Oliver Jäggi
Carolina Melly
Steuerliche Risiken und Chancen bei personenbezogenen Aktiengesellschaften
Workshop anlässlich des ISIS)-Seminars vom 2./3. März 2020 mit dem Titel «Unternehmenssteuerrecht 2020»
Fall 1 - Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit / Schenkung
Sachverhalt 1A: Dienstjahresgeschenk
Im Jahr 2012 leistete C unter dem Titel „Dienstjahresgeschenk“ Zahlungen von insgesamt CHF 32‘250 aus seinem Privatvermögen an das Ehepaar A und B, welches während vielen Jahren bei der E AG angestellt war. Die E AG gehörte zu 100% der D AG, welche wiederum zu 100% durch C gehalten wurde. C und das Ehepaar A und B waren Nachbarn. Ende 2010 verkaufte C sein Unternehmen D AG an F AG. A und B waren bis Ende 2011 bzw. Juni 2012 bei der E AG angestellt. Zum Zeitpunkt der Zuwendungen Ende 2012 bestand kein arbeitsrechtliches Verhältnis zwischen A und B und der E AG mehr, und auf den Zuwendungen wurden keine Sozialversicherungsabgaben entrichtet. C machte geltend, dass das Motiv der Zuwendungen darin bestand, aus persönlicher Beziehung «Freude zu schenken» und nicht die Mitarbeiter zu motivieren.
Fragen
- Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Schenkung vorliegt?
- Inwiefern steht das Arbeitsverhältnis bzw. die persönliche Beziehung im Vordergrund?
- Wie ist die Zahlung von C steuerlich zu qualifizieren?
Sachverhalt 1B: Aktienverkauf / Preisnachlass
A war einer der fünf Gründungsmitglieder der D AG und seither für diese als Angestellter erwerbstätig. Die Gesellschaft wurde im Jahr 1988 gegründet und seither im dentalmedizinischen Bereich tätig. Die Gründungsaktionäre schlossen einen Aktionärsbindungsvertrag (ABV) ab. Dieser enthält u.a. eine Bewertungsformel im Fall eines Verkaufs eines Beteiligungsanteils unter den Aktionären (Formel nach der Praktiker- methode, einmal Substanzwert und zweimal Ertragswert). In den folgenden Jahren schieden zwei Aktionäre aus und verkauften ihre Beteiligungen an die übrigen Aktionäre. Mit Vertrag vom 20. Mai 2015 verkaufte ein weiterer Aktionär altershalber seine 60 Aktien je zur Hälfte an A sowie an den anderen verbleibenden Aktionär E. Der Kaufpreis betrug insgesamt CHF 1 Mio. bzw. CHF 16‘667 pro Aktie. Der Wert pro Aktie nach dem Formelwert ABV belief sich auf CHF 18'930, und nach der letzten amtlichen Bewertung für die Vermögenssteuer auf CHF 19'500.
Die Steuerverwaltung ging bei A von einem geldwerten Vorteil aus Mitarbeiterbeteiligung von CHF 67‘903 aus. Diesen Betrag rechnete sie gestützt auf der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem erwähnten Wert gemäss Formel ABV auf.
Fragen
- Welche rechtliche Grundlage kann für die Aufrechnung herangezogen werden und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
- Stellt die Differenz zwischen Kaufpreis und Formelwert steuerbares Einkommen dar?
Fall 2 - Indirekte Teilliquidation
Sachverhalt
Die C SA hat ein Aktienkapital von CHF 600’000 (bestehend aus 600 Aktien zu einem Nennwert von je CHF 1'000) und wird zu 30% gehalten von der natürlichen Person F und zu 70% von der Gesellschaft E SA. Im Jahr 2006 stirbt F, und seine drei Kinder A, G und J und die Witwe B des vorverstorbenen vierten Kindes H erhalten je 7.5% Aktien an der C SA. Im Jahr 2010 verkaufen A, B, G und J ihre Aktien (180 Aktien, 30%) an der C SA an die I SA für einen Kaufpreis von insgesamt CHF 1.8 Mio. (Kaufpreis von CHF 10'000 pro Aktie). Die I SA wird zu 50.2% von G und zu 49.8% von J gehalten. Im Jahr 2013 beschliesst die E SA eine ausserordentliche Dividende der C SA von CHF 5 Mio. Im Zeitpunkt des Verkaufs der Aktien im Jahr 2010 verfügt die C SA insgesamt über ausschüttungsfähige Reserven von CHF 4'113'625 und über nicht betriebsnotwendige Substanz von CHF 3.5 Mio.
Frage
Welche Steuerfolgen ergeben sich für A, B, G und J aus dem Verkauf der Aktien an der C SA und der Substanzdividende der C SA?
Fall 3 – Dreieckstheorie / Faktische Organschaft
Sachverhalt
Für das Jahr 2005 deklarierte A Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit als Verkaufsleiter bei der B SA in der Höhe von CHF 128‘726 und wurde im Jahr 2007 rechtskräftig veranlagt. Im Jahr 2013 eröffnete die Steuerverwaltung ein Nachsteuer- und Steuerhinterziehungsverfahren gegen A. Hintergrund dieses Verfahrens waren Einkünfte, die A von der C GmbH erhalten hatte. Namentlich bezahlte die C GmbH in diesem Jahr auf Veranlassung von A eine Familienreise ins Disneyland in Paris, die Leasingrate für ein Fahrzeug der Marke BMW, welches privat genutzt wurde, und zwei Bang & Olufsen- Anlagen. Die Schwester von A ist Teilhaberin der C GmbH und formelle Geschäftsführerin. Mit Verfügung vom 10. Februar 2015 auferlegte die Steuerverwaltung A Nachsteuern in der Höhe von 16‘328 und Bussen in der Höhe von CHF 19‘595. A erhob dagegen Einsprache und gelangte dann nach Abweisung der Einsprache mit Rekurs und Beschwerde an die Steuerrekurskommission. Diese sistierte das Nachsteuerverfahren und hiess den Rekurs und die Beschwerde von A gegen die Steuerbusse gut. Dagegen erhob die Kantonale Steuerverwaltung Beschwerde.
Fragen
- Sind A die Leistungen der C GmbH einkommensteuerlich zuzurechnen?
- Sind die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung bei A erfüllt?
Fall 4 – Zusatzabzug für F&E
Sachverhalt
Die X AG ist ein KMU und im Bereich der Produktion und des Verkaufs von Verpackungsmaterial tätig. Die Gesellschaft will sich in einem Nischenmarkt der nachhaltigen und ökologisch abbaubaren Verpackungen positionieren. Dafür verfügt die Gesellschaft über vier Mitarbeiter, welche an der Entwicklung von neuen Verpackungslösungen arbeiten. Das Pensum dieser Mitarbeiter beträgt 380% und die jährlichen Lohnkosten inkl. Sozialversicherung belaufen sich auf CHF 600'000. Die Gesellschaft beauftragt eine Universität in der Schweiz sowie eine Universität im Ausland, Untersuchungen durchzuführen. Die Kosten dafür betragen im Geschäftsjahr jeweils CHF 100'000. Die Aufwendungen für die Beschaffung von Büro- und Laboreinrichtungen für die vier Mitarbeiter betrugen in den letzten fünf Jahren CHF 500'000. Im betreffenden Geschäftsjahr werden für die Marktforschung CHF 200'000 ausgegeben. Die Gesellschaft ist in einem Kanton ansässig, der einen Zusatzabzug für F&E von 50% und eine Entlastungsbegrenzung von 70% vorsieht.
Die Erfolgsrechnung der Unternehmung präsentiert sich wie folgt:
Frage
Kann die X AG den Zusatzabzug für F&E geltend machen und wenn ja, wie wird dieser berechnet und welche Aspekte müssen beachtet werden?