<article class="rz"><h2>1. Einleitung</h2>
<p>Das Bundesgericht hat mit seinem <a href="https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://05-10-2021-2C_891-2020&lang=de&zoom=&type=show_document" target="_blank" rel="noopener">Urteil 2C_891/2020 vom 5. Oktober 2021</a> das Bundesverwaltungsgericht geschützt und entgegen der Verwaltungspraxis entschieden, dass der Verkauf von eigenen Aktien keine Leistung im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18" target="_blank" rel="noopener">Art. 18 Abs. 1 MWSTG</a> begründe und deshalb ausserhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer liege. Dabei hat es die Frage explizit offengelassen, ob der Verkauf von fremden Aktien gleich zu behandeln sei. Der vorliegende Beitrag stellt das Urteil vor und versucht anhand diesem, die offene Frage zu beantworten sowie weitere Konsequenzen dieser Rechtsprechung zu ergründen.</p>
<h2>2. Sachverhalt</h2>
<p>Die seit dem 1. Januar 2008 im Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen eingetragene A. AG bezweckt den Erwerb, die Gründung und die Finanzierung von Unternehmen. Anlässlich einer Kontrolle vor Ort stellte die ESTV im Wesentlichen fest, dass die A. AG in den Steuerperioden 2012 bis 2015 Vorsteuerabzüge auf Eingangsleistungen vorgenommen hatte, die im Zusammenhang mit dem Verkauf eigener Aktien gestanden hatten. Die ESTV kam zum Schluss, dass die A. AG mit dem Verkauf eigener Aktien von der Mehrwertsteuer ausgenommene Umsätze erzielt habe, weshalb kein Anspruch auf Abzug der damit zusammenhängenden Vorsteuern bestehe. Mit dem Einschätzungsentscheid vom 18. Dezember 2017 forderte sie von der A. AG für die Steuerperioden 2012 bis 2015 unter dem Titel «Vorsteuerkorrekturen» einen Betrag von insgesamt CHF 402'774 zuzüglich Verzugszinsen zurück. Der gegen den Einschätzungsentscheid erhobenen Einsprache war kein Erfolg beschieden.</p>
<p>Das Bundesverwaltungsgericht hiess die Beschwerde der A. AG gut und hob den Einspracheentscheid der ESTV auf. Die von der ESTV erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 26. Oktober 2020 wies das Bundesgericht mit Urteil vom 5. Oktober 2021 ab.</p>
<p>Das Bundesgericht hatte die Frage zu klären, ob der Verkauf von eigenen Aktien einen Umsatz im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18" target="_blank" rel="noopener">Art. 18 Abs. 1 MWSTG</a> darstellen könne oder ob der Erlös aus dem Verkauf von eigenen Aktien als Nicht-Entgelt im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18" target="_blank" rel="noopener">Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG</a> zu qualifizieren sei und deshalb ausserhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer liege.</p>
<h2>3. Aus den Erwägungen des Bundesgerichts</h2>
<p>Das Bundesgericht erwog einleitend, dass zwischen Leistung und Entgelt ein hinreichender Konnex bzw. eine innere wirtschaftliche Verknüpfung bestehen müsse. Ob diese innere wirtschaftliche Verknüpfung bestehe, sei aus der Perspektive des Leistungsempfängers festzustellen. Hingegen beurteile sich die Frage, ob das Verhalten der Leistungserbringerin als Leistung zu qualifizieren sei, aus der Sicht der Leistungserbringerin (E. 3.1).</p>
<p>Das Bundesgericht gesteht der ESTV ein, dass mit der Übertragung von Aktien immaterielle Werte und Rechte überlassen werden können, sodass es sich grundsätzlich um eine Dienstleistung handeln könne. Dies treffe aber nicht zu, wenn die Übertragung von Aktien im Rahmen einer Gründung oder Kapitalerhöhung erfolge, weil dann der Emissionserlös unter <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18" target="_blank" rel="noopener">Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG</a> falle. Aus der Sicht der Gesellschaft, welche neue Aktien herausgebe, werde keine Dienstleistung erbracht, sondern Kapital beschafft. Aus der Sicht des Anteilseigners stelle die Zahlung der zur Kapitalerhöhung erforderlichen Betrages keine Gegenleistung, sondern eine Investition oder Kapitalanlage dar.</p>
<p>Gleich verhalte es sich beim Verkauf eigener Aktien, denn dies sei der Neuausgabe von Aktien gleichzustellen. Zwischen der Neuausgabe von Aktien und dem Verkauf zurückgekaufter eigener Aktien bestünden zwar in vertrags- und gesellschaftsrechtlicher Hinsicht gewisse Unterschiede formeller Natur, doch wirtschaftlich sei der Erlös aus der Veräusserung eigener Aktien als Kapitaleinlage durch den Erwerber zu sehen. Dies ergebe sich auch aus dem neuen Rechnungslegungsrecht, wonach der Rückkauf eigener Aktien als Minus-Reserve in der Bilanz zu erfassen sei. Entsprechend diene der Verkauf von eigenen Aktien nicht der Erbringung einer Dienstleistung, sondern der Kapitalbeschaffung, weshalb kein Leistungsverhältnis vorliege.</p>
<p>Da das Vorsteuerabzugsrecht nicht voraussetze, dass die vorsteuerbelastete Eingangsleistung mit einer steuerbaren Ausgangsleistung verknüpft sein müsse, sondern es genüge, dass sie im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit bezogen worden sei, bestehe vorliegend das Vorsteuerabzugsrecht und es komme weder eine Vorsteuerkorrektur nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_29" target="_blank" rel="noopener">Art. 29 Abs. 1 MWSTG</a> noch eine Vorsteuerkürzung nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_33" target="_blank" rel="noopener">Art. 33 Abs. 2 MWSTG</a> in Betracht.</p>
<h2>4. Anmerkungen zum Urteil</h2>
<h3>4.1 Verneinung eines Leistungsverhältnisses</h3>
<p>Im Kern kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass der Verkauf von eigenen Aktien nicht die nachhaltige Erzielung von Einnahmen aus Leistungen bezwecke. Vielmehr stelle dieser eine Finanzierungform dar, die wie eine Kapitaleinlage (in Geld) oder ein Forderungsverzicht unter <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18" target="_blank" rel="noopener">Art. 18 Abs. 2 MWSTG</a> falle und deshalb nicht als Entgelt zu qualifizieren sei.</p>
<p>Es stellt sich die Frage, weshalb Einlagen in Unternehmen (in Geld) gegen Herausgabe von Aktien nicht als Leistungen zu qualifizieren sind. Könnte nicht der Standpunkt vertreten werden, dass Aktien immaterielle Werte und Rechte verkörpern und diese als Dienstleistung im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_3" target="_blank" rel="noopener">Art. 3 lit. e Ziff. 1 MWSTG</a> gelten? Wird für diese Dienstleistung nicht auch ein Entgelt geleistet, zumal die Aktien liberiert werden?</p>
<p>Gemäss der Botschaft zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer können Einlagen in Unternehmen nicht der Mehrwertsteuer unterliegen; dies gehe bereits aus der Definition des Leistungsbegriffs hervor.<a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1"><sup>01</sup></a> Auch das Schrifttum vertritt die Auffassung, dass die Einlage (Geldeinlage)<a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2"><sup>02</sup></a> nicht als entgeltlicher Vorgang betrachtet werden kann. Das gilt selbst dann, wenn die Einlage gegen die Einräumung von Beteiligungsrechten erfolgt.<a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3"><sup>03</sup></a> Die Ausgabe der Beteiligungspapiere stellt nur die Verbriefung eines bereits bestehenden Rechts und keine Übertragung eines solchen an den Einleger dar.<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4"><sup>04</sup></a> Sodann kann gegen ein mehrwertsteuerrelevantes Leistungsverhältnis ins Feld geführt werden, dass Einlagen an die Gesellschaft aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnisse erbracht werden und nicht, um hierfür ein Entgelt zu erhalten. Einlagen werden getätigt, damit die Gesellschaft überhaupt eine wirtschaftliche Aktivität ausüben kann und nicht, um eine Gegenleistung zu erhalten.<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5"><sup>05</sup></a> Es handelt sich um Finanzierungsvorgänge, die nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung keinen Umsatz im mehrwertsteuerrechtlichen Sinn bewirken.<a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6"><sup>06</sup></a> Sie fliessen weder direkt noch indirekt in die Leistungserstellung ein und stehen ausserhalb des Mehrwertsteuerrechts. Das gilt übrigens nicht nur für Einlagen ins Eigenkapital, sondern auch für die Finanzierung mittels Darlehen. Auch bei einem Darlehen überträgt die Schuldnerin regelmässig dem Gläubiger gewisse Sicherheiten. Dennoch fehlt es an einer Leistung seitens der Schuldnerin, denn die (Fremd-)finanzierung soll es der Schuldnerin erst ermöglichen, eine Mehrwert generierende Tätigkeit auszuüben.<a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7"><sup>07</sup></a></p>
<p>Dass aus der Sicht des finanzierten (geldempfangenden) Unternehmens keine Leistung vorliegt, bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass auch aus der Sicht des finanzierenden (geldgebenden) Unternehmens keine Leistung vorliegt. Verlangt der finanzierende Unternehmensträger einen Zins, ist im Zins das Entgelt für die Dienstleistung (Finanzierungstätigkeit) zu sehen. Diese Tätigkeit ist aber gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_21" target="_blank" rel="noopener">Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. a MWSTG</a> von der Mehrwertsteuer befreit. Verlangt aber das finanzierende Unternehmen keinen Zins, sondern eine Dividende, liegt keine mehrwertsteuerrelevante Dienstleistung vor. Dividenden sind nicht das Entgelt der Finanzierungsleistung, sondern stellen Früchte des Eigentums an der Gesellschaft dar.<a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8"><sup>08</sup></a></p>
<p>Beim Verkauf von eigenen Aktien kann man sich fragen, ob aus der Sicht des geldempfangenden Unternehmens eine Finanzierungsleistung vorliegt. Das Bundesgericht erwägt, dass der Verkauf von eigenen Aktien handelsrechtlich wie eine Kapitaleinlage zu verbuchen sei, und deshalb als Einlage in Unternehmen gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18" target="_blank" rel="noopener">Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG</a> gelte. Die Ausgabe neuer Aktien durch eine Kapitalgesellschaft stelle keine Dienstleistung (und keine Lieferung) dar. Vom Standpunkt der ausgebenden Gesellschaft aus bestehe das Ziel der Ausgabe der Aktien im Erwerb von Kapital und nicht in der Erbringung einer Dienstleistung. Aus der Sicht des Anteilseigners stelle die Zahlung der zur Kapitalerhöhung erforderlichen Beträge keine Gegenleistung dar, sondern eine Investition oder Kapitalanlage. Der Rückkauf eigener Aktien sei finanz- und betriebswirtschaftlich nicht als Erwerb eines Aktivums, sondern als Kapitalentnahme (Auszahlung von Eigenkapital) zu verstehen. Wenn eigene Aktien in den Händen der Aktiengesellschaft also keinen Vermögenswert darstellen, ist folgerichtig auch die Wiederveräusserung dieser Aktien nicht als Übertragung eines Vermögenswerts, sondern als Mittelzufluss bei der Gesellschaft gleich wie bei einer Kapitalerhöhung als Kapitaleinlage durch die Erwerberin zu betrachten.</p>
<p>Diese höchstrichterlichen Erwägungen sind betreffend den konkreten Fall nachvollziehbar. Insbesondere verdient das Urteil insofern Zustimmung, als wiederholt festgehalten wird, dass der Begriff der Einlagen weit zu verstehen ist. Jedoch ist der Schluss, dass der Verkauf von eigenen Aktien eine Finanzierungstransaktion sei, nicht zwingend. Das Gericht hat dem Rechnungslegungsrecht<a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9"><sup>09</sup></a>, das den Verkauf von eigenen Aktien nicht als Veräusserungs-, sondern als Finanzierungsvorgang behandelt, offensichtlich mehr Bedeutung zugemessen als dem Gesellschafts-, Vertrags- und wohl auch dem Gewinnsteuerrecht<a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10"><sup>10</sup></a>, welche den Verkauf von eigenen Aktien als Veräusserungsvorgang und damit als Umsatz qualifizieren. Dies macht es schwierig, mehrwertsteuerneutrale Finanzierungsvorgänge von mehrwertsteuerwirksamen Veräusserungsvorgängen abzugrenzen. Zusätzliche Unsicherheit stiftet die folgende Aussage des Bundesgerichts:</p>
<blockquote>«Ob es sich für das schweizerische Recht rechtfertigt, in der Veräusserung von fremden Aktien analog zum europäischen Mehrwertsteuerrecht nur ausnahmsweise einen Vorgang zu sehen, der nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18" target="_blank" rel="noopener">Art. 18 Abs. 1 MWSTG</a> in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben.»</blockquote>
<p>Da sowohl das Gesellschafts-, das Vertrags-, das Gewinnsteuerrecht und auch das Rechnungslegungsrecht den Verkauf von fremden Aktien als Veräusserungsvorgang behandelt, erschliesst sich dem Autoren nicht, wie der Verkauf von fremden Aktien aus der Perspektive des verkaufenden Steuersubjekts als mehrwertsteuerirrelevanter Finanzierungsvorgang betrachtet werden könnte.</p>
<h3>4.2 Frage des Vorsteuerabzugs</h3>
<p>Nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_28" target="_blank" rel="noopener">Art. 28 Abs. 1 lit. a MWSTG</a> können steuerpflichtige Personen im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit unter anderem die ihnen in Rechnung gestellte Inlandsteuer als Vorsteuer abziehen. Nach geltendem Recht setzt der Vorsteuerabzug im Unterschied zum alten MWSTG nicht mehr voraus, dass die vorsteuerbelastete Eingangsleistung mit einer steuerbaren Ausgangsleistung verknüpft ist. Der Vorsteuerabzug setzt lediglich voraus, dass die Eingangsleistungen im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit bezogen wurden.</p>
<p>Das Bundesgericht hält in E. 3.6.2 fest, dass die Gesellschaft kraft <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_10" target="_blank" rel="noopener">Art. 10 Abs. 1<sup>ter </sup>MWSTG</a> unternehmerisch tätig sei und deshalb weder eine Vorsteuerkorrektur nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_29" target="_blank" rel="noopener">Art. 29 Abs. 1 MWSTG</a> noch eine Vorsteuerkürzung nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_33" target="_blank" rel="noopener">Art. 33 Abs. 2 MWSTG</a> in Betracht komme.</p>
<p>Diese Erwägung könnte die Lesenden zum Schluss verleiten, dass das Vorsteuerabzugsrecht stets dann geltend gemacht werden könne, wenn der Unternehmensträger eine unternehmerische Tätigkeit ausübe. Dem ist aber nicht so. Gemäss Rechtsprechung kann ein Unternehmensträger nebst seinem unternehmerischen auch einen nicht-unternehmerischen Bereich unterhalten.<a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11"><sup>11</sup></a> Im nicht-unternehmerischen Bereich, zu dem der private Bereich und der hoheitliche Bereich zu zählen ist, besteht nie ein Vorsteuerabzugsrecht. Grund dafür ist, dass der private Bereich (der Konsum) mit der Mehrwertsteuer belastet und nicht entlastet werden soll. Dem gegenüber wird der hoheitliche Bereich nicht belastet, weshalb es keiner Entlastung durch ein Vorsteuerabzugsrecht bedarf.</p>
<p>Es stellt sich die Frage, ob ein Unternehmensträger, der nebst einer unternehmerischen Tätigkeit (z.B. dem Betreiben einer Bank) einen nicht-unternehmerischen Bereich unterhält, wenn er mit eigenen Aktien handelt und diese Tätigkeit, wie oben ausgeführt, nicht als Leistung im mehrwertsteuerrechtlichen Sinn qualifiziert.</p>
<p>Gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_10" target="_blank" rel="noopener">Art. 10 Abs. 1<sup>bis</sup> MWSTG</a> betreibt ein Unternehmensträger dann ein Unternehmen, wenn eine auf die nachhaltige Erzielung von Einnahmen aus Leistungen ausgerichtete berufliche oder gewerbliche Tätigkeit selbständig ausgeübt wird. Folglich liegt kein Unternehmen vor, das keine Leistungen erbringt. Daraus könnte abgeleitet werden, dass ein Unternehmensträger, der Leistungen erbringt, einen unternehmerischen Bereich und, sofern er auch Nicht-Leistungen erbringt, einen nicht-unternehmerischen Bereich unterhält. Eine solche Differenzierung würde aber gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_28" target="_blank" rel="noopener">Art. 28 Abs. 1 MWSTG</a> zur Folge haben, dass im nicht-unternehmerischen Bereich kein Vorsteuerabzugsrecht bestehen würde.</p>
<p>Das Bundesgericht nahm diese Differenzierung aber nicht vor. Es stellte lediglich fest, dass das Erwerben, Halten und Veräussern von Beteiligungen nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_10" target="_blank" rel="noopener">Art. 10 Abs. 1<sup>ter</sup> MWSTG</a> eine unternehmerische Tätigkeit darstelle, weshalb das Vorsteuerabzugsrecht gegeben sei. Mit anderen Worten verknüpfte das Bundesgericht die vorsteuerbelasteten Eingangsleistungen, die unbestrittenermassen im Zusammenhang mit dem Verkauf eigener Aktien standen, nicht mit der Finanzierung (als Nicht-Leistung), sondern mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit der Unternehmensträgerin, nämlich dem Betrieb einer Holdinggesellschaft. Die bewusste Ignorierung der Verknüpfung zwischen vorsteuerbelasteten Eingangsleistungen und einer Tätigkeit (Finanzierung), die nicht als Leistung qualifiziert und deshalb keine unternehmerische Tätigkeit darstellt, bedarf der Klärung.</p>
<p>Hinter der sehr knapp gefassten E. 3.6.3 dürfte der Gedanke der Einheit des Unternehmens stehen. Gemäss dem in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_10" target="_blank" rel="noopener">Art. 10 Abs. 3 MWSTG</a> verankerten und von der Rechtsprechung und Lehre anerkannten Grundsatz der «Einheit des Unternehmens» sind alle unternehmerischen Tätigkeiten eines steuerpflichtigen Unternehmensträgers für mehrwertsteuerliche Belange als Einheit zu betrachten. Davon ausgenommen sind nach der Auffassung von einem Teil des Schrifttums lediglich die privaten und hoheitlichen Bereiche.<a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12"><sup>12</sup></a> Das Bundesgericht nimmt zusätzlich weitere Unternehmenseinheiten vom unternehmerischen Bereich aus, nämlich solche, die überhaupt keine Einnahmen aus Leistungen erzielen.<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13"><sup>13</sup></a> Dabei ist aber gemäss Bundesgericht eine solche eigenständige, nicht-unternehmerische Unternehmenseinheit nicht leichthin anzunehmen. Von einer eigenständigen, nicht-unternehmerischen Unternehmenseinheit darf gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung erst dann ausgegangen werden, wenn die Trennung ausreichend klar vollzogen werden kann, sei dies aufgrund einer nach aussen deutlich erkennbaren separaten Tätigkeit oder einer klaren Zweckbestimmung, die von jener der unternehmerischen Tätigkeit abweicht. Fehlt es daran, bleibt es nach dem Grundsatz bei einem einzigen und zwar unternehmerischen Bereich.</p>
<p>Der Verkauf von eigenen Aktien als Finanzierungsvorgang lässt sich kaum als separate Tätigkeit von der sonstigen unternehmerischen Tätigkeit abgrenzen. Vielmehr ist die Finanzierung notwendige Voraussetzung, damit überhaupt ein Unternehmen im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_10" target="_blank" rel="noopener">Art. 10 Abs. 1<sup>bis </sup>MWSTG</a> betrieben werden kann. Ein Unternehmen ohne Finanzierung ist gar nicht vorstellbar. Würde die Finanzierungstätigkeit als eigenen nicht-unternehmerischen Bereich betrachtet werden, könnte jedes Unternehmen, auch wenn es ausschliesslich der Mehrwertsteuer unterliegende Umsätze erzielen würde, keine Vorsteuern auf den mit der Finanzierung verbundenen Eingangsleistungen in Abzug bringen. Dies würde dem Prinzip der internationalen Wettbewerbsneutralität und dem Prinzip der Überwälzbarkeit widersprechen.</p></article>
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