Natalie Dini
Barbara Stötzer
Abgrenzung Lohn/Dividende bei Mitarbeiteraktionären
Workshop von Natalie Dini und Barbara Stötzer anlässlich des ISIS)-Seminars vom 13./14. September 2021 mit dem Titel «Mitarbeiterentschädigungen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht».
Fall 1: Dividende vs. Lohn (Grundfall)
X und Y sind Ärzte und betreiben über die ihnen je zu 50% gehörende Medikus AG eine Hausarztpraxis. Ausser den zwei Aktionären arbeiten in der Praxis noch zwei angestellte Ärzte und diverse Praxisassistentinnen.
Im 2021 möchten X und Y (für den Abschluss 2020) sich die gesamten offenen Reserven, die aus dem Jahresgewinn 2020 bestehen, als Dividenden von jeweils CHF 500'000 auszahlen.
Weitere Zahlengrundlagen:
- Vermögenssteuerwert per 31.12.2020: CHF 2'000’000
- Lohn X und Y jeweils CHF 120'000, Pensum 100%
- Lohn A (angestellter Arzt, 70%) CHF 110’000
- Lohn B (angestellte Ärztin, 100%) CHF 160’000
Fragen
- Könnte die Ausgleichskasse die Aufteilung zwischen Lohn und Dividende beanstanden?
- Was sind die Steuerfolgen einer (sozialversicherungsrechtlichen) Umqualifizierung von Dividenden in Lohn auf Stufe Gesellschaft und Aktionär
- a. Wie könnte die sozialversicherungsrechtliche Beanstandung vermieden werden?
b. Hilft es, wenn X und Y den gesamten Gewinn als Lohn beziehen?
Fall 2: Substanzdividende (Abwandlung zu Fall 1)
X und Y sind ein Ehepaar. Sie haben die Praxis vor 10 Jahren (2011) übernommen. Sie haben in den Jahren 2014 bis 2018 stets einen Lohn von über CHF 250'000 bezogen. X und Y haben sich, obwohl dies bei einem Jahresgewinnen von bis zu CHF 200'000 möglich gewesen wäre, aber nie Dividenden ausgezahlt. Ab 2019 reduzieren sie ihren Lohn auf CHF 120'000. Ende 2020 zeichnet sich ein baldiger Verkauf der Praxis ab. Um die Gesellschaft im Hinblick darauf zu erleichtern, möchten X und Y im 2021 für das Geschäftsjahr 2020 eine Dividende von 1'000'000 ausschütten.
- Vermögenssteuerwert per 31.12.2020: CHF 2’700’000
- Lohn X und Y jeweils CHF 120'000, Pensum 100%; früher CHF 250'000 (bei weitestgehend gleicher Tätigkeit)
- Lohn A (angestellter Arzt, 70%) CHF 110’000
- Lohn B (angestellte Ärztin, 100%) CHF 160’000
Frage
Darf die Ausgleichskasse Lohn aufrechnen?
Fall 3: Asymmetrische Dividenden
An der IT-Consult AG sind A, B, C und D beteiligt. A und B haben damals die Gesellschaft gegründet und halten je 30%, B und C sind erst später hinzugekommen und halten je 20%. Alle vier beziehen Löhne, die einiges über dem gemäss Salarium ermittelten Lohn liegen und welche auch im Branchenvergleich eher überdurchschnittlich erscheinen.
Per 31.12.2020 betrug der Vermögenssteuerwert CHF 4'000'000; der Jahresgewinn 2020 belief sich auf CHF 420’000. Im 2021 beschlossen die Aktionäre für das Geschäftsjahr 2020 eine Dividende von CHF 400'000 auszuschütten. Diese Dividende wurde wie in den Vorjahren allerdings nicht nach Massgabe des Aktienbesitzes ausgeschüttet, sondern gemäss einem intern vereinbarten Gewinnbeitragsschlüssel. So erhalten A und B einen höheren Anteil am Gewinn, weil die Lizenzerträge der Gesellschaft aus einem von A und B vor der Gründung selbst programmierten Programm eingerechnet werden.
Fragen
- Ist eine solche asymmetrische Dividende handelsrechtlich erlaubt?
- Was sind die Steuerfolgen einer asymmetrischen Dividende?
- Wie sieht es sozialversicherungsrechtlich aus?
Fall 4: Geldwerte Leistungen
A ist Alleinaktionär der Networking AG. Nach einigen Jahren mit Verlusten erzielt er in dieser Gesellschaft endlich hohe Umsätze und Gewinne. Um diese zu erzielen, reist er viel, trifft sich mit Kunden und pflegt mit grossem Aufwand sein Netzwerk. Er bezieht aus der Gesellschaft einen im Verhältnis zum Umsatz recht niedrigen Lohn und keine Dividende. Bei einer steuerlichen Buchprüfung fallen dem Revisor insbesondere die hohen Reise- und Repräsentationsspesen auf, ausserdem bemängelt er die Kosten eines rein privat genutzten Fahrzeugs. Steuerlich wird ein Teil der Spesen als Aufwand nicht zum Abzug zugelassen. Insgesamt werden rund CHF 700'000 aufgerechnet, da die Steuerbehörde eine verdeckte Gewinnausschüttung an A annimmt. A akzeptiert die Verfügung und die Bussen zähneknirschend, weil er arg im Stress ist und nicht die Kapazität hat, der Steuerbehörde detailliert die Aufwände und ihre Begründetheit aufzuschlüsseln.
Kurze Zeit später erhält die Networking AG eine Verfügung der Ausgleichskasse, in der die aufgerechneten Spesen als Lohn betrachtet und nachträglich AHV-Beiträge darauf erhoben werden. A wundert sich, da nach Auskunft seines Treuhänders bei einem Vermögenssteuerwert von über CHF 10 Mio. (aufgrund der hohen Gewinne) der niedrige Lohn selbst bei einer Dividende von CHF 1 Mio. nicht zu beanstanden wäre.
Frage
Darf die Ausgleichskasse Lohn aufrechnen?
Fall 5: Lohnverzicht
Die Schwestern X und Y haben gemeinsam ein neues Produkt im Bereich der Kosmetik entwickelt und gründen Ende 2019 zusammen die Z GmbH, bei welcher sie als Geschäftsführerinnen angestellt sind. Zwecks Finanzierung der ersten Start- Up-Phase haben sie einen Grossteil ihres Ersparten in die GmbH eingebracht und beschlossen, sich während der ersten 1-2 Jahre keine Entschädigung zu bezahlen. In den Geschäftsjahren 2019 und 2020 erzielt die GmbH noch keine Gewinne und entsprechend werden auch keine Dividenden ausgerichtet. Erst im Verlauf des Jahres 2021 zeichnen sich erste Gewinne ab und die Schwestern erhalten ein Angebot, die GmbH für CHF 1 Mio. an einen Konkurrenten zu verkaufen. Im Rahmen des Verkaufsvertrages verpflichten sich die Schwestern, für eine Dauer von mindestens zwei Jahren weiterhin für die GmbH tätig zu sein.
Fragen
- Erzielen X und Y beim Verkauf ihrer GmbH-Anteile einen steuerfreien Kapitalgewinn (ohne Berücksichtigung Aspekt der indirekten Teilliquidation) oder könnte ein Teil des Kapitalgewinns in steuerbaren Lohn umqualifiziert werden?
- Was sind die sozialversicherungsrechtlichen Folgen?