlich zu beurteilen und welchen Einfluss hat er auf den Vorsteuerabzug der damit zusammen-hängenden Kosten?
Sachverhaltsvariante 3 – Mitarbeiterbeteiligungen
Die Lucky Shares AG überträgt eigene Aktien an ihre Mitarbeiter im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms. Falls das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiter ohne eigenes Verschulden aufgelöst wird, besteht eine Rücknahmeverpflichtung der Lucky Shares AG zum Verkehrswert.
Die Lucky Shares AG übertragt darüber hinaus Aktien ihrer Tochtergesellschaft Little Daughter AG mit Sitz in Zug (alternativ ihrer Schwestergesellschaft Big Sis AG mit Sitz in Zug) unentgeltlich an ihre Mitarbeiter.
Frage
Wie ist der Verkauf der eigenen Aktien mehrwertsteuerlich zu beurteilen und welchen Einfluss hat er auf den Vorsteuerabzug der damit zusammen-hängenden Kosten?
Fall 2: Trusts
Sachverhalt 1 – Revocable Trusts
Die Plutos Privatbank AG (PPAG) mit Sitz in Zürich erbringt nicht-steuerausgenommene Dienstleistungen an Trusts. Kunde der PPAG ist auch der Aiolos Trust. Dieser wurde im Jahr 2015 von Devon Miles, einem britischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in London errichtet. Der Trust Deed (Errichtungsurkunde) ist zu entnehmen, dass sich Herr Miles ein Widerrufsrecht vorbehält. Begünstigte des Aiolos Trusts sind der in den USA lebende Sohn Bill Miles und seine in der Schweiz ansässige Schwester Ruth Müller-Miles. Als Trustee (Verwalter) wurde die Fides Trustees AG (FTAG) mit Sitz in Bern eingesetzt.
Frage
Unterliegen die von der PPAG erbrachten Dienstleistungen der schweizerischen Mehrwertsteuer?
Sachverhalt 2 – Irrevocable Trust
Gleicher Sachverhalt wie in Sachverhalt 1. Aber: Der Trust Deed (Errichtungsurkunde) ist kein Widerrufsrecht zu entnehmen. Sowohl Bill als auch Ruth haben gemäss Trust einen Anspruch auf USD 50'000 p.a.
Frage
Unterliegen die von der PPAG erbrachten Dienstleistungen der schweizerischen Mehrwertsteuer?
Sachverhalt 3 - Irrevocable Discretionary Trust
Gleicher Sachverhalt wie in Sachverhalt 1. Aber: Der Trust Deed (Errichtungsurkunde) ist kein Widerrufsrecht zu entnehmen. Bill und Ruth sind nicht als Begünstigte bezeichnet. Vielmehr obliegt es dem Trustee, die Begünstigen zu bestimmen. Der Trustee hat dies bisher noch nicht getan.
Frage
Unterliegen die von der PPAG erbrachten Dienstleistungen der schweizerischen Mehrwertsteuer?
Sachverhalt 4 - Irrevocable Discretionary Trust – Auffangklausel
Gleicher Sachverhalt wie in Sachverhalt 1. Aber: Der Trust Deed (Errichtungsurkunde) ist kein Widerrufsrecht zu entnehmen. Devon Miles hat bei der Errichtung seinen langjährigen Anwalt Michael Smith zum Protector des Trusts ernannt. Er soll sicherstellen, dass der Trustee das Trustvermögen zweckgemäss verwendet. Daneben hat Devon noch einen Letter of Wishes erstellt, in dem er sich zur zukünftigen Verwendung des Trustvermögens äussert. Bill und Ruth sind in der Trust Deed nicht als Begünstigte bezeichnet. Vielmehr obliegt es dem Trustee, die Begünstigen zu bestimmen. Der Trustee kann gemäss seinem Ermessen jederzeit eine Person oder Personengruppe dem Kreis der Beneficiaries hinzufügen. Der Trustee kann auch jederzeit jeden Beneficiary aus dem Kreis der Beneficiaries ausschliessen.
Trustee und Protector einigen sich in der Folge schriftlich darauf, dass sie das eingeräumte Ermessen in Bezug auf den Kreis der Beneficiaries nach den Angaben von Herrn Miles im Letter of Wishes ausüben wollen. Aus dem Letter of Wishes geht hervor, dass zwei natürliche Personen (Bill und Ruth) sowie eine NGO mit Sitz in London zum Kreis der Beneficiaries gehören sollen.
Frage
Unterliegen die von der PPAG erbrachten Dienstleistungen der schweizer-ischen Mehrwertsteuer?
Sachverhalt 5 – Bezugsteuer
Die Hoenir Private Bank Ltd. (HPB Ltd.) mit Sitz in London erbringt nicht-steuerausgenommene Dienstleistungen an Trusts. Kunde der HPB Ltd. ist auch der Aiolos Trust, für den die HPB Ltd. Dienstleistungen im Umfang von CHF 15'000 p.a. erbringt. Der Trust wurde im Jahr 2015 von Devon Miles, einem britischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in London unwiderruflich errichtet. Begünstigte des Aiolos Trusts sind der in den USA lebende Sohn Bill Miles und seine in der Schweiz ansäs-sige Schwester Ruth Müller-Miles, die beide jeweils als einzige Trustbegünstigte USD 50'000 p.a. erhalten. Als Trustee (Verwalter) wurde die Fides Trustees AG (FTAG) mit Sitz in Bern eingesetzt.
Frage
Unterliegen die Leistungen der HPB Ltd. der schweizerischen Mehrwertsteuer?
Falls ja, wie sind sie zu versteuern?
Fall 3: Gutscheine
Grundsachverhalt – Verkauf von Gutscheinen
Die Gastroevent GmbH mit Sitz in Luzern (MWST-registriert, effektiv und nach vereinbarten Entgelten abrechnend) verkauft im 2022 Gutscheine für ein Krimi-dinner zum Preis von CHF 400. Der Gutschein beinhaltet ein fünfgängiges Abend-essen mit Weinauswahl, wobei eine Schauspielgruppe die Teilnehmenden in einen Krimi involviert.
Der Gutschein kann an einem von mehreren, auf der Webpage ersichtlichen Terminen bis Ende 2023 eingelöst werden.
Der Geschäftsführer der Gastroevent GmbH hat in der MWST-Branchen-Info Nr. 8, Hotel- und Gastgewerbe, Ziff. 8.2, gelesen, dass die Verkäufe von Gutscheinen keine Leistungen gegen Entgelt darstellen und somit nicht zu versteuern sind.
Im Zeitpunkt der Einlösung der Gutscheine versteuert die Gastroevent GmbH das Entgelt, wobei sie CHF 300 zum Normalsatz abrechnet und CHF 100 für den Anteil der Schauspielgruppe zum reduzierten Satz von 2.5 %.
Frage
Ist dieses Vorgehen aus mehrwertsteuerlicher Sicht korrekt?
Sachverhaltsvariante 1 – Verkauf von Gutscheinen ohne Ende
Die Gutscheine für das Krimidinner müssen nicht bis Ende 2023 eingelöst werden, sondern gelten auch über 2023 solange, wie diese Krimidinner von der Gastro-event GmbH angeboten werden.
Frage
Ändert sich etwas an der mehrwertsteuerlichen Beurteilung?
Sachverhaltsvariante 2 – Silvesterzauber
Die Gastroevent GmbH verkauft ab März 2023 Gutscheine für den «Surprise Silvesterzauber 2023» für CHF 600. Versprochen wird «ein Silvesterabend, den Sie nie vergessen werden».
Die Planungen beginnen erst zu laufen. Das definitive Programm steht im Oktober 2023. Neben einem sechsgängigen Dinner mit Weinauswahl und Champagner ist ein bekannter Komödiant eingeplant, welcher das Publikum durch den Abend begleitet, ein grosses Feuerwerk sowie eine Tanzrevue nach Mitternacht.
Frage
Ist dieses Vorgehen aus mehrwertsteuerlicher Sicht korrekt?