<article class="rz"><h2>1. Einleitung</h2>
<p>Grundtatbestand des Steuerstrafrechts ist die Steuerhinterziehung.<sup><a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1">01</a></sup> Eine solche begeht im Bereich der direkten Steuern, wer als steuerpflichtige Person bewirkt, dass eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist.<sup><a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">02</a></sup> Auch bei den anderen Steuerarten knüpft der Hinterziehungstatbestand an das Vorenthalten von Steuern<sup><a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">03</a></sup> bzw. die Verkürzung der Mehrwertsteuerforderung zu Lasten des Staates<sup><a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4">04</a></sup> an. Dabei umschreiben die Tatbestände das verbotene Handeln nicht selbst, sondern knüpfen an die Besteuerungsregeln an. Der Erfolg eines Steuerdeliktes kann daher nicht einfach festgestellt werden, sondern muss auf Grundlage der steuerbegründenden Tatsachen berechnet werden.<sup><a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5">05</a></sup> Dadurch sind Steuerrecht und Steuerstrafrecht miteinander verzahnt. Eine solche Verzahnung besteht für die Rechnungslegung auch im Steuer- bzw. im Steuerstrafrecht. Soweit sich die Rechnungslegung auf die Feststellung der geschuldeten Steuer auswirkt, ist sie auch im Steuerstrafrecht relevant.</p>
<p>Relevant ist die Rechnungslegung dabei insbesondere bei der Gewinnsteuer von juristischen Personen und der Einkommenssteuer von selbständig erwerbstätigen natürlichen Personen, knüpfen diese Steuern doch an den Gewinn einer Unternehmung an. Für die Ermittlung dieses Gewinns ist die Handelsbilanz (Bilanz- und Erfolgsrechnung) massgeblich (sog. Massgeblichkeitsprinzip), wobei sich die Massgeblichkeit auf nach den zwingenden Bestimmungen des Handelsrechts ordnungsgemäss geführte Bücher bezieht.<sup><a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6">06</a></sup></p>
<p>Liegt demgegenüber eine Unregelmässigkeit in der Buchhaltung vor, die zu einem zu tiefen Gewinnausweis führt, ist der objektive Tatbestand einer vollendeten oder versuchten Steuerhinterziehung erfüllt.<sup><a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7">07</a></sup> Im Gewinnsteuerrecht sowie bei der Einkommenssteuer von selbständig erwerbstätigen natürlichen Personen bewirkt also eine handelsrechtswidrige Jahresrechnung eine Steuerverkürzung. Überspitzt formuliert ist also für das Steuerstrafrecht die handelsrechtwidrige Rechnungslegung massgeblich.</p>
<p>Daher ist in der Folge darzustellen, unter welchen Voraussetzungen eine steuerstrafrechtlich relevante Unregelmässigkeit der Jahresrechnung gegeben ist, welche Tatbestände durch die Verwendung einer handelsrechtswidrigen Jahresrechnung erfüllt werden können und in welchem (Konkurrenz-)Verhältnis diese zueinander stehen.</p>
<p>Steuerstraftbestände enthalten neben deskriptiven auch normative Tatbestandselemente, welche eine Wertung erfordern. Daher ist ein besonderes Augenmerk auf die subjektive Tatseite zu richten. Da das Steuerstrafrecht die Möglichkeit bietet, unter bestimmten Voraussetzungen straflos in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren, sind auch diese (Selbstanzeige-)Regelungen zu beleuchten.</p>
<h2>2. Steuerstrafrechtlich relevante Unregelmässigkeit der Buchhaltung</h2>
<h3>2.1 Massgeblichkeit der Jahresrechnung</h3>
<p>Die Bemessung des steuerbaren Gewinns einer juristischen Person knüpft an die Handelsbilanz an, welche Ausgangslage und Grundlage für die steuerrechtliche Gewinnermittlung ist.<sup><a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8">08</a></sup> Steuerrechtlich wird der wirtschaftliche Sachverhalt dabei so beurteilt, wie er in den Geschäftsbüchern dargestellt werden muss und nicht, wie er in einer konkreten Bilanz allenfalls pflichtwidrig dargestellt worden ist.<sup><a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9">09</a></sup></p>
<p>Auch bei der Ermittlung des steuerbaren Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit sind für Buchführungspflichtige die Bestimmungen über die Berechnung des Reingewinns bei der Gewinnsteuer sinngemäss anwendbar.<sup><a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10">10</a></sup></p>
<p>Ausgangspunkt für die Berechnung des Reingewinns bildet der Saldo der Erfolgsrechnung unter Berücksichtigung des Saldovortrages aus dem Vorjahr gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_58">Art. 58 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG)</a>. Soweit der ausgewiesene Reingewinn mit den Rechnungslegungsvorschriften übereinstimmt und keine abweichenden steuerrechtlichen Vorschriften existieren, ist die handelsrechtskonforme Jahresrechnung sowohl für die Steuerbehörde als auch für die steuerpflichtige Person verbindlich.<sup><a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11">11</a></sup></p>
<h3>2.2 Handelsrechtskonformität der Jahresrechnung</h3>
<p>Handelsrechtskonform ist eine Jahresrechnung, wenn sie die in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/27/317_321_377/de#part_4/tit_32/sec_1/lvl_B">Art. 957a ff des Obligationenrechts (OR)</a> normierten Grundsätze der ordnungsgemässen Rechnungslegung einhält. Die Rechnungslegung muss daher gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/27/317_321_377/de#art_958_c">Art. 958c OR</a> insbesondere</p>
<ol>
<li>klar und verständlich sein;</li>
<li>vollständig sein;</li>
<li>verlässlich sein;</li>
<li>vorsichtig sein;</li>
<li>das Wesentliche enthalten;</li>
<li>bei der Darstellung und der Bewertung stets den gleichen Massstab verwenden;</li>
<li>Aktiven und Passiven sowie Aufwand und Ertrag nicht miteinander verrechnen.<sup><a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12">12</a></sup></li>
</ol>
<p>Die Rechnungslegung unterliegt einer Reihe von Grundsätzen. Der Grundsatz der Vollständigkeit verlangt, dass alle wirtschaftlichen Tatsachen, die sich auf das eingesetzte Kapital auswirken, sowohl in der Bilanz als auch in der Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigt werden. Die Rechnungslegung darf daher wesentliche Einnahmen nicht verschweigen oder verschleiern. Folglich ist es nicht zulässig, einen Vermögensgegenstand einfach wegzulassen, um eine stille Reserve zu bilden. Das Vorsichtsprinzip verlangt eine pessimistische Betrachtungsweise der verschiedenen Aspekte der Rechnungslegung. Bei Unklarheiten über die Bewertung ist der niedrigste Wert anzusetzen.<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13"><sup>13</sup></a> Das Vorsichtsprinzip dient dem Gläubigerschutz, weshalb handelsrechtlich die Bildung stiller Reserven zulässig ist. Demgegenüber strebt das Steuerrecht nach der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.</p>
<h3>2.3 Leistungsfähigkeitsprinzip</h3>
<p>Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist im Rahmen der Gewinnermittlung durch das Periodizitäts- und das Totalgewinnprinzip konkretisiert worden. Das Periodizitätsprinzip verlangt, dass der Gewinn des Unternehmens periodisch ermittelt und versteuert wird. Demgegenüber besagt das Totalgewinnprinzip, dass ein Unternehmen nicht mehr als den während seiner Lebensdauer erzielten Gesamtgewinn versteuern muss. Die Summe aller Periodenergebnisse eines Unternehmens muss also dem Gesamtgewinn entsprechen, den dieses Unternehmen während der gesamten Zeitspanne seiner Existenz aus eigener Kraft erwirtschaftet hat.<a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14"><sup>14</sup></a></p>
<p>Das Periodizitätsprinzip erfordert die zeitlich korrekte Zuordnung des Ergebnisses.<a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15"><sup>15</sup></a> Ein Ertrag ist nach dem Realisationsprinzip dann zu verbuchen, wenn das Unternehmen einen festen und durchsetzbaren Rechtsanspruch erwirbt. Bei Honoraren aus Geschäftsbesorgungsverträgen entsteht ein solcher Anspruch entweder bei Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages oder zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung. Um sich auf die Rechnungsstellung berufen zu können, ist es jedoch erforderlich, die Rechnungsstellung nicht künstlich zu verzögern.<a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16"><sup>16</sup></a></p>
<p>Im Gegensatz zu den Erträgen gilt bei Wertverminderungen das Imparitätsprinzip, das besagt, dass Wertverminderungen bereits erfasst werden, wenn sie erkennbar sind und der sorgfältige Kaufmann ernstlich mit dem Eintritt rechnen muss. Dem Imparitätsprinzip wird durch Abschreibungen/Wertberichtigungen und Rückstellungen Rechnung getragen.<a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17"><sup>17</sup></a></p>
<p>Ein nicht periodengerecht verbuchter Ertrag oder ein periodenfremd erfasster Aufwand führt in erster Linie zu einem Steueraufschub. Zu einer (unrechtmässigen) Steuerersparnis kann es jedoch kommen, wenn dadurch Gewinne in eine Bemessungslücke fallen, sich dadurch die Verlustverrechnungsperiode verlängert oder aufgrund einer Tarifänderung bzw. der Steuerprogression ein Steuerausfall entsteht.<a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18"><sup>18</sup></a></p>
<p>Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung von Handels- und Steuerrecht sehen die Steuergesetze zur Durchsetzung der steuerrechtlichen Ziele die Modifizierung des handelsrechtlich korrekt ausgewiesenen Saldos der Erfolgsrechnung durch steuerrechtliche Korrekturvorschriften vor.<sup><a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19">19</a></sup> Diese sollen einerseits sicherstellen, dass die Unternehmung keine verdeckten Gewinnausschüttungen vornimmt und dass sie andererseits den in der laufenden Steuerperiode aus eigener Kraft erwirtschafteten Reingewinn versteuern muss.<sup><a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20">20</a></sup></p>
<h3>2.4 Trennungsprinzip</h3>
<p>Sowohl das Privat- als auch das Steuerrecht folgen dem sog. «Trennungsprinzip», gehen also von der rechtlichen Selbständigkeit einer juristischen Person aus, welche getrennt von ihren Gesellschaftern besteuert wird. Entsprechend sind Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern sowie ihnen nahestehenden Personen grundsätzlich zulässig. Da im Steuerrecht die (teilweise gemilderte) wirtschaftliche Doppelbelastung gesetzlich verankert ist, wonach der erwirtschaftete Gewinn zuerst auf Stufe Gesellschaft und danach im Falle der offenen oder verdeckten Ausschüttung auf Stufe Gesellschafter besteuert wird, dürfen derartige Rechtsgeschäfte jedoch nicht zu einer Gewinnverschiebung führen.<sup><a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21">21</a></sup> Daher müssen Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern einem Drittvergleich standhalten.</p>
<h3>2.5 Wirtschaftliche Doppelbelastung</h3>
<p>Zur Gewährleistung der wirtschaftlichen Doppelbelastung sieht <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_58">Art. 58 Abs. 1 lit. b 5. Lemma DBG</a> vor, dass verdeckte Gewinnausschüttungen zum Saldo der Erfolgsrechnung hinzuzurechnen sind. Eine verdeckte Gewinnausschüttung charakterisiert sich dadurch, dass:</p>
<ul>
<li>die leistende Gesellschaft für ihre Leistung keine oder keine gleichwertige Gegenleistung erhält;</li>
<li>der Gesellschafter direkt oder indirekt (z.B. über eine ihm nahestehende Person oder Unternehmung) einen Vorteil erlangt;</li>
<li>die Gesellschaft diesen Vorteil einem unabhängigen Dritten unter gleichen Bedingungen nicht zugestanden hätte, weshalb die Leistung insofern ungewöhnlich ist (Kriterium des Drittvergleichs), und</li>
<li>der Charakter der Leistung für die Organe der Gesellschaft erkennbar war.<sup><a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22">22</a></sup></li>
</ul>
<p>Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist sowohl auf Stufe der leistenden Gesellschaft als auch auf Stufe der die Leistung empfangenden Gesellschafterin steuerbar. Auf Ebene der leistenden Gesellschaft ist die verdeckte Gewinnausschüttung gestützt auf <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_58">Art. 58 Abs. 1 lit. b/c DBG</a> bzw. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de">Art. 24 des Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG)</a> zum steuerbaren Gewinn hinzuzurechnen. Seitens der empfangenden Gesellschafterin folgt die Steuerbarkeit aus <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_20">Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG</a> bzw. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_7">Art. 7 Abs. 1 StHG</a>, soweit es um eine natürliche Person geht, bzw. aus <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_58">Art. 58 Abs. 1 lit. c DBG</a> und <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de">Art. 24 StHG</a> falls die Beteiligung von einer juristischen Person gehalten wird.<sup><a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23">23</a></sup></p>
<p>Ist der als verdeckte Gewinnausschüttung qualifizierende Handelsvorgang weder bei der leistenden Kapitalgesellschaft noch bei der Gesellschafterin besteuert worden, führt dies beidseitig zur Aufrechnung.<sup><a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24">24</a></sup></p>
<p>Hingegen ist eine Aufrechnung nur auf Stufe der leistenden Gesellschaft notwendig, wenn der Geschäftsvorfall steuerlich bei der Gesellschafterin bereits unter einem – wenn auch unzutreffenden – Rechtstitel zur Besteuerung geführt hat.<sup><a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25">25</a></sup></p>
<p>Hinzu kommt, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung der Verrechnungssteuer unterliegt. Die leistende Gesellschaft muss die Steuer von 35 % (nachträglich) entrichten und zwingend durch Einforderung beim Leistungsempfänger auf diesen überwälzen.<a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26"><sup>26</sup></a> Da der Bund die Verrechnungssteuer im Binnenverhältnis primär mit dem Ziel erhebt, die Erhebung der Einkommens- und Vermögenssteuern bei den originär berechtigten inländischen Leistungsempfängern zu sichern, wird die Verrechnungssteuer grundsätzlich nach erfolgter Erhebung mit damit verbundener Sicherung der Einkommens- und Vermögensteuern zurückerstattet.<a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27"><sup>27</sup></a> Diesen Rückerstattungsanspruch verwirkt allerdings, wer die mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte entgegen gesetzlicher Vorschriften nicht angibt.<sup><a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28">28</a></sup></p>
<h3>2.6 Mögliche Ursachen einer unvollständigen Gewinndeklaration</h3>
<p>Da für die Bemessung des steuerbaren Gewinns die handelsrechtskonforme Jahresrechnung massgebend ist, verursacht eine handelsrechtswidrige Erfolgsrechnung eine unvollständige Gewinndeklaration, sofern diese Unregelmässigkeit in der Steuererklärung nicht korrigiert wird.</p>
<p>Handelsrechtswidrig ist eine Jahresrechnung insbesondere dann, wenn</p>
<ul>
<li>Einnahmen nicht verbucht sind.<sup><a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29">29</a></sup></li>
<li>Auslagen, die offensichtlich privater Natur sind, als Geschäftsaufwand verbucht werden.<sup><a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30">30</a></sup> Dazu gehören diejenigen Aufwendungen, welche die Gesellschaft einzig für den privaten Lebensaufwand von an ihr beteiligten Personen (bzw. diesen nahestehenden Personen) erbracht hat. Bei Aufwendungen, die teils privat und teils geschäftlich veranlasst sind, ist ein Privatanteil auszuscheiden.<a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31"><sup>31</sup></a></li>
<li>sie bei länger dauernden Projekten die angefangenen Arbeiten nicht zu den Selbstkosten aktiviert.<sup><a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32">32</a></sup></li>
<li>eine Gesellschaft für an verbundene Unternehmen erbrachte Leistungen keine Gegenleistung verbucht.<sup><a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33">33</a></sup></li>
</ul>
<p>Da nunmehr das Periodizitätsprinzip auch im Handelsrecht explizit verankert ist (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/27/317_321_377/de#art_958_b">Art. 958b OR</a>), ist eine Erfolgsrechnung, die nicht alle im laufenden Geschäftsjahr realisierten Erträge oder in anderen Perioden angefallene Aufwendungen enthält, handelsrechtswidrig.</p>
<h2>3. In Frage kommende (Steuer-)Straftatbestände</h2>
<h3>3.1 Hinterziehung der Gewinn- bzw. Einkommenssteuern</h3>
<p>Eine vollendete Hinterziehung der Gewinn- bzw. Einkommenssteuer begeht, wer als Steuerpflichtiger vorsätzlich oder fahrlässig bewirkt, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterbleibt oder eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_175">Art. 175 Abs. 1 DBG</a>; <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_56">Art. 56 Abs. 1 StHG</a>). Wird die strafbare Handlung von der Steuerbehörde vor Erlass der definitiven Veranlagung entdeckt, so wird wegen versuchter Steuerhinterziehung bestraft, wer eine Steuer zu hinterziehen versucht (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_176">Art. 176 Abs. 1 DBG</a>; <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_56">Art. 56 Abs. 2 StHG</a>). Die versuchte Steuerhinterziehung ist nur bei vorsätzlicher Tatbegehung strafbar, was sich zwar nicht direkt aus dem Gesetz ergibt, jedoch aus dem Begriff des Versuchs.<sup><a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34">34</a></sup> Täter einer Hinterziehung der direkten Steuern kann nur die steuerpflichtige Person sein. Die Hinterziehung ist daher ein echtes Sonderdelikt.<sup><a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35">35</a></sup></p>
<p>Die Hinterziehung ist mit Busse alleine bedroht und daher eine Übertretung. Im Bereich von Übertretungstatbeständen sind juristische Personen deliktsfähig, falls und soweit ein Bundesgesetz oder kantonales Recht dies ausdrücklich vorsieht.<sup><a title="" href="#_ftn36" name="_ftnref36">36</a></sup> <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_181">Art. 181 DBG</a> bzw. die auf <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_57">Art. 57 Abs. 1 StHG</a> gestützten kantonalen Steuergesetze sind derartige Normen. Werden mit Wirkung für eine juristische Person Verfahrenspflichten verletzt, Steuern hinterzogen oder Steuern zu hinterziehen versucht, wird die juristische Person gebüsst, wobei sie sich das strafrechtliche Verschulden des handelnden Organs anrechnen lassen muss.<sup><a title="" href="#_ftn37" name="_ftnref37">37</a></sup></p>
<p>Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts erfüllen die folgenden Sachverhalte den objektiven Tatbestand der Hinterziehung der Gewinn- bzw. Einkommenssteuern:</p>
<ul>
<li>Nicht periodengerechte Verbuchung im Rahmen von Bemessungslücken: Werden Management-Erträge, welche dem Jahr 2001 zuzurechnen sind, im Bemessungslückenjahr 2000 verbucht, so ist der Abschluss 2001 nicht vollständig und somit handelsrechtswidrig. Solche fehlerhaften Buchungen erfüllen ohne weiteres den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung.<a title="" href="#_ftn38" name="_ftnref38"><sup>38</sup></a></li>
<li>Die Verbuchung von Retrozessionen und von Gebühren, die an Personen geflossen sind, mit denen die Steuerpflichtige in keinem Vertragsverhältnis stand, verstösst gegen das handelsrechtliche Verbot betriebsfremde Auslagen als Betriebsaufwand zu verbuchen. Eine derartige Verbuchung erfüllt den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung.<sup><a title="" href="#_ftn39" name="_ftnref39">39</a></sup></li>
<li>Eine Jahresrechnung, die Kosten für eine Reise, welche keinen unmittelbaren und direkten (organischen) Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit, einen doppelt verbuchten BVG-Abzug sowie diverse Privataufwendungen des Unternehmers enthält, ist unrichtig. Der Tatbestand der Steuerhinterziehung ist erfüllt, wenn der Steuerpflichtige in den Steuererklärungen zu Unrecht davon abgesehen hat, geschäftsmässig nicht begründeten Aufwand auszuscheiden oder einen Privatanteil aufzurechnen.<sup><a title="" href="#_ftn40" name="_ftnref40">40</a></sup></li>
<li>Verbucht eine Gesellschaft geschäftsmässig nicht begründete Aufwendungen (angebliche Baudienst- und Vermittlungsleistungen einer Gesellschaft mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein) und verschweigt sie in ihrer Jahresrechnung Erträge (Verkauf von Fahrzeugen, Prämienrückvergütungen, «schwarzes» Konto bei einer Bank), ruft sie damit unmittelbar eine Nicht- bzw. Unterbesteuerung hervor.<sup><a title="" href="#_ftn41" name="_ftnref41">41</a></sup></li>
<li>Erbringt eine Gesellschaft ihren im Ausland domizilierten Schwestergesellschaften Leistungen ohne ihnen diese in Rechnung zu stellen, verletzt sie das Handelsrecht. Die schlichte Nichtberücksichtigung der erbrachten Leistung ist keine Frage der Verrechnungspreise, sondern eine Verletzung des Vollständigkeitsgebotes.<sup><a title="" href="#_ftn42" name="_ftnref42">42</a></sup></li>
<li>Eine Muttergesellschaft, die ihrer im Ausland domizilierten Tochtergesellschaft Leistungen erbringt, ohne dafür diejenige Gegenleistung zu verlangen, die sie unabhängigen Dritten in Rechnung stellt, verstösst dadurch nicht nur gegen den Fremdvergleichsgrundsatz (ohne Verstoss gegen das Handelsrecht), sondern auch gegen das Handelsrecht, was den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt. Von einer nicht handelsrechtswidrigen Fehleinschätzung der Verrechnungspreise kann nur die Rede sein, wenn die Vergütung ungenügend ist, nicht aber bei einer fehlenden Vergütung.<a title="" href="#_ftn43" name="_ftnref43"><sup>43</sup></a> Indem die Muttergesellschaft darauf verzichtet hat, der Tochtergesellschaft Leistungen zu verrechnen, erhöhte sich deren Gewinn, was ihr erlaubt hat, diesen (erhöhten) Gewinn an ihre Muttergesellschaft durch dem Beteiligungsabzug unterliegende Dividenden zurückzuführen.<sup><a title="" href="#_ftn44" name="_ftnref44">44</a></sup></li>
</ul>
<h3>3.2 Steuerbetrug</h3>
<p>Im Steuerstrafrecht der direkten Steuern tritt der Steuerbetrug als qualifiziertes Delikt neben die Steuerhinterziehung . Der Steuerbetrug ist aufgrund seiner Strafdrohung – Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe – als Vergehen zu qualifizieren. Allerdings ist der Steuerbetrug kein reiner Betrugstatbestand, also eine arglistige Täuschung der Steuerbehörden, sondern ein Urkundendelikt. Strafbar ist die Verwendung unechter oder inhaltlich unwahrer Urkunden.<sup><a title="" href="#_ftn45" name="_ftnref45">45</a></sup></p>
<p>Einen Steuerbetrug begeht, wer zum Zweck der Steuerhinterziehung gefälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden wie Geschäftsbücher, Bilanzen, Erfolgsrechnungen oder Lohnausweise und andere Bescheinigungen Dritter zur Täuschung gebraucht (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_186">Art. 186 Abs. 1 DBG</a>, <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_59">Art. 59 Abs. 1 StHG</a>).</p>
<p>Der Steuerbetrug ist – im Gegensatz zur Steuerhinterziehung – kein Sonderdelikt.<sup><a title="" href="#_ftn46" name="_ftnref46">46</a></sup> Grundsätzlich kann jede/r Täter/in sein, wobei juristische Personen nicht deliktsfähig sind. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_181">Art. 181 Abs. 1 DBG</a> bzw. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_7">Art. 7 Abs. 1 StHG</a> gilt nur bei Übertretungen, der Steuerbetrug ist jedoch ein Vergehen. Daher geht die Tätereigenschaft der juristischen Person auf die für sie handelnden natürlichen Personen über.<sup><a title="" href="#_ftn47" name="_ftnref47">47</a></sup></p>
<p>In subjektiver Hinsicht setzt der Steuerbetrug vorsätzliches Handeln voraus.<sup><a title="" href="#_ftn48" name="_ftnref48">48</a></sup> Der objektive Tatbestand des Steuerbetrugs ist bereits mit der Einreichung der unechten oder unwahren Urkunde beim Steueramt in der Absicht der Steuerhinterziehung vollendet. Der Eintritt eines Erfolgs etwa im Sinne einer unvollständigen Veranlagung ist nicht erforderlich.<sup><a title="" href="#_ftn49" name="_ftnref49">49</a></sup> Der Steuerbetrug ist also ein Tätigkeits- und kein Erfolgsdelikt. So ist in etwa der Tatbestand des Steuerbetrugs selbst dann erfüllt, wenn die Unterbesteuerung nicht in derselben Steuerperiode eintritt, weil die Gesellschaft in der betreffenden Steuererklärung einen Verlust deklariert hat. Angesichts der Möglichkeit des Verlustvortrages auf kommende Jahre muss sich die Steuerhinterziehungsabsicht nicht zwingend auf die laufende Steuerperiode beziehen. Sie liegt auch vor, wenn sich die Unterbesteuerung erst in einer Folgeperiode verwirklicht.<sup><a title="" href="#_ftn50" name="_ftnref50">50</a></sup></p>
<p>Den Tatbestand des Steuerbetruges gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_186">Art. 186 Abs. 1 DBG</a> bzw. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_59">Art. 59 StHG</a> erfüllt, wer für die Hinterziehungsabsicht eine unrichtige Jahresrechnung verwendet. Eine Erfolgsrechnung ist inhaltlich unwahr, wenn Einnahmen nicht verbucht wurden.<a title="" href="#_ftn51" name="_ftnref51"><sup>51</sup></a> Nach der Rechtsprechung wird die Buchhaltung auch verfälscht, wenn Vergünstigungen und Ausgaben privater Art zu Unrecht als geschäftsmässig ausgewiesen oder Lohnzahlungen auf einem sachfremden Aufwandkonto belastet wurden. Umstritten ist jedoch, ob eine Verfälschung der Buchhaltung auch gegeben ist, wenn tatsächliche Vorgänge im sachangemessenen Konto verbucht werden, die Verbuchungen wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sind und demnach von einer verdeckten Gewinnausschüttung auszugehen ist.<sup><a title="" href="#_ftn52" name="_ftnref52">52</a></sup> Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Buchführung, namentlich bei der Bewertung von Aktiven (bspw. im Zusammenhang mit Abschreibungen) und Passiven, auf Ermessensentscheidungen berufen kann. Die Bilanz ist jedoch unwahr, wenn Aktiven klarerweise unter- bzw. überbewertet werden, die Bewertung also ausserhalb des Ermessensspielraumes liegt, oder wenn Aktiven vollständig unerwähnt bleiben.<sup><a title="" href="#_ftn53" name="_ftnref53">53</a></sup></p>
<p>Ist in Grenzfällen die Verbuchung von Auslagen als geschäftsmässig begründeter Aufwand vertretbar, liegt selbst dann keine inhaltlich unwahre Jahresrechnung vor, wenn die Steuerverwaltung die Auslage als privat qualifiziert und zum steuerbaren Gewinn hinzugerechnet hat.<a title="" href="#_ftn54" name="_ftnref54"><sup>54</sup></a></p>
<p>Enthält jedoch die Jahresrechnung klarerweise zu Unrecht als Aufwand verbuchte Privatauslagen, liegt auch dann eine inhaltlich unwahre Jahresrechnung vor, wenn die verbuchten Privataufwendungen im Gesamtrahmen relativ geringfügig sind und die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft nur unwesentlich beeinflussen.<sup><a title="" href="#_ftn55" name="_ftnref55">55</a></sup></p>
<p>Unerheblich ist auch, ob die fehlerhafte Buchung für die Steuerverwaltung leicht oder nur schwer erkennbar ist. Die Steuerverwaltung muss nämlich auf die Richtigkeit der Buchhaltung vertrauen dürfen.<sup><a title="" href="#_ftn56" name="_ftnref56">56</a></sup></p>
<p>Eine inhaltlich unwahre Jahresrechnung, deren Verwendung im Besteuerungsverfahren den Tatbestand des Steuerbetrugs erfüllt, lag in folgenden Konstellationen vor:</p>
<ul>
<li>X. hat als Inhaber der Einzelfirma «X. Sport» in seinen mit den Steuererklärungen eingereichten Geschäftsabschlüssen Rückvergütungen seiner ausländischen Lieferantin nicht verbucht.<sup><a title="" href="#_ftn57" name="_ftnref57">57</a></sup></li>
<li>X. und Y. hatten in ihrem Partnervertrag vereinbart, dass die beiden Gesellschafter einen Honorar- und Einnahmepool bilden, in welchen grundsätzliche Einnahmen fliessen sollen, mit Ausnahme der persönlichen Entschädigungen aus Ämtern. Der nach Abzug sämtlicher Geschäftsunkosten verbleibende Gewinn aus dem Advokaturbüro sollte in den ersten fünf Jahren im Verhältnis 60% zu 40% (Y. bzw. X.) und danach je zu 50% verteilt werden. X. vereinnahmte Honorareinzahlungen von Klienten nicht über den Pool, sondern für sich privat.<sup><a title="" href="#_ftn58" name="_ftnref58">58</a></sup></li>
<li>Die A. AG hat zwei Privatbezüge ihres Alleinaktionärs von CHF 150'000.- und CHF 80'000.- unrechtmässig als Geschäftsaufwand verbucht.<sup><a title="" href="#_ftn59" name="_ftnref59">59</a></sup></li>
<li>Die F. AG hat in ihrer Jahresrechnung einen Entwicklungsaufwand verbucht, dem im Umfang von mehr als zwei Dritteln keine Gegenleistung gegenüberstand, weshalb diese teilweise fiktiv war.<sup><a title="" href="#_ftn60" name="_ftnref60">60</a></sup></li>
<li>Die als Präsident und Vizepräsident des Verwaltungsrates amtierenden Aktionäre haben mit fiktiven Rechnungen Zahlungen auf ein Bankkonto veranlasst und die darauf einbezahlten Beträge privat verwendet.<sup><a title="" href="#_ftn61" name="_ftnref61">61</a></sup></li>
<li>A. und B. haben in ihrer Funktion als Verwaltungsräte und Aktionäre der C. AG die Verbuchung folgender privater Aufwände als Geschäftsaufwand veranlasst: 30. Geburtstag von A., Personal Wellness, Laufbahnberatung, Paarberatung und Zürcher Hochschule.<sup><a title="" href="#_ftn62" name="_ftnref62">62</a></sup></li>
</ul>
<h3>3.3 Hinterziehung der Verrechnungssteuer</h3>
<p>Wer vorsätzlich oder fahrlässig, zum eigenen oder zum Vorteil eines anderen, dem Bunde Verrechnungssteuern vorenthält, begeht eine mit Busse bedrohte Hinterziehung der Verrechnungssteuer gemäss. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1966/371_385_384/de#art_61">Art. 61 lit. a Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer (VStG)</a>.</p>
<p>Vorenthalten ist jedes Tun oder Unterlassen, mit welchem den im VStG normierten Pflichten zur rechtzeitigen und korrekten Abrechnung der Verrechnungssteuer zuwider gehandelt wird, so dass ein zumindest vorübergehender Steuerausfall des Gemeinwesens eintritt. Nach der Praxis ist der objektive Tatbestand der Verrechnungssteuerhinterziehung bereits erfüllt, wenn die deklarierungspflichtige Steuer in Missachtung der Selbstveranlagungspflicht erst nach Fristablauf oder überhaupt nicht deklariert und abgeliefert wird.<sup><a title="" href="#_ftn63" name="_ftnref63">63</a></sup></p>
<p>So ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts der objektive Tatbestand der Verrechnungssteuerhinterziehung erfüllt, wenn eine juristische Person ohne weiteres erkennbare geldwerte Leistungen erbringt, ohne dass sie die Verrechnungssteuer spontan deklariert und entrichtet.<sup><a title="" href="#_ftn64" name="_ftnref64">64</a></sup></p>
<h3>3.4 Exkurs: ungetreue Geschäftsbesorgung</h3>
<p>Eine Verwaltungsrätin oder Geschäftsführerin einer Aktiengesellschaft, die in Verletzung der vom Aktienrecht vorgesehenen Schutzvorschriften die Aktiengesellschaft an ihrem Vermögen schädigt, erfüllt selbst dann den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung, wenn dies im Einklang mit dem (Allein-)Aktionär erfolgt. Eine Vermögensdisposition, die als (verdeckte) Gewinnausschüttung an den Alleinaktionär zu qualifizieren ist, ist pflichtwidrig wenn sie im Widerspruch zu zwingenden aktienrechtlichen Bestimmungen steht, sofern sie das Reinvermögen (Aktiven minus Fremdkapital) im Umfang des Aktienkapitals und der gebundenen Reserven antastet. Eine derartige pflichtwidrige Vermögensdisposition ist als ungetreue Geschäftsbesorgung strafbar.<a title="" href="#_ftn65" name="_ftnref65"><sup>65</sup></a></p>
<p>Sind an einer Kapitalgesellschaft mehrere Gesellschafter beteiligt, handelt der Verwaltungsrat pflichtwidrig, wenn er verdeckte Gewinnausschüttungen an einzelne Aktionärinnen veranlasst oder zulässt, weil dadurch die Interessen der übrigen Aktionärinnen oder allenfalls von Dritten beeinträchtigt werden.<sup><a title="" href="#_ftn66" name="_ftnref66">66</a></sup></p>
<p>Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann also unter Umständen auch eine ungetreue Geschäftsbesorgung darstellen.</p>
<h2>4. Verhältnis zwischen den einzelnen Tatbeständen und Verfahren</h2>
<p>Erfüllt jemand durch sein strafbares Verhalten mehrere Straftatbestände ist zu klären, ob alle vom Täter verübten Delikte bei der Festsetzung der Strafe zu berücksichtigen sind und gegebenenfalls inwiefern.<sup><a title="" href="#_ftn67" name="_ftnref67">67</a></sup> Erfolgt die Verfolgung mehrerer nebeneinander anwendbarer Delikte in verschiedenen Verfahren, sei es durch dieselbe oder durch eine andere Strafverfolgungsbehörde, stellt sich zudem die Frage, inwiefern dies zulässig ist. Das Verhältnis zwischen den einzelnen Straftatbeständen wird durch die sog. Konkurrenzlehre geregelt. Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Verfahren unterliegt dem «ne bis in idem»-Grundsatz, der die mehrfache Verfolgung eines Täters für dieselbe Tat ausschliesst.</p>
<h3>4.1 Konkurrenz</h3>
<p>Ergibt die Auslegung der anwendbaren Strafbestimmungen, dass diese nebeneinander anwendbar sind, spricht man von sog. echter Konkurrenz.<a title="" href="#_ftn68" name="_ftnref68"><sup>68</sup></a></p>
<p>Im Steuerstrafrecht besteht aufgrund der ausdrücklichen Regelung, wonach im Falle eines Steuerbetrugs die Bestrafung wegen Steuerhinterziehung vorbehalten bleibt (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_186">Art. 186 Abs. 2 DBG</a> bzw. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_59">Art. 59 Abs. 2 StHG</a>), echte Konkurrenz zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug.<a title="" href="#_ftn69" name="_ftnref69"><sup>69</sup></a> Da der Steuerbetrug die Verwendung einer unechten oder inhaltlich unwahren Urkunde voraussetzt und die Fälschung, Verfälschung oder die Herstellung oder Verwendung einer inhaltlich unwahren Urkunde (auch) den Tatbestand der gemeinrechtlichen Urkundenfälschung gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/54/757_781_799/de#art_251">Art. 251 des Schweizerisches Strafgesetzbuches (StGB)</a> erfüllt, kann auch zwischen dem Steuerbetrug und der Urkundenfälschung echte Konkurrenz bestehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter mit der im Steuerverfahren verwendeten, unrichtigen Urkunde nicht nur einen steuerrechtlichen Vorteil anstrebte, sondern auch eine – objektiv mögliche – Verwertung des Dokumentes auch im nicht-fiskalischen Bereich beabsichtigte oder zumindest in Kauf nahm.<a title="" href="#_ftn70" name="_ftnref70"><sup>70</sup></a></p>
<p>Einzig nach Steuerstrafrecht zu beurteilen ist hingegen, wer ausschliesslich Steuervorschriften umgehen will.<sup><a title="" href="#_ftn71" name="_ftnref71">71</a></sup> Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, wonach gemeinrechtliche Delikte nicht zum Zuge kommen sollen, wenn ausschliesslich fiskalische Interessen betroffen sind.<sup><a title="" href="#_ftn72" name="_ftnref72">72</a></sup></p>
<p>Die Verurteilung (auch) wegen Urkundenfälschung setzt dabei voraus, dass die Anklagebehörde in der Anklageschrift den Vorwurf der Urkundenfälschung in objektiver und subjektiver Hinsicht ausreichend substanziiert und namentlich erwähnt, dass der Angeschuldigte eine Verwendung der fraglichen Urkunde im nicht-fiskalischen Bereich und eine Schädigung Dritter in Kauf nahm.<sup><a title="" href="#_ftn73" name="_ftnref73">73</a></sup></p>
<p>Ist durch die Ausrichtung einer geldwerten Leistung – zusätzlich zur Verkürzung der Gewinn- und der Einkommenssteuer – auch noch die Verrechnungssteuer verkürzt worden, kommt auch noch die Bestrafung wegen Hinterziehung der Verrechnungssteuer in Frage. Denn dieses Strafverfahren unterliegt dem Verwaltungsstrafrecht<sup><a title="" href="#_ftn74" name="_ftnref74">74</a></sup>, in welchem jede Behörde ohne Rücksicht auf andere Verfahren Bussen ausfällt.<a title="" href="#_ftn75" name="_ftnref75"><sup>75</sup></a></p>
<h3>4.2 Verbot der mehrfachen Strafverfolgung</h3>
<p>Da für die Verfolgung der Hinterziehung der Einkommens- bzw. der Gewinnsteuer die kantonale Steuerverwaltung, für die Ahndung eines Steuerbetrugs die ordentlichen Strafverfolgungsbehörden sowie für das Verrechnungssteuerstrafverfahren die Eidgenössische Steuerverwaltung zuständig sind, kann es zu einer Häufung von Verfahren und Strafen kommen.<sup><a title="" href="#_ftn76" name="_ftnref76">76</a></sup></p>
<p>So kann insbesondere eine verdeckte Gewinnausschüttung, die sowohl auf Stufe der leistenden Gesellschaft als auch auf Ebene der empfangenden Gesellschafterin steuerwirksam ist, folgende Strafverfahren auslösen:</p>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/3fdRYZH1iLJ9tNDF33AyAM/54b2ce913c2a5ad686937bcfb31f2fbd/A19_Band_4-2021_RZ51.png" alt="Rechnungslegung_Schwerpunktausgabe Steuerstrafrecht_Holenstein" width="940" height="343" /></p>
<p>Dies ist insoweit unproblematisch, als die einzelnen Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen sind. Sofern jedoch einzelne Strafverfahren abgeschlossen sind, welche denselben Geschäftsvorfall betreffen, stellt sich die Frage, ob dies gegen das Verbot der mehrfachen Verfolgung («ne bis in idem») verstösst. Dieses Verbot ist verletzt, wenn</p>
<ul>
<li>ein Staat (Staatsidentität)</li>
<li>gegen dieselbe Person (Täteridentität)</li>
<li>zwei (oder mehrere) voneinander unabhängige Strafverfahren (Doppelverfahren; Tatbestandselement «bis») führt,</li>
<li>denen derselbe oder ein weitgehend gleicher Lebenssachverhalt zugrunde liegt (Tatidentität, Tatbestandselement «idem»).<sup><a title="" href="#_ftn77" name="_ftnref77">77</a></sup></li>
</ul>
<p>Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt allerdings kein Verstoss gegen den «ne bis in idem»-Grundsatz vor, wenn:</p>
<ul>
<li>die Gesellschaft wegen Steuerhinterziehung und der Gesellschafter bzw. das Organ der Gesellschaft wegen Steuerbetrugs in der Sphäre der Gesellschaft (zweidimensionaler Sachverhalt) oder<sup><a title="" href="#_ftn78" name="_ftnref78">78</a></sup></li>
<li>der Gesellschafter wegen Steuerbetrugs in der Sphäre der Gesellschafterin und wegen Steuerhinterziehung in eigener Sache (eindimensionaler Sachverhalt) verurteilt werden.<sup><a title="" href="#_ftn79" name="_ftnref79">79</a></sup></li>
</ul>
<p>Im zweidimensionalen Sachverhalt fehlt es an der Täter- und beim eindimensionalen Sachverhalt an der Tatidentität, da unterschiedliche Steuerarten betroffen sind.<sup><a title="" href="#_ftn80" name="_ftnref80">80</a></sup></p><h3>4.3 Verwirkung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer</h3>
<p>Auch wenn sich in der Literatur die Stimmen häufen, wonach die Verweigerung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer eine «echte» Strafe ist und sich auch das Kantonsgericht Freiburg dieser Auffassung gefolgt ist,<a title="" href="#_ftn81" name="_ftnref81"><sup>81</sup></a> hält das Bundesgericht bisher an seiner Rechtsprechung fest, dass die Verwirkung der Rückerstattung keine Busse sei, weil sie nur das nur das Fehlen einer spontanen Deklaration voraussetze, und nicht zu prüfen sei, ob das erfolgte Versäumnis schuldhaft gewesen ist.<sup><a title="" href="#_ftn82" name="_ftnref82">82</a></sup> Angesichts der Änderung von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1966/371_385_384/de#art_23">Art. 23 VStG</a>, der neu voraussetzt, dass eine Verwirkung nur noch erfolgen soll, wenn die unterlassene Deklaration vorsätzlich erfolgt ist, drängt sich eine Neubeurteilung dieser Frage auf.</p>
<h3>4.4 Verhältnis zwischen der ungetreuen Geschäftsbesorgung und der Besteuerung eines unrechtmässigen Zuflusses</h3>
<p>Der Einkommenssteuer unterliegen alle einmaligen und wiederkehrenden Einkünfte. Aufgrund der sog. «Wertneutralität» des Steuerrechts gilt dies grundsätzlich auch für deliktisch erlangte Einkünfte. Allerdings stellt nur ein Vermögenszugang dem kein korrelierender Abgang entgegensteht, einen steuerbegründenden Vorgang dar, denn ein «korrelierender» Abgang neutralisiert den Zugang und lässt ihn zur «Nichteinkunft» werden.<sup><a title="" href="#_ftn83" name="_ftnref83">83</a></sup></p>
<p>Wird daher die steuerpflichtige Person in einem Strafurteil wegen eines Deliktes zur Bezahlung von Schadenersatz an die geschädigte Person oder zur Bezahlung eines Betrages an den Staat als Ersatz für nicht mehr vorhandene, widerrechtlich erlangte Vermögensvorteile verurteilt, «neutralisiert» diese korrelierende Ablieferungspflicht den Zugang.<sup><a title="" href="#_ftn84" name="_ftnref84">84</a></sup></p>
<p>Wie vorstehend erläutert, kann eine verdeckte Gewinnausschüttung unter bestimmten Umständen den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung erfüllen. Wird also die steuerpflichtige Person wegen dieses Deliktes zur Ablieferung des deliktisch erlangten Vermögensvorteils verpflichtet, ist dadurch der steuerbare Zufluss der verdeckten Gewinnausschüttung «neutraliisert» worden.<sup><a title="" href="#_ftn85" name="_ftnref85">85</a> </sup> </p>
<h2>5. Subjektive Tatseite</h2>
<p>Wie in der Einleitung erläutert, enthalten die Steuerstraftatbestände Tatbestandselemente, die eine Wertung voraussetzen. Eine Hinterziehung der Einkommens- oder Gewinnsteuer setzt das Bewirken einer Unterbesteuerung, die Hinterziehung der Verrechnungssteuer erfordert das Vorenthalten der Verrechnungssteuer voraus. Ob dies gegeben ist, ist aufgrund der anwendbaren Steuergesetze festzustellen.<sup><a title="" href="#_ftn86" name="_ftnref86">86</a></sup></p>
<p>Bei rechtlich geprägten Tatbeständen, wozu auch die Straftatbestände des Steuerstrafrechts gehören, setzt der Vorsatz voraus, dass dieser auch die sog. normativen Tatbestandselemente umfasst. Dabei wird nicht die juristisch exakte Erfassung des gesetzlichen Begriffs verlangt, sondern nur eine sog. Parallelwertung in der Laiensphäre. Es genügt, wenn der Täter den Tatbestand so verstanden hat, wie es der landläufigen Anschauung eines Laien entspricht.<sup><a title="" href="#_ftn87" name="_ftnref87">87</a></sup></p>
<p>Damit bei einem Steuerdelikt das für den Vorsatz erforderliche Wissenselement zu bejahen ist, muss sich der Täter in laienhafter Wertung bewusst sein, dass der von ihm verwirklichte Vorgang steuerbar ist bzw. die von ihm steuermindernd geltend gemachte Ausgabe nicht abzugsfähig ist.<sup><a title="" href="#_ftn88" name="_ftnref88">88</a></sup></p>
<p>Der Täter muss also den Steueranspruch dem Grunde nach kennen oder zumindest für möglich halten.<sup><a title="" href="#_ftn89" name="_ftnref89">89</a></sup></p>
<p>Fehlt dem Täter diese Vorstellung unterliegt er einem sog. Sachverhaltsirrtum, der den Vorsatz ausschliesst. Bei einer solchen Konstellation wird der Täter zu seinen Gunsten nach seiner irrigen Vorstellung beurteilt. In Betracht kommt dabei allenfalls die Bestrafung wegen fahrlässiger Tatbegehung, wenn der Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht hätte vermieden werden können und sofern die fahrlässige Begehung strafbar ist (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/54/757_781_799/de#art_13">Art. 13 Abs. 2 StGB</a>).</p>
<h2>6. (Straflose) Selbstanzeige</h2>
<p>Sowohl das <a href="https://fedlex.data.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184">DBG</a> und das <a href="https://fedlex.data.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256">StHG</a> als auch das <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1974/1857_1857_1857/de">Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)</a> sehen unter bestimmten Umständen die straflose Rückkehr in die Steuerehrlichkeit vor. Im Bereich der direkten Steuern (Einkommens- und Gewinnsteuern sowie Vermögens- und Kapitalsteuern) ist am 1. Januar 2010 das Bundesgesetz über die Vereinfachung der Nachbesteuerung in Erbfällen und die Einführung der straflosen Selbstanzeige<a title="" href="#_ftn90" name="_ftnref90"><sup>90</sup></a> («kleine Steueramnestie») in Kraft getreten. Dieses sieht unter anderem vor, dass von einer Strafverfolgung abgesehen wird (straflose Selbstanzeige), wenn sich die steuerpflichtige natürliche oder juristische Person erstmals anzeigt, bevor die Hinterziehung einer Steuerbehörde bekannt ist, sie die Steuerbehörde vorbehaltlos bei der Feststellung der für die Nachbesteuerung erforderlichen Tatsachen unterstützt und sich ernstlich um die Bezahlung der Nachsteuer bemüht.<sup><a title="" href="#_ftn91" name="_ftnref91">91</a></sup></p>
<p>Die straflose Selbstanzeige bezweckt einerseits die Wiedergutmachung des durch das selber angezeigte Steuerdelikt angerichteten Schadens und ist gleichsam die «dargebotene Hand des Staates» um sich aus der «Hinterziehungsfalle» zu befreien, in die er bei periodenübergreifenden Sachverhalten durch die Hinterziehung geraten ist. In derartigen Konstellationen gerät der Täter beim Ausfüllen der aktuellen Steuererklärung ins Dilemma, sich entweder durch die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung einer Steuerhinterziehung in den Vorperioden zu belasten oder die Steuerhinterziehung fortzuführen.<sup><a title="" href="#_ftn92" name="_ftnref92">92</a></sup></p>
<p>Eine straflose Selbstanzeige ist nur so lange möglich, als die selber angezeigte Steuerhinterziehung keiner Steuerbehörde bekannt ist. Mitwirkende Handlungen, die erst nach Eröffnung des Hinterziehungsverfahrens erfolgen, gelten nämlich nicht als straflose Selbstanzeige.<sup><a title="" href="#_ftn93" name="_ftnref93">93</a></sup></p>
<p>Das Bundesgericht hat bisher die Frage offen gelassen, ob eine straflose Selbstanzeige einen eigenen Antrieb voraussetzt. Es verlangt jedoch, dass die Selbstanzeige spontan erfolgen müsse, um strafbefreiend zu wirken. An dieser Spontaneität fehle es, wenn die Steuerbehörde im selben Zusammenhang bereits untersuche und die steuerpflichtige Person nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgehen müsse, dass die Steuerverwaltung die Steuerhinterziehung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von sich aus entdecken werde.<sup><a title="" href="#_ftn94" name="_ftnref94">94</a></sup></p>
<p>Eine wirksame Selbstanzeige ist in subjektiver Hinsicht täter- und nicht tatbezogen. Daraus folgt, dass ein einzelner Tatbeteiligter nicht für die gesamte Tat, sondern für seinen persönlichen Tatbeitrag Straffreiheit erlangen kann.<sup><a title="" href="#_ftn95" name="_ftnref95">95</a></sup></p>
<p>Erstattet eine tatbeteiligte Person eine Selbstanzeige für sich, ohne diese mit anderen Tatbeteiligten zu koordinieren, wirkt sich die Selbstanzeige des einen Beteiligten als Denunziation der anderen Beteiligten aus.</p>
<p>In objektiver Hinsicht sind von einer wirksamen, erstmaligen Selbstanzeige im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_175">Art. 175 Abs. 3 DBG</a> und <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_181_a">Art. 181a Abs. 1</a> bzw. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_56">Art. 56 Abs. 1<sup>bis</sup></a> und <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_57_a">Art. 57a Abs. 1 StHG</a> sämtliche anderen Straftaten miterfasst, die zum Zwecke der Steuerhinterziehung begangen wurden.<sup><a title="" href="#_ftn96" name="_ftnref96">96</a></sup></p>
<p>Diese Bestimmung hat der Gesetzgeber eingeführt, weil mit einer Steuerhinterziehung weitere Delikte verbunden sein können und ein Steuerdelinquent von einer Rückkehr in die Steuerehrlichkeit absehen könnte, wenn er als Konsequenz mit anderweitiger Strafverfolgung rechnen muss.<sup><a title="" href="#_ftn97" name="_ftnref97">97</a></sup></p>
<p>Von einer straflosen Selbstanzeige sind dabei insbesondere der Steuerbetrug und die gemeinrechtlichen Urkundendelikte, nicht aber die im Zeitpunkt des Steuerdeliktes bereits vollendeten Vermögensdelikte, die der Täterin steuerbare Einkünfte verschafft haben<sup><a title="" href="#_ftn98" name="_ftnref98">98</a></sup> sowie die allenfalls zusätzlich begangene Hinterziehung von indirekten Steuern, erfasst.<a title="" href="#_ftn99" name="_ftnref99"><sup>99</sup></a></p>
<p>Um für diese Straflosigkeit erlangen zu können, bedarf es einer zusätzlichen Selbstanzeige gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1974/1857_1857_1857/de#art_13">Art. 13 VStrR</a>. Eine solche ist straflos, wenn die Täterin die Widerhandlung aus eigenem Antrieb anzeigt, er überdies, soweit es ihm zumutbar war, über die Grundlagen der Leistungspflicht vollständige und genaue Angaben macht, zur Abklärung des Sachverhaltes beigetragen und die Pflicht, wenn sie ihn obliegt, erfüllt hat. Straflos ist die Täterin dabei nur, wenn er bisher noch nie wegen einer vorsätzlichen Widerhandlung der gleichen Art Selbstanzeige ausgeübt hat.<sup><a title="" href="#_ftn100" name="_ftnref100">100</a></sup></p>
<p>Anders als <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_175">Art. 175 Abs. 3 DBG</a> bzw. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_56">Art. 56 Abs. 1<sup>bis</sup> StHG</a> und <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_181_a">Art. 181a Abs. 3 DBG</a> und <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_57_b">Art. 57b Abs. 1 StHG</a> verlangt <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1974/1857_1857_1857/de#art_13">Art. 13 VStrR</a> explizit ein Handeln aus eigenem Antrieb. An einem solchen fehlt es, wenn der Täter auf frischer Tat ertapt worden ist, beispielsweise anlässlich einer zufälligen Kontrolle seitens der Behörde.<sup><a title="" href="#_ftn101" name="_ftnref101">101</a> </sup>Aus eigenem Antrieb erfolgt die Selbstanzeige demgegenüber, wenn sie in einem Zeitpunkt erfolgt, in welchem die Behörde, welche für die Verfolgung der Widerhandlung zuständig ist, noch nicht in für die widerhandelnde Person erkennbarer Weise an die Verfolgung gegangen ist, also der widerhandelnden Person schriftlich oder mündlich zu erkennen gegeben hat, dass sie die Unterbesteuerung einer näheren Prüfung unterziehen werde.<sup><a title="" href="#_ftn102" name="_ftnref102">102</a></sup></p>
<h2>7. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen</h2>
<p>Die Verwendung ein und derselben handelsrechtswidrigen Jahresrechnung im Besteuerungsverfahren erfüllt in der Regel mehrere Steuerstrafbestände, deren Verfolgung unterschiedlichen Behörden in verschiedenen Verfahren obliegt.</p>
<p>Verursacht die handelsrechtswidrige Jahresrechnung «nur» eine Verkürzung des von der buchführungspflichtigen Unternehmung zu besteuernden Gewinns bzw. Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit, ohne gleichzeitig eine verdeckte Gewinnausschüttung zu bewirken, liegen eine Hinterziehung der Gewinn- bzw. Einkommenssteuer sowie – durch die Verwendung einer inhaltlich unwahren Jahresrechnung – ein Steuerbetrug vor.</p>
<p>Zwischen diesen Tatbeständen besteht echte Konkurrenz, so dass sie nebeneinander zur Anwendung gelangen.</p>
<p>Haben diese Steuerdelikte die Gewinnsteuer einer juristischen Person zum Gegenstand, steht der mehrfachen Verfolgung der Steuerdelikte auch der «ne bis in idem»-Grundsatz nicht entgegen, da keine Täteridentität besteht.</p>
<p>Noch komplexer – und auch einschneidender – wird die Situation, wenn auch noch eine verdeckte Gewinnausschüttung hinzukommt. Diese hat zusätzlich die Hinterziehung der Einkommenssteuer und der Verrechnungssteuer sowie – als zusätzliche Sanktion – die Verwirkung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer zur Folge.</p>
<p>Trotz Täteridentität gelangt in solchen Konstellationen der «ne bis in idem»-Grundsatz nicht zur Anwendung, weil es in zweidimensionalen Sachverhalten an der Tatidentität fehlt.</p>
<p>Eine Jahresrechnung ist insbesondere dann handelsrechtswidrig, wenn sie nicht alle Erträge erfasst. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine Gesellschaft verbundenen Unternehmungen die von ihr erbrachten Leistungen nicht in Rechnung stellt. Handelsrechtswidrig ist zudem das Verbuchen von eindeutig privaten Aufwendungen als Geschäftsaufwand sowie die missbräuchliche Verbuchung von Erträgen und Aufwendungen in einer anderen Periode.</p>
<p>Erkennen die handelnden Person die Unregelmässigkeiten der Rechnungslegung, bevor die zuständige Steuerbehörde diese einer näheren Prüfung unterzieht, können sie unter Umständen durch eine straflose Selbstanzeige in die Steuerehrlichkeit zurückkehren. Eine wirksame Selbstanzeige muss dabei erfolgen, bevor die Tat entdeckt ist. Haben mehrere Personen an der Widerhandlung mitgewirkt, müssen sie die Selbstanzeige koordinieren, andernfalls sich die Selbstanzeige des einen Tatbeteiligten für die anderen Mitbeteiligten als Denunziation auswirkt.</p></article>
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