<article class="rz"><h2>1. Die Verrechnungssteuer als Gegenstand steuerpolitischer Diskussionen</h2>
<p>Während die gesetzlichen Grundlagen zur direkten Bundessteuer, der Steuerharmonisierung oder auch der Mehrwertsteuer in den vergangenen Jahrzehnten teilweise grundlegend überarbeitet und immer wieder revidiert wurden, beruht die Verrechnungssteuer nach wie vor auf einem Bundesgesetz aus dem Jahre 1965.</p>
<p>In den letzten Jahren haben steuerpolitische Diskussionen rund um die Verrechnungssteuer an Fahrt aufgenommen. Einige Revisionen sind bereits in Kraft getreten. Hier zu erwähnen sind die Ausnahmebestimmungen für Zinsen aus CoCos, Bail-in- oder Write-off-Bonds.<a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1"><sup>01</sup></a> Wellen geschlagen hat sodann die Anpassung der Verzugszinsregelung bei verspäteten Meldungen.<a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2"><sup>02</sup></a> Ebenso zu erwähnen ist die Neuregelung der ordnungsgemässen Deklaration als Rückerstattungsvoraussetzung bei natürlichen Personen im Inland.<a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3"><sup>03</sup></a> Darüber hinaus sind Anpassungen im Bereich der Geldspiele<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4"><sup>04</sup></a> sowie im Zusammenhang mit der Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF)<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5"><sup>05</sup></a> in Kraft getreten.</p>
<p>Abgesehen von diesen Anpassungen gab die Verrechnungssteuer auch in anderen Bereichen Anlass zu steuerpolitischen Diskussionen. Hierzu nennen sind bspw. die Höhe von 35%<a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6"><sup>06</sup></a>, das Meldeverfahren<a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7"><sup>07</sup></a>, Nachhaltigkeitsüberlegungen<a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8"><sup>08</sup></a> oder Digitalisierungsbestrebungen<a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9"><sup>09</sup></a>.</p>
<p>Der Standort Schweiz ist derzeit aus verrechnungssteuerlicher Sicht unattraktiv für die Emission von Anleihen, weshalb Unternehmen oft ins Ausland ausweichen (s. Ziff. 4). Mit der Zielsetzung, den Emissionsstandort Schweiz attraktiver zu machen, wurden bereits mehrere Anläufe für eine Reform der Verrechnungssteuer unternommen. Diese Vorlagen hatten aus verschiedenen Gründen einen schweren Stand und wurden früher oder später beerdigt.<a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10"><sup>10</sup></a> Der Bundesrat hat nunmehr einen neuen Anlauf genommen, die Verrechnungssteuer im Bereich der Zinsen anzupassen.<a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11"><sup>11</sup></a> Einschliesslich der Vernehmlassungsvorlage des Bundesrates zur aktuellen Reform war allen Reformvorschlägen der teilweise Wechsel vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip (s. dazu Ziff. 4) gemein.<a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12"><sup>12</sup></a> Mit der aktuellen Vorlage geht der Bundesrat neue Wege, indem er keinen Systemwechsel vorschlägt, sondern die Verrechnungssteuer auf Zinsen weitgehend ersatzlos zur Abschaffung beantragt (s. dazu Ziff. 4). Anders als im vorangehenden Reformvorschlag von 2014, verzichtet er auf ein Meldeverfahren – oder anders ausgedrückt, wird dem steuerlichen Bankgeheimnis im Inland eine vergleichsweise grössere Bedeutung zugestanden (s. dazu Ziff. 5). In früheren Vorlagen war noch ein freiwilliges Meldeverfahren möglich.</p>
<p>Die parlamentarische Debatte über den aktuellen Reformvorschlag ist bereits angelaufen. Es wird sich zeigen, ob dieser neue Anlauf eine Mehrheit finden wird. </p>
<h2>2. Die Verrechnungssteuer als massgebende Einnahmequelle</h2>
<p>Die Verrechnungssteuer ist eine wichtige Quelle zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte. Der Bund erhält 90% des Bruttoertrags; 10% gehen an die Kantone. Grafik 1 zeigt die Entwicklung des Saldos des Verrechnungssteueraufkommens von 2005 bis 2020. Der Saldo ergibt sich, indem von den Bruttoeingängen der Verrechnungssteuer die Rückerstattungen abgezogen werden. Wie zu sehen ist, hat sich das Aufkommen in den letzten 15 Jahren in etwa verdoppelt. Die Entwicklung des Verrechnungssteueraufkommens war somit dynamischer als bei den meisten anderen Steuern des Bundes. Allerdings zeigt sich auch, dass die Verrechnungssteuer eine sehr volatile Steuer ist, da sie (vornehmlich) auf Kapitalerträge zugreift. So haben die Finanzkrise (von 2008 auf 2009) sowie die im letzten Jahr einsetzende Covid-Krise (von 2019 auf 2020) spürbare Bremsspuren beim Aufkommen hinterlassen.</p>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/7fzEgos2rq54XTziEs36mn/ddb5dd8695eadc3da4433eff582879ac/A5_Band_2-2021_Grafik1.png" alt="Verrechnungssteuer zsis Reform Unternehmen isis Grafik Entwicklung Krenger Schwarz schweizerisches Steuerrecht tax law " width="930" height="358" /></p>
<p>Die Verrechnungssteuer verfolgt im nationalen Verhältnis einen Sicherungszweck, so dass sich die Frage stellt, warum mit der Verrechnungssteuer überhaupt ein Aufkommen generiert wird? Im Wesentlichen sind zwei Faktoren von Bedeutung:</p>
<ul>
<li><strong>Nicht-Wahrnehmung der Rückerstattungsberechtigung: </strong>Inländische Personen und teilweise auch ausländische Anlegerinnen und Anleger können sich die Verrechnungssteuer zurückerstatten lassen. Dies geschieht aber teilweise nicht. Die Gründe, warum rückerstattungsberechtigte Personen von ihrem Recht keinen Gebrauch machen, können sehr unterschiedlich sein (hoher administrativer Aufwand, Steuerhinterziehung, Vergesslichkeit etc.).</li>
<li><strong>Mangelnde beziehungsweise partielle Rückerstattungsberechtigung: </strong>Mit Blick auf ausländische Anlegerinnen und Anleger verfolgt die Verrechnungssteuer aber nicht nur einen Sicherungszweck – dieser wird mittlerweile vom <a href="https://www.estv.admin.ch/estv/de/home/internationales-steuerrecht/fachinformationen/aia.html" target="_blank" rel="noopener">Automatischen Informationsaustausch (AIA)</a> ausgefüllt – sondern primär einen Fiskalzweck. Selbst wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen der Schweiz und dem ausländischen Staat besteht, muss nicht notwendigerweise auf eine Quellensteuer verzichtet werden. Denn die meisten DBA sprechen dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht zu, welches bei Dividenden typischerweise höher ausfällt als bei Zinsanlagen. Aus diesem Grund sind viele ausländische Anlegerinnen und Anleger zwar rückerstattungsberechtigt, können aber nur eine partielle Rückerstattung gemäss der Differenz aus Verrechnungssteuersatz und der im DBA vereinbarten Quellensteuerbelastung beantragen. Des Weiteren hat die Schweiz nicht mit allen Ländern ein DBA abgeschlossen. Ist die ausländische Anlegerin oder der ausländische Anleger in einem Nicht-DBA-Staat ansässig, besteht keine Rückerstattungsberechtigung und die Verrechnungssteuer hat einen reinen Fiskalzweck.</li>
</ul>
<p>Aus diesen beiden Gründen kann mit der Verrechnungssteuer ein beachtliches Aufkommen generiert werden, so dass diese nach der Mehrwertsteuer und der direkten Bundessteuer mittlerweile die drittwichtigste Steuer im Bundeshaushalt darstellt. Grafik 2 zeigt anhand der Aufschlüsselung der Bruttoeingänge, welche Formen des Kapitaleinkommens letztendlich zum Aufkommen der Verrechnungssteuer beitragen.</p>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/2co0JKwgu2VKWeyX7lMiZh/a571260b1fbd1e2a22779bf737844a05/A5_Band_2-2021_Grafik2.png" alt="Verrechnungssteuer zsis Reform Unternehmen isis Grafik Krenger Schwarz schweizerisches Steuerrecht tax law Obligationen Kundenguthaben Dividenden Anlagen" width="930" height="339" /></p>
<p>Im Vergleich zum Jahr 2007 hat sich die Bedeutung von Obligationenzinsen und vor allem von Zinsen aus Kundenguthaben verringert. Somit dokumentiert sich das Niedrigzinsumfeld auch in den Eingängen bei der Verrechnungssteuer. Der Beitrag der übrigen Anlagen, die vornehmlich Ausschüttungen aus Fonds umfassen, ist dagegen im Periodenvergleich in etwa konstant geblieben. Grossmehrheitlich stammt das Aufkommen aus der Verrechnungssteuer, unabhängig von der Betrachtungsperiode, aber aus Dividendenausschüttungen. Das volatile Aufkommen der Verrechnungssteuer im Zeitverlauf ist somit vor allem auf Anpassungen in der Dividendenpolitik der Unternehmen zurückzuführen.</p>
<p>Vor diesem Hintergrund führen Reformvorhaben bei der Verrechnungssteuer – insbesondere im Bereich der inländischen Beteiligungserträge – oftmals auch zu einer finanzpolitischen Diskussion.</p>
<h2>3. Exkurs: Das unermüdliche Ringen um die Abschaffung der Stempelabgaben</h2>
<p>Nicht nur die Verrechnungssteuer ist ein Hemmnis für die Entfaltung des inländischen Kapitalmarkts. Die Umsatzabgabe belastet den Sekundärhandel mit Aktien und Anleihen, während die Emissionsabgabe die Ausgabe von frischem Eigenkapital verteuert. Einzig bei der Emission von Obligationen wurden im letzten Jahrzehnt Fortschritte erzielt, da diese Abgabe im Jahr 2012 abgeschafft wurde. </p>
<p>Allen darüberhinausgehenden Versuchen, die Stempelabgaben zu reformieren, war (bisher) kein Erfolg beschieden. Denn die <a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20090503" target="_blank" rel="noopener">2009 an die Hand genommene Abschaffung der Stempelabgaben</a> ist nach wie vor im Parlament hängig.<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13"><sup>13</sup></a> Die Vorlage wurde in mehrere Teilbereiche aufgespalten. Entwurf 1 betrifft die Abschaffung der Emissionsabgabe, Entwurf 2 und Vorentwurf 3 umfassen die Abschaffung der Umsatz- und der Versicherungsabgabe. Nachdem sich die Räte beim Entwurf 1 jahrelang nicht einig waren, hat nunmehr in der laufenden Session auch der Zweitrat der Abschaffung der Emissionsabgabe zugestimmt. Dagegen wurde das Referendum angekündigt.</p>
<p>Bei den übrigen Stempelabgaben hat die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates eine Vernehmlassung durchgeführt. Darin schlug sie eine schrittweise Abschaffung vor. Entwurf 2 betreffend Umsatzabgabe ist derzeit vom Nationalrat sistiert und soll zusammen mit dem aktuellen Reformvorschlag des Bundesrates zur Verrechnungssteuer beraten werden.</p>
<h2>4. Neuer Anlauf des Bundesrates zur Reform der Verrechnungssteuer</h2>
<h3>4.1 Kernelemente der Botschaft des Bundesrates 2021</h3>
<p>Die Verrechnungssteuer ist ein gewichtiges Hindernis bei der Emission von Anleihen. Zwar sind viele ausländische Anlegerinnen und Anleger auf Grundlage eines DBA grundsätzlich rückerstattungsberechtigt. Diese scheitert jedoch häufig aufgrund rechtlicher oder praktischer Hürden (z.B. bei ausländischen Fonds) beziehungsweise des administrativen Aufwands. Des Weiteren geht mit dem Verrechnungssteuerabzug auch ein Liquiditätsentzug bei der Anlegerin oder dem Anleger einher, da zwischen Erhebung und Rückerstattung der Verrechnungssteuer eine gewisse Zeitspanne vergeht. Wenig verwunderlich ist deshalb, dass heimische Unternehmen oftmals ausländische Standorte nutzen, die sich durch attraktivere steuerliche Rahmenbedingungen auszeichnen, um die externe Konzernfinanzierung zu betreiben.</p>
<p>Während die Verrechnungssteuer ein Hindernis bei der Emission von Schuldtiteln darstellt, stellt die Umsatzabgabe ein Hindernis im Sekundärhandel dar. Diese beträgt bei inländischen Wertpapieren 0.15% und wird (jeweils hälftig) erhoben, wenn inländische Effektenhändler an der Transaktion beteiligt sind. Während die Umsatzabgabe beim Aktienhandel ein Ärgernis darstellt, sorgt sie im Handel mit Anleihen dafür, dass dieser – insbesondere in einer Niedrigzinsphase wie der jetzigen – nahezu vollständig zum Erliegen kommen kann. In der Summe behindert die Umsatzabgabe im Allgemeinen – und im speziellen besonders bei Anleihen – die Reallokation des Kapitals.</p>
<p>Kernelement des Vorschlages des Bundesrates ist die weitgehende Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Zinsen. Weiterhin der Verrechnungssteuer unterliegen Zinsen aus inländischen Kundenguthaben an natürliche Personen im Inland. Auf die übrigen Reformelemente wird vorliegend nicht eingegangen.</p>
<p>Wie eingangs erwähnt (Ziff. 1), unterscheidet sich dieser Vorschlag von vorangehenden Reformvorschlägen des Bundesrates grundlegend, da auf einen Systemwechsel zum Zahlstellenprinzip vollständig verzichtet wird.</p>
<p>Der Bundesrat definiert das Zahlstellenprinzip wie folgt:</p>
<blockquote>«Beim Zahlstellenprinzip wird die Verrechnungssteuer nicht vom Schuldner der steuerbaren Leistung (...) abgeführt, sondern von der Zahlstelle der Anlegerin oder des Anlegers (...). Die Zahlstelle kennt im Unterschied zum Schuldner die Person der Anlegerin oder des Anlegers. Sie ist damit in der Lage, die Verrechnungssteuer ausschliesslich in den Fällen zu erheben, in denen dies der Sicherungszweck verlangt. So ist vorliegend die Verrechnungssteuer gegenüber inländischen natürlichen Personen zu erheben. Inländische juristische Personen sowie ausländische Anlegerinnen und Anleger werden demgegenüber von der Steuer ausgenommen.»<a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15"><sup>14</sup></a></blockquote>
<p>Aufgrund der hohen technischen Komplexität fiel das Zahlstellenprinzip in der Vernehmlassung durch.<a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16"><sup>15</sup></a> Der entsprechende Verzicht hat Auswirkungen auf den Sicherungszweck der Verrechnungssteuer und ist vor dem Hintergrund des steuerlichen Bankgeheimnisses zu sehen (s. dazu Ziff. 5).</p>
<p>Weiteres Kernelement der Vorlage ist die Aufhebung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen.</p>
<p>Wie bereits die Ausführungen zu Ziffer 2 nahelegen, geht die Abschaffung der Verrechnungssteuer im Bereich der Zinsen finanzpolitisch mit vergleichsweise geringen Mindereinnahmen einher. So führt der Reformvorschlag des Bundesrates – abgesehen von beim Bund nicht budgetwirksamen vorübergehenden Effekten<a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17"><sup>16</sup></a> – im aktuellen Zinsniveau zu Mindereinnahmen von rund 170 Mio. Franken bei der Verrechnungssteuer und 25 Mio. Franken bei der Umsatzabgabe.<a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18"><sup>17</sup></a> Diesen Mindereinnahmen stehen nach Ansicht des Bundesrates positive, dynamische Effekte gegenüber, so dass innerhalb weniger Jahre Mehreinnahmen auf allen Ebenen des Staates zu erwarten sind (s. sogl. Ziff. 4.2).</p>
<h3>4.2 Volkswirtschaftliche Auswirkungen<a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19"><sup>18</sup></a></h3>
<p>Der Bundesrat verspricht sich durch die Reform der Verrechnungssteuer zahlreiche positive Impulse auf die hiesige Wirtschaft. An erster Stelle wäre die Stärkung der konzernexternen Finanzierung zu nennen. Indem die Verrechnungssteuer auf Zinsen weitgehend abgeschafft wird, wird ein zentrales Hindernis bei der konzernexternen Finanzierung beseitigt, so dass inländische Konzerne nicht mehr auf ausländische Standorte ausweichen müssen. Dabei muss die Stärkung des inländischen Emissionsstandorts nicht notwendigerweise zu Lasten ausländischer Standorte gehen. Denkbar ist auch, dass sich die Wachstumsdynamik bei im Ausland getätigten Anleiheemissionen abschwächt, während die Emission von inländischen CHF-Anleihen an Fahrt aufnehmen könnte. Des Weiteren ist denkbar, dass auch ausländische Konzerne dazu bewogen werden können, den Schweizer Anleihenmarkt (wieder) verstärkt zu nutzen. </p>
<p>Während durch den Vorschlag des Bundesrates auf die konzernexterne Finanzierung direkte Impulse ausgehen, ist die Wirkung auf die<em> </em>konzerninterne Finanzierung (Treasury und Cash-Pooling) indirekter Natur. Grundsätzlich können Konzerne Vorteile aus einer Bündelung verwandter Konzernfunktionen ziehen. Diese Vorteile sind nach Branchenangaben infolge der BEPS-Bemühungen von Seiten der OECD weiter akzentuiert worden, da Unternehmen ein Interesse haben in steuerlich attraktiven Staaten vermehrt wirtschaftliche Substanz anzusiedeln. Wird nun die konzernexterne Finanzierung in der Schweiz gestärkt, ergibt sich eine Sogwirkung auf die konzerninterne Finanzierung, so dass mit der Reform die Chance besteht, sämtliche Finanzierungsfunktionen eines Konzerns vermehrt aus der Schweiz heraus zu betreiben.</p>
<p>Mit der Reform dürfte auch eine leichte Belebung des Wertschriften- und Vermögensverwaltungsgeschäfts einhergehen. Ein Teil des von der Schweiz aus verwalteten Wertschriftenvermögens wird derzeit aufgrund der Umsatzabgabe in ausländischen Depots gehalten. Wenngleich der Reformschritt bei der Umsatzabgabe wohl nicht ausreicht, um dieses Wertschriftenvermögen und die damit verbundene Wertschöpfung im grossen Umfang in die Schweiz zurückzuführen, wird es für Anlegerinnen und Anleger infolge der Reform attraktiver, inländische Obligationen über einen inländischen Effektenhändler zu erwerben, da die Umsatzabgabe entfällt.<a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20"><sup>19</sup></a> Zusammen mit dem Wegfall der Verrechnungssteuer auf Zinsanlagen werden Impulse gesetzt, verstärkt inländische Anleihen über eine inländische Bank zu erwerben.</p>
<p>Mit Blick auf etwaige Kapitalmarktverzerrungen präsentiert sich die Reform des Bundesrates uneinheitlich. Aus Unternehmenssicht positiv zu bewerten ist, dass die bisherigen steuerlichen Hindernisse bei der Emission von inländischen Obligationen beseitigt werden. Der Entscheid zugunsten einer (steuerlich motivierten) Emission am ausländischen Standort wird durch die Reform nun zurückgenommen.</p>
<p>Statt sich am Kapitalmarkt zu finanzieren, hätte ein Unternehmen auch einen klassischen Bankkredit in Anspruch nehmen können. Die Gründe für oder gegen eine kapitalmarktorientierte Finanzierung mögen vielfältig sein, zumindest werden die steuerlichen Nachteile einer Kapitalmarktfinanzierung gegenüber der Kreditfinanzierung über eine Bank mit der Verrechnungssteuerreform aber beseitigt. Auch unter diesem Gesichtspunkt schneidet die Reform folglich vorteilhaft ab. Allerdings werden die bereits heute bestehenden Verzerrungen zwischen direkten und indirekten Anlagen eher weiter ausgebaut werden (s. Ziff. 6).</p>
<p>Die zuvor beschriebenen Reformfolgen fallen primär in den Finanzabteilungen der Unternehmen sämtlicher Branchen und im Finanzsektor an. Mit der Reform gehen infolge der Nachfrageimpulse aber auch indirekte beziehungsweise induzierte Effekte in weiteren Branchen einher, wie zum Beispiel für die hiesige Rechts- und Unternehmensberatung, mit deren Unterstützung die zuvor beschriebenen Tätigkeiten abgewickelt werden. Während die unmittelbaren Reformwirkungen folglich Wertschöpfungsimpulse in den Finanzabteilungen und in der Finanzbranche auslösen, dürften die weitergehenden Reformwirkungen breiter gestreut sein. </p>
<h2>5. Abwägung zwischen Stärkung Fremdkapitalmarkt, Steuersicherung, Komplexität und Bankgeheimnis</h2>
<p>Die Verrechnungssteuer erfüllt im nationalen Verhältnis bekanntlich eine Sicherungsfunktion. Dabei wahrt der erga omnes an der Quelle erfolgte Abzug die steuerliche Privatsphäre der Anlegerin oder des Anlegers. Erst im Zeitpunkt der Deklaration legt die steuerpflichtige Person ihre Vermögensverhältnisse gegenüber den Steuerbehörden offen. Die Sicherungsfunktion beschränkt sich konzeptionell jedoch auf inländische Anlagen. Bei ausländischen Anlagen, die über eine ausländische Bank gehalten werden, sichert in vielen Fällen der AIA. Unbesichert sind heute demnach ausländische Anlagen, die über eine inländische Bank gehalten werden.</p>
<p>Die vom Bundesrat avisierte Stärkung des Fremdkapitalmarkts steht in einem Spannungsfeld zum Schuldnerprinzip. Um den Emissionsstandort zu stärken, ist primär eine Entlastung ausländischer Anlegerinnen und Anleger von der Verrechnungssteuer auf Zinsen nötig. Dies wiederum steht im Widerspruch zum anonymen Schuldnerprinzip, bei dem es nicht auf die Person der Anlegerin oder des Anlegers ankommt und dementsprechend nicht einzelne Kategorien befreit werden können.</p>
<p>Im Rahmen der vorangehenden Reformvorschläge hat der Bundesrat das Spannungsfeld zwischen Sicherungszweck im Inland und Befreiung primär ausländischer Anlegerinnen und Anleger mit der Verrechnungssteuer nach Zahlstellenprinzip gelöst.<a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21"><sup>20</sup></a> Konzeptionell ermöglicht das Zahlstellenprinzip einen Ausbau der Sicherungsfunktion auf ausländische Anlagen. Mit dem Wechsel zum Zahlstellenprinzip hätten sowohl die Ziele einer Stärkung des Fremdkapitalmarkts als auch ein Ausbau des Sicherungszwecks im Inland verwirklicht werden können. Der Preis für die Verwirklichung dieser beiden Ziele hätte in der deutlich erhöhten administrativen Komplexität für die Zahlstellen bestanden. Bei Zinsanlagen im Inland wäre die Verrechnungssteuer nach Zahlstellenprinzip zur Anwendung gelangt, während bei inländischen Beteiligungen weiterhin das Schuldnerprinzip genutzt würde. Ausländische Beteiligungserträge wären je nach Reformvorschlag mit besichert worden<a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22"><sup>21</sup></a> oder nicht.<a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23"><sup>22</sup></a> Dieses System stiess primär bei den direkt Betroffenen Banken auf wenig Begeisterung, da diese mehrere Systeme parallel hätten führen müssen.<a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24"><sup>23</sup></a></p>
<p>Der Steuerabzug nach dem Zahlstellenprinzip kann als komplex und fehleranfällig bezeichnet werden.<a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25"><sup>24</sup></a></p>
<p>Im Rahmen des neuen Reformvorschlags verzichtet der Bundesrat aufgrund der hohen Komplexität auf die Einführung des Steuerabzugs im Zahlstellenprinzip (s. vorstehend Ziff. 4).</p>
<p>In früheren Reformbestrebungen wurde ein freiwilliges Meldeverfahren anstelle des Steuerabzugs nach Zahlstellenprinzip vorgeschlagen.<a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26"><sup>25</sup></a> Dieses Meldeverfahren würde auch auf dem Zahlstellenprinzip beruhen, dürfte in der Umsetzung aber weniger heikel sein.</p>
<p>Meldungen stellen eine Einschränkung des steuerlichen Bankgeheimnisses zu Gunsten des Sicherungszwecks dar. Nach der Vernehmlassung 2014 hat der Bundesrat die Reform der Verrechnungssteuer – gerade auch mit Blick auf das steuerliche Bankgeheimnis – vertagt.<a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27"><sup>26</sup></a> Während das steuerliche Bankgeheimnis im internationalen Kontext mit Einführung des AIA obsolet geworden ist, besteht es im nationalen Verhältnis nach wie vor. Politisch hat es auch weiterhin eine hohe Bedeutung. Dies macht etwa die Debatte rund um die <a href="https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis445.html" target="_blank" rel="noopener">Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre»</a>, die das steuerliche Bankgeheimnis in der Verfassung verankern wollte, deutlich. 2018 wurde die Initiative zurückgezogen, nachdem der Bundesrat die Steuerstrafrechtsrevision abgeschrieben hat.<a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28"><sup>27</sup></a></p>
<p>Er verzichtet auch auf ein Meldeverfahren und führt diesbezüglich aus:</p>
<blockquote>«Aus Sicht des Bundesrates kommt dem steuerlichen Bankgeheimnis im Inland weiterhin eine hohe Bedeutung zu. Dieses hat in der Schweiz eine unverändert wichtige Funktion im Verhältnis zwischen dem Staat und den Bürgerinnen und Bürgern. Es ist Ausdruck der finanziellen Privatsphäre. Der voraussetzungslose Einblick der Steuerbehörden in Bankdaten widerspricht einem liberalen Grundverständnis und kann das Vertrauensverhältnis zum Staat beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund verzichtet der Bundesrat vorliegend darauf, ein Meldeverfahren im Inland vorzuschlagen. Angesichts des schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnisses einer nur teilweisen Besicherung von Zinspapieren sollen Zinsen im Grundsatz von der Verrechnungssteuer befreit werden.»<a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29"><sup>28</sup></a></blockquote>
<p>Daraus resultiert eine Schwächung des Sicherungszwecks in Bezug auf inländische Zinsanlagen im Vergleich zu heute. Zu Gunsten der Stärkung des Fremdkapitalmarkts nimmt der Bundesrat diese Schwächung in Kauf. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass steuerunehrliche Anlegerinnen und Anleger bei jeder Art der partiellen Sicherung auf die nicht besicherten Anlagekategorien ausweichen können.<a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30"><sup>29</sup></a> Zudem erfüllt im aktuellen Zinsumfeld die Verrechnungssteuer diesen Zweck ohnehin nur begrenzt.<a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31"><sup>30</sup></a></p>
<blockquote>«Dies [die Befreiung inländischer Obligationen von der Verrechnungssteuer] ist mit Blick auf die Allgemeinheit und die Gleichmässigkeit der Besteuerung zwar nicht unproblematisch. Es handelt sich jedoch um eine klar umgrenzte Anlagekategorie, und im Rahmen der Veranlagung bestehen die Mitwirkungspflichten der einkommens- und vermögenssteuerpflichtigen Person weiterhin.»<a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32"><sup>31</sup></a></blockquote>
<p>Ob das Parlament die Sicherungslücke hinnimmt, bleibt abzuwarten. Will es die Stärkung des Emissionsstandortes weiterverfolgen und zugleich die Steuersicherung aufrecht erhalten oder noch ausbauen, wird auch es eine Abwägung zwischen Komplexität (Zahlstellenprinzip mit Steuerabzug) oder Meldeverfahren (steuerliches Bankgeheimnis) vornehmen. Im Rahmen der Debatte zur <a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20190316" target="_blank" rel="noopener">Standesinitiative des Kantons Bern «Finanzdatenaustausch im Inland» (19.316)</a> hat der Ständerat bereits angekündigt, bei der Reform der Verrechnungssteuer einen AIA im Inland zu debattieren.<a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33"><sup>32</sup></a> Auch die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates siedelt das Anliegen eines Meldeverfahrens in der aktuellen Reform an.<a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34"><sup>33</sup></a> Anlässlich der Sitzung vom 17. Mai 2021 hat die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates den Antrag der Finanzkommission, in einer externen Studie untersuchen zu lassen, welche finanziellen Auswirkungen eine Schwächung des Sicherungszwecks im Rahmen der Verrechnungssteuerreform haben könnte, abgelehnt.<a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35"><sup>34</sup></a></p>
<h2>6. Verpasste Chancen?</h2>
<p>Der Bundesrat verzichtet im neuen Reformvorschlag explizit auf weitere Reformelemente. Vorliegend soll – abgesehen von einem Meldeverfahren oder AIA, dessen Einführung letztlich ein rein politscher Entscheid ist (Ziff. 5) – auf die indirekte Zinsanlage via Fonds und Massnahmen bei inländischen Beteiligungserträgen eingegangen werden.</p>
<p>In der Vernehmlassung 2020 hatte der Bundesrat noch vorgeschlagen, Zinsen via Fonds gleich zu behandeln wie die direkte Anlage.<a title="" href="#_ftn36" name="_ftnref36"><sup>35</sup></a> Entsprechend wären Zinsen, die via inländischem Fonds erwirtschaftet werden nur noch gegenüber natürlichen Personen im Inland mit der Verrechnungssteuer besichert worden. Im Rahmen seiner Botschaft verzichtet der Bundesrat nun auf eine entsprechende Massnahme.<a title="" href="#_ftn37" name="_ftnref37"><sup>36</sup></a> Im Ergebnis unterliegen die aus einem inländischen Fonds an alle Anlegerinnen und Anleger ausgeschütteten Zinsen der Verrechnungssteuer; direkt vereinnahmte Zinsen und über einen ausländischen Fonds ausgeschüttete Zinsen sind mit dem Vorschlag des Bundesrates von der Verrechnungssteuer befreit.</p>
<p>Ausländische Fonds, die Zinserträge aus ihren Anlagen vereinnahmen, gewärtigen heute einen Verrechnungssteuerabzug. Oftmals kann die Verrechnungssteuer aufgrund von rechtlichen oder praktischen Hürden nicht zurückgefordert werden. Die Ausschüttung des ausländischen Fonds an die Anlegerin oder den Anleger ist dagegen verrechnungssteuerfrei. Im Ergebnis resultiert aus diesem System mangels Rückerstattungsfähigkeit eine Art faktischer Verrechnungssteuerabzug für alle Anlegerinnen und Anleger. Wird der Reformvorschlag des Bundesrates in dieser Form umgesetzt, dann sind via ausländische Fonds vereinnahmte Zinserträge bei der Anlegerin und dem Anleger neu gänzlich verrechnungssteuerfrei, da der ausländische Fonds keinen Abzug mehr gewärtigt. Inländische Fonds müssten auf ihrer Ausschüttung an die Anlegerin oder den Anleger (weiterhin) die Verrechnungssteuer abführen. Für alle Anlegerinnen und Anleger wird der Erwerb von Anteilen an einem ausländischen Fonds im Vergleich zum Status quo somit attraktiver. Dies führt nicht nur zu Verzerrungen zwischen der Wahl eines in- oder ausländischen Fondsvehikels, auch wird die Entscheidung zwischen einer Direktanlage in Anleihen und dem indirekten Erwerb via inländischen Fonds zugunsten des Direktbesitzes verzerrt. Diese Verzerrungswirkungen sind aus ökonomischer Sicht nicht unproblematisch. Der Bundesrat nimmt diese Verzerrungen im Interesse der Komplexitätsreduktion und mit Blick auf den Sicherungszweck hin.</p>
<p>Der Bundesrat hat weitere Massnahmen bei Beteiligungserträgen explizit verworfen.<a title="" href="#_ftn38" name="_ftnref38"><sup>37</sup></a> Eine Reform der Verrechnungssteuer, die auch eine Satzsenkung bei Dividenden auf 15% beinhalten würde, würde sicher weitergehende positive volkswirtschaftliche Impulse auslösen. Neben einer Stärkung des Schweizer Kapitalmarkts (auch) für Beteiligungspapiere, hätte diese Massnahme auch unter administrativen Gesichtspunkten Vorteile. Denn bei einer Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Zinsanlagen erübrigt sich das Rückerstattungsverfahren für ausländische Anlegerinnen und Anleger nur dann, wenn diese (vornehmlich) in Zinsanlagen investiert sind. Sobald sich das Wertschriftenportfolio aus einem Mix aus Dividenden- und Zinspapieren zusammensetzt, geht mit der jetzigen Reform nur eine geringfügige Reduktion des administrativen Aufwands bei der Rückerstattung einher. Bei einer Satzsenkung auf 15% bei Beteiligungsrechten, dürfte sich zumindest für Streubesitzpapiere das Rückerstattungsverfahren erübrigen.</p>
<p>Insgesamt dürfte der Handlungsbedarf bei Beteiligungsrechten aber deutlich weniger gravierend sein als bei Zinspapieren. Gründe hierfür sind:</p>
<ul type="disc">
<li><strong>Substituierbarkeit: </strong>Obligationen dürften eher substituierbar sein als Aktien. Bei letzterer Anlageform dürften die Erwartungen bezüglich der Qualität des einzelnen Unternehmens zentral sein.</li>
<li><strong>Internationale Akzeptanz von Quellensteuern:</strong> Bei Aktien sind Quellensteuern international üblich, wenngleich sie etwas tiefer sind als in der Schweiz. Bei Zinsen sind die Quellensteuern generell tief und stehen stärker international im Wettbewerb.</li>
<li><strong>Unterschiede in den Gestaltungsmöglichkeiten:</strong> Konzerne können nicht einfach an einen ausländischen Standort ausweichen und Dividenden aus einer ausländischen Gesellschaft direkt an die Aktionärinnen und Aktionäre ausschütten, während dies bei der Fremdkapitalfinanzierung deutlich einfacher möglich ist. </li>
<li><strong>Wechselwirkungen zwischen Verrechnungssteuer und Umsatzabgabe:</strong> Soll eine Satzsenkung bei Dividenden begleitet werden mit einer Aufgabe der Emissionsabgabe und der Umsatzabgabe auf inländischen Beteiligungspapieren, kämen zusätzliche Mindereinnahmen hinzu. Diese würden nochmals höher ausfallen als die Aufgabe der Umsatzabgabe bei inländischen Anleihen. </li>
</ul>
<p>Angesichts der fragilen wirtschaftlichen Grosswetterlage und des geringeren Reformdrucks bei Beteiligungsrechten ist es verständlich, dass sich der Bundesrat auf die Stärkung des Fremdkapitalmarkts konzentrieren möchte. Da Dividenden der Haupttreiber bei den Eingängen der Verrechnungssteuer sind (s. Ziff. 2), ginge ein solcher Reformschritt auch mit ganz anderen Aufkommenseffekten einher. Um diese zu evaluieren, hat die ESTV bei KPMG ein Gutachten in Auftrag gegeben.<a title="" href="#_ftn39" name="_ftnref39"><sup>38</sup></a> Dieses ermittelt bei einer Satzsenkung auf 15% bei Beteiligungsrechten Mindereinnahmen von 1.6 Mrd. CHF. Diese rühren u.a. aus einer fehlenden Rückerstattungsberechtigung, aus dem Wegfall höherer Sockelsteuern (einige DBA kennen Steuersätze von mehr als 15%), Steuerhinterziehung oder administrativen Hürden bei der Geltendmachung der Rückerstattungsberechtigung her. Ein solcher Betrag ist schon in wirtschaftlichen Normalzeiten nicht ohne Steuererhöhungen beziehungsweise Ausgabenkürzungen zu finanzieren. In der jetzigen Situation, in welcher der finanzpolitische Handlungsspielraum aller Gebietskörperschaften im Allgemeinen und speziell beim Bund –dessen Defizit betrug 2020 etwa 15 Mrd. und für 2021 wird ein Fehlbetrag von ca. 20 Mrd. erwartet –Corona-bedingt begrenzt ist, erübrigen sich Reformmassnahmen, die zu hohen (kurzfristigen) Mindereinnahmen führen. </p>
<h2>7. Fazit und Ausblick</h2>
<p>Der Bundesrat nimmt mit seiner Botschaft einen neuen Anlauf zur Stärkung des inländischen Fremdkapitalmarkts. Die parlamentarische Beratung hat im Mai 2021 bei der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates mit Anhörungen von Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern sowie der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und -direktoren gestartet. Im August 2021 startet die Detailberatung. Wenn sich das Parlament rasch auf eine Vorlage einigt, ist ein Inkarafttreten der Neuerung per 2023 zwar denkbar, u.E. aber eher unwahrscheinlich.</p>
<p>Der Vorschlag des Bundesrats ist in technischer Hinsicht wenig revolutionär. Er verzichtet auf das Zahlstellenprinzip und hält stattdessen am bestehenden Schuldnerprinzip fest. Vor dem Hintergrund seiner Vorgeschichte, kann dieser Reformvorschlag gerade in seiner technischen Einfachheit als politischer Befreiungsschlag angesehen werden. Weiter ist der Vorschlag des Bundesrates eng, da er sich ganz auf den Fremdkapitalmarkt konzentriert und weitergehende Reformschritte beim Beteiligungskapital ausgespart werden.</p>
<p>Mit diesem bundesrätlichen Ansatz punktueller Reformschritte in technisch bewährten Bahnen lässt sich vermutlich kein Schönheitspreis gewinnen. Nichts desto trotz ist die Vorlage wirtschaftlich geboten und geeignet, nach mehreren erfolglosen Anläufen zu einer pragmatischen und mehrheitsfähigen Lösung zu kommen. Es bleibt abzuwarten, wie das Parlament mit der Vorlage umgehen wird.</p></article>
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