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<article class="rz"><h2>Liegenschaftsunterhaltskosten: Werterhaltung oder Wertvermehrung?</h2>
<p>Zwischen Hauseigentümer und Steuerbehörden ist oft streitig, ob Kosten im Zusammenhang mit einer privat gehaltenen Liegenschaft vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden können (sog. werterhaltende Aufwendungen) oder nur bei der Grundstückgewinnsteuer im Rahmen einer Handänderung als wertvermehrende Investitionen («Anlagekosten») berücksichtigt werden. Als Unterhaltskosten steuerlich abziehbar sind gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_32" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 2 DBG</a><a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1"><sup>01</sup></a> jene Aufwendungen, die dazu dienen, den konkreten Nutzungswert einer Liegenschaft zu erhalten, instand zu stellen oder ihn zu ersetzen. Führen die Aufwendungen hingegen zu einer Wertvermehrung eines Grundstücks, handelt es sich um wertvermehrende Aufwendungen, welche nicht abziehbar sind (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_34" target="_blank" rel="noopener">Art. 34 lit. d DBG</a>). Die Abgrenzung zwischen Werterhaltung und Wertvermehrung erfolgt gemäss Bundesgericht nach objektiv-technischen Kriterien. Als Vergleichsmassstab dient dabei die konkret instand gehaltene oder ersetzte Installation. Massgebend ist aufgrund einer funktionalen Betrachtungsweise, ob das Grundstück durch die bauliche Massnahme eine qualitative Verbesserung und somit eine Wertsteigerung erfahren hat. Für die Abgrenzung zwischen Werterhaltung (Unterhalt) und Wertvermehrung haben viele Steuerverwaltungen Merkblätter publiziert.</p>
<h2>Dumont-Praxis und «wirtschaftlicher Neubau»</h2>
<p>Seit langer Zeit umstritten war die Frage, wie Aufwendungen für die Sanierung von stark vernachlässigten Liegenschaften nach deren Erwerb und insbesondere bei Totalsanierungsprojekten zu qualifizieren sind.</p>
<p>Die frühere, sogenannte «Dumont-Praxis» mussten die Steuerbehörden nach einer Änderung von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_32" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 2 DBG</a> per 1. Januar 2010 aufgeben. Nach der «Dumont-Praxis» konnten Kosten von Unterhaltsarbeiten, die unmittelbar (innert fünf Jahren) nach dem Grundstückserwerb vorgenommen wurden, grundsätzlich nicht vom Einkommen abgezogen werden (vgl. <a href="http://relevancy.bger.ch/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F123-II-218%3Ade&lang=de&type=show_document" target="_blank" rel="noopener">BGE 123 II 218 E. 1a</a>). Sie galten aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise als Wertvermehrung und wurden als Anlagekosten qualifiziert, die von einem allfälligen späteren Grundstückgewinn abzuziehen waren. Philipp Müller reichte im Oktober 2004 eine parlamentarische Initiative ein, worin er beantragte, die «Dumont-Praxis» von 5 auf 2 Jahre zu begrenzen und innert der 2 Jahre nur Unterhaltskosten, welche 20 Prozent des Erwerbspreises übersteigen, nicht zum Abzug zuzulassen.</p>
<p>Die Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben (WAK) beider Räte forderten eine gänzliche Abschaffung der Dumont-Praxis bei der direkten Bundessteuer und wollten den Kantonen einen gewissen Spielraum gewähren. Die WAK des Nationalrats hielt zum neuen Satz 1 von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_32" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 2 DBG</a> fest, «dass alle Kosten, die dazu dienen, einen früheren Zustand einer Liegenschaft wieder herzustellen, als Unterhaltskosten abgezogen werden können. Dies soll auch bei neuerworbenen Liegenschaften (entgeltlicher Liegenschaftswechsel innerhalb der letzten fünf Jahre) zutreffen. Somit soll in allen Fällen die sogenannte objektiv-technische Betrachtungsweise und nicht mehr die wirtschaftliche Betrachtungsweise gelten»<a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2"><sup>02</sup></a>. Das Parlament stimmte schliesslich der in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_32" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 2 Satz 1 DBG</a> und <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_9" target="_blank" rel="noopener">Art. 9 Abs. 3 Ingress StHG</a> gleich lautenden Bestimmung zu, wonach «bei Liegenschaften im Privatvermögen […] die Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften […] von den gesamten steuerbaren Einkünften abgezogen werden können».</p>
<p>Leider mussten die Hauseigentümer auch nach Abschaffung der «Dumont-Praxis» feststellen, dass die Steuerbehörden den Abzug der Unterhaltskosten bei umfassenden Renovationen mittels einer neu geschaffenen Praxis zum sog. «wirtschaftlichen Neubau» in einigen Fällen weiterhin verweigerten.<a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3"><sup>03</sup></a> Ziel dieser neuen Praxis war es, wirtschaftlich vergleichbare Fälle gleich zu behandeln. Konkret sollte eine Totalsanierung gleichbehandelt werden wie ein Abbruch einer Liegenschaft mit einem anschliessenden Neubau. Dies hatte zur Folge, dass die Kosten insbesondere einer Totalrenovation oft vollständig als Wertvermehrung («wirtschaftlicher Neubau») qualifiziert wurden und damit nicht von den steuerbaren Einkünften abgezogen werden konnten. Gegen diese Praxis wurde mit guten Argumenten vorgebracht, dass mit der vollständigen Verweigerung des Abzugs von Kosten bei einem «wirtschaftlichen Neubau» die Dumont-Praxis durch die Steuerbehörden quasi durch die Hintertür wieder eingeführt worden sei. Bis vor Kurzem hat das Bundesgericht die Anwendung des «wirtschaftlichen Neubaus» noch geschützt.<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4"><sup>04</sup></a></p>
<h2>Praxisänderung des Bundesgerichts</h2>
<p>Erfreulicherweise hat das Bundesgericht (in Fünferbesetzung) in seinem Urteil 9C_677/2021 vom 23. Februar 2023 seine Praxis geändert und den Begriff des «wirtschaftlichen Neubaus» aufgegeben. Es ging darum, ob Kosten einer umfassenden Sanierung eines stark renovationsbedürftigen Bauernhauses im Kanton Jura von CHF 50'563 im Jahr 2018, das ein im Kt. Freiburg ansässiges Ehepaar 2018 erwarb und 2018/19 umfassend sanierte, für die Belange der direkten Bundessteuer und der Freiburger Staats- und Gemeindesteuern abziehbar seien. Im kant. Instanzenzug wurde der Abzug bis auf einen kleinen Betrag<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5"><sup>05</sup></a> verweigert, einerseits mit der Begründung, die Steuerpflichtigen hätten im Jahr 2018 zwar Unterhaltskosten, jedoch keinen Liegenschaftenertrag deklariert, und andererseits mit Verweis auf die bundesgerichtliche Praxis des «wirtschaftlichen Neubaus».</p>
<p>Das Bundesgericht wies die erste Begründung als <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_32" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 2 DBG</a> zuwiderlaufend zurück. Träfe diese Auffassung zu, könnte ein Erwerber die Instandstellungskosten nie abziehen, wenn die Instandstellung über das Ende der Steuerperiode hinaus andauere.<a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6"><sup>06</sup></a></p>
<p>Das Bundesgericht erkannte zum «wirtschaftlichen Neubau», dass die von den Steuerbehörden vorgenommene wirtschaftliche Betrachtungsweise, welche ein wesentlicher Bestandteil der im Verlaufe der Jahre entwickelten Dumont-Praxis gewesen war, mit der Änderung von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_32" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 2 Satz 1 DBG</a> per 1. Januar 2010 vom Gesetzgeber aufgegeben worden war und eine objektiv-technische Betrachtungsweise zur Anwendung gelangen sollte.</p>
<blockquote>
<p>«Eine 'wirtschaftliche' Gesamtbetrachtung eines Totalsanierungs-, Renovierungs- oder Umbauprojekts auf einer neu erworbenen Liegenschaft, aufgrund derer der einkommenssteuerliche Kostenabzug schematisch komplett und damit auch für Kostenbestandteile verweigert wird, die bei individueller Betrachtung aufgrund ihrer objektiv-technischen Natur eigentlich werterhaltender Natur wären, ist […] weder mit dem Wortlaut noch mit der Entstehungsgeschichte von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_32" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 2 DBG</a> vereinbar.»<a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7"><sup>07</sup></a></p>
</blockquote>
<p>Das Bundesgericht verweist dazu auf die Kritik dieser «Alles oder nichts-Regel»<a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8"><sup>08</sup></a> in der Lehre<a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9"><sup>09</sup></a> und fügt auch gleich an, dass seit dem 1. Januar 2020 – mit der Ergänzung in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_32" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 2 Satz 3 DBG</a>,<a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10"><sup>10</sup></a> wonach die Rückbaukosten im Hinblick auf den Ersatzneubau den Unterhaltskosten gleichgestellt sind –, das bisherige Argument des «Praktikabilitätsvorteils» des «wirtschaftlichen Neubaus» entfalle, da ab dem Steuerjahr 2020 bei Totalsanierungs-, Renovierungs- oder Umbauprojekten ohnehin zwischen verschiedenen Kategorien von Aufwendungen zu unterscheiden sei.<a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11"><sup>11</sup></a></p>
<p>Dies hat zur Folge, dass künftig keine Gesamtbetrachtung für Totalsanierungs-, Renovierungs- und Umbauprojekte zur Anwendung gelangt. Für alle Arbeiten an einer neu erworbenen Liegenschaft ist nun und wie bisher auch bei allen anderen Liegenschaftskosten einzeln abzuklären, ob sie dazu dienen, einen früheren Zustand der Liegenschaft wiederherzustellen und damit als abzugsfähige Unterhaltskosten qualifizieren, oder ob die Liegenschaft eine Wertsteigerung erfährt. Dabei liegt es in der Verantwortung der steuerpflichtigen Person, entsprechend mitzuwirken und die relevanten Dokumente zur Verfügung zu stellen (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_126" target="_blank" rel="noopener">Art. 126 Abs. 1 und 2 DBG</a>). Falls eine entsprechende Zuteilung nicht möglich ist, ist im Bereich der Einkommenssteuer gemäss der Normentheorie (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#art_8" target="_blank" rel="noopener">Art. 8 ZGB</a>) zulasten der steuerpflichtigen Person davon auszugehen, dass die Kosten nicht der Instandstellung dienen und somit auch nicht abziehbar seien.</p>
<p>Das Bundesgericht hob das Urteil der Vorinstanz<a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12"><sup>12</sup></a> auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an diese zurück.</p>
<p>Am Rande sei erwähnt, dass dieses Urteil des Bundesgerichts auch einige konkretisierende Ausführungen zum Begriff der denkmalpflegerischen Kosten nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_32" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 3 DBG</a> enthält.<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13"><sup>13</sup></a> Denn die Steuerpflichtigen liessen – im Wissen um die langjährig bestätigte Praxis des «wirtschaftlichen Neubaus» nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_32" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 2 DBG</a> bei Totalsanierungen – eventualiter auch geltend machen, dass die für das jurassische Bauernhaus geltend gemachten Kosten als denkmalpflegerische Kosten abzuziehen seien. Das Bauernhaus liegt in der Zone «centre ancien» des jurassischen Dorfs V., das im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) erfasst ist. Die Pflichtigen hätten Kontakt mit der Commission des paysages et des sites (des Kantons Jura) aufgenommen. Letztere habe sich zum Bauprojekt geäussert und Empfehlungen gemacht. Darin könne jedoch keine behördliche Mitwirkung erblickt werden, die für einen Abzug nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_32" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 3 DBG</a> erforderlich wäre, befand das Bundesgericht.<a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14"><sup>14</sup></a> Ebenso war die Liegenschaft selber nicht unter Schutz gestellt. Das Bundesgericht verneinte die Subsumierung der vorliegenden Kosten unter <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_32" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 3 DBG</a>.</p>
<p>Dieses Urteil ist erfreulich. Die Praxisänderung wurde zwischenzeitlich vom Bundesgericht bereits bestätigt, im <a href="https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza://29-03-2023-9C_724-2022&lang=de&zoom=&type=show_document" target="_blank" rel="noopener">Urteil 9C_724/2022 vom 29. März 2023</a>. Die Praxisänderung hat weitreichende Konsequenzen. Jene kantonalen Steuerbehörden, die dem wirtschaftlichen Neubau folgten, und das sind dem Vernehmen nach nicht wenige, werden sich vom Begriff des «wirtschaftlichen Neubaus» verabschieden und künftig eine Qualifikation der einzelnen Arbeiten vornehmen müssen.</p></article>
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