<article class="rz"><h2>1. Einleitung</h2>
<h3>1.1 Allgemein</h3>
<p>Gemäss dem CV VC 50 Report<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn1" name="_ftnref1">01</a></sup> waren im Crypto Valley im Jahr 2022 ungefähr 1’135 Blockchain-Gesellschaften ansässig, die rund 5'800 Mitarbeitende beschäftigten. Die Marktkapitalisierung dieser Gesellschaften betrug gemäss diesem Report USD 185 Mrd. Die Grossbank UBS lancierte im November 2022 die weltweit erste digitale Anleihe, die sowohl an Blockchain-basierten als auch an traditionellen Börsen öffentlich gehandelt und abgewickelt wird.<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn2" name="_ftnref2">02</a> </sup>Weltweit investieren vermehrt renommierte Gesellschaften in die Blockchain-Technologie. So hat gemäss Cointelegraph das Technologie-Unternehmen Google vom September 2021 bis Juni 2022 USD 1.5 Mrd. in verschiedene Blockchain-Gesellschaften und -Projekte investiert.<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn3" name="_ftnref3">03</a></sup> Auch US-Grossbanken wie Morgan Stanley oder Goldman Sachs haben substanzielle Beträge in die Kryptobranche investiert, mit dem Ziel, die weitere Entwicklung dieser Technologie aktiv mitzugestalten. Diese Beispiele zeigen, dass es sich bei der Blockchain-Technologie nicht mehr um eine Nischenanwendung handelt, sondern um einen signifikanten weltweiten Wachstumsmarkt.</p>
<p>Mit der Weiterentwicklung dieser Technologie ergeben sich zunehmend auch steuerliche Herausforderungen. Nachfolgend werden einerseits die theoretischen Grundlagen in Bezug auf die Besteuerung von Blockchain-Projekten erörtert und anderseits wird aufgezeigt, welche Fragestellungen sich in den verschiedenen Phasen eines entsprechenden Projektes sowie im Bereich der Bewertung der Token in der Praxis ergeben.</p>
<h3>1.2 Begriffserklärungen</h3>
<h4>1.2.1 Blockchain</h4>
<p>Eine Blockchain (englisch für «Blockkette») ist eine von vielen Teilnehmern gemeinsam genutzte, dezentrale Datenbank zur Speicherung von Daten, Informationen und Dokumenten. Diese Datenbank ist über ein Netzwerk von Computern verteilt, was bedeutet, dass kein Teilnehmer die Kontrolle über die Daten besitzt. Stattdessen werden Transaktionen von allen Teilnehmern des Netzwerks bestätigt und validiert, wodurch eine hohe Sicherheit und Integrität der Daten gewährleistet wird. Informationen, die einmal validiert und dadurch auf der Blockchain gespeichert wurden, sind unveränderlich und unanfechtbar. Die zentrale Idee der Blockchain ist das sichere Übertragen von digitalen Vermögenswerten zwischen verschiedenen Parteien. </p>
<p>Blockchains werden oft in Verbindung mit Kryptowährungen verwendet, haben sich aber in der Zwischenzeit signifikant weiterentwickelt, unter anderem aufgrund der Möglichkeit, Smart Contracts<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn4" name="_ftnref4">04</a></sup> zu programmieren und automatisiert ausführen zu lassen.</p>
<h4>1.2.2 Kryptowährungen</h4>
<p>Eine Kryptowährung ist definitionsgemäss ein digitales Zahlungsmittel. Anfangs 2023 waren über 23'000 verschiedene Kryptowährungen auf Coinmarketcap verzeichnet.<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn5" name="_ftnref5">05</a></sup> Viele dieser Kryptowährungen repräsentieren neben ihrer allfälligen Funktion als digitales Zahlungsmittel auch Vermögenswerte, die ein Recht oder einen Anspruch an einen Wertgegenstand begründen. Theoretisch kann es sich um einen Anspruch an einen beliebigen Vermögenswert handeln, wie zum Beispiel einer digitalen Aktie, einem Diamanten oder einem Kunstgemälde. Entsprechend wird in der Folge der weiter gefasste Begriff «Token» verwendet, der als Synonym für einen digitalen Vermögenswert dient. </p>
<p>Während die Blockchain die zugrunde liegende Basistechnologie darstellt, basieren Token auf dieser Technologie. Kryptowährungen sind schlussendlich lediglich eine, wenn auch wichtige Anwendungsmöglichkeit einer Blockchain. </p>
<h3>1.3 Historie</h3>
<p>Im Rahmen der Steuerfachtagung der International Fiscal Association (IFA) vom 08.02.2018 wurde erstmals verlässlich für die ganze Schweiz festgelegt, welche Steuerfolgen ein ICO (Initial Coin Offering) resp. TGE (Token Generating Event) für die verschiedenen Beteiligten (ICO-Entität, Investoren, Gründer, Käufer und Verkäufer von Token etc.) nach sich ziehen. In die Festsetzung der entsprechenden Praxis waren neben der Eidg. Steuerverwaltung, und zwar sowohl die Abteilungen der direkten wie auch der indirekten Steuern, auch verschiedene kantonale Steuerverwaltungen und Berater involviert. Die IFA-Fachempfehlungen bilden die Grundlage für die steuerliche Beurteilung (Steuervorbescheide, Veranlagungen etc.) von Blockchain-Projekten.</p>
<p>Bereits am 16.02.2018 hat sich auch die Eidg. Finanzmarktaufsicht mit ihrer «Wegleitung für Unterstellungsfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICOs)»<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn6" name="_ftnref6">06</a></sup> zur rechtlichen und regulatorischen Situation geäussert. In dieser Wegleitung wurde u.a. auch eine Klassifizierung der zu diesem Zeitpunkt bekannten Token vorgenommen. Die daraus resultierende Einordnung wird auch zur steuerlichen Beurteilung der verschiedenen Token herangezogen.</p>
<p>In Bezug auf handelsrechtliche Fragestellungen äusserte sich die Kommission für Rechnungslegung der EXPERTsuisse in der Publikation «Ausgewählte Fragen und Antworten zum OR-Rechnungslegungsrecht» (Erstpublikation vom 03.12.2018) ausführlich zu verschiedenen Aspekten der Rechnungslegung in Bezug auf die Blockchain-Technologie. Eine Analyse möglicher steuerlicher Konsequenzen der vorgeschlagenen Verbuchungsmethode erfolgte nicht.</p>
<p>Am 27.08.2019 hat die Eidg. Steuerverwaltung mit ihrem Arbeitspapier «Kryptowährungen und Initial Coin/Token Offerings (ICOs/ITOs) als Gegenstand der Vermögens-, Einkommens- und Gewinnsteuer, der Verrechnungssteuer und der Stempelabgaben» (Arbeitspapier ESTV) auf der Grundlage der bestehenden steuerrechtlichen Bestimmungen ihre entwickelte Praxis dargelegt. Mit Datum vom 14.12.2021 erschien eine erweiterte und aktualisierte Version dieses Arbeitspapiers.<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn7" name="_ftnref7">07</a></sup></p>
<p>Der «Bericht zu einem allfälligen Anpassungsbedarf des Steuerrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register (DLT/Blockchain)» des Eidg. Finanzdepartements vom 19.06.2020 kommt letztlich zum Schluss, dass sich bei den direkten Steuern die geltende Steuerrechtsordnung bewährt hat und sich somit kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf in diesem Bereich ergibt.<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn8" name="_ftnref8">08</a></sup></p>
<h2>2. Beurteilungskriterien für Blockchain-Projekte </h2>
<h3>2.1 Allgemein</h3>
<p>Um ein Blockchain-Projekt steuerlich beurteilen zu können, ist es notwendig, das entsprechende Geschäftsmodell zu verstehen. Als Basis dazu eignen sich vor allem das Whitepaper sowie das Projektbudget, welches nähere Informationen zur finanziellen Ausgestaltung des Projektes wie auch der budgetierten Kosten gibt. Ein Whitepaper beinhaltet detaillierte Informationen über ein Blockchain-Projekt. Neben Informationen zur Token-Ökonomie sind darin u.a. auch Angaben zum Geschäftsmodell, Informationen zur technischen Architektur und Funktionsweise der Plattform sowie zum dahinterstehenden Team offengelegt. Das Whitepaper wird spätestens anlässlich der ICO-Finanzierungsrunde veröffentlicht und bildet die Hauptinformationsquelle für angesprochene Investoren. </p>
<p>Bei der Beurteilung von Blockchain-Projekten im Rahmen eines Steuervorbescheides oder der Veranlagung hat sich in der Praxis eine grundsätzliche Unterteilung in zwei Kategorien etabliert, und zwar in die sogenannten «nicht-kommerziellen» resp. «kommerziellen» Projekte. Im Folgenden wird auf die grundsätzlichen Unterschiede dieser Kategorien eingegangen. </p>
<h3>2.2 Nicht-kommerzielle Projekte</h3>
<p>Bei nicht-kommerziellen Projekten handelt es sich um Projekte mit dem Ziel, das der Blockchain zugrunde liegende dezentrale Transaktionsprotokoll zu entwickeln (sogenannte Layer-1) und den Nutzern unentgeltlich «Open Source»<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn9" name="_ftnref9">09</a></sup> zur Verfügung zu stellen. Die entsprechenden Entitäten werden grundsätzlich keine Erträge resp. Gewinne aus dem Projekt generieren (Non-Profit). Sämtliche Mittel aus dem ICO, aber auch andere Erträge (z.B. Kursgewinne aus der Veräusserung von Token) fliessen wieder vollumfänglich in die Entwicklung des Protokolls resp. der Blockchain. Obwohl eine Blockchain auf einem dezentralen Netzwerk basiert, bedarf es einer stabilen Rechtseinheit, um die Entwicklungsarbeiten zu organisieren und koordinieren sowie das Protokoll allfällig langfristig zu halten und zu verwalten. Meistens handelt es sich dabei um eine Stiftung oder einen Verein.</p>
<p>Im Rahmen der IFA-Tagung vom 08.02.2018 wurde für nicht-kommerzielle Projekte eine Mindestbesteuerung in Form einer Cost-plus-Besteuerung der Entität (Kostenbasis zuzüglich eines Aufschlags von 5-10%) vorgeschlagen.</p>
<p>Diese vorgeschlagene Mindestbesteuerung rechtfertigt sich aufgrund der Funktionen der Entität. Diese ist gegenüber den Tokenhaltern eine faktische Leistungsverpflichtung zur Realisierung des im Whitepaper veröffentlichten Projekts eingegangen. Neben der Durchführung des ICO inklusive Vereinnahmung der Erlöse aus dem Token-Verkauf, welches die Grundlage der Finanzierung des Projektes darstellt, ist die Hauptaufgabe der Entität das Vorantreiben und die Koordination der Entwicklungs- und Vermarktungsaktivitäten.</p>
<p>Die Kostenbasis für die Berechnung des Kostenaufschlags umfasst alle Aufwendungen, d.h. auch allfällige Finanzaufwendungen, Verwaltungsaufwendungen sowie Steuern. Es müssen sämtliche Aufwendungen für die Berechnung berücksichtigt werden, weil aufgrund des Zwecks der Entität sämtliche Mittel in das Projekt investiert werden müssen und entsprechend alle Aufwendungen unmittelbar der Erfüllung des Zweckes dienen und damit als operative Ausgaben gelten. </p>
<p>Die von der IFA-Tagung vorgeschlagene Praxis der Besteuerung mittels Kostenaufschlag auf sämtlichen Aufwendungen hat sich in der Praxis etabliert und wird auch im Arbeitspapier der ESTV als Besteuerungsprinzip propagiert.<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn10" name="_ftnref10">10</a></sup> Entsprechend ergeben sich im Veranlagungsprozess grundsätzlich keine nennenswerten Fragestellungen. Zusätzlich ist festzuhalten, dass solche «Protokoll-Gesellschaften» schweizweit auf wenige Kantone verteilt sind. Deshalb wird in der Folge nur partiell auf diese nicht-kommerziellen Projekte eingegangen. </p>
<h3>2.3 Kommerzielle Projekte</h3>
<p>Der Zweck und das Ziel von kommerziellen Projekten ist die Realisation einer kommerziellen Anwendung auf einer bestehenden Blockchain, die für die Gesellschaft zukünftige Erträge und entsprechend Gewinnpotential ermöglicht. Solche Projekte sind üblicherweise als juristische Personen (AG oder GmbH) organisiert. Auf die Praxis und die Besteuerungsmodalitäten wird in den folgenden Abschnitten eingegangen.</p>
<h2>3. Praktische Erfahrungen bei der Besteuerung von Blockchain-Projekten</h2>
<p>In der Schweiz gibt es bisher weder steuerliche Spezialnormen noch Leitentscheide vom Bundesgericht, so dass grundsätzlich die allgemeinen Besteuerungsgrundsätze zur Anwendung kommen. Die oben erwähnten Publikationen, vor allem das aktualisierte Arbeitspapier der ESTV, bieten jedoch auf der Basis der bestehenden steuerrechtlichen Bestimmungen eine gute praktische Grundlage hinsichtlich der Besteuerung von Blockchain-Projekten. Trotzdem ergeben sich in der praktischen Umsetzung immer wieder neue oder einzelfallbezogene Fragestellungen in verschiedenen Themenbereichen, auf welche nachfolgend eingegangen werden soll. </p>
<h3>3.1 Phasen im Lebenszyklus einer Blockchain-Gesellschaft </h3>
<p>Der Lebenszyklus einer Blockchain-Gesellschaft wird aufgrund des anlässlich der IFA-Tagung propagierten Modells in drei Phasen unterteilt. Diese umfassen die Finanzierung, die Entwicklungsphase sowie die Marktreife. Das Phasenmodell wurde indirekt auch durch die EXPERTsuisse in der erwähnten Publikation bestätigt.</p>
<h4>3.1.1 Finanzierung (ICO) </h4>
<p>Am Anfang fast jedes Projektes steht ein sogenanntes ICO, welches eine Art Crowdfunding für die Finanzierung eines Blockchain-Projekts darstellt. Dabei werden neu geschaffene Token meistens gegen Bezahlung von bereits etablierten Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether ausgegeben.</p>
<p>Vor der Herausgabe neuer Token wird basierend auf dem Whitepaper ein Smart Contract aufgesetzt, der die Token generiert und den Investoren gemäss dem Umfang ihrer Partizipation am Projekt zuweist. </p>
<p>Die Zahlungen der Investoren für den Erhalt der Token werden handels- und steuerrechtlich als Ertrag verbucht. Da jedoch die Gesellschaft eine vertragliche Verpflichtung eingeht, die Mittel aus dem ICO zur Umsetzung des Projekts im Sinne des Whitepapers zu nutzen, rechtfertigt sich eine aufwandwirksame Buchung einer Rückstellung.</p>
<p>Für die Festsetzung der Höhe der Rückstellung sind die Angaben im Whitepaper resp. einem separaten Projektbudget massgebend. Sollten die durch das ICO oder andere Finanzierungsrunden vereinnahmten Mittel den im Projektbudget ausgewiesenen Finanzierungsbedarf übersteigen, ist bereits in diesem Zeitpunkt der überschiessende Teil der Rückstellung nicht geschäftsmässig begründet und wird steuerlich entsprechend als versteuerte stille Reserve aufgerechnet. </p>
<h4>3.1.2 Entwicklungsphase</h4>
<p>Während der Entwicklungsphase, die üblicherweise zwischen drei und fünf Jahre dauert (entsprechende Angaben sind üblicherweise aus dem Projektbeschrieb im Whitepaper zu entnehmen), sind die verbuchten Aufwendungen durch die sukzessive Auflösung der Rückstellung, die in der Finanzierungsphase gebildet wurde, zu neutralisieren. Grundsätzlich erzielt die Gesellschaft in dieser Phase keinen Gewinn oder Verlust (Vorbehalt: Erträge eigene Token / Konvertierungsdifferenzen – siehe Ziffern 3.2 und 3.3 nachfolgend).</p>
<p>In dieser Phase hat die Gesellschaft jährlich in Zusammenhang mit der Steuerdeklaration aufzuzeigen, dass das Projekt weitergeführt wird. Eine allfällige Abweichung vom ursprünglichen Budget ist nachzuweisen und bedingt allfällig sogar eine Anpassung des anfänglichen Whitepapers inkl. Änderung der ursprünglichen faktischen Leistungsverpflichtung gegenüber den Tokenhaltern. Eine aufgrund dieser Unterlagen überhöhte Rückstellung ist geschäftsmässig nicht begründet und steuerlich aufzulösen. </p>
<p>In der Praxis ist es in dieser Phase für Steuerverwaltungen jedoch herausfordernd, die geschäftsmässige Begründetheit der verbuchten Projektrückstellungen zu beurteilen, insbesondere weil die technologischen Hürden, vor denen die verschiedenen Projekte stehen, schwierig abzuschätzen sind. Basis für die Beurteilung bilden, neben dem Projektbudget, die Angaben im Whitepaper und der Projektfortschritt.</p>
<p>Ist die Projektentwicklung gemäss Whitepaper abgeschlossen und liegt allfällig sogar eine rechtliche Prüfung vor, die bestätigt, dass die Verpflichtung gegenüber den Investoren erfüllt wurde, sind noch verbleibende Rückstellungen gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_63" target="_blank" rel="noopener">Art. 63 Abs. 2 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG)</a> aufzulösen. Das Gleiche gilt auch, wenn die Entwicklung vorzeitig abgebrochen wird. Ein Indiz dafür, dass ein Projekt abgebrochen oder zumindest nicht weiterverfolgt wird, ist die Analyse der eingereichten Jahresrechnung. Fehlen u.a. substanzielle Entwicklungs- oder auch Marketingkosten, um das Projekt voranzutreiben, ist zumindest eine vertiefte Abklärung bezüglich Projektfortschritt vorzunehmen. </p>
<h4>3.1.3 Marktreife</h4>
<p>In der Phase der Marktreife ist die Entwicklung abgeschlossen und das Produkt wird aktiv vermarktet. Die in der Finanzierungsphase gebildete Rückstellung ist zu diesem Zeitpunkt aufgelöst oder steuerlich nicht mehr geschäftsmässig begründet. Ab dieser Phase wird die Gesellschaft wie eine normale Betriebsgesellschaft besteuert. </p>
<p>Für zukünftig anfallende Unterhaltskosten oder Aufwendungen für die Weiterentwicklung oder Anpassungen des Projekts dürfen keine Rückstellungen mehr gebildet werden. Diese periodischen oder aperiodischen Aufwendungen sind in der Folge durch die laufenden Erträge zu decken. </p>
<p>Wurde bei Projekten im Whitepaper eine Gewinnbeteiligung der Tokenhalter an den Erträgen des Projekts festgehalten, so qualifizieren diese Zahlungen bei der Gesellschaft als geschäftsmässig begründeter und somit steuerlich abzugsfähiger Aufwand. Andererseits stellen die Zahlungen bei den Tokenhaltern steuerbaren Vermögensertrag dar.<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn11" name="_ftnref11">11</a></sup> </p>
<h3>3.2 Token im Eigenbesitz und Token-Bewertung</h3>
<p>Üblicherweise werden anlässlich des ICO mehr Token generiert, als an Investoren abgegeben werden. Diese nicht emittierten, sogenannten «eigenen» Token verbleiben bei der Gesellschaft und werden im Zeitpunkt des ICO zu historischen Herstellkosten in die eigene Bilanz eingebucht (normalerweise zu CHF 1 resp. p.m.). Abhängig vom Erfolg eines Projekts weisen diese Token signifikante stille Reserven und entsprechend potentielles Steuersubstrat auf.</p>
<p>Bei Verwendung dieser Token, zum Beispiel durch Verkauf an Dritte oder Ausgabe an Mitarbeitende im Rahmen von Anreizsystemen (sogenannte Mitarbeitenden-Token), sind diese erfolgswirksam auf den aktuellen Verkehrswert aufzuwerten und anschliessend gemäss Verwendung zu verbuchen, womit buchhalterisch in den beiden erwähnten Fällen bei Verkauf ein realisierter Kursgewinn und bei der Abgabe an die Mitarbeitenden Personalaufwand resultiert. Jede Transaktion hat dabei zum aktuellen Verkehrswert zu erfolgen. </p>
<p>Die Bestimmung des Marktwertes von Token, die nicht an einer Handelsplattform kotiert sind oder einen geringen Handelsumsatz aufweisen, stellt in der Praxis eine Herausforderung dar. In der Publikation «Bericht zu einem allfälligen Anpassungsbedarf des Steuerrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register (DLT/Blockchain)» vom 19.06.2020 ist allerdings festgehalten, dass auch bei grosser Volatilität der Tokenpreise ein Einschlag auf dem Marktwert nicht anwendbar ist.<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn12" name="_ftnref12">12</a></sup> Zwar bezieht sich die Aussage auf sogenannte Mitarbeitenden-Token, kann aber aufgrund des Kontexts auch auf Token im Allgemeinen ausgeweitet werden.</p>
<p>Bei nicht gelisteten oder gehandelten Token wird in der Praxis als massgebender Wert der letzte durch einen unabhängigen Investor bezahlte Preis herangezogen. Wurden bisher keine Token veräussert, entspricht der Marktwert den historischen Anschaffungs- oder Herstellkosten. Diese Beurteilung wird auch bei Mitarbeitenden-Token angewandt. </p>
<p>Werden Lohnzahlungen in Form von Token an Arbeitnehmende ausgerichtet, handelt es sich dabei bei der Gesellschaft um geschäftsmässig begründeten Personalaufwand (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_58" target="_blank" rel="noopener">Art. 58 DBG</a>) und bei den Mitarbeitenden um steuerbares Erwerbseinkommen (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_17" target="_blank" rel="noopener">Art. 17 Abs. 1 DBG</a>), welches zum Wert im Zeitpunkt des Zuflusses zu erfassen ist. Da es sich bei den Mitarbeitenden-Token weder um echte noch um unechte Mitarbeiterbeteiligungen handelt (mit Ausnahme von Anlagetoken mit Beteiligungsrechten), kommen auch die gesetzlichen Bestimmungen nach den <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_17_b" target="_blank" rel="noopener">Art. 17b DBG</a> resp.<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_17_c" target="_blank" rel="noopener">17c DBG</a> nicht zur Anwendung, die einen Diskont von 6 Prozent pro Sperrjahr bei Mitarbeiterbeteiligungen vorsehen. </p>
<h3>3.3 Konvertierungsdifferenzen</h3>
<p>Konvertierungsdifferenzen entstehen aus dem Wechsel von Kryptowährungen in FIAT-Geld<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn13" name="_ftnref13">13</a></sup> oder in andere Kryptowährungen. Solche Differenzen sind erfolgswirksam zu verbuchen und bilden Teil des steuerbaren Gewinnes (Konvertierungsgewinne) resp. qualifizieren als geschäftsmässig begründeter Aufwand (Konvertierungsverluste). Entsprechende Gewinne oder Verluste auf eigene Token sind ebenfalls erfolgswirksam zu verbuchen.</p>
<p>Grundsätzlich muss die Gesellschaft nach Abschluss des ICO die gesammelten Mittel in die Währung umwandeln, in welcher der überwiegende Teil der Aufwendungen für die Entwicklung des Projektes voraussichtlich anfallen wird, denn sie hat sich im Whitepaper dazu verpflichtet, die durch das ICO vereinnahmten Mittel für das Projekt einzusetzen. Um sicher zu stellen, dass die eingegangene Verpflichtung gegenüber den Tokenhaltern erfüllt werden kann, ist eine unmittelbare Konvertierung dieser Mittel in FIAT-Geld grundsätzlich angezeigt. </p>
<p>Wird auf eine sofortige Konvertierung verzichtet, setzt sich die Gesellschaft willentlich spekulativen Währungsschwankungen aus (d.h. die Gesellschaft betreibt Währungsspekulationen). Erzielt die Gesellschaft aus diesen Spekulationsgeschäften Gewinne, dann sind diese ordentlich zu besteuern. Allfällige Verluste könnten dementsprechend jedoch auch als Aufwand geltend gemacht werden. </p>
<p>Gelegentlich wird argumentiert, dass die oben erwähnten Konvertierungsgewinne mit einer Erhöhung der Projekt-Rückstellung neutralisiert werden sollen. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass sich die Gesellschaft auf das publizierte Projektbudget behaften lassen muss, welches in der Regel keine entsprechenden Gewinne berücksichtigt.</p>
<h3>3.4 Rückstellung / Vorauszahlung ohne Rückerstattungsverpflichtung</h3>
<p>Die steuerlich zulässige Höhe der Projektrückstellung ist in der Praxis einer der Hauptdiskussionspunkte. Wie bereits erwähnt, ist eine nähere Beurteilung der geschäftsmässigen Begründetheit sicherlich bereits bei den verschiedenen Finanzierungsrunden aber auch grundsätzlich jährlich in der sogenannten Entwicklungsphase angebracht. Ebenfalls kritisch zu würdigen sind Anpassungen der ursprünglichen Projektbudgets, die zu einer signifikanten Erhöhung der erwarteten Kosten führen. Solche Erhöhungen sind stichhaltig zu begründen. Es ist sicherzustellen, dass die Erhöhung der Rückstellung nur Entwicklungsschritte betrifft, für die bereits im ursprünglichen Whitepaper eine Leistungsverpflichtung gegenüber den Investoren bestand. Eine darüber hinaus gehende Erhöhung erfordert eine Anpassung des Whitepapers und damit des Projektumfangs sowie der vertraglichen Grundlagen. In der Konsequenz erhöht sich dadurch auch die faktische Leistungsverpflichtung der Gesellschaft gegenüber den Tokenhaltern. </p>
<p>Bei nicht-kommerziellen Projekten sind die vorhandenen Projektbudgets eher summarisch gehalten, weil allfällige Änderungen der technologischen Umsetzung bei diesen Projekten schwer abschätzbar sind. Da allerdings solche Projekte üblicherweise in der Form einer Stiftung oder eines Vereins organisiert sind, ist aufgrund des statutarischen Zwecks grundsätzlich sichergestellt, dass sämtliche Mittel für die Entwicklung verwendet werden müssen. Das rechtfertigt grundsätzlich die Anpassung der Rückstellung aufgrund von erzielten Konvertierungsdifferenzen (faktische Neutralisation des entsprechenden Gewinnes oder Verlustes). In der Praxis wird allerdings die geschäftsmässige Begründetheit der Rückstellung bei solchen Projekten aus steuerlicher Sicht trotzdem einer kritischen Würdigung unterzogen, insbesondere falls deren Höhe die erwarteten Entwicklungskosten von mehreren Jahren abdeckt und das Projekt bereits im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium ist. Bei Projekten mit solchen überschiessenden Rückstellungen ist abzuklären, inwieweit diese geschäftsmässig begründet und zur Erfüllung der ursprünglichen Leistungsverpflichtung gemäss Whitepaper effektiv notwendig sind. </p>
<h3>3.5 Gewerbsmässigkeit (Handel mit Token)</h3>
<p>Resultiert aus der Veräusserung eines dem Privatvermögen zurechenbaren Token einer natürlichen Person ein Gewinn, so ist dieser grundsätzlich steuerfrei (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_16" target="_blank" rel="noopener">Art. 16 Abs. 3 DBG</a>), ausser der Tokenhandel der Privatperson wird als gewerbsmässig beurteilt. Zur Beurteilung, ob eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, kommen sinngemäss die Abgrenzungskriterien des Kreisschreibens Nr. 36 vom 27.07.2012 der Eidg. Steuerverwaltung in Bezug auf den gewerbsmässigen Wertschriftenhandel zur Anwendung. Grundsätzlich geht die Steuerverwaltung im Sinne einer «Safe harbor rule» von einer privaten Vermögensverwaltung aus, wenn die fünf folgenden im Kreisschreiben erwähnten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:</p>
<ul>
<li>Haltedauer (mindestens 6 Monate)</li>
<li>Transaktionsvolumen (gesamthaft nicht mehr als das Fünffache des Wertschriften- und Guthabenbestandes zu Beginn der Steuerperiode)</li>
<li>Notwendigkeit (das Erzielen von Kapitalgewinnen bildet keine Notwendigkeit, um die Lebenshaltung sicher zu stellen. Das ist regelmässig dann der Fall, wenn die realisierten Kapitalgewinne weniger als 50% des Reineinkommens in der Steuerperiode betragen)</li>
<li>Fremdfinanzierung (Anlagen sind nicht fremdfinanziert, oder die steuerbaren Vermögenserträge aus den Wertschriften sind grösser als die anteiligen Schuldzinsen)</li>
<li>Einsatz von Derivaten (Kauf und Verkauf von Derivaten beschränken sich auf die Absicherung von eigenen Wertschriftenpositionen)</li>
</ul>
<p>In der Praxis ergeben sich bei den Kriterien Haltedauer und Transaktionsvolumen die grössten Fragestellungen. Bei der Haltedauer stellt sich beispielsweise die Frage, ob der periodische Abverkauf von Token, die als Vermögenserträge im Rahmen von Staking-Aktivitäten (siehe auch Ziffer 3.6.2 nachfolgend) erzielt wurden, zu einer Verletzung der Haltedauer führt, selbst wenn der ursprüngliche Bestand an passiv gehaltenen Token für Staking-Zwecke unverändert bleibt. Auch hinsichtlich des Transaktionsvolumens kann es aufgrund der hohen Volatilität von Token sehr schnell zu einer Verletzung dieses Kriteriums kommen. Entsprechend wird zur Beurteilung allfällig auch die Anzahl der Transaktionen einbezogen.</p>
<p>Falls in der Praxis nicht alle oben erwähnten Kriterien erfüllt sind, wird aufgrund der gesamten Umstände im konkreten Einzelfall geprüft, ob eine private Vermögensverwaltung oder eine gewerbliche Tätigkeit vorliegen. Analog zum Vorgehen bei der Beurteilung des Wertschriftenhandels wird auch beim Handel mit Kryptowährungen eine Qualifikation als gewerbsmässig eher zurückhaltend vorgenommen. </p>
<h3>3.6 Konsensverfahren</h3>
<p>Der Konsensmechanismus eines Blockchain-Protokolls stellt sicher, dass die Datenbanken zwischen den Netzwerkteilnehmern fortlaufend synchronisiert werden, und legt fest, welche Transaktionen korrekt sind und der Datenbank hinzugefügt werden. Im Rahmen dieser Synchronisation und Abstimmung werden die in einem Block enthaltenen Transaktionen validiert. Diese Aufgabe ist von entscheidender Bedeutung, um die Sicherheit der Blockchain resp. des Netzwerks zu gewährleisten. Die zwei am meisten verbreiteten Konsensverfahren sind «Proof of Work» (auch Mining genannt) sowie «Proof of Stake» (auch Staking genannt). Nachfolgend werden die beiden Konzepte erläutert und es wird eine steuerliche Einordnung vorgenommen.</p>
<h4>3.6.1 Mining </h4>
<p>Ein verbreitetes Verfahren für die Validierung von Transaktionen einer Blockchain ist «Proof of Work». Bei diesem Konsensmechanismus wird mittels Einsatz von Rechenleistung durch sogenannte Validatoren («Miner») die Validierung vorgenommen. Dabei lösen die Miner eine komplexe mathematische Aufgabe. Derjenige Miner, der diese Rechenaufgabe am schnellsten löst, erhält als Entschädigung die Transaktionsgebühren des entsprechenden Blockes sowie eine Anzahl von neu generierten Token des zugrunde liegenden Protokolls (auch Block-Reward genannt). Da es nur einen erfolgreichen Validatoren pro Block geben kann, ist die vorhandene Rechenleistung des Miners von entscheidender Bedeutung. Entsprechend sind die einzelnen Miner bestrebt, die verfügbare Rechenleistung laufend zu erhöhen, was substanzielle Investitionen vor allem in Hardware erfordert. Die mit dem Proof-of-Work-Konzept einhergehende Rechenleistung und der dadurch in der Konsequenz entstehende hohe Energieverbrauch ist Gegenstand erheblicher Kritik an diesem Konsensverfahren. Dieser ökologische Nachteil war auch ein gewichtiger Grund dafür, dass vor kurzem die nach Marktkapitalisierung zweitgrösste Kryptowährung Ether resp. die zu Grunde liegende Ethereum Blockchain den Konsensmechanismus von «Proof of Work» auf «Proof of Stake» geändert hat. </p>
<p>Aufgrund der oben erwähnten Investitionen in eine möglichst hohe Rechenleistung, die bei etablierten Token meistens nur mittels Aufbaus eines Rechenzentrums (sogenannte «Miningfarm») möglich ist, wird bei Erträgen aus dem Mining grundsätzlich von einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausgegangen. </p>
<p>Diese Qualifikation, die u.a. auch im Arbeitspapier der ESTV vorgenommen wird, führt in der Praxis zu keinen nennenswerten Diskussionen.<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn14" name="_ftnref14">14</a></sup> Aufgrund der hohen Investitionen ist vom Vorliegen einer systematischen und gewinnmaximierenden Mining-Strategie auszugehen, welche eine anderweitige Qualifikation ausschliesst. </p>
<p>Sowohl die oben erwähnten Transaktionsgebühren als auch der Block-Reward werden in denjenigen, dem Protokoll zugrunde liegenden Token ausbezahlt und sind als Ertrag zu verbuchen. Die Bewertung der vereinnahmten Token basiert auf dem Marktwert zum Zeitpunkt des rechtlichen Anspruchs. Von diesem Ertrag werden die in Zusammenhang mit der Gewerbstätigkeit anfallenden Aufwendungen (u.a. Abschreibungen auf den investierten Rechnern und Energiekosten) abgezogen. Die gleichen Schlussfolgerungen ergeben sich auch für juristische Personen, die Mining-Aktivitäten ausführen.</p>
<p>Eine Bewertung der neu generierten Token zu den Herstellkosten (d.h. Aktivierung der angefallenen Aufwendungen für das Mining) oder ein Abschlag zum Marktpreis ist abzulehnen. Dies begründet sich damit, dass der Ertrag in einem kausalen Zusammenhang mit der Validierung der Transaktionen erfolgt und damit als Dienstleistungsertrag zu qualifizieren ist und nicht als eine Art Eigenleistung angesehen werden kann, die eine Aktivierung zu Herstellkosten rechtfertigen würde. Die als Entschädigung für den Miner neu generierten Token werden basierend auf dem zugrunde liegenden Algorithmus durch das Protokoll automatisch generiert und nicht aufgrund der durch die Miner vorgenommenen Validierungs-Tätigkeit. Mit dieser wird lediglich die Möglichkeit wahrgenommen, die Entschädigung zu vereinnahmen.</p>
<h4>3.6.2 Staking</h4>
<p>Das zweite verbreitete Konsensverfahren ist «Proof of Stake». Bei diesem Verfahren handelt es sich grundsätzlich um eine passive Tätigkeit der Validatoren. Um am Konsensmechanismus teilnehmen zu können, ist das effektive Halten derjenigen Token notwendig, deren zu Grunde liegende Blockchain validiert werden soll. Am Validierungsprozess teilnehmende Tokenhalter müssen ihre Token während der Validierung als Pfand hinterlegen, womit diese während der Zeit, an der sie am Validierungsprozess teilnehmen, gesperrt sind. Um die Transaktionen eines Blockes zu validieren, wird ein Validator vom Algorithmus des Protokolls zufällig ausgewählt. Der ausgewählte Validator erhält als Entschädigung die Transaktionsgebühren des entsprechenden Blockes sowie den Block Reward. Die hinterlegten und gesperrten Token dienen als Sicherheit, damit der Validator die Transaktionen korrekt validiert. Sollte ihm unlauteres oder böswilliges Verhalten beim Validieren nachgewiesen werden, wird er mit einem Abzug auf den gesperrten Token bestraft («Slashing» genannt).</p>
<p>Da diese Validierungsfunktion auch mit einem handelsüblichen Laptop wahrgenommen werden kann und gegenüber dem «Proof of Work» nur ein bescheidener Kapital-, Arbeits- und Energieeinsatz notwendig ist, kann generell von einer passiven Tätigkeit ausgegangen werden. Entsprechend sind die periodischen Einkommen aus dem Proof of Stake grundsätzlich als passiver Vermögensertrag zu qualifizieren. Sollten juristischen Personen Staking-Erträge vereinnahmen, sind diese ordentlich als Erträge zu verbuchen. </p>
<p>Dasselbe gilt auch für vereinnahmte Erträge von sogenannten Delegatoren. Sie nehmen nicht selber am Staking-Prozess teil, sondern delegieren ihre Token an einen professionellen Validator, der einen sogenannten Staking-Pool betreibt. Die Delegatoren erhalten die anteiligen Staking-Erträge unter Abzug einer Gebühr, welche vom Staking-Pool-Betreiber einbehalten wird. Diese Gebühr ist grundsätzlich als Vermögensverwaltungskosten steuerlich absetzbar. </p>
<p>Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Staking-Tätigkeit über die schlichte Verwaltung von Privatvermögen hinausgeht. Sollten aufgrund der Würdigung der gesamten Umstände die Voraussetzungen für die Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit vorliegen, sind nicht nur die Staking-Erträge, sondern auch allfällig erzielte Kapitalgewinne aus der Veräusserung steuerbar. </p>
<p>Bei Betreibern eines Staking-Pools ist stets von einer Geschäftstätigkeit auszugehen. Der Staking-Pool-Betreiber bietet seine Dienstleistung auf dem Markt an und erfüllt deshalb grundsätzlich die Voraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit.</p>
<p>Hinsichtlich Bewertung ergeben sich die identischen Schlussfolgerungen wie beim Mining.<sup><a title="" href="applewebdata://83378273-4EB7-4C46-BEC6-8211A3F5F177#_ftn15" name="_ftnref15">15</a></sup> Vom massgebenden Marktwert im Zeitpunkt des rechtlichen Anspruches können allfällige Vermögensverwaltungskosten in Abzug gebracht werden. </p>
<p>Eine Verbuchung zu Herstellkosten oder die Berücksichtigung eines Diskonts ist beim Staking ebenfalls nicht anwendbar. Als realisiert gelten die Staking-Erträge, wenn der rechtliche Anspruch auf den Reward erworben wurde. Zu diesem Zeitpunkt erfolgt dementsprechend auch die Besteuerung dieser Erträge. Der rechtliche Anspruch erfolgt grundsätzlich unmittelbar nach Zuteilung des Rewards.</p>
<h3>3.7 Bewertung von digitalen Vermögenswerten bei natürlichen Personen</h3>
<p>Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es sich bei allen Token um bewertbare Vermögenswerte handelt, die steuerlich unter das bewegliche Kapitalvermögen zu subsumieren sind. Entsprechend unterliegen sie der Vermögenssteuer und zwar zu dem am Ende der Steuerperiode massgebenden Verkehrswert. Für die am Markt am meisten etablierten Token werden die massgeblichen Verkehrswerte in der Kursliste der ESTV publiziert. Für die übrigen kotierten Token ist grundsätzlich der Kurs auf einer der führenden Handelsplattformen heranzuziehen. Wie bereits unter 3.2 ausgeführt, ist ein Diskont für stark volatile oder illiquide Token aus steuerlicher Sicht abzulehnen, so dass die Verkehrswerte ebenfalls als massgebende Steuerwerte anzusehen sind. </p>
<p>In der Praxis gibt die Bewertung von noch nicht kotierten Token, zum Beispiel in Zusammenhang mit der Abgabe an Mitarbeitende, Anlass zu Diskussionen. In solchen Konstellationen ist ein realistischer Drittpreis zu eruieren. Falls bereits Finanzierungsrunden stattgefunden haben, an welchen auch unabhängige Drittinvestoren partizipieren konnten, ist dieser Verkaufspreis als massgebender Verkehrswert zu betrachten. Somit wird als minimaler Vermögenswert der Verkaufspreis der letzten Finanzierungsrunde angewendet. </p>
<p>Wie bereits unter 3.2 ausgeführt, kommen die gesetzlichen Bestimmungen nach den <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_17_b" target="_blank" rel="noopener">Art. 17b DBG</a> wie auch <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_17_c" target="_blank" rel="noopener">Art. 17c DBG</a> bei Mitarbeitenden-Token nicht zur Anwendung, da es sich nicht um Mitarbeiter-Beteiligungen handelt. Dementsprechend kommt auch hier als massgebender Vermögenswert der Marktpreis zur Anwendung.</p>
<h2>4. Herausforderungen im Veranlagungsverfahren</h2>
<p>Wie aus den vorstehenden Ausführungen hervorgeht, ergeben sich im Veranlagungsverfahren verschiedene Herausforderungen. Eine solche ist sicherlich, das notwendige Know-How aufzubauen, um die Geschäftsmodelle sowie die technologische Innovation der verschiedenen Projekte zu verstehen. Ohne diese Grundlage ist es unmöglich, eine steuerlich korrekte Würdigung vornehmen zu können. Der Aufbau des notwendigen Wissens ist deshalb der Schlüssel, um neue komplexe Fragestellungen aus steuerlichen Gesichtspunkten adäquat beurteilen zu können.</p>
<p>Gesellschaften oder deren Vertreter können zudem zu einem effizienten und schnellen Veranlagungsprozess beitragen und damit auch Zusatzaufwand vermeiden, wenn folgenden Punkten die nötige Beachtung geschenkt wird.</p>
<p>Eine aussagekräftige Jahresrechnung und die Beilage einer Saldobilanz ist für eine erste Beurteilung äusserst hilfreich. Ein besonderes Augenmerk legen die Steuerbehörden im Veranlagungsverfahren auf die eigenen Token sowie auf die Höhe der Projektrückstellung.</p>
<p>Bei den eigenen Token sind Informationen zum Bestand und der Veränderung während der Steuerperiode mittels Auszug aus dem Wallet oder zur Verfügung stellen der entsprechenden Public Keys hilfreich. Für die Beurteilung der Projektrückstellung liefern Unterlagen respektive Berechnungsdetails zum Nachweis der geschäftsmässigen Begründetheit der verbuchten Rückstellung wertvolle Hinweise für die Veranlagungsbehörde.</p>
<h2>5. Fazit</h2>
<p>Der technologische Fortschritt ist nicht aufzuhalten und wird sich weiter beschleunigen. Entsprechend werden sich auch die Geschäftsmodelle der Blockchain-Gesellschaften weiter entwickeln und immer neue Innovationen hervorbringen. Diese sind bereits sichtbar und tragen Abkürzungen wie DeFi, NFT oder DAO. Solche neuen Innovationen führen dazu, dass die bisherige steuerliche Praxis laufend überprüft werden muss und allfällige Anpassungen notwendig sein werden. Das Ziel dabei bleibt es jedoch stets, in einem technologieneutralen regulatorischen Umfeld tragfähige Lösungen zu finden, damit die Schweiz weiterhin attraktiv für innovative Geschäftsmodelle bleibt. </p></article>
Use the editor to edit this text.