<article class="rz"><h2>1. Grundlagen</h2>
<p>Juristische Personen sind auf aufgrund persönlicher Zugehörigkeit steuerpflichtig, wenn sich ihr Sitz oder ihre tatsächliche Verwaltung im Kanton bzw. in der Schweiz befindet (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_20">Art. 20 Abs. 1 StHG</a> und Art. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_50">50 Abs. 1 DBG</a>). Diese Bestimmung unterstellt somit nicht nur juristische Personen schweizerischen Rechts der unbeschränkten Steuerpflicht; sie erfasst vielmehr auch jene ausländischen juristischen Personen, die ihre Verwaltung in der Schweiz haben.</p>
<p>In der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird der Begriff des Orts der tatsächlichen Verwaltung in der Rechtsprechung zum Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_127">Art. 127 Abs. 3 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 </a><a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1"><sup>01</sup></a> konkretisiert; dies im Wesentlichen zwecks Abgrenzung der Steuerhoheiten bei Konflikten zwischen den Kantonen. Im Jahr 2003 wandte das Bundesgericht die für interkantonale Sachverhalte entwickelte Praxis erstmals auch für die Bestimmung der internationalen Steuerpflicht an.<sup><a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">02</a></sup> Demnach erblickt das Bundesgericht auch im internationalen Kontext dort den Ort der tatsächlichen Verwaltung, wo eine Gesellschaft ihren wirtschaftlichen und tatsächlichen Mittelpunkt ihrer Existenz hat,<sup><a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">03</a></sup> wo die normalerweise am Sitz ausgeübte Geschäftsführung besorgt wird,<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4"><sup>04</sup></a> wo die Fäden der Geschäftsführung zusammenlaufen und die wesentlichen Unternehmensentscheide gefällt werden.<sup><a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5">05</a></sup> Massgebend ist somit der Ort, wo jene Handlungen ergriffen werden, welche in ihrer Gesamtheit der Erreichung des statutarischen Zweckes dienen.<a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6"><sup>06</sup></a> Bei mehreren Orten ist der Schwerpunkt der Geschäftsführung massgebend.<sup><a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7">07</a></sup></p>
<p>Gegen oben sind sind diese Handlungen von den typischen Aufgaben der obersten Gesellschaftsorgane abzugrenzen, soweit sich diese auf die Kontrolle über die eigentliche Geschäftsleitung und gewisse Grundsatzentscheide beschränkt. Gegen unten erfolgt die Abgrezung von der bloss administrativen Verwaltung bzw. der bloss untergeordneten Geschäftsleitung. So sind insbesondere Schreib- und Buchhaltungsarbeiten nicht geeignet, eine unbeschränkte Steuerpflicht aufgrund des Orts der tatsächlichen Verwaltung auszulösen. Nicht entscheidend ist sodann der Ort der Verwaltungsratssitzungen, der Generalversammlungen oder der Wohnsitz der Aktionärinnen.<sup><a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8">08</a></sup> Letzterer wird wiederum gerne als letztes Hilfskriterium herangezogen, wenn kein Schwerpunkt der Geschäftsführung festgestellt werden kann oder wenn es an der notwendigen Infrastruktur am Sitz der Gesellschaft fehlt.<sup><a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9">09</a></sup> Negativ wird für das Abstellen auf den Ort der tatsächlichen Verwaltung vorausgesetzt, dass am statutarischen Sitz keine festen Einrichtungen wie Büros oder Arbeitsplätze für eigenes Personal bestehen. Welche Infrastruktur am statutarischen Sitz gefordert wird, damit nicht auf den Ort der Verwaltung abgestellt wird, lässt sich aber nicht generell beurteilen, sondern ist abhängig von der jeweiligen Geschäftstätigkeit im Einzelfall.<sup><a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10">10</a></sup></p>
<p>Im internationalen Steuerrecht gibt es keine einheitliche Definition des Begriffs der tatsächlichen Geschäftsleitung. Die Doppelbesteuerungsabkommen definieren den Begriff nicht. Demnach hat eine Auslegung als Folge der «Lex Fori»-Klausel in den Abkommen grundsätzlich nach dem Recht der Partnerstaaten zu erfolgen.<sup><a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11">11</a></sup> Jene Staaten, mit welchen die Schweiz ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, verstehen – in weitgehender Übereinstimmung – unter dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung jenen Ort, wo die laufenden Geschäfte tatsächlich geführt werden.<sup><a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12">12</a></sup> Inhaltlich besteht weitgehende Identität mit dem Ort der tatsächlichen Verwaltung, wie er vom Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zu <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_127">Art. 127 Abs. 3 BV</a> entwickelt wurde.<sup><a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13">13</a></sup></p>
<p>Um die bundesgerichtliche Formel besser einordnen zu können, hilft ein Blick auf den internationalen <a href="https://library.croneri.co.uk/cch_uk/btc/5-tc-198">Leading Case «de Beers (1906)</a>»<sup><a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14">14</a> </sup>und «<a href="https://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2006/26.html">Wood v. Holden (2006)</a>».<sup><a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15">15</a></sup> Der im Entscheid aus dem Jahr 1906 und im Jahr 2006 vom House of Lords aufgestellte «central management and control test» besagt, dass das Schwergewicht dann nicht auf den Ort der Verwaltungsratssitzungen gelegt wird, wenn und soweit ein Direktor die ganze Leitungsmacht eines Verwaltungsrates ausüben kann. Der «central management and control test» entspricht weitgehend dem abkommensrechtlichen Begriff des Orts der tatsächlichen Geschäftsleitung («place of effective management») in <a href="https://read.oecd-ilibrary.org/taxation/model-tax-convention-on-income-and-on-capital-2017-full-version_4ceb78e9-en#page1">Art. 4 Abs. 3 OECD-Musterabkommen (OECD-MA).<span title=""><sup><u>16</u></sup></span></a> Der Tätigkeit der obersten Gesellschaftsorgane kommt dann keine Bedeutung zu, soweit sie sich auf die Ausübung der Kontrolle über die eigentliche Geschäftsleitung und gewisse Grundsatzentscheide beschränkt.<sup><a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17">17</a></sup> Dieser Test entspricht weitgehend der herkömmlichen Rechtsprechung des Bundesgerichts.<sup><a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18">18</a></sup></p>
<p>Weiter hält das Bundesgericht in seiner ständigen Rechtsprechung zu den interkantonalen Konfliktfällen fest, dass das Hauptsteuerdomizil im Konfliktfall nur dann dem Sitzkanton zuerkannt wird, wenn die juristische Person tatsächlich dort geleitet worden war bzw. nicht bewiesen war, dass die Aktivitäten im anderen Kanton die Qualität der tatsächlichen Verwaltung erreicht hatten. M.a.W. liegt das Hauptsteuerdomizil einer juristischen Person am Mittelpunkt ihres Eigenlebens.<a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19"><sup>19</sup></a> Zu den quantitativen und qualitativen Anforderungen an das Eigenleben bzw. ab wann die Vermutung gegeben ist, dass die Leitung der Gesellschaft nicht am statuarischen Sitz, sondern «auswärtig» stattfindet, hat sich das Bundesgericht bisher nicht konkret geäussert. Ebenso wurde die Frage, welche geographischen Ausmasse ein Ort der tatsächlichen Verwaltung hat, bzw. welchen geographischen Konsolidierungskreis (z.B. Gebäude, Gemeinde, Kanton, Land) für die Bestimmung des Ortes der tatsächlichen Verwaltung massgeblich ist, noch nicht höchstrichterlich geklärt.</p>
<p>Mit Zunahme von Homeoffice und Videokonferenzen über das Internet verlieren Indizien wie Büroräumlichkeiten, Fehlen von Personal, sowie fehlende telefonische Erreichbarkeit und die Adressumleitungan Aussagekraft.<a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20"><sup>20</sup></a> Sitzungen der Geschäftsleitung, solche mit potentiellen Kunden oder den eigenen Mitarbeitenden, verlangen keine physische Präsenz. Koordinationsaufgaben, Strategie- oder Investitionsentscheide, Führungsaufgaben und Kundenkontaktpflege können im Homeoffice, im Hotelzimmer, im Flugzeug oder in Shared-Office Räumlichkeiten weltweit stattfinden. Die dafür notwendige Infrastruktur beschränkt sich auf den Laptop und «eine ruhige Ecke». Die Kommunikationstechnik und die dezentrale Arbeitsorganisation machen es im Einzelfall immer schwieriger, einen geographischen Schwerpunkt der Geschäftsführung auszumachen.<sup><a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21">21</a></sup></p>
<h2>2. Internationaler Unternehmensberater</h2>
<p>Der international tätige Unternehmensberater berät Unternehmen weltweit. Als Consultant erarbeitet er zusammen mit dem Marketing-, Strategie- und Businessdevelopment Team der Kundin neue Marketing und Wachstumsstrategien, Akquisitionstechniken und Produktplazierungen auf dem Weltmarkt. Im Fokus steht die Abgrenzung des konkreten Produkts der jeweiligen Kundin gegenüber derjenigen der Konkurrenz.</p>
<p>In unserem Fall befindet sich der statutarische Sitz der eigens dafür gegründeten Gesellschaft in einem DBA-Staat. Die administrative Verwaltung, wie Rechnungsstellung und Buchführung findet teilweise am Sitz statt. Eigene Infrastruktur hat die Gesellschaft keine. Die Beratungstätigkeit findet vor Ort bei der Kundin statt, wofür der Spezialist rund 300 Tage im Jahr unterwegs ist. Die Aufenthalte in der Schweiz, an seinem privaten Wohnsitz, beschränken sich auf wenige Tage, wobei diese der Regeneration zwischen dem letzten und dem nächsten Auftrag dienen. Für das eigene Marketing und zur Unterstützung grössere Projekte arbeitet der Spezialist mit einem kleinen internationalen Team zusammen, welches entweder mit ihm bei der Kundin ist oder von zu Hause aus arbeitet. Für die Implementierung der jeweiligen Projekte wird überwiegend auf die internen Abteilungen der Konzerne bzw. der Kundin zurückgegriffen. Je nach Bedarf werden zusätzliche Free Lance Mitarbeitende hinzugezogen.</p>
<p>Die Steuerverwaltung kam zum Schluss, dass der Ort der tatsächlichen Verwaltung der ordentlich im Ausland inkorporierten Gesellschaft am Wohnsitz des Geschäftsführers und Alleinaktionärs in der Schweiz sei und veranlagte die Gesellschaft rückwirkend über acht Steuerperioden. Strittig war im vorliegenden Fall die Frage, inwieweit die Fäden der Geschäftsführung am Wohnsitz des Pflichtigen zusammenlaufen, wenn dieser 300 Tage im Jahr unterwegs bei der Kundin ist, keine Infrastruktur benötigt, sein Personal aus ad-hoc Mitarbeitenden besteht und die Kundenaufträge im Rahmen von Projekten über mehrere Wochen und Monate im Ausland abgewickelt werden.</p>
<h3>2.1 Schwerpunkt der Geschäftsführung</h3>
<h4>2.1.1 Rechtliche Grundlagen</h4>
<p>Gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung ist bei einer Verteilung der tatsächlichen Verwaltung auf mehrere Orte, der Schwerpunkt der Geschäftsführung zu identifizieren.<sup><a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22">22</a></sup> Inwieweit jedoch der Konsolidierungskreis des Schwerpunktes der ökonomischen Existenz geht, wird weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur klar definiert. Ein Anknüpfungspunkt kann die zeitliche Dauer der Aktivität pro Land sein. Erfolgt eine Reisetätigkeit innerhalb des Landes, müsste ein mehrstufiger Ansatz gewählt werden, welcher den Aufenthalt zuerst nach Ländern und anschliessend nach Kantonen, Bundesstaaten und zuletzt nach Gemeinden bestimmt. Dies hätte zur Folge, dass aufgrund der häufigen und beruflich bedingten Reisetätigkeit des Pflichtigen der Ort der tatsächlichen Verwaltung im jeweiligen Hotelzimmer zu verorten wäre. Dies steht wiederum im Widerspruch zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach es nur einen einzigen Ort der tatsächlichen Verwaltung und damit Geschäftsleitung geben könne: Am Mittelpunkt der ökonomischen Existenz, dort wo die Fäden der Geschäftsführung zusammenlaufen, die wesentlichen Unternehmensentscheide fallen.<a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23"><sup>23</sup></a> Die vielen geschäftlich bedingten Abwesenheiten, die örtliche Ungebundenheit und das Fehlen von ständigen Einrichtungen würden nahelegen, dass sich die tatsächliche Verwaltung der Gesellschaft am Wohnsitz des Geschäftsführers und Alleinaktionärs befindet.</p>
<p>Dem stand bereits Heinrich Jud vor 25 Jahren kritisch gegenüber: Eine solcher Beizug sei nur dann möglich, wenn die Geschäftsführung klar diesem Gesellschaftsorgan zugeordnet werden kann. Weiter führte er aus, dass aufgrund der digitalen Möglichkeiten die Führung eines Unternehmens an wechselnden Standorten und völlig losgelöst von Büroräumlichkeiten vorgenommen werden könne.<a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24"><sup>24</sup></a> In den jüngeren Fällen der Rechtsprechung wurde aus dieser Ausnahme die Regel. Demnach knüpfte der Fiskus das Hauptsteuerdomizil an den Wohnsitz des geschäftsführenden Verwaltungsrats an. Diese Fälle hatten den Umstand gemeinsam, dass der Alleinaktionär gleichzeitig geschäftsführender Verwaltungsrat war, der die Geschäftsführung dezentral im In- oder Ausland wahrgenommen hat. Dies jedoch ohne näher zu prüfen, ob die Geschäftsführung überhaupt am Wohnsitz des Alleinaktionärs ausgeübt wurde.<a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25"><sup>25</sup></a></p>
<h4>2.1.2 Gegenstand der Geschäftsführungstätigkeit</h4>
<p>Um den Schwerpunkt der Geschäftsführung zu identifizieren, ist in einem ersten Schritt zu eruieren, was Gegenstand derselben ist. In einem zweiten Schritt gilt festzustellen, an welchem geographischen Ort dieselbe hauptsächlich ausgeübt wird. Bestandteil der Geschäftsführung sind die leitenden Handlungen. Art und Umfang der Geschäftsführungstätigkeit hängen vom Gesellschaftszweck ab.<a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26"><sup>26</sup></a> Der Gesellschaftszweck der ausländischen Gesellschaft besteht in der Erbringung von Beratungsdienstleitungen auf hohem Niveau weltweit. Der in der Schweiz wohnhafte Inhaber ist Angestellter und Entscheidungsträger in Personalunion. Die zu erbringenden Beratungsdienstleistungen basieren alleine auf dem Know-how des Alleinaktionärs. Er schliesst die Verträge mit der internationalen Kundschaft ab, entscheidet über Zu- oder Absage einer Anfrage, leitet Workshops weltweit, stellt die Konzepte auf, führt Vertragsverhandlungen und hält Referate auf der ganzen Welt. Am statutarischen Sitz der Gesellschaft erfolgt lediglich die Rechnungsstellung und Buchführung über eine dort ansässige Dienstleistungsgesellschaft. Ansonsten verlangt die Geschäftstätigkeit des Unternehmensberaters weder eine spezielle Infrastruktur noch (übriges) qualifiziertes Personal.</p>
<p>Fakt ist, dass es sich vorliegend um eine personenbezogene Gesellschaft eines global tätigen Unternehmers handelt. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Feststellung des (geographischen) Schwerpunkts bzw. Mittelpunkts der ökonomischen Existenz derselben. Der Entscheid für die nächsten Kundenaufträge, Workshops und Strategien wird dort gefällt, wo sich der Inhaber gerade befindet. Laptop und Mobiltelefon sind der Draht zu der (potenziellen) Kundschaft. Verträge werden per Mail versendet, an die ad-hoc beauftragten Anwältinnen zur Durchsicht weitergeleitet und in der «Hotel-Lobby» mit «digital signatur» unterzeichnet.</p>
<blockquote>Es ist offensichtlich, dass hier die Auffassung des Bundesgerichts, wonach implizit davon auszugehen ist, dass es einen Ort geben müsse, an welchem die Fäden der Geschäftsleitung zusammenlaufen, ins Leere läuft.</blockquote>
<p>Die Argumentation, dass es nicht genüge, den Ort der tatsächlichen Veraltung in einem Land zu verorten, sondern es angezeigt sei, dass die Geschäftsführungstätigkeit auf kleinster Ebene stattzufinden habe und es somit der Bezeichnung einer spezifischen Adresse – in Analogie zur Angabe des Sitzes im Handelsregister gem. Art. 2 lit. b HRegV – bedürfe, überzeugt im vorliegenden Fall nicht. Zunächst liegt es in der Natur der vorliegenden Geschäftstätigkeit, dass diese vorwiegend bei der internationalen Kundschaft vor Ort stattfindet und massgebende weiterführende Geschäftsentscheide (bspw. Zu- und Absage von weiteren Aufträgen, Koordination von Workshops und Referaten, Erstellung und Absegnung von Konzepten, Projektleitungsmanagement und -entscheide usw.) notgedrungen im Hotelzimmer, Flugzeug oder den vom Kunden temporär zur Verfügung gestellten Büroräumlichkeiten weltweit gefällt werden. Des Weiteren sind die Anforderungen des Orts der tatsächlichen Verwaltung nicht mit denjenigen des Eintrags ins Handelsregister vergleichbar: Die genaue Bezeichnung einer Adresse im Handelsregister entspricht den gesetzlichen Anforderungen an die deklaratorische Existenz einer Firma (Rechtsfähigkeit, Gerichtsstand) und hat rein formalen Charakter, während der Inhalt der Geschäftsleitung und damit Ort der tatsächlichen Verwaltung materieller Natur ist. So hält das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung fest, dass weder der statutarische Sitz noch der steuerliche Wohnsitz des Geschäftsführers relevant seien für die Ermittlung des Orts der tatsächlichen Verwaltung. Massgebend sei der Ort, wo die Geschäftsleitung tatsächlich besorgt werde.<a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27"><sup>27</sup></a></p>
<h4>2.1.3 Mindestschwelle an Geschäftsführungstätigkeit?</h4>
<p>Werden die Geschäftsentscheide in Hotelzimmern und bei Kundinnen gefällt und kann somit kein Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit festgestellt werden, bleibt zu prüfen, ob bei der Verteilung der Geschäftsführung auf verschiedene Orte eine geringfügige Präsenz an einem Ort aufgrund deren «relativen Intensität» genügt, um einen Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit zu begründen.. Mithin stellt sich die Frage, ob ein Ort der tatsächlichen Verwaltung nicht eine absolute Mindestschwelle einer Geschäftsführungstätigkeit voraussetzt. Würde man das Erreichen einer solchen Mindestschwelle bejahen, wäre die Folge, dass eine Gesellschaft nicht zwingend einen Ort der tatsächlichen Verwaltung haben muss. Damit wäre die Anschlussfrage, ob beim Fehlen eines solchen, die Steuerhoheit an den Ort des statutarischen Sitzes zurückfallt, und zwar auch dann, wenn dort keine Infrastruktur vorhanden ist.</p>
<p>Das Bundesgericht hat sich dazu jüngst in einem interkantonalen Konfliktfall geäussert.<a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28"><sup>28</sup></a> Juristische Personen sollen ihr Hauptsteuerdomizil dort haben, wo der tatsächliche Mittelpunkt ihres Eigenlebens, also der Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung liegt. Die in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#art_56">Art. 56 ZGB</a> statuierte Vermutung, wonach der Ort der tatsächlichen Verwaltung und der Sitz zusammenfallen, könne umgestossen werden, wenn der Ort der tatsächlichen Verwaltung an einem anderen Ort nachgewiesen wird. Daraus lässt sich zwar schliessen, dass die Steuerhoheit nicht beim Sitz zu verorten ist, wenn sich dort gar keine Geschäftsführungstätigkeiten abspielen. Jedoch wird die Frage, ob es eine absolut bemessene Mindestqualität gibt, welche ein Ort der tatsächlichen Verwaltung erfüllen muss oder hierfür auch lediglich ein relativer Schwerpunkt der Geschäftsführungstätigkeit genügt, nicht beantwortet.<a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29"><sup>29</sup></a></p>
<blockquote>Das Erfordernis einer solchen Mindestschwelle an Geschäftsführungstätigkeit an einem Ort ist jedoch nach Auffassung der Autorin unter Berücksichtigung der heutigen technischen Möglichkeiten und unter Berücksichtigung der Geschäftstätigkeit im jeweiligen Einzelfall nicht mehr zeitgerecht.</blockquote>
<p>Dies kann zur Folge haben, dass eine Gesellschaft nicht zwingend einen Ort der tatsächlichen Verwaltung haben muss, womit die Steuerhoheit an den statutarischen Sitz zurückfällt. Letzteres ist insofern sachgerecht, als dass das Schweizer Steuerrecht im Ausland inkorporierte Gesellschaften grundsätzlich – unter dem Vorbehalt der Steuerumgehung – anerkennt (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1988/1776_1776_1776/de#art_154">Art. 154 IPRG</a><sup><a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30">30</a></sup>, sog. Inkorporationstheorie).</p>
<h3>2.2 Mindestqualität der Geschäftsführung</h3>
<p>Auch ein Vergleich mit den steuerrechtlichen Anforderungen an die Besteuerung einer Betriebsstätte vermag im konkreten Fall nicht zu überzeugen.</p>
<h4>2.2.1 Analogie zum interkantonalen und internationalen Betriebsstättenbegriff?</h4>
<p><a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_51">Art. 51 Abs. 1 lit. b DBG</a> definiert die Betriebsstätte (im internationalen Verhältnis) als eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Als feste Geschäftseinrichtungen gelten Anlagen oder Einrichtungen, in denen ständig oder doch wenigstens während einer gewissen Zeit die Tätigkeit eines Unternehmens ausgeübt wird.<a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31"><sup>31</sup></a> Im Gegensatz zum BdBSt stellt die Betriebsstättenumschreibung in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_51">Art. 51 Abs. 2 DBG</a> keine Anfordernisse (mehr) an die qualitative oder quantitative Erheblichkeit der in der festen Einrichtung ausgeübten Tätigkeit. Unter der Wendung «in der die Geschäftstätigkeit (...) ganz oder teilweise ausgeübt wird»<a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32"><sup>32</sup></a> lassen sich grundsätzlich sämtliche mit der Erfüllung des statutarischen Zweckes im weitesten Sinn im Zusammenhang stehende Aktivitäten ungeachtet ihrer Bedeutung innerhalb der Gesamtunternehmung subsumieren. In dieser Hinsicht geht der Betriebsstättenbegriff des DBG über denjenigen des BdBSt bzw. des interkantonalen Rechts hinaus.<sup><a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33">33</a></sup></p>
<p>Im Gegensatz zum DBG ehnält das STHG keine Definition des Betriebsstättenbegriffs<a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34"><sup>34</sup></a>: Im interkantoanlen Verhältnis hat das Bundesgericht den «Betriebsstättenbegriff» basierend auf seiner Rechtsprechung zum interkantonalen Doppelbesteuerungsverbot in Art. 127 Abs. 3 BV entwickelt<sup><a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35">35</a></sup>. Im interkantonalen Verhältnis verlangt die qualitative Erheblichkeit zwar, dass die in der Betriebsstätte ausgeübte Tätigkeit zum eigentlichen Geschäftsbetrieb bzw. zum betrieblichen Bereich gehört. Während die quantitative Erheblichkeit bloss untergeordnete und nebensächliche Tätigkeiten ausklammern will, um so eine Aufsplittung des Steuersubstrats zu verhindern.<a title="" href="#_ftn36" name="_ftnref36"><sup>36</sup></a> Die quantitative Erheblichkeit ist somit absolut und nicht aufgrund des Grössenverhältnisses zum Gesamtunternehmen zu beurteilen. Betriebliche Aktiven können demnach auch dann eine Betriebsstätte begründen, wenn keine menschliche Arbeitskraft eingesetzt wird.<sup><a title="" href="#_ftn37" name="_ftnref37">37</a> </sup>Während die Geschäftsführung jedoch gerade an die physische Präsenz derjenigen Person anknüpft, welche die massgebenden Geschäftsentscheide fällt, setzt die quantitative Erheblichkeit im konkreten Einzelfall nicht das Vorhandensein von Personal voraus.</p>
<p>Im internatinoalen Verhältnis wiederum, stellender statutarische Sitz bzw. der Ort der tatsächlichen Verwaltung alternative Kriterien für die Begründung der subjektiven Steuerpflicht einer juristischen Person dar.<sup><a title="" href="#_ftn38" name="_ftnref38">38</a></sup> Während das Vorhandensein einer Betriebsstätte lediglich die wirtschaftliche Zugehörigkeit einer juristischen Person (in der Schweiz) zu begründen vermag und eine juristische Person unabhängig ihres statutarischen Sitzes mehrere Betriebsstätten (weltweit) haben kann. Demnach sind die Anforderungen an die Begründung einer Betriebsstätte sowohl qualitativ als auch quantitativ mit denjenigen am Ort der tatsächlichen Verwaltung nicht vergleichbar. Zumal die Geschäftsführungstätigkeit mit den heutigen technologischen Möglichkeiten überall auf der Welt ausgeübt werden kann, während das Vorhandensein einer Betriebsstätte – sowohl interkantonal als auch international – eine feste Geschäftseinrichtung von gewisser Dauerhaftigkeit voraussetzt.<a title="" href="#_ftn39" name="_ftnref39"><sup>39</sup></a></p>
<h4>2.2.2 Fehlende steuerliche Ansässigkeit?</h4>
<p>Fehlt es demnach am statutarischen Sitz an der notwendigen Infrastruktur und kommt diesem lediglich formaler Charakter zu, fehlt es an der persönlichen Zugehörigkeit. Kann indessen der Ort der tatsächlichen Verwaltung geographisch schwerpunktmässig nicht festgelegt werden, kann dies zur Folge haben, dass die Gesellschaft steuerlich an keinem Ort ansässig und damit nirgends steuerpflichtig ist. Dies vermag auf den ersten Blick als stossend erachtet werden. Dagegen kann hervorgebracht werden, dass es im internationalen Kontext unilateral einzig zu beurteilen gilt, ob die Geschäftsleitung durch den im Inland ansässigen Alleinaktionärin der Schweiz an dessen Wohnsitz tatsächlich ausgeübt wird. Ist dies zu verneinen, muss die subjektive Steuerpflicht in der Schweiz qua Ort der tatsächlichen Verwaltung unabhängig von der Tatsache, ob die Gesellschaft überhaupt irgendwo auf der Welt subjektiv steuerpflichtig ist, verneint werden.<a title="" href="#_ftn40" name="_ftnref40"><sup>40</sup></a> Würde man demnach konsequent auf die relative quantitative Erheblichkeit abstellen, gäbe es nur einen Ort der tatsächlichen Verwaltung. Stellt man stattdessen auf die absolute quantitative Erheblichkeit ab, würde dies voraussetzen, dass zumindest die Mehrheit der Geschäftsentscheide am vermeintlichen Ort der tatsächlichen Verwaltung gefällt würden; ansonsten wären mehrere Orte der tatsächlichen Verwaltung möglich, was wiederum aus steuersystematischen Gründen nicht sein kann.<a title="" href="#_ftn41" name="_ftnref41"><sup>41</sup></a> Demnach darf die Hürde für die quantitative Erheblichkeit nicht dermassen hoch sein, als dass bereits die Verteilung der Geschäftsführung auf drei verschiedene Standorte dazu führt, dass keiner der Orte die notwendige quantitative Erheblichkeit aufweist, um sich als Ort der tatsächlichen Verwaltung zu qualifizieren. Dies wäre wiederum nicht im Sinne der in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_50">Art. 50 DBG</a> statuierten gesetzlichen Regelung.</p>
<h4>2.2.3 Der Begriff der tatäschlichen Verwaltung früher und heute</h4>
<p>Im vorliegend konkreten Einzelfall des international tätigen Unternehmensberaters führt die Anknüpfung an die relative quantitative Erheblichkeit für die Bestimmung des Orts der tatsächlichen Verwaltung nach Auffassung der Autorin nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis.</p>
<p>Als der Gesetzgeber den Begriff der «tatsächlichen Verwaltung» im Jahr 1951 einführte, befanden sich die technologischen Hilfsmittel für Kommunikation und Computertechnologie in den Kinderschuhen. So war es vor 60 Jahren undenkbar,</p>
<ul>
<li>dass die Mobiltelefonie den Festnetzanschluss überflüssig machen wird,</li>
<li>dass wir uns nicht mehr im Sitzungszimmer, sondern in virtuellen «Zoom»-Meetings gegenübersitzen werden,</li>
<li>dass der Briefverkehr demjenigen per Mail weichen wird,</li>
<li>und dass der Laptop den damaligen Aktenschrank ersetzen wird.</li>
</ul>
<p>Aufgrund des rasanten technologischen Fortschrittes und der fast grenzenlosen Mobilität zu Land, Luft und Wasser kann die Geschäftsführung überall auf der Welt ausgeübt werden. Somit schwingt in der damaligen Konzeption des Begriffs der «tatsächlichen Verwaltung» die schwerfällige Infrastruktur mit. Was unsere Vorstellungskraft in den 50er-Jahren überstieg, ist heute Alltag.<a title="" href="#_ftn42" name="_ftnref42"><sup>42</sup></a> Werden geschäftsleitende Anordnungen durch Telefon-, Video- oder Internetkonferenzen beschlossen, Verträge per E-Mail versendet und unterzeichnet, Beratungsdienstleitungen, Marketingkonzepte und Workshops bei der internationalen Kundschaft vor Ort vorgenommen, fehlt es an einem eindeutigen «Ort der tatsächlichen Verwaltung».<a title="" href="#_ftn43" name="_ftnref43"><sup>43</sup></a></p>
<p>Den technologischen Möglichkeiten werden jedoch auch in der neueren Rechtsprechung wenig Rechnung getragen: Die Judikatur verharrt weiterhin in ihrem «starren Korsett» der bisherigen Kriterien. Das Bundesgericht ist zwar im Resultat nie vom Grundsatz abgewichen, den es bereits im <a href="https://entscheide.weblaw.ch/cache.php?link=BGE-45-I-190">«Columbus-AG»<span title=""><sup><u>44</u></sup></span>-Entscheid</a> aus dem Jahr 1919 aufgestellt hatte<sup><a title="" href="#_ftn45" name="_ftnref45">45</a></sup>, wonach das Hauptsteuerdomizil einer juristischen Person am tatsächlichen Mittelpunkt ihres Eigenlebens liege.<a title="" href="#_ftn46" name="_ftnref46"><sup>46</sup></a> Der Mittelpunkt des Eigenlebens wird jedoch unverändert gestützt auf das Vorhandensein von Geschäftseinrichtung und Personal hergeleitet. Gibt es diese Infrastruktur nicht, wird der Wohnsitz des Trägers der tatsächlichen Leitung als relevant angesehen. Das gilt unabhängig von der Tatsache, ob am Wohnsitz die Geschäftsführung tatsächlich ausgeübt wird.<sup><a title="" href="#_ftn47" name="_ftnref47">47</a></sup></p>
<p>Als «Hoffnungsschimmer» am Horizont dürfte das (interkantonale) <a href="https://vgrzh.djiktzh.ch/cgi-bin/nph-omniscgi.exe?OmnisPlatform=WINDOWS&WebServerUrl=https://vgrzh.djiktzh.ch&WebServerScript=/cgi-bin/nph-omniscgi.exe&OmnisLibrary=JURISWEB&OmnisClass=rtFindinfoWebHtmlService&OmnisServer=JURISWEB,127.0.0.1:7000&Parametername=WWW&Schema=ZH_VG_WEB&Source=&Aufruf=getMarkupDocument&cSprache=GER&nF30_KEY=220189&W10_KEY=3944680&nTrefferzeile=1&Template=standard/results/document.fiw">Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts vom 29. April 2020</a><sup><a title="" href="#_ftn48" name="_ftnref48">48</a></sup> gesehen werden. Strittig war der Ort der tatsächlichen Verwaltung einer Einpersonen-GmbH mit Sitz im Kanton A. und Wohnsitz des Geschäftsführers im Kanton B. Zu Recht stellte das Gericht fest, dass bei personenbezogenen Gesellschaften nahe liege, dass die anfallenden operativen Geschäftsentscheide laufend dort getroffen würden, wo sich der Gesellschafter gerade aufhalte bzw. wo er seiner gesellschaftlichen Tätigkeit nachgehe. Demnach komme dem Kriterium, wo sich der Gesellschafter quantitativ geschäftlich gesehen schwerpunktmässig aufhalte, eine erhebliche Bedeutung zu.<a title="" href="#_ftn49" name="_ftnref49"><sup>49</sup></a> Das Verwaltungsgericht kam zum Schluss, dass die operative Geschäftstätigkeit eng mit dem physischen Aufenthaltsort des Geschäftsführers verbunden sei. Damit erscheine es sachgerecht, vor allem auf die örtliche Verankerung der Geschäftstätigkeit abzustellen.<a title="" href="#_ftn50" name="_ftnref50"><sup>50</sup></a></p>
<p>Anders als bei unserem Unternehmensberater war im zu beurteilenden Fall der Wohnort des Gesellschafters gleichzeitig Homeoffice, für welchen Mietaufwand auf Ebene der Gesellschaft verbucht wurde. Zudem zeigten die eingereichten Spesenbelege, dass die Kundenakquise hauptsächlich im Wohnkanton des Gesellschafters stattfand. Der Fall geht zur Freude der Autorin jedoch in die richtige Richtung: Die notwendige Infrastruktur für die Ausübung der Geschäftstätigkeit kann sich auf einen Laptop beschränken, welcher dem Geschäftsführer die Möglichkeit eröffnet, überall zu arbeiten. Will man die Vermutung des Orts der tatsächlichen Verwaltung am Wohnsitz des Gesellschafters vermeiden, sollte das Homeoffice nur sporadisch genutzt werden und nicht in der Buchhaltung als Mietaufwand geltend gemacht werden.</p>
<p>Auch die seit einiger Zeit laufenden Bestrebungen auf Ebene der OECD zur Entwicklung von neuen Besteuerungsmodellen, welche der Digitalisierung vermehrt Rechnung tragen sollen, lassen Hoffnung aufkommen. </p>
<h3>2.3 Beweislast</h3>
<p>Vor Augen zu halten bleibt, dass in der Praxis der Nachweis, dass dem statutarischen Sitz bloss formelle Bedeutung zukommt, oft schwierig ist. Dies bedeutet nicht, dass die betroffene juristische Person deshalb zur besonderen Mitwirkung verpflichtet wäre. Die Beweislast liegt vollumfänglich bei der Steuerbehörde. Erscheint aber der von der Behörde angenommene Sitz in der Schweiz als sehr wahrscheinlich, so genügt dies i.d.R. als Hauptbeweis und es obliegt der steuerpflichtigen Person, den Gegenbeweis für den von ihr behaupteten Sitz ausserhalb der Schweiz zu erbringen.<sup><a title="" href="#_ftn51" name="_ftnref51">51</a></sup></p>
<p>In den neuen Fällen der Beratungspraxis spielt das Wertschriftenverzeichnis eine entscheidende Rolle – so auch im vorliegenden Fall. Der Steuerkommissär des Wohnsitzkantons stösst im Wertschriftenverzeichnis auf die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft. Diese hat in den vergangenen Jahren substanzielle Gewinne erzielt und weist unter Anwendung der sog. Praktiker Methode<a title="" href="#_ftn52" name="_ftnref52"><sup>52</sup></a> einen substanziellen Vermögenswert aus. Die Jahresrechnungen liegen der Steuerverwaltung vor. Die Steuerbehörden müssen nun gestützt auf hinreichende Anhaltspunkte vorbringen können (z.B. fehlender Personal- und Raumaufwand), dass der «Ort der tatsächlichen Verwaltung» als «sehr wahrscheinlich» am Wohnsitz des Alleinaktionärs anzunehmen ist und damit ein Steuerrechtsverhältnis rechtsgenügend nachgewiesen ist; der Hauptbeweis gilt als erbracht.</p>
<p>Es resultiert eine Beweislastumkehr mit Gegenbeweis: Es obliegt nun der ausländischen Gesellschaft zu beweisen, dass sich der Ort der Geschäftsleitung nicht am Wohnsitz der Trägerin der tatsächlichen Leitung befindet.<sup><a title="" href="#_ftn53" name="_ftnref53">53</a></sup></p>
<p>Die Fälle aus der Rechtspraxis haben gezeigt, dass es im internationalen (und interkantonalen) Verhältnis nicht mehr genügt zu behaupten, der Ort der tatsächlichen Verwaltung befinde sich irgendwo im Ausland bzw. irgendwo in der Schweiz, wenn besondere Anknüpfungspunkte wie z.B. der Wohnsitz des Alleinaktionärs in der Schweiz bestehen, die es dem Fiskus erleichtern, den Hauptbeweis zu erbringen. Die juristische Person muss mittels Gegenbeweises glaubhaft machen, dass am ausländischen Sitz eine minimale funktionstüchtige Geschäftsführung bzw. Infrastruktur vorhanden ist, bzw. die Geschäftsführung gerade nicht am Wohnsitz der Alleinaktionärin wahrgenommen wird.<a title="" href="#_ftn54" name="_ftnref54"><sup>54</sup></a> Wie der Gegenbeweis über eine Tatsache die «nicht sein kann, weil sie nicht sein darf»<a title="" href="#_ftn55" name="_ftnref55"><sup>55</sup></a> geführt werden kann, ist wiederum fast eine philosophische Frage und darf an dieser Stelle offen bleiben.</p>
<h2>3. Schlussbemerkungen</h2>
<p>Es mag argumentiert werden, dass unser Unternehmensberater seine zentralen Geschäftsführungsentscheide nicht während einem Kundenmeeting oder einer Projektpräsentation fällt. Gleichzeitig liegt es auf der Hand, dass er die notwendige Korrespondenz, Verhandlungen und Vorbereitungen mit Neukundinnen oder bevorstehenden Projekten unterwegs, d.h. aussgerhalb des Firmensitzes abwickelt. So kann heutzutage ein Hotelzimmer, ein Café um die Ecke des Hotels oder das Flugzeug als «Mittelpunkt des Eigenlebens» der Gesellschaft qualifizieren, weil dort die Fäden der Geschäftsleitung zusammenlaufen und wesentliche Unternehmungsentscheide gefällt werden.</p>
<blockquote>Folge und Kehrseite dieser grenzenlosen Mobilität ist, dass sich der Ort der tatsächlichen Verwaltung der Gesellschaft weder gestützt auf die relative noch absolute quantitative Erheblichkeit bestimmen lässt.</blockquote>
<p>Dass in der Folge die Durchsetzung des Steueranspruchs Schwierigkeiten bereitet, weil sich der Ort der tatsächlichen Verwaltung geographisch nicht auf die kleinste Ebene eingrenzen lässt, mag aus fiskalischer Sicht unbefriedigend sein. Es ist jedoch das Ergebnis der heutigen technologischen und mobilen Möglichkeiten. Zumal die Gesellschaft an ihrem statutarischen Sitz weiterhin der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, geht global gesehen, kein Steuersubstrat verloren. So darf als ultimo ratio und unter dem Aspekt «in dubio pro fisco» der Ort der tatsächlichen Verwaltung nicht an den Wohnsitz der Alleinaktionärin und Geschäftsinhaberin verlegt werden, wenn die Geschäftsleitung tatsächlich nicht an deren Wohnsitz in der Schweiz ausgeübt wird.</p>
<p>Sine dubio ist, dass die Steuerbehörden auch in naher Zukunft vermehrt anhand des Wertschriftenverzeichnisses der Alleinaktionärin potenzielles Steuersubstrat von im Ausland inkorporierten Gesellschaften qua Ort der tatsächlichen Verwaltung der unbeschränkten Steuerpflicht in der Schweiz unterstellen werden. Die Antwort auf die Frage, ob die Steuerbehörden mit selbem Elan diejenigen Fälle von in der Schweiz inkorporierten Gesellschaften ohne Büroräumlichkeiten, Personal und operativer Geschäftstätigkeit in der Schweiz an die Hand nimmt und dem Ort der tatsächlichen Verwaltung im Ausland gegenüber dem statutarischen Sitz im Inland den Vorrang erteilen wird, überlässt die Autorin an dieser Stelle den Leserinnen und Lesern.</p></article>
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