<article class="rz"><h2>1. Einleitung</h2>
<h3>1.1 Ausgangslage</h3>
<h4>1.1.1 Standortförderung vor BEPS 2.0</h4>
<p>Der Erfolg des Wirtschaftsstandorts Schweiz basierte in den letzten Jahrzehnten neben verschiedenen anderen Standortvorteilen wie politische Stabilität und hoch qualifizierte Arbeitskräfte massgeblich auf den im internationalen Vergleich tiefen Unternehmenssteuern. Diese waren jedoch nicht nur auf generell tiefe statutarische Steuersätze in den Kantonen zurückzuführen, sondern auch auf fiskalischen Anreizen, die hauptsächlich bei der steuerlichen Bemessungsgrundlage ansetzten. In den Neunziger- und Nullerjahren standen dabei neben den kantonalen Steuerregimes (Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften) auch spezielle Steuerregimes des Bundes (Prinzipalgesellschaften mit fiktiver Gewinnausscheidung, Swiss Finance Branch) sowie Steuererleichterungen (Tax Holidays) für neu angesiedelte Unternehmen im Vordergrund. Diese fiskalischen Anreize führten – in Kombination mit bereits tiefen kantonalen Steuersätzen – teilweise zu effektiven Steuerbelastungen im einstelligen Prozentbereich.</p>
<p>Im Zuge der globalen Finanzkrise und des daraus resultierenden Projekts <a href="https://www.oecd.org/en/topics/policy-issues/base-erosion-and-profit-shifting-beps.html">«Base Erosion and Profit Shift» («BEPS»)</a> gerieten fiskalische Anreize, die an sich legal und im Rahmen der rechtsstaatlichen Autonomie zulässig waren, unter internationalen Druck der OECD/G20. Mittels <a href="https://www.oecd.org/en/topics/policy-issues/base-erosion-and-profit-shifting-beps.html#beps-actions">15 Massnahmenpaketen</a> sollten diese «schädlichen» Praktiken einzelner Staaten eingedämmt werden. Infolge des BEPS-Projekts sowie der jahrelangen Kritik der EU wurden im Rahmen der STAF im Jahr 2020 zahlreiche dieser fiskalischen Anreize in der Schweiz abgeschafft.</p>
<p>Um jedoch weiterhin international als Wirtschaftsstandort attraktiv zu bleiben, wurden gleichzeitig durch die Kantone verschiedene neue fiskalischen Anreize eingeführt, die von der OECD/G20 und der EU akzeptiert oder wenigstens geduldet wurden. Zu erwähnen sind die ertragsbasierte Patentbox (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_24_a">Art. 24a</a> – <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_24_b">24b</a> Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden vom 14. Dezember 1990, SR 642.14, StHG) sowie der aufwandsbasierte Forschungs- und Entwicklungssonderabzug (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_25_a">Art. 25a StHG</a>) und der Abzug für fiktive Zinsen auf Eigenkapitalfinanzierungen (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_25_a_bis">Art. 25abis StHG</a>). Gleichzeitig wurden auch temporäre Massnahmen eingeführt, um die Steuerfolgen durch die Abschaffung diverser Steuerregime abzufedern. Je nach Kanton werden die unter diesen Steuerregimen entstandenen stillen Reserven entweder mittels eines tieferen Sondersatzes besteuert (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_78_g">Art. 78g StHG</a>) oder die steuerunwirksam aufgedeckten stillen Reserven können steuerlich abgeschrieben werden (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_24_c">Art. 24c StHG</a>, sog. «Step-up»). Diese neuen fiskalischen Anreize setzen allerdings wiederum mehrheitlich bei der Bemessungsgrundlage an und führten zu effektiven Steuersätzen, die sich unterhalb der statutarischen Sätze bewegen.</p>
<h4>1.1.2 Standortförderung nach BEPS 2.0</h4>
<p>Als Konsequenz der fehlenden Erfolge des BEPS-Projekts initiierte die OECD/G20 unter dem Schlagwort «Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft» das Vorhaben einer globalen Mindeststeuer. Ziel ist die Sicherstellung einer länderspezifischen Mindestbesteuerung von 15% auf Gewinnen multinationaler Unternehmensgruppen mit einem Jahresumsatz von mindestens EUR 750 Mio. Nach der Volksabstimmung im Sommer 2023 führte die Schweiz diese Mindeststeuer gestaffelt ein und erhebt gestützt auf die <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2023/841/de">Verordnung über die Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen vom 22. Dezember 2023 (SR 642.161, MindStV)</a> seit dem 1. Januar 2024 die schweizerische Ergänzungssteuer und ab dem 1. Januar 2025 auch die internationale Ergänzungssteuer nach dem System der Primärergänzungssteuerregelung (Income Inclusion Rule, IIR). Die Wirkungsweise dieser Steuer führt dazu, dass die Vorteile dieser fiskalischen Anreize bei betroffenen Konzernen gewissermassen «verpuffen»: Fällt durch fiskalische Anreize der effektive Steuersatz (ermittelt auf Basis der <a href="https://www.oecd.org/en/topics/sub-issues/global-minimum-tax/global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.html#rules">GloBE-Mustervorschriften, MR</a>) unter 15%, wird die Differenz mittels der Ergänzungssteuer sofort wieder besteuert.</p>
<p>In der Konsequenz dieser globalen Mindeststeuer erwägen verschiedene Kantone die Einführung neuer (fiskalischer oder anderer finanzieller) Anreize, die im OECD-Regelwerk zur globalen Mindeststeuer vorgesehen sind. Im Mittelpunkt stehen der «Qualified Refundable Tax Credit» («QRTC»), der «Marketable Transferable Tax Credit» («QMTTC») sowie nicht-fiskalische Förderungsbeiträge.</p>
<h3>1.2 Fragestellung</h3>
<p>Gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_33">Art. 33 Abs. 2</a> <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de">Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer vom 12. Juni 2009 (SR 641.20, MWSTG)</a> muss eine steuerpflichtige Person ihren Vorsteuerabzug verhältnismässig kürzen, wenn sie Gelder nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18">Art. 18 Abs. 2 lit. a – c MWSTG</a> erhält. Hierunter fallen «Subventionen und andere öffentlich-rechtliche Beiträge», auch wenn sie «gestützt auf einen Leistungsauftrag oder eine Programmvereinbarung gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_46">Artikel 46 Absatz 2 der Bundesverfassung</a> ausgerichtet werden».</p>
<div>
<blockquote><strong>Art. 33 Kürzung des Vorsteuerabzugs<br /></strong><br />[…]<br /><br /><sup>2</sup> Die steuerpflichtige Person hat ihren Vorsteuerabzug verhältnismässig zu kürzen, wenn sie Gelder nach Artikel 18 Absatz 2 Buchstaben a–c erhält.<br /> <br /><strong>Art. 18 Grundsatz<br /></strong><br />[…]<br /><br /><sup>2</sup> Mangels Leistung gelten namentlich die folgenden Mittelflüsse nicht als Entgelt:<br /><br />a. Subventionen und andere öffentlich-rechtliche Beiträge, auch wenn sie gestützt auf einen Leistungsauftrag oder eine Programmvereinbarung gemäss Artikel 46 Absatz 2 der Bundesverfassung ausgerichtet werden;</blockquote>
</div>
<p>Mit der Gesetzesnovelle zum MWSTG per 1. Januar 2025 wird <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18">Art. 18 MWSTG</a> um den folgenden Absatz 3 erweitert:</p>
<div>
<blockquote><sup>3</sup> Bezeichnet ein Gemeinwesen von ihm ausgerichtete Mittel gegenüber dem Empfänger oder der Empfängerin ausdrücklich als Subvention oder als anderen öffentlich-rechtlichen Beitrag, so gelten diese Mittel als Subvention oder als anderer öffentlich-rechtlicher Beitrag im Sinne von Absatz 2 Buchstabe a.</blockquote>
</div>
<p>Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass im Entwurf zur neuen <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/828/de">Mehrwertsteuerverordnung (SR 641.201, MWSTV)</a> eine Konkretisierung wie folgt vorgesehen ist:</p>
<div>
<blockquote><strong>Art. 29 Subventionen und andere öffentlich-rechtliche Beiträge<br /></strong><br />[…]<br /><br /><sup>2</sup> Ein Gemeinwesen kann Mittel gegenüber dem Empfänger oder der Empfängerin bis zum Ablauf der Frist von Artikel 72 Absatz 1 MWSTG jener Steuerperiode, in der die Auszahlung erfolgt, als Subvention oder anderen öffentlich-rechtlichen Beitrag bezeichnen.</blockquote>
</div>
<p>Es stellt sich die Frage, ob die bestehenden fiskalischen Anreize und die aufgrund der globalen Mindeststeuer geplanten neuen Anreize wie der QRTC und QMTTC sowie nicht-fiskalische Förderungsbeiträge unter dem Begriff «Subventionen und andere öffentlich-rechtliche Beiträge» fallen und wie sie folglich mehrwertsteuerlich zu behandeln sind, insbesondere inwiefern eine Kürzung des Vorsteuerabzugs im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_33">Art. 33 Absatz 2 MWSTG</a> anzuwenden ist oder von dieser nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_33">Art. 33 Absatz 1 MWSTG</a> abgesehen werden muss.</p>
<p>Der vorliegende Aufsatz gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil werden die verschiedenen bestehenden und neuen (fiskalischen und andere finanziellen) Anreize kategorisiert und erläutert (siehe Ziff. 2). Im folgenden zweiten Teil wird der Begriff «Subventionen und andere öffentlich-rechtliche Beiträge» und das Konzept der damit verbundenen Vorsteuerkürzung mittels Materialien (Botschaft), Gerichtsentscheiden und Praxis der Eidg. Steuerverwaltung («ESTV») analysiert und ausgelegt (siehe Ziff. 3). Im dritten Teil präsentieren die Autorin und der Autor dieses Aufsatzes schliesslich ihre Meinung und ziehen ihr Fazit (siehe Ziff. 4).</p>
<h2>2. Übersicht fiskalische und andere finanzielle Anreize</h2>
<h3>2.1 Begriff</h3>
<p>Es gibt keine allgemeingültige Definition des Begriffs «fiskalische» bzw. «steuerliche Anreize» (engl. «Tax Incentives»). Generell können darunter (gewinn-) steuerliche Massnahmen verstanden werden, welche zu einer tieferen Besteuerung gewisser Tätigkeiten und Branchen führen im Vergleich zu einem Unternehmen ohne solche Anreize. Fiskalische Anreize können sowohl bei der (gewinn-) steuerlichen Bemessungsgrundlage (siehe Ziff. 2.2) als auch bei der geschuldeten (Gewinn-) Steuer (siehe Ziff. 2.3) ansetzen. Solche staatlichen fiskalischen Anreize können aus verschiedenen Motiven gewährt werden wie bspw. zur Förderung spezifischer Tätigkeiten (bspw. Forschung und Entwicklung), des Verhaltens von Unternehmen (bspw. Nachhaltigkeit) oder auch aus staatlicher Industriepolitik (bspw. Aufbau von Chipindustrie im eigenen Land).</p>
<p>Wie im weiteren Verlauf dieses Aufsatzes erläutert wird, werden aufgrund der globalen Mindeststeuer solche fiskalischen Anreize vermehrt in Form anderer finanzieller (nicht-fiskalischer) Anreize wie staatliche Förderungsbeiträge (siehe Ziff. 2.4) gewährt.</p>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/3jItO2dnuHEl4l3Yyqejei/fa23ec1159ba79efa06afd67e4b75987/2024_Grafik_A12-1.svg" alt="Tabellarische Übersicht Anreize: Unterteilung in finanzielle Anreize und andere finanzielle Anreize" width="881" height="502" /></p>
<h3>2.2 Fiskalische Anreize mit Ansatz bei Bemessungsgrundlage</h3>
<h4>2.2.1 Übersicht</h4>
<p>Die erste Kategorie von fiskalischen Anreizen setzen bei der Bemessungsgrundlage der Gewinnsteuer auf Stufe Bund und/oder Kantone und Gemeinden an. Sie führen dazu, dass der Gewinn gemäss dem handelsrechtlichen Abschluss reduziert wird, damit der steuerbare Gewinn tiefer wird. Dies erfolgt entweder durch zusätzlichen steuerwirksamen Aufwand («aufwandsbasierter Ansatz», auch «Inputförderung», siehe Ziff. 2.2.2) oder einer teilweisen oder vollständigen Freistellung von (Netto-) Erträgen («ertragsbasierter Ansatz bzw. gewinnbasierter Ansatz», auch «Outputförderung», siehe Ziff. 2.2.3). Auf diesem tieferen Gewinn kommen indes die normalen statutarischen Gewinnsteuersätze zur Anwendung, was auf Basis des Gewinns gemäss handelsrechtlichem Abschluss (oder auch auf Basis des Gewinns vor Steuern bspw. gemäss IFRS) zu einem tieferen effektiven Steuersatz als dem statutarischen Satz führt.</p>
<h4>2.2.2 Aufwandsbasierter Ansatz</h4>
<h5>2.2.2.1 Zusätzlicher Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwand («F&E-Sonderabzug», <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_25_a">Art. 25a StHG</a>)</h5>
<p>Auf Antrag können die Steuerpflichtigen beim Kanton verlangen, dass max. 150% (d.h. 50% mehr als effektiv handelsrechtlich verbucht) des eigenen oder an Dritte bezahlten Forschungs- und Entwicklungsaufwands im Inland steuerwirksam bei den Staats- und Gemeindesteuern geltend gemacht werden kann. Dieses Instrument führt zu einer Reduktion des steuerbaren Gewinns (Bemessungsgrundlage) und damit einer Reduktion des effektiven Steuersatzes (auf Basis des handelsrechtlichen Gewinns). Dieser Abzug steht grundsätzlich jeder juristischen Person offen, sofern diese für den Abzug qualifizierenden Forschungs- und Entwicklungsaufwand hat. Sämtliche Kantone mit Ausnahme von Basel-Stadt, Glarus, Luzern, Schaffhausen und Uri haben diesen Sonderabzug eingeführt.</p>
<p>Politisch ist dieser Sonderabzug auf die Motion «Einführung von steuerlichen Fördermassnahmen zur Stärkung des Forschungsstandortes Schweiz» der FDP-Liberale Fraktion (<a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20083853">Geschäfts-Nr. 08.3853</a>) und dem Postulat «Steuerliche Fördermassnahmen im Bereich der Forschung und Entwicklung» der WAK-NR (<a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20103894">Geschäfts-Nr. 10.3894</a>) zurückzuführen.<sup><a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1">01</a></sup> Darin wird unter anderem festgehalten, dass «Forschung und Entwicklung eine zentrale Bedeutung bei der Steigerung der technologischen Leistungsfähigkeit eines Landes» haben und deshalb förderungswürdig seien. Der Bundesrat bezeichnete in seiner Antwort auf die <a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20083853">Motion 08.3853</a> die Idee als eine «indirekte Subvention» («subventionnement indirect»). Diese Motion und das Postulat führten zu einem Prüfauftrag, der schliesslich Eingang in die Unternehmenssteuerreform III («SV17») bzw. die Folgevorlage STAF fand.</p>
<h5>2.2.2.2 Abzug auf Eigenfinanzierung («Notional Interest Deduction», <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_25_a_bis">Art. 25a<sup>bis</sup> StHG</a>)</h5>
<p>Auf Antrag können Steuerpflichtige beim Kanton verlangen, dass auf demjenigen Anteil des Eigenkapitals, welcher ein minimales Eigenkapital übersteigt («Sicherungseigenkapital»), ein fiktiver Eigenkapitalzins in Abzug gebracht werden kann. Dieses Instrument führt zu einer Reduktion des steuerbaren Gewinns und damit einer Reduktion des effektiven Steuersatzes (auf Basis des handelsrechtlichen Gewinns). Dieser steuerliche Anreiz wurde aufgrund der strengen Voraussetzungen bisher nur im Kanton Zürich eingeführt.</p>
<p>Die Überlegung des Gesetzgebers war es, damit die mangelnde Finanzierungsneutralität im Gewinnsteuerrecht der Schweiz abzufedern und eine steuerrechtliche Gleichstellung des Eigen- mit dem Fremdkapital herzustellen.<sup><a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">02</a></sup> Es handelt sich folglich nicht um einen Steueranreiz mit Förderungscharakter, sondern vielmehr um ein steuersystematisches Korrektiv.</p>
<h5>2.2.2.3 Entsteuerung aufgedeckter stiller Reserven («Step-up», <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_24_c">Art. 24c StHG</a> i.V.m. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_78_g">Art. 78g StHG</a>)</h5>
<p>Auf Antrag können Steuerpflichtige beim Kanton verlangen, dass vor dem Eintritt in die Steuerpflicht entstandene stille Reserven (inkl. originärer Goodwill) ohne Steuerfolgen aufgedeckt und anschliessend über eine gewisse Dauer steuerwirksam abgeschrieben werden können (sog. «Step-up»). <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_24_c">Art. 24c StHG</a> deckt sowohl Neuansiedlungen von Unternehmen (Sitzverlegung, Verlegung von Betrieben und Funktionen) als auch bereits in der Schweiz ansässige Unternehmen ab, die bisher steuerbefreit waren. Der Step-up führt zu einer Reduktion des steuerbaren Gewinns und damit zu einer Reduktion des effektiven Steuersatzes (auf Basis des handelsrechtlichen Gewinns). Der Step-up ist im Vergleich zu anderen fiskalischen Förderungsinstrumenten indes unter der globalen Mindestbesteuerung kein problematisches Instrument, da auf Basis der internationalen Rechnungslegungsstandards latente Steuerguthaben auf solchen Step-ups angesetzt werden können, deren Auflösung zu massgebenden Steuern führt (vorbehältlich gewisser Missbrauchsvorschriften, siehe Art. 9.1.3 MR).</p>
<p>Auch wenn der Step-up im Einzelfall für Neuansiedlungen ein interessantes Instrument ist, war die Intention des Gesetzgebers rein steuersystematisch. Es soll damit verhindert werden, dass stille Reserven (inkl. originärer Goodwill) nicht bei der späteren Realisation durch die Gewinnsteuer erfasst werden, obwohl sie vor Eintritt in die Steuerpflicht entstanden sind.<sup><a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">03</a></sup></p>
<h4>2.2.3 Ertragsbasierter Ansatz</h4>
<h5>2.2.3.1 Patentbox (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_24_a">Art. 24a</a> – <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_24_b">24b StHG</a>)</h5>
<p>Auf Antrag der steuerpflichtigen Person müssen die Kantone Gewinne aus «Patenten und vergleichbaren Rechten mit einer Ermässigung von max. 90% in die Bemessungsgrundlage einbeziehen. Sämtliche Kantone haben die Patentbox eingeführt, wobei die Entlastung zwischen 10% (Genf, Glarus, Luzern) und 90% (bspw. Aargau, beide Basel, Bern, Freiburg) ist. Die Patentbox führt ebenfalls zu einer Reduktion des steuerbaren Gewinns (Bemessungsgrundlage) und damit einer Reduktion des effektiven Steuersatzes (auf Basis des handelsrechtlichen Gewinns).</p>
<p>Die Einführung der Patentbox geht analog dem F&E-Sonderabzug auf zwei Motionen zurück (siehe oben 2.2.2.1) und wurde schliesslich nach dem Willen des Gesetzgebers als eine Kompensation für den Wegfall bestehender alter Steuerregime eingeführt.<sup><a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4">04</a></sup> Die bevorzugte steuerliche Behandlung von Einkünften aus F&E stellt grundsätzlich einen Verstoss gegen verfassungsmässige Grundprinzipien dar (insb. Prinzip der Gleichbehandlung gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_127">Art. 127 Abs. 2 BV</a>), was jedoch gemäss Botschaft des Bundesrates durch den Forschungsförderungsauftrag (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_64">Art. 64 Abs. 1 BV</a>) zu rechtfertigen sei.<sup><a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5">05</a></sup></p>
<h3>2.3 Fiskalische Anreize mit Ansatz bei geschuldeter Steuer</h3>
<h4>2.3.1 Übersicht</h4>
<p>Die zweite Kategorie von fiskalischen Anreizen setzt bei den geschuldeten Gewinnsteuern auf Stufe Bund und/oder Kantone und Gemeinden an. Sie führen dazu, dass die geschuldete Steuer nicht der Bemessungsgrundlage multipliziert mit dem statutarischen Satz entspricht, sondern tiefer ausfällt. Dies erfolgt durch einen punktuell tieferen Steuersatz auf einzelnen Erträgen oder dem gesamten steuerbaren Gewinn («steuersatzbezogener Ansatz», siehe Ziff. 2.3.2) oder einer Reduktion der geschuldeten Steuer («steuerbetragsbezogener Ansatz», siehe Ziff. 2.3.3).</p>
<h4>2.3.2 Steuersatzbasierter Ansatz</h4>
<h5>2.3.2.1 Steuererleichterungen Staats- und Gemeindesteuern («Tax Holiday», <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_23">Art. 23 Abs. 3 StHG</a>)</h5>
<p>Gestützt auf <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_23">Art. 23 Abs. 3 StHG</a> können die Kantone Unternehmen, welche neu eröffnet werden und dem wirtschaftlichen Interesse des Kantons dienen, für das Gründungsjahr und max. die neun folgenden Jahre Steuererleichterungen gewähren. Eine wesentliche Änderung der betrieblichen Tätigkeit kann einer Neugründung gleichgestellt werden. Die Kantone sind bei der methodischen Ausgestaltung frei. In der Praxis wird typischerweise während einer gewissen Dauer oder bis zum Erreichen eines kumulierten Gewinns keine Steuer erhoben, was einem Steuersatz von 0% entspricht.</p>
<h5>2.3.2.2 Steuererleichterungen Direkte Bundessteuer («Tax Holiday»)</h5>
<p>Gestützt auf <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2007/136/de#art_12">Art. 12</a> des <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2007/136/de">Bundesgesetzes über die Regionalpolitik vom 6. Oktober 2006 (SR 901.0)</a> können Unternehmen – zusätzlich zu den Steuererleichterungen bei den Staats- und Gemeindesteuern – via die kantonalen Wirtschaftsförderungsstellen auch Erleichterungen für die direkte Bundessteuer beantragen. Bedingung ist, dass ein industrielles Unternehmen oder ein produktionsnaher Dienstleistungsbetrieb neue Arbeitsplätze schafft oder bestehende neu ausrichtet. Allerdings nur, soweit diese Arbeitsstellen in einem der rund 100 klar bezeichneten, strukturell schwachen regionalen Zentren geschaffen werden.</p>
<p>Der Gesetzgeber will damit die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Regionen stärken und deren Wertschöpfung erhöhen und so zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in den Regionen, zur Erhaltung einer dezentralen Besiedlung und zum Abbau regionaler Disparitäten beitragen.</p>
<h5>2.3.2.3 Zeitlich beschränkter Sondersatz (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_78_g">Art. 78g StHG</a>)</h5>
<p>Im Rahmen der STAF wurde – nebst dem Step-up (siehe 2.2.2.3 oben) – auch eine Sondersatzlösung eingeführt, wonach die bei Ende der Steuerpflicht bestehenden stillen Reserven (inkl. originärer Goodwill) im Falle ihrer Realisation innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einer Sondersteuer erfasst werden, soweit sie bisher nicht steuerbar gewesen wären. Es handelt sich hierbei nicht um eine Förderung gewisser Aktivitäten, sondern vielmehr um die Vermeidung eines Fiskalschocks, der sich nach der Abschaffung kantonaler Steuerprivilegien ergeben kann («schonender Übergang von der alten zur neuen Rechtsordnung»).<sup><a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6">06</a></sup></p>
<h4>2.3.3 Steuerbetragsbasierter Ansatz</h4>
<h5>2.3.3.1 Refundable Tax Credits</h5>
<p>Steuergutschriften (engl. «Tax Credits») sind in der Schweiz bisher kaum bekannt (mit Ausnahme der Anrechnung ausländischer Quellensteuern gemäss DBA bzw. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1967/1129_1169_1163/de">Verordnung über die Anrechnung ausländischer Quellensteuern vom 22. August 1967, SR 672.201</a>). Im Rahmen der GloBE-Mustervorschriften, auf Basis derer die Schweiz die schweizerische und internationale Ergänzungssteuer erhebt, findet das Konzept der Steuergutschriften Eingang in das Schweizer Steuerrecht. Steuergutschriften sind Vorteile, die es der steuerpflichtigen Person ermöglichen, ihre Steuerschuld auf Franken-für-Franken-Basis zu senken.</p>
<p>Die GloBE-Mustervorschriften unterscheiden zwischen «guten» und «schlechten» Steuergutschriften. «Gute» Steuergutschriften werden in den GloBE-Mustervorschriften als Qualified Refundable Tax Credits («QRTC») oder auf Deutsch als qualifizierende erstattungsfähige Steuergutschriften bezeichnet. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie innerhalb einer Frist von maximal vier Jahren erstatten werden müssen, sei es durch eine Verrechnung mit der (Gewinn-) Steuerschuld oder – falls bspw. infolge Verluste keine (Gewinn-) Steuer geschuldet ist – durch eine effektive Auszahlung. «Schlechte» Steuergutschriften werden als Non-Qualified Tax Credits bezeichnet. Darunter fallen bspw. Steuergutschriften, die nur mit effektiv geschuldeten (Gewinn-) Steuern verrechnet werden können (keine Auszahlung, falls keine Steuer geschuldet ist) oder die Auszahlung innerhalb einer Frist von mehr als vier Jahre erfolgt. Bei der Ermittlung des effektiven GloBE-Steuersatzes werden «gute» Steuergutschriften als Erträge (Erhöhung Nenner, massgebender Gewinn, Art. 3.2.4 i.V.m. 4.1.2 lit. d MR) und «schlechte» als reduzierte Steuern behandelt (Reduktion Zähler, massgebende Steuern, Art. 4.1.3 lit. b i.V.m Art. 4.4.1 lit. e MR).</p>
<blockquote><strong>Beispiel<br /></strong> <br />Gesellschaft A mit einem massgebenden Gewinn (GloBE Income) von CHF 100 Mio. und massgebenden Steuern (Covered Taxes) von CHF 15 Mio. erhält eine Steuergutschrift von CHF 10 Mio. Falls die Gutschrift als QRTC qualifiziert, beträgt der effektive GloBE-Steuersatz 15 Mio.<sup><a href="#_ftn7" name="_ftnref1">07</a></sup> ÷ (100 Mio. + 10 Mio.) = 13.6% (Ergänzungssteuer von CHF 1.4 Mio.). Falls die Gutschrift nicht als QRTC qualifiziert, beträgt der GloBE-Steuersatz (15 Mio. – 10 Mio.) ÷ 100 Mio. = 5.0% (Ergänzungssteuer von 10.0 Mio.). </blockquote>
<div>
<div id="ftn1"></div>
</div>
<p>Die GloBE-Mustervorschriften schreiben den Staaten nicht vor, welche Aktivitäten sie mit solchen Steuergutschriften fördern dürfen. Es wird lediglich die formelle Ausgestaltung geregelt. Darüber hinaus dürfen solche Steuergutschriften – wie auch alle anderen Instrumente – nicht ausschliesslich von der globalen Mindeststeuer betroffenen Konzernen offenstehen, da die Ergänzungssteuern des jeweiligen Lands sonst nicht als «anerkannt» im Sinne der GloBE-Mustervorschriften gelten. In der Schweiz haben bisher nur die Kantone Basel-Stadt und Graubünden einen konkreten Vorschlag für die Einführung eines QRTC gemacht (siehe 2.5).</p>
<p>Ausserhalb der Schweiz kennen bereits verschiedene Staaten solche Steuergutschriften (teilweise ausgestaltet als QRTC) wie bspw. Deutschland, Frankreich, Grossbritannien oder die Niederlanden, die damit eine regel- und anreizbasierte Förderung von spezifischen Tätigkeiten (bspw. F&E, Nachhaltigkeit, branchenspezifische Förderung) anstreben.</p>
<h5>2.3.3.2 Marketable Transferable Tax Credits</h5>
<p>Im Rahmen der administrativen Leitlinie 07/2023 der OECD zu den GloBE-Mustervorschriften wurde darüber hinaus eine neue Variante von «guten» Steuergutschriften eingeführt, die sogenannte Qualified Marketable Transferable Tax Credits («QMTTC»). Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht innerhalb einer Frist von maximal vier Jahren erstatten werden müssen, jedoch an andere unabhängige Steuerpflichtige verkauft («versilbern») und durch diese geltend gemacht werden können. Bedingung ist, dass der Verkauf innerhalb von 15 Monaten nach dem Ende des Jahres zur Gewährung erfolgt und der Verkaufspreis mind. 80% des Gegenwartwerts (Net Present Value, NPV) der Steuergutschrift beträgt.<sup><a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8">08</a></sup> Analog den QRTC schreibt die OECD lediglich die formelle Ausgestaltung vor, nicht aber die Anforderungen an die zu fördernden Aktivitäten. In der Schweiz gibt es bisher keine Pläne zur Einführung von QMTTC, da ein Verkauf an Steuerpflichtige in anderen Kantonen aufgrund der kantonalen Steuerhoheit und des Finanzausgleichs kaum umsetzbar ist.</p>
<h3>2.4 Sonstiger finanzieller Ansatz ausserhalb Steuern</h3>
<p>Andere finanzielle Förderungsinstrumente ausserhalb des Steuerrechts gibt es in der Schweiz seit vielen Jahrzehnten (bspw. Landwirtschaft, Forschungsförderung<sup><a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9">09</a></sup>), allerdings wurden sie bisher kaum als Instrument für die Neuansiedlung von Unternehmen eingesetzt bzw. beworben. Diese Instrumente werden unterschiedlich bezeichnet, bspw. als Direktzahlungen, Förderungsbeiträge oder Subventionen (engl. «Government Grant»). Im Gegensatz zu den fiskalischen Instrumenten spielen die geschuldete Gewinnsteuer und die Anrechnung keine Rolle, da sie immer direkt und separat ausbezahlt werden und zu keiner Reduktion der geschuldeten Steuer führen. Aufgrund der globalen Mindeststeuer werden nicht-fiskalischen Förderungsinstrumente für den Erhalt oder die Verbesserung der Standortattraktivität weiter an Bedeutung gewinnen. In der Schweiz hat bisher einzig der Kanton Zug einen konkreten Vorschlag für die Einführung von staatlichen Förderungsbeiträgen gemacht (siehe 2.5.3).</p>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/1nR9rjLEFZ3ezWzKIrRAy8/2b2826e75b32c74aef395765c8eaae63/2024_Grafik_A12-2.svg" alt="Ausführliche Tabelle zu den verschiedenen Instrumenten zur Standortförderung mit jeweils dem zugehörigen Zweck und der Funktionsweise." width="881" height="993" /></p>
<h3>2.5 Gesetzesvorlagen Kantone</h3>
<h4>2.5.1 Allgemein</h4>
<p>Gemäss Informationen der Autorin und des Autors planen verschiedene Kantone aufgrund der globalen Mindeststeuer neue Anreize einzuführen. Bei Abgabe des Aufsatzes haben allerdings erst die Kantone Basel-Stadt, Graubünden und Zug ihren Gesetzesentwurf (oder wenigstens einen Vorentwurf im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens) publiziert. Gemäss geführten Gesprächen mit anderen Kantonen werden diese sich an den Gesetzesentwürfen dieser drei Kantone orientieren. Den drei Kantonen ist gemeinsam, dass diese neuen Instrumente nicht mehr im Steuergesetz, sondern in einem separaten Standort- oder Wirtschaftsförderungsgesetz geregelt sind. Dieser Unterschied wird später im Aufsatz von Bedeutung sein.</p>
<h4>2.5.2 Basel-Stadt</h4>
<p>Basel-Stadt hat im Juni 2024 einen Entwurf zur Anpassung des <a href="https://www.gesetzessammlung.bs.ch/app/de/texts_of_law/910.200">kantonalen Standortförderungsgesetzes</a> publiziert. Massgeschneidert auf die Pharmaindustrie sollen Forschung und Entwicklung sowie andere innovative Tätigkeiten gefördert werden. Der Gesetzesentwurf überlässt es der Exekutive, ob die Förderung mittels QRTC oder staatlicher Förderungsbeiträge ausbezahlt werden soll. Diese Gesetzesdelegation an die Exekutive erlaubt es, dass kurzfristig auf internationale Entwicklungen reagiert werden kann. Der Kanton äufnet aus dem ordentlichen Haushalt jährlich CHF 150 bis 300 Mio. für einen Fonds, aus dem diese Tätigkeiten gefördert werden. Das Gesetz soll frühestens per 1. Januar 2026 in Kraft treten. Es befindet sich aktuell in der parlamentarischen Diskussion.</p>
<div>
<blockquote><strong>§ 5d (neu) Massnahmen in den Bereichen Innovation, Gesellschaft und Umwelt<br /></strong> <br /><sup>1</sup> Der Kanton kann auf der Grundlage des massgebenden Geschäftsjahres Beiträge an unbeschränkt steuerpflichtige juristische Personen mit Sitz und tatsächlicher Verwaltung im Kanton gewähren, welche der Gewinnsteuer gemäss §§ 68 ff. des Gesetzes über die direkten Steuern (Steuergesetz, StG) vom 12. April 2000 unterliegen und nicht von der Gewinnsteuerpflicht gemäss § 66 StG befreit sind.</blockquote>
</div>
<h4>2.5.3 Graubünden</h4>
<p>Graubünden hat im August 2024 einen Entwurf zur Anpassung des <a href="https://www.gr-lex.gr.ch/app/de/texts_of_law/932.100">Gesetzes über die wirtschaftliche Entwicklung in Graubünden</a> veröffentlicht. Der Regierungsrat schlägt die Einführung einer Steuergutschrift zur Förderung der Wertschöpfung im Kanton, der Stärkung der Forschung, Entwicklung und Innovation sowie zur Verbesserung der ökonomischen Nachhaltigkeit vor. Im Gesetzesentwurf lässt es der Regierungsrat offen, wie diese Steuergutschrift genau ausgestaltetet werden soll. Er will dies analog zum Kanton Basel-Stadt in einer Verordnung regeln. Denkbar wäre bspw. die Ausgestaltung als QRTC. Das neue Gesetz kommt frühestens ab dem 1. Januar 2026 zur Anwendung.</p>
<div>
<blockquote><strong>Art. 4a (neu)</strong><br /><sup>1</sup> Der Kanton kann Unternehmen einmalige oder wiederkehrende Steuergutschriften gewähren für Massnahmen, die einen bedeutenden Beitrag leisten:<br /><br />a) zur Erhöhung der Wertschöpfung im Kanton;<br />b) zur Stärkung der Forschung, der Entwicklung und der Innovation; oder<br />c) zur Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit.<br /><br />[…]<br /><br /><sup>3 </sup>Die an ein Unternehmen gewährten Steuergutschriften werden mit dessen Steuerschulden verrechnet. Die Auszahlung von Steuergutschriften regelt die Regierung.</blockquote>
</div>
<h4>2.5.4 Zug</h4>
<p>Zug hat im Mai 2024 das Vernehmlassungsverfahren für ein neues Standortentwicklungsgesetz sowie eine zugehörige Verordnung eröffnet, welches bis Mitte September 2024 lief. Bei Abgabe dieses Aufsatzes lagen die Ergebnisse der Vernehmlassung und die Botschaft noch nicht vor. Der Regierungsrat hat sich aus verschiedenen Gründen vorerst gegen QRTC und für Förderungsbeiträge entschieden, wobei das Gesetz auch die Ausrichtung über Steuergutschriften erlauben würde. Das Gesetz und die zugehörige Vollzugsverordnung sehen Förderungsbeiträge für wirkungsorientierte Nachhaltigkeit (Einsparung CO<sub>2</sub>), aufwandsseitige Innovation (10% des Personalaufwands für Grundlagenforschung und experimentelle oder industrielle Forschung) sowie ertragsseitige Innovation vor (5% der Erträge aus immateriellen Rechten). Die Beiträge sind auf 1.5% des im Kanton durchschnittlich steuerbaren Reingewinns der letzten drei Jahre beschränkt. Der Gesetzesentwurf sieht für diese Förderungsbeiträge einen Fonds vor, der jährlich mit max. CHF 150 Mio. geäufnete wird. Das Gesetz soll ab dem 1. Januar 2026 in Kraft treten.</p>
<div>
<blockquote><strong>§ 3 Grundsätzliches<br /></strong> <br /><sup>1</sup> Der Kanton richtet im Rahmen der gemäss § 2 zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel Förderungsbeiträge an im Kanton Zug ansässige bzw. tätige Unternehmen aus. […]<br /><br /><sup>2</sup> Die Förderungsbeiträge werden als direkte Zahlungen oder als Steuergutschriften ausgerichtet. Der Regierungsrat legt die Form der Ausrichtung fest.</blockquote>
</div><h2>3. «Subventionen und andere öffentlich-rechtliche Beiträge» im Kontext der Schweizer Mehrwertsteuer</h2>
<h3>3.1 Begriff</h3>
<h4>3.1.1 Gesetzliche Grundlage</h4>
<p>Das Schweizer Mehrwertsteuergesetz erwähnt den Subventionsbegriff an verschiedenen Stellen. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18">Art. 18 Absatz 2 Bst. a MWSTG</a> stellt fest, dass Subventionen zwar als Mittelflüsse gelten, nicht jedoch als Entgelt für Leistungen im Sinne der Mehrwertsteuer. Per 1. Januar 2025 wird zudem im neu geschaffenen <a href="https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/2009/615/20240101/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-2009-615-20240101-de-pdf-a.pdf">Art. 18 Absatz 3 MWSTG</a> hinzugefügt, dass sofern ein ausrichtendes Gemeinwesen Mittel gegenüber dem Empfänger oder der Empfängerin ausdrücklich als Subvention oder als anderen öffentlich-rechtlichen Beitrag bezeichnet, diese Mittel auch als Subvention oder als anderer öffentlich-rechtlicher Beitrag im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18">Art. 18 Absatz 2 Buchstabe a MWSTG</a> gelten. Mit dieser Regelung wird ein Quasi-Wahlrecht für das Gemeinwesen geschaffen, was bereits von verschiedenen Stellen kritisiert wurde. Der vorliegende Aufsatz konzentriert sich auf die Anwendung des Subventionsbegriffs auf fiskalische und andere finanzielle Anreize zwecks Standortförderung und die damit verbundenen mehrwertsteuerlichen Komplexitäten.</p>
<p>Wichtig ist zur Kenntnis zu nehmen, dass der Begriff «Subvention» gleichbedeutend mit «öffentlich-rechtlichem Beitrag» verwendet wird, und dies sowohl unter dem aktuellen als auch unter dem neuen Mehrwertsteuergesetz geltend ab Kalenderjahr 2025.</p>
<p>Die Qualifikation eines Mittelflusses als Subvention bzw. öffentlich-rechtlicher Beitrag wirft im Folgenden unweigerlich die Frage nach dem Erfordernis einer Vorsteuerkürzung (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_33">Art. 33 MWSTG</a>) auf, sowohl sachlich als auch methodisch (siehe Ziff. 3.2). Vorsteuerkürzungen sind durch die steuerpflichtige Person in Ziffer 420 des MWST-Abrechnungsformulars vorzunehmen.</p>
<h4>3.1.2 Auslegung</h4>
<h5>3.1.2.1 Mehrwertsteuerverordnung</h5>
<p>Subventionen werden von Gemeinwesen ohne entsprechende marktwirtschaftliche Gegenleistung ausgerichtet. Solche Mittelflüsse sind geldwerte Vorteile, um die Erfüllung einer vom Empfänger gewählten Aufgabe zu fördern oder zu erhalten (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/828/de#art_29">Art. 29 Bst. a und d MWSTV</a>, z.B. Finanzhilfen im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/1991/857_857_857/20220101/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-1991-857_857_857-20220101-de-pdf-a.pdf">Art. 3 Abs. 1</a> <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/857_857_857/de">Bundesgesetz über Finanzhilfe und Abgeltung, Subventionsgesetz, SR 616.1, SuG</a>) oder Leistungen an Empfänger ausserhalb des Gemeinwesens zur Milderung oder zum Ausgleich von finanziellen Lasten, die sich aus der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben ergeben (z.B. Abgeltungen im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/1991/857_857_857/20220101/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-1991-857_857_857-20220101-de-pdf-a.pdf">Art. 3 Abs. 2 Bst. a SuG</a>), sofern kein Leistungsverhältnis vorliegt (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/828/de#art_29">Art. 29 Bst. b und d MWSTV</a>). Forschungsbeiträge gelten ebenfalls als Subventionen, sofern dem Gemeinwesen kein Exklusivrecht auf die Resultate der Forschung zusteht (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/828/de#art_29">Art. 29 Bst. c und d MWSTV</a>).<sup><a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10">10</a></sup> Mit Einführung des neuen Mehrwertsteuergesetzes ab 2025 gelten zudem alle als «Subventionen» bezeichneten Zuwendungen als Subvention.</p>
<p>Subventionen werden in verschiedenen Formen gewährt. Unter den Begriff der Subvention fallen bspw. nicht abschliessend:<sup><a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11">11</a></sup></p>
<ul>
<li>Geldzahlungen (z.B. Finanzhilfen oder Forschungsbeiträge);</li>
<li>Gewährung von Vorzugsbedingungen bei Darlehen;</li>
<li>Erlass von Darlehensforderungen und Forderungen aus Lieferungen und Dienstleistungen;</li>
<li>Einräumung von Baurechten ohne oder mit reduziertem Baurechtszins;</li>
<li>unentgeltliche Natural- und Dienstleistungen oder solche zu Vorzugskonditionen;</li>
<li>vom Verkehrsverein im Auftrag des Gemeinwesens vereinnahmte Kurtaxen zu Gunsten der Allgemeinheit;</li>
<li>Beiträge, die aus den kantonalen Wasser-, Abwasser- oder Abfallfonds stammen.</li>
</ul>
<h5>3.1.2.2 Verwaltungspraxis ESTV</h5>
<p>Um sich dem Begriff weiter zu nähern, lohnt sich zudem der Blick in die Vorgängerpublikationen der <a href="https://www.gate.estv.admin.ch/mwst-webpublikationen/public/pages/taxInfos/tableOfContent.xhtml?publicationId=1000283">MWST-Info 05 «Subventionen und Spenden»</a>. Das seinerzeit geltende Merkblatt 15 «Subventionen und andere Beiträge der öffentlichen Hand» führte aus, dass «Beiträge, ausgerichtet durch die öffentliche Hand, um den Empfänger zu einem Verhalten zu veranlassen, welches wirtschafts-, wissenschafts-, sozialpolitischen oder ähnlichen Zielen des Zahlenden dient, als gegenleistungslos zu betrachten sind» und somit als Subventionen gelten. Bemerkenswert für das Verständnis des Subventionsbegriffes ist dabei, dass an dieser allgemeinen Begriffsdefinition in den nachfolgenden Publikationen nicht mehr explizit festgehalten wurde.<sup><a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12">12</a></sup></p>
<p>Ein abgeändertes Verständnis von Steuererleichterungen im Kontext des Subventionsbegriffes wurde durch die aktuelle MWST-Info 05 gar gefestigt:</p>
<div>
<blockquote>«Befreiungen oder sonstige Erleichterungen, welche der steuerpflichtigen Person im Rahmen der direkten Steuern gewährt werden, fallen nicht unter den mehrwertsteuerrechtlichen Subventionsbegriff und haben daher keine Vorsteuerkürzung zur Konsequenz.»<sup><a href="#_ftn13" name="_ftnref1">13</a></sup></blockquote>
</div>
<p>Fiskalische Anreize wie bspw. Steuerprivilegien, welche bei den Gewinnsteuern gewährt werden (u.a. F&E-Sonderabzug, Patentbox, Steuergutschriften) würden somit nach Lesart des derzeitigen Mehrwertsteuergesetzes durch die ESTV grundsätzlich nicht unter den mehrwertsteuerrechtlichen Subventionsbegriff fallen.</p>
<h5>3.1.2.3 Neues Mehrwertsteuergesetz und neue Verwaltungspraxis ESTV</h5>
<p>Von diesem Grundsatz weicht nun aber die neue gesetzliche Bestimmung in Art. 18 Abs. 3 nMWSTG ab, und zwar wenn das Gemeinwesen das Wahlrecht ausübt. Basierend auf dem Wortlaut der Bestimmung in Art. 18 Abs. 3 nMWSTG ist somit möglich, dass Befreiungen oder sonstige Erleichterungen, welche im Rahmen der kantonalen Standort- oder Wirtschaftsförderungsgesetzgebung einer steuerpflichtigen Person gewährt werden, durch das ausrichtende Gemeinwesen explizit als Subvention bzw. öffentlich-rechtlicher Beitrag qualifiziert werden.</p>
<p>Der Gesetzestext verlangt, dass die ausgerichteten Mittel «ausdrücklich als Subvention oder als anderer öffentlich-rechtlicher Beitrag» bezeichnet werden. In welcher Form oder welchem Medium diese Bezeichnung erfolgen muss, ist gesetzlich nicht geregelt.<sup><a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14">14</a></sup> Ob das Gemeinwesen bspw. ausdrücklich festhalten muss, dass es sich «um einen Mittelfluss im Sinne von Art. 18 Abs. 2 Bst. a MWSTG» handelt oder ob es ausdrücklich die Begriffe «Subvention» oder «anderer öffentlich-rechtlicher Beitrag» bei der Kommunikation gegenüber dem Zuwendungsempfänger verwenden muss, ist nicht definiert. Daraus ist im Umkehrschluss zu schliessen, dass eine sinngemässe Aussage, die (explizit oder implizit) den Schluss zulässt, dass es sich um eine Zahlung im Sinne der Subventionsabsicht handelt, als hinreichend konkret angesehen wird.</p>
<p>Die ESTV hat am 2. September 2024 einen Entwurf zur Praxisanpassung betreffend Subventionen veröffentlicht. Darin wurde nicht abschliessend geklärt, ob die Bezeichnung als «Subvention» bzw. «öffentlich-rechtlicher Beitrag» zwingend ist, oder ob eine Wortwahl in Übereinstimmung mit der der im Einzelfall zugrundeliegenden Bundes-, kantonalen oder kommunalen Gesetzgebung ausreichend ist, damit die Neuregelung des Art. 18 Abs. 3 nMWSTG Anwendung findet. Zudem bleibt offen, ob eine Negativformulierung, in der ein Gemeinwesen eine Zahlung ausdrücklich nicht als Subvention bezeichnet, Abhilfe schafft oder ob die steuerpflichtige Person gar einen Rechtsanspruch auf Abgabe einer negativen Erklärung durch das Gemeinwesen hat.</p>
<p>Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die ESTV auch dann, wenn ein Gemeinwesen sein Wahlrecht nicht ausübt und einen Geldfluss nicht als Subvention qualifiziert, prüfen kann, ob ein bestimmter Geldfluss materiell dennoch als Subvention oder öffentlich-rechtlicher Beitrag zu qualifizieren ist und allenfalls eine Vorsteuerkürzung vorzunehmen ist («substance over form»).</p>
<h4>3.1.3 Beurteilung Gesetzesvorlagen Kantone</h4>
<h5>3.1.3.1 Basel-Stadt</h5>
<p>Der Entwurf des Regierungsrats des Kantons Basel-Stadt zur Anpassung des <a href="https://www.gesetzessammlung.bs.ch/app/de/texts_of_law/910.200">kantonalen Standortförderungsgesetzes</a> sieht in § 5d explizit vor, dass der Kanton «Beiträge» an Unternehmen gewähren kann, wobei die Auszahlung gemäss § 5i in Form von «Förderungsbeiträgen», «qualifizierten Steuergutschriften» oder anderen anerkannten Steuergutschriften erfolgen kann. Allein durch den gewählten Wortlaut in § 5d des angepassten Standortförderungsgesetz («der Kanton kann […] Beiträge […] gewähren») wird offensichtlich, dass der Gesetzgeber öffentlich-rechtliche Beiträge gemäss Verständnis der Mehrwertsteuer gewähren will. Gemäss hier vertretener Ansicht ist der alternative Auszahlungsmechanismus gemäss § 5i in Form von Steuergutschriften unerheblich, bezeichnet doch der Regierungsrat diese mit Verweis auf eine externe Studie selbst als «subventionsähnliche Instrumente».<sup><a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15">15</a></sup></p>
<h5>3.1.3.2 Graubünden</h5>
<p>Der im August 2024 veröffentliche Entwurf zur Anpassung des <a href="https://www.gr-lex.gr.ch/app/de/texts_of_law/932.100">Gesetzes über die wirtschaftliche Entwicklung in Graubünden</a> inklusive der Erläuterungen des Regierungsrats verwendet ausdrücklich und mehrfach die oben andiskutierten Begrifflichkeiten «Förderung», «Beitrag» und «Subventionen». Der Kanton plant aktuell, dass die Förderungsbeiträge über Steuergutschriften ausbezahlt werden. Der folgende Satz des Regierungsrats lässt auch klar darauf schliessen, dass die Steuergutschriften höher als die Steuerschulden sein können und daher den Charakter einer finanziellen «Förderung» haben: «Steuergutschriften sollen innerhalb von höchstens vier Jahren grundsätzlich ausbezahlt werden, sofern sie nicht verrechnet werden können beziehungsweise höher sind als die Steuerschulden».<sup><a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16">16</a></sup> Eine Kommunikation gegenüber den Steuerpflichtigen als Subvention ist somit aufgrund des Gesetzesentwurfes und der Botschaft des Regierungsrats nahezu unabwendbar.</p>
<h5>3.1.3.3 Zug</h5>
<p>Der Kanton Zug sieht im Vorentwurf zum Gesetz und der zugehörigen Vollzugsverordnung «Förderungsbeiträge» für wirkungsorientierte Nachhaltigkeit (Einsparung CO<sub>2</sub>), aufwandsseitige Innovation (10% des Personalaufwands für Grundlagenforschung und industrielle oder experimentelle Forschung) sowie ertragsseitige Innovation vor (5% der Erträge aus immateriellen Rechten). Auch hier kann die Lenkungs- und Förderungswirkung im Sinne einer mehrwertsteuerlichen Subvention bzw. eines öffentlich-rechtlichen Beitrages nicht übersehen werden und die Kommunikation gegenüber dem Steuerpflichtigen als solche ist nicht auszuschliessen. Darüber hinaus haben solche Förderungsbeiträge auch aufgrund ihrer Substanz klar den Charakter von «öffentlich-rechtlichen Beiträgen».</p>
<h5>3.1.3.4 Erkenntnisse</h5>
<p>Wie bereits einleitend erläutert sind nebst diesen drei Kantonen in verschiedenen anderen Kantonen ebenfalls legislative Projekte zur Einführung neuer Instrumente in der Pipeline, wobei sich die anderen Kantone namentlich an den Vorschlägen der wichtigen Wirtschaftsstandorte Basel-Stadt und Zug orientieren werden. Eine Qualifikation dieser neuen Instrumente (Steuergutschriften, Förderungsbeiträge) als mehrwertsteuerliche Subvention kann sowohl materiell aufgrund der Substanz als auch formell aufgrund der Kommunikation gegenüber den Steuerpflichtigen nicht ganz vom Tisch gewischt werden. Relevant sind verschiedene Aspekte:</p>
<ul>
<li>Regelung ausserhalb des Steuergesetzes in einem Standort- oder Wirtschaftsförderungsgesetz;</li>
<li>Explizite Nennung als «Beiträge» oder «Förderungsbeiträge» durch den Kanton;</li>
<li>Impliziter Hinweis, dass Steuergutschriften (insb. qualifizierende Steuergutschriften gemäss OECD-Mustervorschriften) als «subventionsähnliche Instrumente» zu behandeln sind, da nach vier Jahren in jedem Fall eine Auszahlung erfolgt</li>
</ul>
<p>Wie nachfolgend noch ausgeführt, lässt allerdings letzterer Punkt aufgrund des Mechanismus der Auszahlung erst nach vier Jahren durchaus eine differenziertere Behandlung als «bedingte» Subvention zu (siehe 3.3.4).</p>
<h3>3.2 Vorsteuerkürzung</h3>
<h4>3.2.1 Grundsatz</h4>
<p>Mangels Leistung gelten Subventionen als Nicht-Entgelte und unterliegen deshalb nicht der Mehrwertsteuer (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18">Art. 18 Abs. 2 Bst. a–c MWSTG</a>). Beim Beitragsempfänger hat dies jedoch grundsätzlich eine verhältnismässige Kürzung der Vorsteuer zur Folge (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_33">Art. 33 Abs. 2 MWSTG</a>).<sup><a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17">17</a></sup> Diese Vorsteuerkürzung ist steuersystematisch falsch, weil Nicht-Entgelte ausserhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer liegen. Diese Bestimmung ist aber nach einhelliger Lehre restriktiv auszulegen.<sup><a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18">18</a></sup></p>
<h4>3.2.2 Entstehungsgeschichte</h4>
<p>Bereits unter dem Mehrwertsteuergesetz vor 2010 stellte sich die Frage nach der Auswirkung von Nichtumsätzen und somit von Subventionen auf die Vorsteuerrückerstattung. Hier hielt die Eidgenössische Rekurskommission seinerzeit fest, dass Subventionen keinen Einfluss auf Vorsteuerabzug haben sollen.<sup><a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19">19</a></sup> Eine andere Auffassung vertrat das Bundesgericht, dessen Position in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2000/212/de">Art. 38 Abs. 8 aMWSTG</a> präzisiert und bestätigt wurde.<sup><a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20">20</a></sup> Dieser Leitentscheid als auch nachfolgende die Rechtsprechung des Bundesgerichts festigende Entscheide wurden in der Lehre hart kritisiert.<sup><a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21">21</a></sup> Im Rahmen der Mehrwertsteuerrevision 2010 wurde der Kritik in der Lehre Folge geleistet und die Arbeitsgruppe unter Leitung von Peter Spori vertrat in ihrem Bericht die Auffassung, dass Subventionen keinen Einfluss auf das Vorsteuerrückforderungsrecht haben sollen. Auf Grundlage dieses Berichtes wurde der Entwurf des neuen MWTSG durch den Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt. Gemäss dem Entwurf des neuen MWSTG sollten Nichtumsätze zu keiner Reduktion des Vorsteuerabzuges führen, hingegen wurde bei den Subventionen aus finanzpolitischen Gründen weiterhin an der verhältnismässigen Kürzung der Vorsteuer festgehalten.<sup><a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22">22</a></sup></p>
<h4>3.2.3 Umfang der Vorsteuerkürzung</h4>
<p>Um den Umfang der Vorsteuerkürzung zu bestimmen, ist zwischen direkt zuordenbaren Aufwendungen sowie nicht direkt zuordenbaren Aufwendungen zu unterscheiden.</p>
<p>Entfällt der zugewendete Beitrag auf einen konkret zuordenbaren Tätigkeitsbereich, welcher zu einem Vorsteuerabzug berechtigt, ist nur die Vorsteuer auf den Eingangsleistungen des konkreten Tätigkeitsbereichs verhältnismässig zu kürzen. Kann der Beitrag einer Tätigkeit, für die kein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht, zugeordnet werden, kommt es zu keiner Kürzung der Vorsteuer. Kommt es zu einer Verwendung des Beitrages zur Deckung eines Betriebsdefizits, folgt eine Kürzung der Vorsteuer gesamthaft im Verhältnis der verwendeten Mittel zum Gesamtumsatz (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/2009/828/20230901/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-2009-828-20230901-de-pdf-a.pdf">Art. 75 Abs. 1 - 3 MWSTV</a>).</p>
<p>Fällt eine sonstige Subvention nicht unter die drei vorgenannten Kategorien, kann die Vorsteuer als Gesamtheit im Verhältnis der Subvention zum Gesamtaufwand gekürzt werden unter der Voraussetzung, dass eine Kürzung im Verhältnis der Subvention zum Gesamtumsatz zu keinem angemessenen Ergebnis führt.<sup><a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23">23</a></sup> Massgebender Zeitpunkt für die Vorsteuerkürzung ist dabei der Zeitpunkt der Subventionszahlung.<sup><a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24">24</a></sup></p>
<p>Letztlich hat die Vorsteuerkürzung sachgerecht zu erfolgen und muss den tatsächlichen Verhältnissen möglichst entsprechen. Das BVGer hat dies gestützt auf die Rechtsprechung zum aMWSTG auch für die Anwendung von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/2009/615/20240101/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-2009-615-20240101-de-pdf-a.pdf">Art. 33 Abs. 2 MWSTG</a> für massgebend erklärt.<sup><a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25">25</a></sup></p>
<h4>3.2.4 Covid-19-Beiträge</h4>
<p>Gemäss <a href="https://www.gate.estv.admin.ch/mwst-webpublikationen/public/pages/taxInfos/tableOfContent.xhtml?publicationId=1000283">MWST-Info 05 «Subventionen und Spenden»</a> gelten Covid-19-Beiträge der öffentlichen Hand als Mittelflüsse gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/2009/615/20240101/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-2009-615-20240101-de-pdf-a.pdf">Art. 18 Absatz 2 Buchstabe a MWSTG</a>. Darunter fallen Zahlungen, Zinsvorteile auf Darlehen, Rückzahlungsverzichte von Darlehen oder Schulderlasse, deren gesetzliche Grundlage (Gesetz, Verordnung, Reglement, Beschluss, Erlass usw.) auf Covid-19-Massnahmen beruht und die seit dem 1. März 2020 ausgerichtet worden sind.</p>
<p>Diese Mittelflüsse müssen in der MWST-Abrechnung unter Ziffer 910 deklariert werden und sind im Umsatz unter Ziffer 200 nicht zu berücksichtigen. Weiter sind nach letztmalig bestätigter Praxis keine Kürzungen vorzunehmen. Dass die Vorsteuerkürzung entfällt, wird mit der ausserordentlichen Situation begründet. Damit hält die ESTV an der Vorsteuerkürzung für Subventionen fest, lässt aber damit eine aussergesetzliche Ausnahme aufgrund der «ausserordentlichen Situation» zu. Allerdings werden keine klaren Kriterien festgelegt, wann eine «ausserordentliche Situation» vorliegt und von einer Vorsteuerkürzung abgesehen werden kann.</p>
<h3>3.3 Weiterführende Gedanken</h3>
<p>Die neuen Instrumente (Steuergutschriften, Förderungsbeiträge) zur Stärkung des Standortwettbewerbs fallen zwar auf Basis der Gesetzesentwürfe der ersten drei Kantone (andere Kantone werden folgen) sowohl materiell als auch formell eher unter den mehrwertsteuerlichen Subventionsbegriff und führen daher zu einer Vorsteuerkürzung. Dieses Ergebnis ist stossend: Einerseits versuchen die Kantone mittels neuer Instrumente ihren Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen, andererseits macht der Bund die Instrumente durch zusätzliche indirekte Steuerfolgen in ihrer Wirkungsweise teilweise zunichte. Die Autorin und der Autor vertreten allerdings die Ansicht, dass das aktuelle Recht durchaus eine anderweitige Interpretation und Auslegung des Gesetzes zulassen würde.</p>
<h4>3.3.1 Subjektive Ungleichbehandlung</h4>
<p>Der Anwendungsbereich der globalen Mindeststeuer und die damit verbundenen Ausgleichsmassnahmen treffen nicht alle Pflichtigen der Mehrwertsteuer gleichermassen, sondern nur betroffene multinationale Unternehmensgruppen mit mind. EUR 750 Mio. Umsatz. Es scheint damit nicht plausibel, dass vergleichbare aus der Wirtschaftsförderung stammende fiskalische Anreize wie der F&E-Sonderabzug, die Patentbox oder Steuererleichterungen nicht zu einer Vorsteuerkürzung führen, neue Instrumente allerdings schon. Dies führt zu einer Wettbewerb- und Rechtsungleichheit innerhalb der Schweiz und kann weder vom Mehrwertsteuer- noch vom Wirtschaftsförderungsgesetzgeber gewollt sein. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_1">Art. 1 Abs. 3 lit. a MWSTG</a> verlangt sogar explizit, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer nach dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität zu erfolgen hat.</p>
<p>Der Verzicht auf Vorsteuerkürzung während der globalen Pandemie mit dem generellen Verweis auf eine «ausserordentliche Situation» (siehe 3.2.4) hat gezeigt, dass eine flexible Interpretation von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/2009/615/20240101/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-2009-615-20240101-de-pdf-a.pdf">Art. 33 Abs. 2 MWSTG</a> durchaus möglich ist. Ein Verzicht auf die Vorsteuerkürzung und damit Steuermehreinnahmen wäre im Übrigen auch im Einklang mit der Bundesverfassung: Im Rahmen der Anpassung der Bundesverfassung zur Einführung der globalen Mindeststeuer wurde in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_197">Art. 197 Ziff. 15 Abs. 9 BV</a> explizit festgehalten, dass der Bund den Rohertrag der Ergänzungssteuern «zur zusätzlichen Förderung der Standortattraktivität der Schweiz» einsetzen muss.</p>
<h4>3.3.2 Geografische Ungleichbehandlung</h4>
<p>Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität bezieht sich nicht nur auf eine Gleichbehandlung von «grossen» Unternehmen (von der globalen Mindeststeuer betroffen) und «kleinen» Unternehmen (nicht betroffen), sondern auch auf die verschiedenen Wirtschaftsstandorte. Es wäre stossend, wenn Unternehmen in Kantonen, die Standortförderung über staatliche Förderungsbeiträge machen, gegenüber Unternehmen in Kantonen mit klassischen Instrumenten mehrwertsteuerlich «bestraft» werden. Gemäss (Vor-) Entwurf der Gesetze in den Kantonen Basel-Stadt, Graubünden und Zug beabsichtigt der Gesetzgeber Forschung und Entwicklung mittels Förderungsbeiträgen oder Steuergutschriften zu fördern. Die gleiche Intention haben aber auch alle anderen Kantone, die bspw. den F&E-Sonderabzug eingeführt haben. Es wäre nicht nachvollziehbar, dass die gleiche Absicht des kantonalen Steuergesetzgebers nur aufgrund des Auszahlungsmechanismus (reduzierte gewinnsteuerliche Bemessungsgrundlage vs. indirekte/direkte Ausbezahlung) ungleich behandelt würden.</p>
<h4>3.3.3 Erhebungswirtschaftlichkeit</h4>
<p>Die Erhebungswirtschaftlichkeit der Vorsteuerkürzungen aufgrund Art. 18 Absatz 3 nMWSTG ist zumindest gefährdet. Der administrative Aufwand verbunden mit der Prüfung der Kommunikation des mittelzuwendenden Gemeinwesens sowie die grundsätzlich erforderliche Einzelfallprüfung bei ausbleibender oder nicht ausreichend konkreter Kommunikation wird aufgrund der Vielzahl der in Frage kommenden Sachverhalte immens sein. Um dem allfälligen Erfordernis einer Vorsteuerkürzung sachgerecht und konsistent nachkommen zu können, bedarf es eines administrativen bzw. fiskalischen Aufwands, der mit dem zu erwartenden Vorsteuerkürzungsvolumens wohl nicht im Verhältnis stehen wird.</p>
<h4>3.3.4 Mechanismus Qualified Refundable Tax Credits</h4>
<p>Der Mechanismus eines Qualified Refundable Tax Credits (QRTC) steht im Vergleich zu staatlichen Förderungsbeiträgen einer bedingungslosen Qualifikation als mehrwertsteuerliche Subvention entgegen. Es handelt sich nicht wie bei klassischen Subventionen um eine Auszahlung von Mitteln, sondern um eine Förderung durch Reduzierung eines ordentlich geschuldeten Steuerbetrages. Es kommt nicht zwingend zu einer tatsächlichen Auszahlung von Mitteln durch ein Gemeinwesen, sondern wohl regelmässig zu einer Verrechnung mit (Gewinn-) Steuern und somit zu einer Steuererleichterung. Dies um so mehr, als dass die Verrechnung im Rahmen der normalen Steuerveranlagung bzw. -rechnung erfolgen würde. Nur wenn es nach vier Jahren im Einzelfall zu einer effektiven Auszahlung kommt, liegt eher ein subventionsähnliches Instrument vor. Der QRTC könnte daher mehrwertsteuerlich als «bedingte Subvention» qualifiziert werden und würde nur bei einer effektiven Auszahlung nach vier Jahren zu einer Vorsteuerkürzung führen. Eine solche Behandlung würde auch im Einklang mit der langjährigen Praxis der ESTV stehen, wonach andere fiskalische Instrumente wie der F&E-Sonderabzug oder die Patentbox aufgrund ihrer fiskalisch sehr vergleichbaren Wirkungsweise ebenfalls nicht zu einer Vorsteuerkürzung führen.</p>
<h2>4. Fazit</h2>
<p>Mit Artikel 18 Absatz 3 nMWSTG sollte mehr Klarheit in die Qualifikation von Subventionen und anderer öffentlicher Beiträge einziehen und eine eindeutige Postierung und Anwendung durch die Steuerpflichtigen erreicht werden. Nach näherer Betrachtung ist dies nach derzeitigem Stand der Entwicklungen nicht zu erwarten. Vielmehr kann es aufgrund des Zusammenspiels von Artikel 18 Absatz 3 nMWSTG und neuer Instrumente in den kantonalen Standorts- und Wirtschaftsförderungsgesetzen zu unglücklichen, wenn nicht gar stossenden Ergebnissen kommen. Einerseits versucht der Kanton mittels neuer Instrumente seinen Standort attraktiv zu gestalten, andererseits macht der Bund diese Absicht mit Vorsteuerkürzungen zunichte. Dem Wirtschaftsstandort Schweiz ist damit nicht gedient. Ein weitreichendes Schutzinteresse, vergleichbar mit dem Sondersituationsstatus der Corona-Zuwendungen und der bisherigen Praxis zu den Steuererleichterungen, muss angemeldet werden, um die Vorsteuerkürzungen und damit einhergehende Wettbewerbsnachteile auszugleichen. In jedem Fall ist eine klarstellende Praxis durch die Steuerbehörden sehr erwünscht.</p>
<blockquote>Die Autorin und der Autor danken Sandro Hediger, Master of Law, Consultant, Deloitte AG für die Unterstützung bei der Erstellung dieses Aufsatzes.</blockquote></article>
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