Martin Dubach
Fabienne Limacher
Sanierung u. Umstrukturierungen / Verlustnutzungsstrategien
Workshop von Martin Dubach und Fabienne Limacher anlässlich des ISIS)-Seminars vom 20. April 2021 mit dem Titel «Steuerliche Aspekte der Unternehmensfinanzierung, einschliesslich Sanierungsthemen»
Fall 1: Verlustvorträge und Umstrukturierungen
Sachverhalt
Die A-Gruppe ist in der Herstellung und im Vertrieb vonUhren tätig. Die Holdinggesellschaft der Gruppe, die A HoldCo BV, hat Sitz in den Niederlanden und hält unter anderem die A AG mit Sitz in Zürich und die BAG mit Sitz in Freiburg.
Während die A AG die exklusiven weltweiten Lizenz- undVertriebsrechte für diverse Uhrenmarken im Tiefpreissegment hat, ist die B AG im high-end Luxussegment tätig. Die B AG erwirtschaftet seit einigen JahrenVerluste (aktuelle Summe an steuerlich verrechenbaren Verlustvorträgen: CHF 7Mio.) und hat in der Folge im Jahre 2019 die Produktion von Luxusuhren eingestellt. Sie verfügt jedoch noch über das patentgeschützte Design und einLager mit der technischen Ausrüstung zur Uhrenherstellung, diversen fertiggestellten, aber noch nicht verkauften Uhren sowie Uhrenbestandteilen undErsatzteilen. Die B AG ist daran, die noch vorhandenen Uhren anlässlich von Uhrenauktionen an Sammler und Liebhaber zu verkaufen. Dabei können jeweils nur wenige Stücke zugleich an Auktionen gebracht werden, da ansonsten aufgrund des sehr kleinen Marktes der erzielbare Preis zusammenbrechen würde.
Im Rahmen einer gruppeninternen Umstrukturierung ist geplant, dass die A AG mittels Absorptionsfusion die B AG absorbiert. DieBilanzen der beiden Gesellschaften präsentieren sich vor der Fusion wie folgt:
A AG:
B AG:
Vorliegend sei unterstellt, dass bei der B AG keine stillen Reserven bestehen.
Fragen
- Ist die Übertragung von Verlustvorträgen bei vorgängiger Betriebsaufgabe möglich? Welche Kriterien gilt es dabei zu beachten?
- Welche Steuerfolgen ergeben sich für die A AG, die B AG sowie die Aktionärin HoldCo BV?
- Ändern sich die Steuerfolgen, wenn die B AG mittels Absorptionsfusion die gesunde A AG übernimmt?
- Variante: Die noch vorhandenen Aktiven der B AG mit einem Buchwert von CHF 2 Mio. haben einen Verkehrswert von CHF 4 Mio. Die A AG übernimmt mittels Absorptionsfusion die kranke B AG und dabei sollen die stillen Reserven im Umfang von CHF 1 Mio. aufgedeckt werden. Hat die Aufdeckung der stillen Reserven Auswirkungen auf die Verlustübernahme?
Variante
Die A-Gruppe verfügt über eine weitere nahestehende Konzerngesellschaft, die C AG mit Sitz in Zürich, welche sehr profitabel ist. Im Zuge einer Umstrukturierung kauft C AG 100% der Aktien an der mit B AG fusionierten A AG, da sie u.a. am Lager mit der technischen Ausrüstung, den Uhren sowie Uhrenbestandteilen und Ersatzteilen interessiert ist. Sie bezahlt dafür CHF 13.4 Mio., bestehend aus dem Aktivenüberschuss von CHF 12 Mio. zuzüglich CHF 1.4 Mio. (entsprechend dem Steuersatz von 20% multipliziert mit der Summe an Verlustvorträgen von CHF 7 Mio., welche noch genutzt werden können und gemäss Veranlagungsmitteilung der Steuerverwaltung Freiburg auch in diesem Betrag so ausgewiesen sind) als mutmasslichen Verkehrswert. Die Verlustvorträge stammen aus sieben dem Fusionszeitpunkt vorangegangenen Geschäftsjahren der B AG, inkl. einem überlangen Gründungsjahr (n-8). Stille Reserven gibt es bei A AG annahmeweise keine. Kurz im Anschluss wird entschieden, (anstatt eines Asset Deals mit anschliessender Liquidation) A AG und C AG zu fusionieren (up-stream-merger). Als Folge davon sollen alle Verlustvorträge im gleichen Geschäftsjahr mit C-Gewinnen verrechnet und der Fusionsverlust über fünf Jahre abgeschrieben werden. Betreffend Übernahme der Verlustvorträge wird vom Steuerberater empfohlen, ein Steuerruling zu erstellen, welches seitens Kantonales Steueramt Zürich (“KSTA ZH”) auch genehmigt wird.
Fragen
- Welche Steuerfolgen hat die Absorptionsfusion für die A AG und C AG?
- Im Rahmen der Veranlagungsgespräche kommt das KSTA ZH auf das Steuerruling zu sprechen. Es erwägt, dass das geplante Vorgehen im Hinblick auf eine Steuerumgehung geprüft werde. Der Inhouse Steuerexperte ist der Auffassung, dass aufgrund der Bindungswirkung des Steuerrulings kein Risiko bestehe. Ist das richtig?
- Im Rahmen der Veranlagungsgespräche kommt das KSTA ZH auf die Höhe der Verlustvorträge und auf den Fusionsverlust zu sprechen, welche beide nicht Gegenstand des Steuerrulings waren. Wie sind diese zu behandeln?
- Der Inhouse-Steuerexperte hat den verrechnungssteuerpflichtigen Fusionsverlust nicht gemeldet. Ist das ein Problem?
Fall 2: Verlustnutzungsstrategien
Sachverhalt
Die Schönwetter AG, mit Sitz in Zürich, ist pandemiebedingt in die Verlustzone geraten, aber weder überschuldet noch mit Kapitalverlust. In ihrer Bilanz befindet sich ein aktiviertes Grundstück (Buchwert=Kaufpreis=Anlagekosten), welches in den letzten Jahren eine deutliche Wertsteigerung erfahren hat. Daneben verfügt die Schönwetter AG über eine originär geschaffene Marke, welcher nicht bilanziert, aber weltweit in verschiedenen Markenregistern (u.a. über EU-Register in Deutschland) eingetragen ist. Hinzu kommt, dass sie eine sehr werthaltige 5%-Beteiligung an der Schlechtwetter AG hat, welche zum Anschaffungswert bilanziert ist. Nicht zuletzt ist immer wieder das angeblich nicht mehr werthaltige und wertberichtigte Aktionärsdarlehen (Aktivdarlehen) der Schwestergesellschaft Tauwetter AG, mit Sitz in Basel, ein Thema, welche sie übernehmen könnte. Schön- und Tauwetter AG werden von einer deutschen Gesellschaft gehalten, welche ebenfalls in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt.
Alle Gesellschaften haben die Hoffnung, den Turnaround zu schaffen, so dass wieder Gewinne, insbesondere bei den schweizerischen Gesellschaften, erwartet werden. Da eine Re-Dimensionierung stattfinden wird, werden aber die erwarteten Gewinne auf Ebene der Schönwetter AG nicht ausreichen, um alle Verlustvorträge zu nutzen. Daran hat der CFO keine Freude, da die Revisionsfirma das gebildete DTA (= ETR x Summe der Verlustvorträge) im Rahmen des jährlichen Werthaltigkeitstests korrigieren will, was die Eigenkapitalbasis entgegen seinen Erwartungen schmälert. Um die (in Zukunft wohl verfallenden) Verlustvorträge nutzen zu können, wird deshalb nach Möglichkeiten gesucht.
Zu diesem Zweck sind folgende Vorgehen vom Inhouse-Steuerexperten geplant und durch Sie als Steuerberater auf steuerrechtliche Vorteile, Nachteile, Chancen und Risiken zu prüfen (SWOT-Analyse):
- Sacheinlagegründung einer Brand Management Gesellschaft mit Sitz in Zug und Verkauf der Schönwetter-Trademark zum Verkehrswert
- Kauf des nicht mehr werthaltigen Aktionärsdarlehens
- Verkauf der 5%-Beteiligung an der Schlechtwetter AG an eine Konzerngesellschaft
Fragen
- Zu welchem Schluss kommen Sie für die angedachten Ideen?
- Der Schönwetter AG geht es immer schlechter und sie verfügt mittlerweile über einen Kapitalverlust. Im Übrigen sind die ersten Verlustvorträge bereits verfallen. Der Inhouse Steuerexperte hat die Idee, dass eine Aufwertung des Grundstücks möglich ist. Hat er Recht und was sind die Steuerfolgen? Könnte bei der Aufwertung der Aktiven mit Marktpreis auf das Niveau der Verkehrswerte von der erweiterten Verlustverrechnungsmöglichkeit im Sinne von Art. 67 Abs. 2 DBG Gebrauch gemacht werden?
Fall 3: Verlustnutzungsstrategien bei Grundstücken
Sachverhalt
Die HoldCo hält jeweils eine Beteiligung von 100% an der Bau AG, eine im Bauzuliefererbereich tätige, operative Gesellschaft mit modernen Produktionsanlagen, sowie an der Immo AG, welche ein Liegenschaftenportfolio hält.
Die Bau AG erwartete infolge der Pandemie, der zwischenzeitlich eingestellten Bautätigkeit auf Kundenseite und eines Produktionsstillstands infolge eines Unterbruchs der Lieferkette bei den eigenen Lieferanten einen operativen Verlust für das Geschäftsjahr 2020. Aufgrund des erwarteten negativen Geschäftsgangs hat die Bau AG im Laufe des Jahres 2020 ihre in einem monistischen Kanton gelegene Betriebsliegenschaft an die Immo AG zum Verkehrswert von CHF 12 Mio. veräussert und die benötigten Produktions-, und Bürogebäude wieder zurückmietet («sale & lease back» bzw. «carve out»). Die Bau AG hatte die Betriebsliegenschaft vor 30 Jahren zu einem Preis von CHF 1.5 Mio. gekauft und danach wertvermehrende Investitionen von CHF 4 Mio. getätigt. Der Verkehrswert der Liegenschaft vor 20 Jahren beträgt CHF 6.5 Mio.
Infolge der Veräusserung der Liegenschaft erzielte die Bau AG letztlich im Jahre 2020 einen Reingewinn von CHF 6 Mio. (der operative Verlust belief sich auf CHF 1 Mio. und der Buchgewinn aus dem Grundstückverkauf auf CHF 7 Mio.). Die Bau AG hat zudem steuerliche Verlustvorträge aus den Vorjahren von CHF 5 Mio.
Zusammengefasst sind die massgeblichen Faktoren bei der Bau AG im Jahre 2020 wie folgt:
Fragen
- Mit welchen Steuerfolgen hat die Bau AG im Jahre 2020 zu rechnen, wenn ihr Sitz sowie die Produktionsliegenschaft
- Im Kanton Zürich;
- Im Kanton Basel-Landschaft; oder
- Im Kanton Bern gelegen ist.
- Wie hat die Bau AG in verfahrensrechtlicher Hinsicht vorzugehen?
- Was für Vor- und Nachteile hat der beabsichtigte Verkauf für die Bau AG und die Immo AG?
Fall 4: Verlustvorträge und teilweise steuerneutrale Umstrukturierungen
Sachverhalt
Der inländischen Alpenrose AG, welche in der Luftfahrtbranche tätig und spezialisiert auf Reisen in die USA ist, geht es nicht gut. Sie ist unverschuldet durch den Ausbruch einer Pandemie seit 2014 in der Verlustzone, auch wenn die Anstrengungen der Geschäftsleitung zum Turnaround mittlerweile dazu geführt haben, dass die erzielten Verluste seit einigen Jahren nur noch minimal sind. Da auch im Jahr 2021 ein kleiner Verlust oder sogar erstmals ein ausgeglichenes Resultat (“rote Null”) erwartet wird, drohen die Verlustvorträge im Umfang von CHF 20 Mio. aus dem Jahr 2014 zu verfallen. Zu diesem Zweck verkauft die Alpenrose AG ihrer inländischen Schwestergesellschaft (Alpenblüte AG), welche auch in der Luftfahrtbranche tätig und spezialisiert auf Reisen nach Afrika ist, zwei Ersatztriebwerke zum Preis von CHF 30 Mio. Die Ersatztriebwerke können sowohl bei der Flotte von Alpenrose AG als auch von Alpenblüte AG zum Einsatz kommen. Der Verkehrswert dieser Vermögenswerte beträgt CHF 50 Mio. (je CHF 25 Mio.), der Gewinnsteuerwert zusammen CHF 10 Mio. (je CHF 5 Mio.). Der Preis ist bewusst so gewählt, um die verfallenden Verlustvorträge bei Alpenrose AG zu retten, aber bei Alpenblüte keine unnötigen Steuerfolgen auszulösen. Beide Gesellschaften sind 100%-Tochtergesellschaften der Alpen Holding AG.
Fragen
- Ist eine solche teilweise steuerneutrale Umstrukturierung möglich und was ist dabei zu beachten?
- Falls dies nicht möglich ist: was gibt es für Alternativen?
Variante
Das zuständige Steueramt gibt kein Steuerruling; allerdings sind die Gesellschaften überzeugt, dass die Transaktion teilweise steuerneutral durchgeführt werden kann. Im Nachgang entsteht ein Rechtsstreit, welcher über alle Instanzen gezogen wird. In der Zwischenzeit vergehen Jahre, so dass das Steueramt jedes Jahr wieder ein Schreiben an die Gesellschaften machte, welches der Unterbrechung der laufenden Verjährungsfrist diente und die Veranlagungsverfügungen in Aussicht stellte. Dabei werden nur die Steuernummer und der Ort genannt, aber nicht einmal der Name der Steuerpflichtigen ist enthalten.
Frage
Reicht das Vorgehen des Steueramtes, um die Verjährung zu unterbrechen?