Julia von Ah
Interkantonaler Wohnsitzwechsel von quellensteuerpflichtigen Personen, die nachträglich ordentlich veranlagt werden
Beim interkantonalen Wohnsitzwechsel von quellensteuerpflichtigen Personen, die nachträglich ordentlich veranlagt werden, stellt sich die Frage, welcher Kanton oder welche Kantone das Recht haben, das Erwerbseinkommen und das übrige Einkommen sowie das steuerbare Vermögen zu besteuern. In BGE 140 II 167 hat das Bundesgericht diese Frage beantwortet, in Bezug auf dem FZA unterstehende Personen, die ihren Wohnsitz in einen tiefer besteuernden Kanton verlegen. Nach Darstellung der gesetzlichen Grundlage und Besprechung des erwähnten Bundesgerichtsurteils geht die Autorin der Frage nach, wie nicht dem FZA unterstehende Personen behandelt werden und was die (Steuer-)Folgen sind, wenn – im umgekehrten Fall – eine natürliche Person in einen höher besteuernden Kanton zieht und dort am Ende des Steuerjahres Wohnsitz hat.
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Einführung
Ein ausländischer Staatsangehöriger zieht in die Schweiz, beantragt und erhält Aufenthaltsbewilligung B, nimmt bei einem Schweizer Arbeitgeber eine unselbstständige Erwerbstätigkeit auf und verlegt während des laufenden Steuerjahres (oder in einem späteren Steuerjahr) seinen Wohnsitz in einen anderen Kanton, wo er fortan wohnt. Der Arbeitnehmer erzielt beim Schweizer Arbeitgeber ein Erwerbseinkommen, dessen Höhe eine nachträglich ordentliche Veranlagung auslöst. Die Steuerbelastung im zweiten Kanton (sog. Zuzugskanton) ist niedriger als im ersten Kanton (sog. Wegzugskanton). Der Sachverhalt ist einfach, die Fragestellung ebenfalls: Welcher Kanton hat oder welche Kantone haben das Recht, das Erwerbseinkommen und das übrige Einkommen sowie das steuerbare Vermögen im Steuerjahr des Zuzugs in die Schweiz zu besteuern? Die Antwort ist im Endergebnis ebenso kurz. Wer sie kennt, ist eingeladen, weiterzublättern und sich anderen Herausforderungen zu widmen. Wer sie nicht kennt, erwartet eine kurzweilige Lektüre.
Entscheidend ist es im vorliegenden Thema, (thematische) Weggabelungen als solche zu erkennen und den richtigen Weg einzuschlagen. Dazu gleich mehr.
In Fällen wie dem vorliegenden ist auch die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung des Arbeitnehmers international zu koordinieren. Diese Koordinationsaspekte werden hier ausgeklammert. Die nachfolgenden Zeilen fokussieren auf die steuerrechtlichen Überlegungen.
Unbeschränkte Steuerpflicht – Besteuerung an der Quelle
Besteuerung an der Quelle
Zunächst ist zu klären, ob das, was der Arbeitnehmer als «Umzug in die Schweiz» bezeichnet, auch aus steuerrechtlicher Sicht einen Zuzug in die Schweiz darstellt. Verlegt er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in die Schweiz und wird damit unbeschränkt steuerpflichtig? Oder behält er seinen Wohnsitz im Ausland bei, sodass dieser abkommensrechtlich vorgeht und das interne Besteuerungsrecht auf die beschränkte Steuerpflicht des hiesigen Erwerbseinkommens begrenzt wird? Insbesondere in Fällen, in denen die Familie am bisherigen ausländischen Wohnsitz verbleibt oder der Arbeitnehmer in der Schweiz «nur» teilzeitlich tätig sein wird und seine übrigen Tätigkeiten im Ausland beibehält, ist Letzteres häufig der Fall.
Im vorliegenden Fall verlegt der unverheiratete Steuerpflichtige am 4. April vom Ausland kommend seinen Wohnsitz in den Kanton A und nimmt ab diesem Zeitpunkt steuerrechtlichen Wohnsitz im Sinne von Art. 3 Abs. 1 f. DBG und Art. 3 Abs. 1 f. StHG. Die unselbstständige Erwerbstätigkeit beginnt am 5. April beim Arbeitgeber im Kanton A. Sein vereinbartes Bruttogehalt aus dieser Tätigkeit beträgt für die Monate April bis Dezember rund CHF 440'000 (total pro Jahr rund CHF 600'000). Er wohnt zunächst in einem vom Arbeitgeber organisierten Appartement in der Nähe des Arbeitsorts. Am 20. August zieht er um in den Kanton B, meldet sich dort ordnungsgemäss an und wird ans Steuerregister genommen per 1. September. Am 31. Dezember des ersten Steuerjahres in der Schweiz hat der Arbeitnehmer seinen steuerrechtlichen Wohnsitz im Kanton B.
Die Besteuerung des schweizerischen Erwerbseinkommens des ausländischen Arbeitnehmers, der keine Niederlassungsbewilligung hat, erfolgt ab dem Zeitpunkt des Zuzugs zunächst an der Quelle02, im Kanton A und mit Umzug in den Kanton B im Kanton B. Streng systematisch untersteht der Arbeitnehmer ab dem Tag der Wohnsitznahme im Kanton B der Besteuerung durch diesen Kanton. In der Praxis wird der Pflichtige bei einem interkantonalen Wohnsitzwechsel häufig ab dem Beginn des der Wohnsitznahme folgenden Monats im Zuzugskanton ans Steuerregister genommen (hier: 1. September). Der Arbeitgeber berechnet die Quellensteuer fortan nach den Bestimmungen des Kantons B, zieht diese vom Bruttogehalt ab und liefert sie an den Kanton B ab. Das schweizerische Erwerbseinkommen unterliegt, da es über einem jährlichen Bruttoeinkommen von CHF 120'00003 liegt, der nachträglich ordentlichen Veranlagung04. Soweit das Grundsätzliche.
Interkantonaler Wohnsitzwechsel während des Steuerjahres
Gesetzliche Grundlage
Wie wirkt sich nun der interkantonalen Wohnsitz und Steuerpflichtwechsel auf die kantonale Besteuerung aus? Der Harmonisierungsgesetzgeber ordnet den interkantonalen Wohnsitzwechsel im Allgemeinen in Art. 4b StHG05, behält sich jedoch eine Besonderheit vor für an der Quelle besteuerte Steuerpflichtige, deren Einkommen der nachträglich ordentlichen Veranlagung unterliegt (Art. 38 Abs. 4 StHG). Laut Art. 4b StHG ist der Steuerpflichtige beim Wechsel der Steuerpflicht innerhalb der Schweiz aufgrund persönlicher Zugehörigkeit für die ganze Steuerperiode in jenem Kanton steuerpflichtig, in dem er am Ende dieser Steuerperiode seinen Wohnsitz hat (Zuzugskanton).
Für Steuerpflichtige, die der Quellensteuer mit nachträglich ordentlicher Veranlagung unterstehen, gilt Art. 38 Abs. 4 StHG: «Verlegt eine nach den Artikeln 32, 33 und 34 Absatz 2 steuerpflichtige natürliche Person innerhalb der Schweiz ihren Wohnsitz oder Aufenthalt, so steht dem jeweiligen Wohnsitz oder Aufenthaltskanton das Besteuerungsrecht im Verhältnis zur Dauer der Steuerpflicht zu.» Der Verweis auf die Artikel 32 i.V.m. 33 und 34 Abs. 2 StHG meint natürliche Personen mit Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz, deren Erwerbseinkommen an der Quelle besteuert wird und die der nachträglich ordentlichen Besteuerung unterliegen. Demnach ergibt sich aus dem Gesetz für den vorliegenden Arbeitnehmer ein zeitanteiliges (pro-rata-temporis) Besteuerungsrecht der jeweiligen Wohnsitzkantone für die Staats- und Gemeindesteuern auf dem unselbstständigen Erwerbseinkommen (Art. 4 VO StHG).
Nach Art. 107 Abs. 1 DBG ist derjenige Kanton für die Erhebung der direkten Bundessteuer im Rahmen des Quellensteuerverfahrens zuständig, in dem der Arbeitnehmer bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung den steuer rechtlichen Wohnsitz hat. Die nachträglich ordentliche Veranlagung nach Art. 107 Abs. 3 DBG richtet sich zwar nach Art. 105 DBG06, der seinerseits jedoch einen Vorbehalt macht betreffend Art. 107 DBG. Damit kennt auch die direkte Bundessteuer für die Zuständigkeit der Veranlagung eine zeitanteilige Aufteilung des Besteuerungsrechts07. Ein während der Steuerperiode erfolgter interkantonaler Wohnsitzwechsel eines ansässigen ausländischen Arbeitnehmers ohne Niederlassungsbewilligung, dessen Erwerbseinkommen an der Quelle besteuert wird und der nachträglich der ordentlichen Veranlagung unterliegt, hat demnach andere Besteuerungsfolgen als ein Wohnsitzwechsel eines Steuerpflichtigen, der von Anfang an der ordentlichen Veranlagung unterliegt08. Die SSK erkannte diese abweichende Behandlung und verfasste dazu ein Kreisschreiben (Nr. 14) mit dem Titel «Interkantonaler Wohnsitzwechsel von quellensteuerpflichtigen Personen, die nachträglich ordentlich veranlagt werden (Art. 90 Abs. 2 DBG, Art. 34 Abs. 2 StHG)»09.
Die abweichende Behandlung kann sich zugunsten oder zulasten des Quellenbesteuerten, der nachträglich ordentlich veranlagt wird, auswirken. Zieht ein Steuerpflichtiger, dessen Erwerbseinkommen an der Quelle besteuert und der nachträglich ordentlich veranlagt wird, im Laufe des Jahres in einen steuergünstigeren Kanton, resultiert aufgrund des anteiligen Besteuerungsrechts des Wegzugskantons eine höhere Einkommenssteuerbelastung auf dem zunächst an der Quelle besteuerten Erwerbseinkommen als bei einem Steuerpflichtigen, der von Anfang an ordentlich veranlagt wird. Im umgekehrten Fall resultiert eine niedrigere Belastung des Ersteren. Der Vollständigkeit halber sei ein wesentlicher «Seitenpfad» erwähnt: Diese unterschiedliche Behandlung gilt für das an der Quelle besteuerte unselbstständige Erwerbseinkommen, nicht jedoch für die Besteuerung des übrigen Einkommens und Vermögens. Das übrige Einkommen und das Vermögen unterliegen der ergänzenden ordentlichen Besteuerung nach Art. 34 Abs. 1 StHG und Art. 90 Abs. 1 DBG. Und für die ergänzende ordentliche Veranlagung gilt die allgemeine Norm aus Art. 4b StHG10.
Insbesondere bei höheren Erwerbseinkommen wirkt sich die unterschiedliche Behandlung spürbar aus, abhängig vom Belastungsgefälle zwischen Weg- und Zuzugskanton.
Bundesgerichtsurteil vom 29. Januar 201411
Ein zunächst im Kanton St.Gallen ansässiger deutscher Staatsangehöriger, der über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, verlegte am 20. November 2010 seinen Wohnsitz vom Kanton St.Gallen in den Kanton Schwyz. Im Rahmen der nachträglich ordentlichen Veranlagung teilte die Steuerverwaltung das gesamte Einkommen und Vermögen im Verhältnis zur jeweiligen Wohnsitzdauer auf die beiden Kantone auf (und nicht etwa nur das an der Quelle besteuerte Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit)12. Der Steuerpflichtige liess vor Bundesgericht eine gegen Art. 2 und 9 Abs. 2 Anhang I FZA13 und Art. 25 DBAD14 sowie gegen Art. 8 Abs. 2 BV verstossende Schlechterbehandlung geltend machen. Ein Schweizer Bürger in der gleichen Situation wäre nach dem damaligen Art. 68 Abs. 1 StHG (heutigen Art. 4b StHG15) für das ganze Steuerjahr 2010 im Zuzugskanton Schwyz steuerpflichtig gewesen16 und somit, des günstigeren Steuersatzes wegen, besser behandelt worden. Das Bundesgericht stellte zunächst klar, dass das Besteuerungsrecht des übrigen Einkommens und des Vermögens der allgemeinen Norm folgt und ausschliesslich dem Zuzugskanton zusteht17.
Daraufhin prüfte das Bundesgericht, ob der sich aus der zeitanteiligen Besteuerung nach Art. 34 Abs. 2 StHG resultierende Nachteil der Besteuerung des unselbstständigen Erwerbseinkommens gegen das FZA verstiess18. Da das Gericht einen Verstoss gegen das FZA bejahte, erübrigte sich die Prüfung eines Verstosses gegen das DBAD.
Art. 21 Abs. 3 FZA19 stipuliert das Recht der Vertragsstaaten, nationale und abkommensrechtliche Vorschriften anzuwenden, die der Sicherung der Erhebung von Steuern und der Verhinderung von Steuerflucht dienen. Darunter zu subsumieren ist etwa die schweizerische Quellenbesteuerung als Sicherungsinstrument. Mit der Erhebung der Einkommenssteuer an der Quelle wird die Besteuerung gesichert. Die vom Gesetzgeber in Art. 38 Abs. 4 StHG verankerte Pro-rata-temporis-Veranlagung hat nicht Sicherungscharakter. Sie wurde in der bundesrätlichen Botschaft vor Inkrafttreten verwaltungsökonomisch begründet20: Bei an der Quelle besteuerten Personen werde etwa eine Veränderung des Zivilstands sofort berücksichtigt. Dies müsse auch für unterjährige Wohnsitzwechsel gelten. Damit würde vermieden, dass der Wegzugskanton dem Zuzugskanton abgelieferte Steuerbeträge überweisen müsse. Die Pro-rata-temporis-Veranlagung wurde zusammen mit den übrigen Vorschlägen im Rahmen der Botschaft zur Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuern im interkantonalen Verhältnis vom Bundesrat als mit europäischem Recht vereinbar betrachtet21. Das Bundesgericht22 führt dagegen zu Recht an, dass bereits bezahlte Steuerraten auch im Fall von Art. 68 Abs. 1 StHG (resp. dem heutigen Art. 4b Abs. 1 StHG) vom Wegzugs an den Zuzugskanton überwiesen werden müssen. Zudem würde die interkantonale Ausscheidung bei unterjährigem Wohnsitzwechsel mit dem Verzicht auf eine Aufteilung der Steuerperiode vereinfacht, da diese Pro-rata-temporis-Abgrenzung des Besteuerungsrechts, die nur das unselbstständige Erwerbseinkommen erfasst, wegfallen würde. Die Pro-rata-temporis-Abgrenzung lasse sich weder als Sicherungsinstrument im Sinne von Art. 21 Abs. 3 FZA noch durch die Quellenbesteuerung als solche rechtfertigen. «Sie stellt damit eine mit dem FZA nicht vereinbare Diskriminierung dar und ist deshalb im Falle einer nachträglichen ordentlichen Veranlagung von in der Schweiz wohnhaften Personen, die dem FZA unterstehen, nicht anwendbar, soweit dadurch eine Höherbesteuerung resultieren würde.»23 Das Bundesgericht setzte damit um, was es in seinem Urteil vom 2. September 201324 im Rahmen seiner Auslegung von Art. 38 Abs. 4 StHG als «ohne Weiteres denkbar» in den Raum gestellt hatte, der anders gelagerten zu entscheidenden Rechtsfrage wegen jedoch (noch) offenlassen konnte.
Fazit
Fazit des Urteils des Bundesgerichts vom 29. Januar 2014 ist somit: Das nachträglich ordentlich besteuerte Erwerbseinkommen des ansässigen ausländischen Staatsangehörigen bei unterjährigem Wohnsitzwechsel unterliegt einzig im Zuzugskanton der Besteuerung. Dies gilt laut den bundesgerichtlichen Erwägungen für dem FZA unterstehende Personen und wenn durch die Anwendung von Art. 38 Abs. 4 StHG eine Höherbesteuerung resultieren würde. Zwei neue Gabelungen zeigen sich: Wie werden nicht dem FZA unterstehende Personen behandelt, d.h. Personen, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft sind (sog. «Drittstaatenangehörige»)? Was geschieht im umgekehrten Fall, wenn eine natürliche Personen in einen höher besteuernden Kanton zieht und dort am Ende des Steuerjahres Wohnsitz hat?
Gemäss Rückfrage bei den Kantonen Zürich und Zug werden «Drittstaatenangehörige» gleich behandelt wie Angehörige eines EU-Mitgliedstaats. Die Rechtsprechung findet auch auf Erstere Anwendung.
Zieht eine Person, deren Erwerbseinkommen nachträglich ordentlich veranlagt wird, während des Steuerjahres von einem steuergünstigeren Kanton in einen steuerteureren Kanton um, würde der Steuerpflichtige bei Anwendung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung höher besteuert, als wenn die Pro-rata-temporis-Veranlagung nach Art. 38 Abs. 4 StHG Anwendung findet. Die höhere Besteuerung wäre gleich wie bei einem ordentlich besteuerten Pflichtigen. Es würde mithin keine Schlechterstellung, aber auch keine Besserstellung resultieren. In diesen Fällen ist jedoch zu berücksichtigen, dass Art. 38 Abs. 4 StHG für die Pro-rata-temporis-Veranlagung (noch immer) in Kraft und anzuwenden ist. Dem Vernehmen nach sind sich die Kantone dieser Situation bewusst.
Der Kanton Zürich etwa wendet die bundesgerichtliche Rechtsprechung auch bei Wegzug in einen steuerteureren bzw. bei Zuzug aus einem steuergünstigeren Kanton an. Art. 38 Abs. 4 StHG wird von der Zürcher Steuerverwaltung nur angewendet, wenn der Steuerpflichtige dies geltend macht. Die Zürcher Steuerverwaltung setzt damit eine nicht publizierte Empfehlung der Kommission Einkommens- und Vermögenssteuern der SSK vom Juli 2014 um. Über die Rechtmässigkeit dieser Rechtsanwendung lässt sich diskutieren. Ein nicht vertretener ausländischer Pflichtige, der oft vor Kurzem zugezogen und mit dem Schweizer Steuerrecht nicht vertraut ist, müsste sich vertieft mit dem Steuerrecht auseinandersetzen, um die (noch) geltende gesetzliche Grundlage für die Pro-rata-temporis-Abgrenzung rechtzeitig vor Rechtskraft einer Veranlagung zu erkennen. Aufhorchen liesse ihn auch der Umstand, dass die SSK ihr einschlägiges Kreisschreiben Nr. 14 vom 6. Juli 2001, das die Pro-rata-temporis-Veranlagung detailliert darlegt, noch immer auf der Website der SSK25 als Kreisschreiben aufgeschaltet ist. Dem Vernehmen nach entschied die Kommission Einkommens und Vermögenssteuern der SSK, es weder aufzuheben noch weiter anzuwenden. Der Website lässt sich dazu nichts entnehmen26. Dienlich wäre es nicht nur für den Steuerpflichtigen, sondern auch für die ihn Beratenden und die Mitarbeitenden der Steuerbehörden, die Empfehlung der Kommission Einkommens und Vermögenssteuern der SSK wäre offiziell publiziert worden. Die Website könnte darauf verweisen und die Verwirrung, die sich in unterschiedlichen mündlichen Auskünften von Mitarbeitenden der Steuerämter niederschlägt oder spätestens aus fehlgeleiteten Inhalten entsteht, liesse sich von vornherein vermeiden.
Klarheit wird die neue bundesrechtliche Quellensteuerordnung schaffen, zu der der Bundesrat am 28. November 2014 seine Botschaft27 veröffentlichte und deren Behandlung im Parlament noch nicht begonnen hat. Die Botschaft sieht für an der Quelle besteuerte ansässige Steuerpflichtige, die der nachträglichen ordentlichen Veranlagung unterliegen, neu generell das Zuzugsprinzip vor28.
Und schliesslich noch eine letzte Facette: Die Überweisung der Quellensteuer von Kanton A an den Kanton B dauert zuweilen etliche Wochen oder gar Monate. Verzinst wird der Quellensteuerbetrag vom Kanton A grundsätzlich nicht, obgleich dem Steuerpflichtigen im Kanton B im Rahmen der nachträglich ordentlichen Veranlagung ein Ausgleichszins belastet wird und die Quellensteuerablieferung den Charakter einer Akontozahlung29 hat. Ein Zinsausfall, der insbesondere bei höheren Beträgen spürbar zu Buche schlägt und im Rahmen der anstehenden neuen Quellensteuerordnung zu überdenken wäre.
01 Zum Titel: Die Autorin dankt Frau lic. oec. publ. Daniela C. Fischer, dipl. Steuerexpertin, herzlich für die wertvollen Inputs.
02 Art. 83 Abs. 1 DBG, Art. 32 Abs. 1 StHG.
03 Ziff. 2 des Anhangs zur Verordnung des EFD über die Quellensteuer bei der direkten Bundessteuer (Quellensteuerverordnung), SR 642.118.2.
04 Art. 90 Abs. 2 DBG, Art. 34 Abs. 2 StHG.
05 Vor dem Inkrafttreten von Art 4b StHG per 1. Januar 2014 im Zuge des BG vom 22. März 2013 über die formelle Bereinigung der zeitlichen Bemessung der direkten Steuern bei den natürlichen Personen, fand Art. 68 Abs. 1 aStHG mit gleichem Wortlaut Anwendung.
06 In der Fassung, wie sie im Zuge des BG vom 22. März 2013 über die formelle Bereinigung der zeitlichen Bemessung der direkten Steuern bei den natürlichen Personen per 1. Januar 2014 in Kraft trat. Zuvor fand Art. 216 aDBG Anwendung.
07 Dazu auch Kreisschreiben EStV Nr. 28 vom 29. Januar 1996, Ziff. 3.2, abrufbar unter (besucht am 4. Oktober 2015): http://www.estv.admin.ch/bundessteuer/dokumentation/00242/00380/.
08 Dies trifft für inländische Steuerpflichtige mit Wohnsitz oder Aufenthalt oder für ausländische Steuerpflichtige mit Niederlassungsbewilligung und Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz zu.
09 Abrufbar unter (besucht am 20.9.2015): http://www.steuerkonferenz.ch/downloads/kreisschreiben/ks014_d.pdf.
10 Bestätigt in BGE 140 II 167, Erw. 3.1 m.V. auf Lehrmeinungen.
11 BGE 140 II 167.
12 BGE 140 II 167, Erw. 3.2.
13 Abkommen vom 21.6.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit, SR 0.142.112.681.
14 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, abgeschlossen am 11.8.1971, SR 0.672.913.62.
15 Dazu oben
16 BGE 140 II 167, Erw. 2.3.
17 BGE 140 II 167, Erw. 3.2 f.
18 Ein Verstoss gegen die BV sei nicht zu prüfen, da sich die Benachteiligung aus einem für das Bundesgericht massgebenden (Art. 190 BV) Gesetz (Art. 38 Abs. 4 StHG) ergebe, BGE 140 II 167, Erw. 3.4.
19 Art. 21 Abs. 3 FZA lautet wörtlich: Keine Bestimmung dieses Abkommens hindert die Vertragsparteien daran, Massnahmen zu beschliessen oder anzuwenden, um nach Massgabe der Bestimmungen der nationalen Steuergesetzgebung einer Vertragspartei oder der zwischen der Schweiz einerseits und einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft andererseits geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen oder sonstiger steuerrechtlicher Vereinbarungen die Besteuerung sowie die Zahlung und die tatsächliche Erhebung der Steuern zu gewährleisten oder die Steuerflucht zu verhindern.
20 Botschaft vom 24.5.2000 zur Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuern im interkantonalen Verhältnis, BBl 2000 3898, 3910.
21 Botschaft vom 24.5.2000 zur Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuern im interkantonalen Verhältnis, BBl 2000 3898, 3914.
22 BGE 140 II 167, Erw. 5.5.6.
23 BGE 140 II 167, Erw. 5.5.6.
24 2C_116/2013, E. 3.3.
25 Abrufbar unter (besucht am 4.10.2015): http://www.steuerkonferenz.ch/?Dokumente:Kreisschreiben.
26 Besucht am 4.10.2015.
27 Botschaft zum Bundesgesetz über die Revision der Quellenbesteuerung des Erwerbseinkommens, BBl 2015 657 ff.
28 Art. 107 Abs. 4 lit. a EDBG, Art. 38 Abs. 4 lit. a E-StHG; dazu auch Botschaft zum Bundesgesetz über die Revision der Quellenbesteuerung des Erwerbseinkommens, BBl 2015 670.
29 BGer 2.9.2013, 2C_116/2013, E. 3.3.