Volksabstimmung als letzte Hürde für die Steuervorlage
Silvia Hunziker
Der AHV-Steuerdeal steht. Der Ständerat hat die letzten Differenzen ausgeräumt. Damit ist die Steuervorlage 17 bereit für die Schlussabstimmung am Ende der Herbstsession.
Die Jungen Grünen haben bereits das Referendum angekündigt, auch in der SP-Basis gibt es Unzufriedene. Gelingt es den Gegnern, rechtzeitig 50’000 Unterschriften zu sammeln, kommt das Geschäft voraussichtlich am 19. Mai 2019 vors Volk. Die Chancen der Steuervorlage an der Urne sind aus heutiger Sicht schwer abzuschätzen. Der Abstimmungskampf gegen das Vorgängerprojekt, die Unternehmenssteuerreform III, hatte eine überraschende Dynamik. Zum Beispiel liessen einige kritische Aussagen von Ex-Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf die Zustimmung zur Vorlage einbrechen. Aus den Städten und Gemeinden kam unerwartet viel Widerstand.
Der Steuervorlage 17 könnte eine Allianz aus linken Steuersenkungs-Gegnern und rechter Opposition gegen die AHV-Finanzierung zum Verhängnis werden. Auf der anderen Seite werden die Befürworter die Reihen diesmal geschlossen halten. Zu viel steht für die Schweizer Wirtschaft auf dem Spiel.
Kern der Steuervorlage ist die Abschaffung der international nicht mehr akzeptierten kantonalen Steuerprivilegien für Holdings und andere Spezialgesellschaften. Die EU hat der Schweiz dafür bis Ende 2018 Zeit gegeben. Kommt ein Referendum zu Stande, ist dieser Termin nicht einzuhalten.
Unsicherheit für Unternehmen
Die EU-Finanzminister könnten die Schweiz im März 2019 von der grauen Beobachtungs-Liste auf die schwarze Liste der nicht kooperativen Steuergebiete verschieben. Es ist aber möglich, dass sie den Schritt bis nach der Referendumsabstimmung im Mai aufschieben.
Welche Sanktionen mit einem Platz auf der schwarzen Liste verbunden sind, ist nach wie vor unklar. Die Rechtsunsicherheit ist für die betroffenen Unternehmen aber ohnehin belastend. Immerhin weiss man in den Chefetagen seit heute, welches Steuerklima in der Schweiz in Zukunft herrschen könnte.
Massgeschneiderte Lösungen
Zunächst planen fast alle Kantone eine Steuersenkung für Unternehmen. In Genf zum Beispiel soll der Gewinnsteuersatz um über 10 Prozentpunkte sinken. Nur Inner- und Ostschweizer Tiefsteuerkantone bleiben bei ihren Sätzen.
Zürich wird mit 18,19 Prozent voraussichtlich der Kanton mit den höchsten Steuern für Unternehmen sein. Er profitiert jedoch von einem massgeschneiderten Abzug auf überschüssigem Eigenkapital.
Auch andernorts profitieren Unternehmen von der Patentbox, in der Erträge aus Patenten und vergleichbaren Rechten ermässigt besteuert werden. Kantone können mehr als den tatsächlichen Aufwand für Forschung und Entwicklung zum Steuerabzug zulassen, was einer Subvention gleichkommt. Hinzu kommen Erleichterungen bei der Kapitalsteuer oder bei der Aufdeckung stiller Reserven.
Hingegen zahlen Grossaktionäre auf Dividenden in Zukunft tendenziell mehr Einkommenssteuern. Beim Bund werden neu 70 statt wie bisher 60 Prozent der Dividenden besteuert. Bei den Kantonen beträgt die Belastung aktuell zwischen 35 und 70 Prozent. Künftig müssen es mindestens 50 Prozent sein, was ungefähr dem heutigen Durchschnitt entspricht.
Als weiteres Zugeständnis an die Linke, die im Februar 2017 die Unternehmenssteuerreform III zu Fall gebracht hatte, wird das Kapitaleinlageprinzip eingeschränkt. Dieses erlaubt den Unternehmen, Kapitaleinlagen in Milliardenhöhe steuerfrei an die Aktionäre auszuschütten. Börsenkotierte Unternehmen dürfen das in Zukunft nur noch in dem Umfang, in dem sie auch steuerbare Dividenden ausschütten.
Jene Statusgesellschaften, die ihre Steuerprivilegien verlieren, zahlen in Zukunft höhere Steuern. Die Verwaltung hat errechnet, dass das selbst für jene gilt, die die neuen Sonderregelungen voll ausnutzen. Für die bisher ordentlich besteuerten Unternehmen hingegen sinkt die Steuerlast. Die öffentliche Hand muss mit Steuerausfällen rechnen.
Den Bund kostet die Steuervorlage unter dem Strich rund 700 Millionen Franken. Setzen die Kantone ihre Pläne in die Tat um, verlieren sie gesamthaft rund 1,3 Milliarde Franken. Damit belaufen sich die Kosten insgesamt auf 2 Milliarden Franken. Als Ausgleich fliesst der gleiche Betrag in die AHV. Arbeitgeber und Arbeitnehmer steuern zusammen 1,2 Milliarden Franken bei, der Bund gut 800 Millionen Franken.