Verrechnungssteuerrückerstattung trotz Nichtdeklaration in der Steuererklärung - Abstimmung Nationalrat
Silvia Hunziker
Marco Gehrig
Wer in der Steuererklärung Einkünfte nicht deklariert hat, soll die Verrechnungssteuer trotzdem zurückerhalten, sofern er fahrlässig handelte. Der Nationalrat hat dieser Änderung zugestimmt, will aber erheblich weiter gehen als der Bundesrat.
Gemäss heutigem Recht setzt die Rückerstattung der Verrechnungssteuer voraus, dass die Einkünfte und das Vermögen «ordnungsgemäss» deklariert worden sind. Was darunter zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht explizit geregelt. Das Bundesgericht hat die Anforderung im Verlauf der Jahre präzisiert und verschärft. Seit 2014 wird die Verrechnungssteuer nur noch dann zurückerstattet, wenn eine nachträgliche Deklaration spontan er- folgte, also ohne Intervention der Steuerbehörde.
Nun sollen die Voraussetzungen gelockert werden. Steuerpflichtige sollen die Möglichkeit erhalten, fahrlässig nicht deklarierte Einkommen spontan oder nach einer Intervention der Steuerbehörde nachträglich zu deklarieren. Daniela Schneeberger (FDP/BL) hatte die Gesetzesänderung mit einem Vorstoss angestossen. Sie stellte fest, die heutige Regelung sei übertrieben hart. Das Bundesgericht habe eine eigentliche «Strafsteuer» eingeführt. Viele seien mit der Steuererklärung aber überfordert. Für ein Versehen sollten sie nicht bestraft werden. Kritisch äusserten sich die Rednerinnen von SP und Grünen. Regula Rytz (Grüne/BE) gab zu bedenken, die heutige Regelung diene der Bekämpfung von Steuerhinterziehung. Die finanziellen Folgen einer Änderung seien unklar. «Wem wollen Sie damit dienen?», fragte sie. Ada Marra (SP/VD) sagte im Namen der SP-Fraktion, diese lehne die Vorlage ab, wenn der Rat den Vorschlägen seiner Kommission folge.
Auch Finanzminister Ueli Maurer rief dazu auf, bei der Bundesratsversion zu bleiben. Geht es nach dem Bundes- rat, wäre die Nachdeklaration nur bis zum Ablauf der Einsprachrfrist gegen die Veranlagung möglich. Der Nationalrat ist aber mit 131 zu 54 Stimmen seiner Kommission gefolgt und hat sich für eine längere Frist ausgesprochen. Eine Nachdeklaration soll auch in einem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Veranlagungs- oder Nachsteuerverfahren möglich sein. Nur so werde eine Doppelbelastung durch die Einkommens- und Verrechnungssteuer effektiv verhindert, befanden die Befürworter. Maurer sagte, das gehe zu weit. Aus Sicht des Bundesrates nehmen jene, die ihren Pflichten auch bei der Prüfung der Veranlagung nicht nachkommen, eine unvollständige Veranlagung in Kauf. Damit sei die Nichtdeklaration nicht mehr fahrlässig, sondern eventualvorsätzlich, schreibt der Bundesrat in der Botschaft ans Parlament.
Weiter hat der Nationalrat eine Rückwirkung beschlossen, mit 129 zu 52 Stimmen. Die Neuregelung soll für Ansprüche gelten, die seit dem 1. Januar 2014 entstanden sind. Maurer sprach sich vergeblich dagegen aus. «Eigentlich lässt die Bundesverfassung das nicht zu», sagte der Finanzminister. Es sei grundsätzlich gefährlich, wenn Gesetze rückwirkend in Kraft gesetzt würden. Das schade der Rechtsstaatlichkeit und der Glaubwürdigkeit. Kommissionssprecher Leo Müller (CVP/LU) räumte ein, es sei offen, ob die Rückwirkung auch für rechtskräftig abgeschlossene Verfahren gälte oder nur für hängige. Er rief dennoch dazu auf, der Kommission zu folgen. Der Ständerat, der nun am Zug ist, könne offene Fragen klären. In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat die Vorlage mit 134 zu 48 Stimmen bei einer Enthaltung gut. Fest steht, dass die Gesetzesänderung zu Mindereinnahmen bei der Verrechnungssteuer führt. Wie hoch diese ausfallen werden, lässt sich gemäss dem Bundesrat nicht abschätzen.
Medienmitteilung SDA vom 29.5.2018, Verrechnungssteuer soll grosszügiger zurückerstattet werden.