Siegfried Mayr
Vito A. Paciello
«Mutter-Tochter»-Regelung zwischen Italien und der Schweiz
Die in diesem Artikel beschriebene Stellungnahme Nr. 537 vom 6. August 2021 der italienischen Finanzverwaltung ist ein weiteres Zeichen der «Normalisierung» der ertragsteuerlichen Beziehungen zwischen Italien und der Schweiz.
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Die «Mutter-Tochter»-Regelung zwischen Italien und der Schweiz, die seit dem 1. Juli 2005 in Kraft ist, wurde nie in vollem Umfang angewandt, da die italienische Steuerverwaltung die Freistellung der Dividende, die von italienischen Tochtergesellschaften an ihre Schweizerischen Muttergesellschaften ausgeschüttet wurden, verweigerte, wenn die Muttergesellschaften in der Schweiz nicht auf allen drei Steuerebenen (Bund, Kanton und Gemeinde) der ordentlichen Besteuerung unterlagen.
Nach Abschaffung der Steuerprivilegien in der Schweiz ab 1. Januar 2020 hat die italienische Steuerbehörde in ihrer Stellungnahme Nr. 135 vom 2. März 2021 diese Position revidiert und sich positiv – bei Erfüllung aller weiteren Bedingungen des Abkommens – zur Steuerbefreiung von Dividenden geäussert, die von einer italienischen Tochtergesellschaft an ihre Schweizer Holdinggesellschaft ausgeschüttet werden.
Die unten beschriebene Stellungnahme Nr. 537 vom 6. August 2021 der italienischen Finanzverwaltung ist ein weiteres Zeichen der «Normalisierung» der ertragsteuerlichen Beziehungen zwischen Italien und der Schweiz. Der auslösende Faktor war die Abschaffung der Steuerprivilegien in der Schweiz ab 1. Januar 2020.
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<article class="rz"><p>Weitere Stellungnahme der italienischen Finanzverwaltung zur «Mutter-Tochter-Regelung» im Rahmen des <a href="https://fedlex.data.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/2005/444/20050701/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-2005-444-20050701-de-pdf-a.pdf">Abkommens zwischen der Schweiz und der EU vom 26. Oktober 2004</a><sup><a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1"><u>01</u></a></sup> (nachfolgend«Abkommen») – <a href="https://www.agenziaentrate.gov.it/portale/documents/20143/3744575/Risposta+537+del+2021.pdf/78475370-52f3-c2df-26f9-a4fde6585098">Stellungnahme vom 06.08.2021, Nr. 537 zur Ausschüttung von Dividenden vor Ablauf der Mindesthaltedauer der Beteiligung</a> (Art. 15 des Abkommens bzw. <a href="https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/39518.pdf">Art. 9 des Änderungsprotokolls zum Abkommen</a>)</p>
<p>In der <a href="https://www.agenziaentrate.gov.it/portale/documents/20143/0/Risposta_135_02.03.2021.pdf/b5d208d2-8b67-8bd4-4443-93f144948343">Stellungnahme Nr. 135 vom 2. März 2021</a> hat die italienische Finanzverwaltung die Meinung vertreten, dass nach Abschaffung der Steuerprivilegien in der Schweiz die Voraussetzung im Sinne des <a href="https://fedlex.data.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/2005/444/20050701/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-2005-444-20050701-de-pdf-a.pdf">Art. 15</a> bzw. <a href="https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/39518.pdf">Art. 9 des Änderungsprotokolls</a> «… wenn beide Gesellschaften ohne Befreiung der Körperschaftssteuer unterliegen» gegeben ist und dass daher ab dem 1. Januar 2020 die von der italienischen Tochtergesellschaft an die Schweizer Muttergesellschaft ausgeschütteten Dividenden von der italienischen Quellensteuer freigestellt werden (selbverständlich nur bei Erfüllung aller anderen Bedingungen).</p>
<p>Am 6. August<strong> </strong>erfolgte, ebenfalls als Antwort (interpello) auf eine spezifische Anfrage der italienischen Tochtergesellschaft einer Schweizer Muttergesellschaft, eine weitere wichtige <a href="https://www.agenziaentrate.gov.it/portale/documents/20143/3744575/Risposta+537+del+2021.pdf/78475370-52f3-c2df-26f9-a4fde6585098">Stellungnahme (Nr. 537) der italienischen Finanzverwaltung</a>. Es handelt sich um eine Stellungnahme zur Frage des Einbehalts der Quellensteuer in Italien im Falle einer Ausschüttung von Dividenden vor Erreichen der Mindesthaltedauer der Beteiligung, welche zwei Jahre beträgt. Bekanntlich sieht eine der Bedingungen für die Freistellung von der Quellensteuer gemäss <a href="https://fedlex.data.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/2005/444/20050701/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-2005-444-20050701-de-pdf-a.pdf">Art. 15. Abs. 1</a> des Abkommens vor, dass «die Muttergesellschaft mindestens zwei Jahre lang eine direkte Beteiligung von mindestens 25% am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft hält».</p>
<p>Im ersten Teil enthält die Stellungnahme den wichtigen Hinweis, dass die in <a href="0.641.926.81">Art. 15</a> des Abkommens (bzw. <a href="https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/39518.pdf">Art. 9 des Änderungsprotokolls</a>) enthaltenen Bestimmungen im Sinne der analogen Bestimmungen in der <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31990L0435&from=DE">EU-Mutter-Tochter-Richtlinie (90/435 EWG)</a><sup><a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">02</a></sup> interpretiert werden müssen und daher auch das «<a href="https://curia.europa.eu/juris/showPdf.jsf;jsessionid=50EE0B662492C33BF72638DD550F1FF5?text=&docid=100048&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=6588452">Denkavit-Urteil</a>»<a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3"><sup>03</sup></a> berücksichtigt werden kann.<sup><a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4">04</a></sup></p>
<p>Die Vorgaben des EUGH wurden in Italien in dem Sinne umgesetzt, dass bei Ausschüttung vor Erreichen der Mindesthaltedauer die Freistellung von der Quellensteuer nicht gewährt wird, aber die einbehaltene Steuer dann bei Erfüllung der Bedingung der Mindesthaltedauer erstattet wird.<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5"><sup>05</sup></a> Diese Vorgangsweise wurde mit der Notwendigkeit spezifischer Kontrollen begründet und mit der Schwierigkeit für die Finanzverwaltung zu überprüfen, ob die Muttergesellschaft die Verpflichtung, die Beteiligung nicht vor Ablauf der zwei Jahres-Frist zu veräussern, einhält. <a href="https://www.agenziaentrate.gov.it/portale/documents/20143/3744575/Risposta+537+del+2021.pdf/78475370-52f3-c2df-26f9-a4fde6585098">Die Stellungnahme vom 6. August 2021</a> bestätigt, dass die in den obenerwähnten Erlassen beschriebene Regelung im Allgemeinen auch im Rahmen des <a href="https://fedlex.data.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/2005/444/20050701/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-2005-444-20050701-de-pdf-a.pdf">Art. 15</a> des Abkommens bzw. <a href="https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/39518.pdf">Art. 9 des Änderungsprotokolls</a> gegenüber der Schweiz zur Anwendung kommt. Dann folgt aber der Hinweis auf eine Sonderregelung, die allerdings nur unter gewissen Voraussetzungen gewährt wird: Wenn die italienische Tochtergesellschaft mit der italienischen Finanzverwaltung das sogenannte «cooperative-compliance-Regime» vereinbart hat (geregelt vom Gesetz Nr. 128/2015), dann kann die Dividendenausschüttung auch vor Erreichen der Mindesthaltedauer ohne Quellensteuereinbehalt erfolgen. Diese Ausnahmeregelung wird damit begründet, dass im Rahmen des «cooperative-compliance Regimes» – durch die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen – die Finanzverwaltung das steuerlich relevante Geschehen bei der italienischen Gesellschaft ständig unter Kontrolle hat und daher leicht feststellen kann, ob die Bedingung der Mindesthaltedauer (zwei Jahre) erfüllt wird. Es handelt sich daher um eine Präferenzbehandlung der Teilnehmenden am «cooperative compliance-Regime», welches neben verschiedenen Pflichten und Auflagen für das Unternehmen auch eine Vorzugsbehandlung des Unternehmens in gewissen Bereichen vorsieht. </p></article>
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