Oliver Oppliger
Rückerstattung in internationalen Verhältnissen – aktuelle Praxis und Problemfelder
Workshop von Oliver Oppliger anlässlich des ISIS)-Seminars vom 21. Oktober 2024 mit dem Titel «Rückerstattung in internationalen Verhältnissen – aktuelle Praxis und Problemfelder»
Fall 1: Familienstiftung
1. Sachverhalt
Herr X mit Wohnsitz und unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland errichtete im Jahr 2010 die Y Foundation, eine Familienstiftung mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein. Anlässlich der Stiftungserrichtung widmete Herr X der Y Foundation eine 100%-Beteiligung an der SwissCo, einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und tatsächlicher Verwaltung in der Schweiz, die er bis dahin in seinem Privatvermögen gehalten hat.

Die Y Foundation unterliegt im Fürstentum Liechtenstein der ordentlichen Gewinnsteuer (und somit nicht der Besteuerung als private Vermögensstruktur). Herr X ist zu Lebzeiten der einzige Begünstigte der Y Foundation und Mitglied im Stiftungsrat. Er verfügt aufgrund der Statuten ausserdem über das Recht, die Y Foundation jederzeit wieder aufzulösen und das Stiftungsvermögen an sich zurückzuführen.
Im März 2024 beschliesst die Generalversammlung der SwissCo eine Dividendenausschüttung in der Höhe von CHF 100'000 mit Fälligkeit per 15.4.2024. Am 1.4.2024 deklariert SwissCo die Dividende gegenüber der ESTV mittels Form. 103 und beantragt durch gleichzeitige Einreichung des Gesuchs auf Form. 823B das Meldeverfahren auf der Dividende an die Y Foundation.
Fragen
- Wird die ESTV dem Gesuch um Meldung statt Entrichtung von SwissCo stattgeben?
- Hätte auf den Dividenden von SwissCo auch schon vor Inkrafttreten des DBA-FL per 1. Januar 2017 eine Rückerstattung der Verrechnungssteuer geltend gemacht werden können?
Fall 2: Darlehensvertrag
1. Sachverhalt
Die X Holding AG mit Sitz und unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland veräusserte am 1.1.2022 die bisher direkt gehaltene 100%-Beteiligung an SwissCo, einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und tatsächlicher Verwaltung in der Schweiz, zum Verkehrswert gegen Darlehen an ihre Tochtergesellschaft Y AG mit Sitz und unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland.

Dem zwischen X Holding AG und Y AG abgeschlossenen Darlehensvertrag ist zu entnehmen, dass die Y AG der X Holding AG jeweils per 31.12. einen Zins in der Höhe der von SwissCo im entsprechenden Kalenderjahr beschlossenen Bruttodividende(n) zu entrichten hat.
Am 1.6.2023 beschliesst SwissCo eine Bruttodividende von CHF 100'000 zu Gunsten von Y AG. Am 31.12.2023 bezahlt Y AG der X Holding AG vertragsgemäss einen Zins von CHF 100'000.
Fragen
- Kann der Y AG die vollständige Rückerstattung der Verrechnungssteuer gemäss Artikel 10 Absatz 3 DBA-D bzw. SwissCo die Anwendung des Meldeverfahrens gewährt werden?
- Wie wäre der Sachverhalt zu beurteilen, wenn die X Holding AG ihren Sitz nicht Deutschland, sondern in Frankreich hätte?
Fall 3: Altreservenpraxis
1. Sachverhalt
Herr X, eine natürliche Person mit Wohnsitz in Monaco, legt die bisher direkt gehaltene 100%-Beteiligung an SwissCo, einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und tatsächlicher Verwaltung in der Schweiz, per 1.1.2023 mittels Sacheinlage zum Verkehrswert von CHF 1 Mio. in die Y SA, eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und unbeschränkter Steuerpflicht in Frankreich, ein.

Der Gesellschaftszweck der Y SA ist das Halten und Verwalten von Beteiligungen. Sie unterliegt in Bezug auf die Dividenden von SwissCo keiner vertraglichen Weiterleitungsverpflichtung. Neben der Beteiligung an SwissCo hält Y SA keine weiteren Beteiligungen. Ihr Eigenkapitalisierungsgrad beläuft sich auf 100%.
Im Zeitpunkt der Einlage in die Y SA liegen bei SwissCo handelsrechtlich ausschüttbare, nicht betriebsnotwendige Mittel in der Höhe von CHF 200’000 vor.
Am 15.4.2024 schüttet SwissCo eine Bruttodividende von CHF 100'000 an Y SA aus und beantragt mittels Gesuchs auf Form. 823B die Anwendung des Meldeverfahrens auf der Basis des DBA-F.
Fragen
- Liegt hier ein Anwendungsfall der Altreservenpraxis vor?
- Wäre der Sachverhalt anders zu beurteilen, wenn die Y SA lediglich einen Eigenkapitalisierungsgrad von 30% aufweisen würde, jedoch noch weitere Beteiligungen in Spanien, Deutschland und Grossbritannien mit einem Verkehrswert von insgesamt CHF 5 Mio. halten würde?
Fall 4: Altreserven bei einer Tochtergesellschaft
1. Sachverhalt
Im Rahmen einer konzerninternen Umstrukturierung überträgt X Ltd., eine Kapitalgesellschaft mit Sitz auf den Cayman Islands, per 31.3.2024 eine bisher direkt gehaltene 100%-Beteiligung an der inländischen HoldCo an Y NV, eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und unbeschränkter Steuerpflicht in den Niederlanden.

Die Y NV erfüllt unter dem Vorbehalt von Altreserven sämtliche Voraussetzungen für eine vollständige Entlastung von der Verrechnungssteuer gemäss Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe a DBA-NL.
Zu den Aktiven der HoldCo gehört auch eine 80%-Beteiligung an der inländischen OpCo.
Der (vereinfachte) Jahresabschluss von HoldCo weist per 31.12.2023 folgende Zahlen aus:

Der (vereinfachte) Jahresabschluss von OpCo per 31.12.2023 sieht wie folgt aus:

Frage
- Auf welchen Betrag beläuft sich die Höhe der Altreserven von HoldCo per 31.3.2024?