Robert Desax
Steuerliche Herausforderungen bei Geschäftsimmobilien
Workshop von Robert Desax anlässlich des ISIS)-Seminars vom 12. November 2024 mit dem Titel «Steuerliche Herausforderungen bei Geschäftsimmobilien»
Fall 1: Gesamtumstände und Absicht beim Liegenschaftserwerb
1. Sachverhalt01
Herr und Frau A wohnen im Kanton ZH. Herr A ist Inhaber eines Maler- und Gipsergeschäfts. Über einen Zeitraum von 30 Jahren haben er und seine Frau sechs Liegenschaften erworben. Im Jahr 2011 haben die Eheleute A eine Liegenschaft in der Gemeinde X für CHF 750'000 gekauft. Den Erwerb haben sie damals einerseits über eine Hypothek (CHF 500’000) finanziert. Andererseits haben sie ihre Lebensversicherung als Sicherheit hingegeben (total CHF 250’000). Sie halten diese Liegenschaft (wie die übrigen auch) als Kapitalanlage. Sie wünschen, ihr Vermögen so zu erhalten und beabsichtigen, dass es in dieser Form eines Tages von ihren Töchtern geerbt werden soll. Die Hälfte des Vermögens des Ehepaars A ist in Immobilien investiert.
Ende 2023 kontaktiert die Pensionskasse B Herrn und Frau A. Die Pensionskasse B ist Eigentümerin der Nachbarsparzelle in der gleichen Bauzone in X. Sie plant eine grössere Überbauung und ist daher an der Liegenschaft des Ehepaars A sehr interessiert (Erschliessung und Ausnützungsübertragung). Die Pensionskasse B macht daher Herrn und Frau A ein unerwartet attraktives Angebot. Diese entscheiden sich zum Verkauf und veräussern die Liegenschaft für CHF 2’600'000 an die Pensionskasse B. Ihre anderen Liegenschaften behalten sie weiterhin.
Das Steueramt ZH veranlagt für die direkte Bundessteuer und nach Abzug einer AHV-Rückstellung und der An- und Verkaufskosten ein steuerbares Einkommen von CHF 1.8 Mio. aus dem Verkauf.
Fragen
- Welche Indizien werden im Allgemeinen als Ausdruck von Gewerbsmässigkeit angesehen? Müssen stets alle Indizien erfüllt sein?
- Was spricht seitens A für Gewerbsmässigkeit?
- Was spricht dagegen?
01 Urteil des BGer 2C_702/2021 vom 21. April 2022; siehe dazu auch Urteil des BGer 2C_643/2021 vom 13. Oktober 2022, E. 8.
Fall 2: Umstände während der Haltedauer
1. Sachverhalt02
Die Ehegatten A.A. und B.A. wohnen im Kanton ZH und besitzen weitere Liegenschaften in diversen Kantonen (eine selbstbewohnte Wohnung in ZH, die übrigen sind Kapitalanlageliegenschaften). A arbeitet in einer baunahen Branche.
2012 erwerben A.A. und B.A. eine Liegenschaft (Mehrfamilienhaus) im Kanton SO für CHF 3.5 Mio. Die Hypothek beträgt CHF 2.6 Mio. (75%). Während der Haltedauer ab 2012 findet eine intensive eigene Bewirtschaftung der Liegenschaft durch A.A. und B.A. statt (diverse Fahrten vor Ort und Büroarbeiten, Besprechungen mit dem Hauswart, Streitschlichtung unter den Mietern, Vornahme und/oder Koordination von Reparaturen, Wohnungsübergaben, Kontrollaufgaben etc.). Der Aufwand wird ihnen aber irgendwann zu viel und sie delegieren die Immobilienverwaltung an einen Dritten. Ihre Verwaltungskosten werden über die Jahre steuerlich zumindest zum grossen Teil nicht zum Abzug zugelassen.
Im Jahr 2017 verkaufen sie die Liegenschaft in SO für CHF 4.3 Mio. Der Verkauf ist offenbar unter anderem auch das Resultat grösserer persönlicher Bemühungen von A.B. (umfangreiche [auch steuerliche] Vorabklärungen, Erstellung von Verkaufsdokumentationen, Einholen von Inserat-Offerten, Durchführung von Besichtigungen). Es ist das erste Mal, dass A.A. und B.A. überhaupt eine Liegenschaft verkaufen.
Das Steueramt ZH veranlagt A.A. und B.A. für die direkte Bundessteuer und nach Abzug einer AHV-Rückstellung und der An- und Verkaufskosten auf ein steuerbares Einkommen von CHF 500’000 aus dem Verkauf.
Fragen
- Ist es relevant, dass die Liegenschaft während der Haltezeit offenbar stets als Privatvermögen qualifiziert wurde?
- Was spricht seitens A.A. und B.A. für Gewerbsmässigkeit?
02 Urteil des BGer 2C_643/2021 vom 13. Oktober 2022.
Fall 3: Einfache Gesellschaft, Fremdfinanzierung, Systematisches Vorgehen
1. Sachverhalt03
A besitzt insgesamt acht Liegenschaften im Alleineigentum. Drei weitere, in den Jahren 2006, 2010 und 2011 erworbene Liegenschaften hält A gemeinsam mit B im Gesamteigentum (in einer einfachen Gesellschaft). Im Jahr 2006 hatte A eine Liegenschaft für CHF 2.1 Mio. erworben, die er 2008 in eine einfache Gesellschaft mit B eingebracht hat. B ist ein langjähriger Freund und Geschäftspartner. B bringt namentlich das nötige Immobilien-Knowhow mit.
Beim Erwerb seiner Immobilien verfolgt A jeweils die gleiche, klare Finanzierungsstrategie: Er sucht und erwirbt gezielt Liegenschaften, deren Verkehrswert über dem Kaufpreis liegt. Die betreffende Differenz ermöglicht es A, gegenüber den Banken den Nachweis der für die Erteilung der Hypotheken erforderlichen «Eigenmittel» aufzubringen. Diese «stillen Reserven» dienen aus Sicht der Bank somit als Equity. De facto braucht A keine eigenen liquiden Mittel für die Käufe.
Im Jahr 2019 zerstreiten sich A und B und möchten künftig getrennte Wege gehen. Sie verkaufen die gemeinsam gehaltenen Liegenschaften. Die vorliegend strittige Liegenschaft aus dem Jahr 2006 wird für CHF 7.4 Mio. verkauft.
Das Steueramt ZH stuft A und B als gewerbsmässige Liegenschaftenhändler ein und unterstellt den Verkaufsgewinn der direkten Bundessteuer. A führt dagegen unter anderem aus, er sei entgegen der Auffassung des Steueramtes gar nicht zu 100% fremdfinanziert. Für diese Bemessung des Fremdfinanzierungsgrades seien die Verkehrswege massgeblich. Aufgrund der jeweiligen Objekte sei auch klar gewesen, dass sich der Verkehrswert relativ leicht realisieren lässt, was zeigt, dass sein Risiko gar nicht so gross gewesen sei. Die einfache Gesellschaft habe nicht den Immobilienhandel zum Zweck gehabt, sondern leidglich das Halten und Verwalten von Liegenschaften. Zudem habe er die Liegenschaft gar nie verkaufen wollen, sondern er sei lediglich aufgrund des bedauerlichen Streits mit seinem Geschäftspartner dazu gezwungen gewesen.
Fragen
- Ist die Finanzierungsfrage im Allgemeinen eine Sach- oder eine Rechtsfrage? Wie verhält es sich hier?
- Ist der Verweis auf äussere Umstände, die zum Verkauf zwingen, hilfreich?
- Wie wird der Zusammenschluss zu einer einfachen Gesellschaft in diesem Zusammenhang gewertet?
03 Betreffend A: Urteil des BGer 9C_632/2023 vom 22. Januar 2024; betreffend B: Urteil des BGer 9C_613/2023 vom 22. Januar 2024.
Fall 4: Geschäftsliegenschaft und Nachfolgeplanung
1. Sachverhalt
A (75-jährig) ist pensionierter Bäcker und Witwer. Seine vier Kinder sind erwachsen. Alle Beteiligten wohnen im Kanton ZH. A hält noch die Zürcher Liegenschaft seiner ehemaligen und mittlerweile geschlossenen Bäckerei im Geschäftsvermögen. Diese Liegenschaft ist vermietet. a zahlt daher auch – trotz seines Alters – die AHV auf den Mieterträgen.04
A möchte seinen Nachlass ordnen. Die Liegenschaft soll dabei langfristig auf seine vier Kinder übergehen. Jedes Kind soll den gleichen Anteil erhalten.
A schweben die folgenden alterativen Möglichkeiten vor:
- Er schenkt die Liegenschaft den Kindern direkt zu Lebzeiten;
- Er vererbt die Liegenschaft den Kindern von Todes wegen;
- Er nimmt eine Privatentnahme vor und bringt die Liegenschaft in eine neue Immobiliengesellschaft ein. Diese vererbt er dann seinen Kindern;
- Er nimmt eine Privatentnahme vor und verkauft die Liegenschaft zum Anlagewert an eine neue Gesellschaft, die ihm und seinen vier Kindern bereits zu gleichen Teilen gehört05
Fragen
- Was passiert bei der Schenkung oder dem Vererben einer Immobilie aus dem Geschäftsvermögen?
- Kann A einen Steueraufschub nach Art. 18a DBG geltend machen?
- Kann A die Immobiliengesellschaft seinen Kindern vererben oder verkaufen?
- Was wäre beim Verkauf der Liegenschaft auf eine Gesellschaft zu bedenken, an der jeder der Beteiligten zu 20% beteiligt ist?
04 Vgl. den Fall im Urteil des BGer 9C_897/2013 vom 27. Juni 2014.
05 Vgl. den Fall im Urteil des BGer 9C_335/2023 vom 26. Oktober 2023.