Oliver Jäggi
Carolina Melly
Aktuelle Probleme der Besteuerung von Aktiengesellschaft und Aktionär (2019)
Workshop anlässlich des ISIS)-Seminars vom 3./4. Juni 2019 mit dem Titel «Aktuelles zum Unternehmenssteuerrecht»
Fall 1: Quasifusion / Transponierung
Sachverhalt
A ist Unternehmer und hält diverse Beteiligungen, X zu 100%, Y zu 50% und Z zu 20% (alles operative Gesellschaften), und möchte diese in eine neue, von ihm zu 100% gehaltene Holdinggesellschaft H übertragen.
Die Bilanzen und Verkehrswerte (VW jeweils zu 100%) der Beteiligungen X, Y und Z sehen wie folgt aus.
Frage
Können die Beteiligungen X, Y und Z auf die neue Holdinggesellschaft H steuerneutral übertragen werden? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
Variante A
A will auch sein Wertschriften-Portefeuille (Anteile von unter 5%) mit einem Verkehrswert von 100 auf die Holdinggesellschaft H übertragen.
Frage
Kann das Wertschriften-Portefeuille auf die neue Holdinggesellschaft H steuerneutral übertragen werden? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
Variante B
Im Hinblick auf die Unternehmensnachfolge verkauft A seine Aktien an den Beteiligungen X, Y und Z zum Verkehrswert gegen ein Darlehen an die Gesellschaft H, welche zu 100% von seinem Sohn B gehalten wird. A überträgt dann das Darlehen unentgeltlich auf seinen Sohn B.
Frage
Wie beurteilen Sie die Transaktion aus steuerlicher Sicht?
Variante C
A überträgt seine Beteiligung X zum Verkehrswert an die von ihm unabhängige Aktiengesellschaft H und erhält als Gegenleistung Aktien von der Gesellschaft H mit einem Anteil von 12% (anteiliger Nennwert von 300, keine Kapitaleinlagereserven) und eine Barabfindung von 100 (d.h. weniger als 50% des Verkehrswertes der Beteiligung). H gibt im Rahmen einer Aktienkapitalerhöhung 8% neue Aktien aus und verwendet 4% eigene Aktien (anteiliger Verkehrswert 300, Buchwert 100). X schüttet nach einem Jahr eine Dividende an H.
Frage
Wie beurteilen Sie die Transaktion aus steuerlicher Sicht?
Variante D
Gleicher Sachverhalt wie C. Nach 4 Jahren wird die Gesellschaft X in die Gesellschaft H ohne massgebliche Mitwirkung von A fusioniert.
Frage
Wie beurteilen Sie die Transaktion aus steuerlicher Sicht?
Variante E
A überträgt seine Beteiligung X zum Verkehrswert an die von ihm unabhängige Aktiengesellschaft H und erhält als Gegenleistung Aktien von der Gesellschaft H mit einem Anteil von 6% (anteiliger Nennwert 150, keine Kapitaleinlagereserven) und eine Barabfindung von 550 (d.h. mehr als 50% des Verkehrswertes der Beteiligung).
Frage
Wie beurteilen Sie die Transaktion aus steuerlicher Sicht?
Fall 2: Durchgriff / Umqualifizierung in Lohn
Sachverhalt
Die A AG ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz und im Bereich der Verpackungsindustrie tätig. Herr Z ist alleiniger Aktionär der A AG und möchte seine Nachfolge planen. Nach diversen erfolglosen Gesprächen mit unabhängigen Dritten verkauft er das Unternehmen an seine Mitarbeiter. Da Herr Z in der Vergangenheit eine zentrale Rolle bei der Akquisition von Aufträgen hatte, vereinbaren die neuen Aktionäre und Herr Z, dass Herr Z in einer Anfangsphase die A AG weiterhin unterstützen und für abgeschlossene Neugeschäfte eine Kommission erhalten wird. Die Kommission beträgt 1% der für die A AG abgeschlossenen Aufträge. Herr Z wird seine Leistung gegenüber der A AG über seine Beratungsgesellschaft Z AG in Rechnung stellen. Er selber hat einen Arbeitsvertrag mit der Z AG und bezieht CHF 30’000 Lohn p.a., auf welchem er die Sozialabgaben abliefert.
Fragen
In 2016 vermittelt Herr Z der A AG Geschäfte im Umfang von CHF 50 Mio. und die Z AG stellt dafür eine Rechnung über CHF 500'000 aus.
- Welches sind die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung der Kommissionszahlung über CHF 500'000 zwischen der A AG und der Z AG?
- Sind die Voraussetzungen für eine Steuerumgehung bzw. vollständigen oder teilweisen Durchgriff erfüllt?
- Welches sind die steuerlichen Konsequenzen bei einem Durchgriff?
Variante A - Unterpreislicher Verkauf der A AG
Analog Basisszenario. Die A AG wurde für insgesamt CHF 7 Mio. an die Mitarbeiter verkauft. Der Substanzwert der A AG beträgt 10 Mio. CHF. Im Verkaufsvertrag wurde vereinbart, dass Herr Z berechtigt ist in den zwei Folgejahren Beratungsleistungen im Umfang von bis zu CHF 3 Mio. an A AG zu fakturieren.
Fragen
- Können die CHF 7 Mio. als Verkehrswert für den Verkauf der P AG akzeptiert werden?
- Wie sind die Kommisionszahlungen von 1% an die A AG unter diesem Aspekt zu beurteilen?
Variante B - Verwaltungsratshonorar
Analog Basisszenario. Herr Z wird nach dem Verkauf der A AG an seine Mitarbeiter weiterhin Verwaltungsrat der Gesellschaft sein. Sein Verwaltungsratshonorar von CHF 30'000 p.a. stellt er über seine Z AG in Rechnung.
Fragen
- Besonderheiten von Verwaltungsratshonoraren?
- Welches sind die steuerlichen Folgen?
Fall 3: Initial Coin Offering
Sachverhalt - Utility Token
Die Innovation GmbH ist ein IT Unternehmen und will eine neue digitale Plattform (Software) basierend auf der Blockchain Technologie zur effizienteren Abwicklung im internationalen Handel entwickeln. Zur Finanzierung der Plattform-Entwicklung beabsichtigt die Gesellschaft ein Initial Coin Offering („ICO“) durchzuführen. Auf der Ethereum-Blockchain sollen „Innova Token“ gegen Ethereum (ETH) ausgegeben werden. Gemäss den ICO Terms and Conditions beträgt der Ausgabepreis für ein Innova Token 0.00625 Ethereum, und es sollen 12‘000‘000 Innova Token ausgegeben werden. Die Token sollen mehrheitlich an Unternehmen im internationalen Handel (Exporteure, Importeure, Händler, Distributoren etc.) verkauft werden. Der ICO ist erfolgreich und sämtliche 12‘000‘000 Token werden ausgegeben.
Die Innova Token berechtigen den Halter die von der Innovation GmbH entwickelte Plattform zu nutzen. Darüber hinaus sind mit dem Token keine Mitwirkungs- oder Beteiligungsrechte verbunden. Es besteht kein Anrecht der Token-Halter auf eine Rückzahlung des einbezahlten Betrages.
Frage
Wie sehen die Steuerfolgen auf Stufe des Token-Emittenten und der Token-Halter aus – im Zeitpunkt des ICOs, der Projektentwicklung und eines späteren Verkaufs der Token?
Variante A - Asset Token
Die Innovation GmbH will die Software nach der Entwicklung Unternehmen im internationalen Handel gegen eine Lizenzgebühr zur Verfügung stellen. Gemäss den ICO Terms and Conditions berechtigen die Innova Token den Halter anteilsmässig auf 10% der Lizenzgebühren. Die Token sollen mehrheitlich an Investoren verkauft werden. Über einen Smart Contract werden die Lizenzgebühren an die Token-Halter ausgeschüttet. Es besteht kein Anrecht der Token-Halter auf eine Rückzahlung des einbezahlten Betrages.
Frage
Wie sehen die Steuerfolgen auf Stufe des Token-Emittenten und der Token-Halter aus – im Zeitpunkt des ICOs, der Projektentwicklung, der Auszahlung der 10% Lizenz- gebühren an die Token-Halter und eines späteren Verkaufs der Innova Token?
Variante B - Mitarbeiterbeteiligung
Gleicher Sachverhalt wie Variante A. Die Mitarbeiter erhalten im Zeitpunkt des ICOs von der Gesellschaft unentgeltlich Innova Token.
Frage
Wie sehen die Steuerfolgen für die Mitarbeiter in Bezug auf die ihnen zugeteilten Innova Token aus?
Fall 4: Anpassungen am Kapitaleinlageprinzip
Sachverhalt
Die Munot Holding AG mit Sitz in Schaffhausen ist an der Schweizer Börse kotiert. Die Generalversammlung beschliesst im März 2021 aufgrund des Abschlusses 2020 eine Dividende von 10% aus KER auszuschütten.
Frage
Steuerfolgen für die Verrechnungssteuer / Einkommenssteuer?
Variante A
Analog Basisszenario mit folgenden zwei Ausprägungen:
Var. A1: Die ausländische X AG hält 20% am Grundkapital der Munot Holding AG
Var. A2: Die bestätigte KER der Munot Holding AG qualifiziert als „Ausland-KER“.
Frage
Steuerfolgen für die Verrechnungssteuer / Einkommenssteuer?
Variante B
Die Munot Holding AG mit Sitz in Schaffhausen ist an der Schweizer Börse kotiert. Im Frühjahr 2021 beschliesst die Gesellschaft ihre Division „Wasser“ (bestehend aus diversen Beteiligungen) abzuspalten (doppeltes Betriebserfordernis erfüllt). Dies erfolgt mittels Einlage der Division „Wasser“ in die Wasser AG mit anschliessender Ausschüttung der Anteile der Wasser AG an die bisherigen Aktionären; jeder Aktionär erhält pro Aktie der Munot Holding AG eine Aktie der Wasser AG.
Frage
Steuerfolgen für die Verrechnungssteuer / Einkommenssteuer unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bilanzen / Verbuchungsvarianten?
Verbuchungsvariante B1
Verbuchungsvariante B2
Variante C
Die Munot Holding AG mit Sitz in Schaffhausen ist an der Schweizer Börse kotiert. Die Generalversammlung beschliesst im Juni 2021 eine direkte Teilliquidation im Umfang von 10%. Diese wird zu Lasten der übrigen Reserven und dem anteiligen Nominalwert verbucht. Die zu vernichtenden Aktien werden für insgesamt 800 angedient. Das Eigenkapital der Gesellschaft per Ende 2020 zeigt folgendes Bild:
Frage
Steuerfolgen für die Verrechnungssteuer / Einkommenssteuer?