Home-Office Tätigkeit und die Begründung einer steuerlichen Betriebsstätte – eine Bestandesaufnahme
Die Arbeitswelt hat sich im Zuge von COVID-19 drastisch verändert. Die Rede ist von der Ära der «New Work». Viele Arbeitnehmende arbeiten nun regelmässig im Home-Office an ihrem Wohnsitz in der Schweiz, aber auch an Orten weltweit. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die Frage, ob das Home-Office eines Mitarbeitenden zur steuerlichen Betriebsstätte des Unternehmens werden kann und welche Aspekte es dabei zu berücksichtigen gilt. Die schweizerische Steuerrechtspraxis war zuletzt diesbezüglich teilweise umstritten und unklar.
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Die Arbeitswelt hat sich im Zuge von COVID-19 drastisch verändert. Viele Arbeitnehmende arbeiten nun regelmässig im Home-Office an ihrem Wohnsitz in der Schweiz, aber auch an Orten weltweit. Es stellt sich die Frage, ob das Home-Office eines Mitarbeitenden zur steuerlichen Betriebsstätte des Unternehmens werden kann und welche Aspekte es dabei zu berücksichtigen gilt. Die schweizerische Steuerrechtspraxis war zuletzt diesbezüglich teilweise umstritten und unklar.
Es ist grundsätzlich möglich, dass auch private Wohnräume als feste Geschäftseinrichtung qualifizieren können. In diesem Zusammenhang gilt es sodann zu prüfen, ob die feste Geschäftseinrichtung von dauerhafter Natur ist und das Unternehmen ein Verfügungsrecht über die Einrichtung erhält. Das Unternehmen ist in der Regel weder Eigentümerin noch Mieterin der gesamten oder eines Teils der privaten Räumlichkeiten des Mitarbeitenden. Ausserdem bleibt der Zugang zu den Arbeitsräumen des Arbeitnehmenden unter dessen Kontrolle. Das Unternehmen hat somit kein umfassendes Recht auf die Nutzung dieser Räume. Für schweizerische Steuerzwecke unter Berücksichtigung der aktuellen Verwaltungspraxis, welche kürzlich anhand einer Analyse der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) bestätigt wurde, sollte eine Home-Office Tätigkeit soweit ersichtlich aktuell grundsätzlich keine Betriebsstätte in der Schweiz begründen.
Während die Risiken der Begründung einer Betriebsstätte gemäss aktueller schweizerischer Verwaltungspraxis moderat einzustufen sind, sind ausländische Jurisdiktionen hier teilweise weniger zurückhaltend, wenn es um die Annahme einer Home-Office Betriebsstätte geht. Die deutsche Finanzverwaltung scheint bspw. die Auffassung zu vertreten, dass bei einer nahezu ausschliesslichen Tätigkeit des Mitarbeitenden im Home-Office eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers zu bejahen ist, weil die Arbeitnehmende ihre Arbeitsleistung nicht ohne Mitwirkung des Arbeitgebers an einem anderen Ort erbringen könne.
Die Gefahr von sog. «accidental permanent establishments» dürfte zumindest auf Schweizer Territorium fürs Erste vergangenen Zeiten angehören. Die SSK-Analyse sollte hier für die gewünschte Rechtssicherheit sorgen. Im internationalen Verhältnis, wenn Mitarbeitende für Schweizer Unternehmen im ausländischen Home-Office tätig sind, ist jedoch weiterhin Vorsicht geboten.
Zitiervorschlag:
Julian Kläser
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Home-Office Tätigkeit und die Begründung einer steuerlichen Betriebsstätte – eine Bestandesaufnahme
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in zsis)
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2022
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A
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(abrufbar unter: publ.zsis.ch/A
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2022
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<article class="rz"><h2><strong> </strong>1. Einleitung</h2>
<p>Die Arbeitswelt hat sich im Zuge von COVID-19 drastisch verändert. Die Rede ist von der Ära der «New Work». Viele Arbeitnehmende arbeiten nun regelmässig im Home-Office an ihrem Wohnsitz in der Schweiz, aber auch an Orten weltweit. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die Frage, ob das Home-Office eines Mitarbeitenden zur steuerlichen Betriebsstätte des Unternehmens werden kann und welche Aspekte es dabei zu berücksichtigen gilt. Die schweizerische Steuerrechtspraxis war zuletzt diesbezüglich teilweise umstritten und unklar.</p>
<h2>2. Home-Office Betriebsstätte national</h2>
<h3>2.1 Grundsätzliches zur Betriebsstätte</h3>
<p>Unternehmen sind grundsätzlich an ihrem Sitz steuerpflichtig. Sie können jedoch an anderen Orten Nebensteuerdomizile begründen, wenn sie dort über eine steuerliche Betriebsstätte verfügen.</p>
<p>Der Begriff der Betriebsstätte ist im schweizerischen Steuerrecht nicht einheitlich geregelt. Für die direkte Bundessteuer existiert eine Legaldefinition in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_51" target="_blank" rel="noopener">Art. 51 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG)</a>. Als Betriebsstätte gilt gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_51" target="_blank" rel="noopener">Art. 51 Abs. 2 DBG</a> eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Betriebsstätten sind insbesondere Zweigniederlassungen, Fabrikationsstätten, Werkstätten, Verkaufsstellen, ständige Vertretungen, Bergwerke und andere Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen sowie Bau- oder Montagestellen von mindestens zwölf Monaten Dauer.<sup><a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1">01</a></sup></p>
<p>Das <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de" target="_blank" rel="noopener">Steuerharmonisierungsgesetz</a> kennt keine Legaldefinition des Betriebsstättenbegriffs.<sup><a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">02</a></sup> Eine inhaltliche Präzisierung liegt nicht vor. Bezugnehmend auf das in der Bundesverfassung verankerte Doppelbesteuerungsverbot hat das Bundesgericht jedoch einen eigenständigen Betriebsstättenbegriff konzipiert. Gemäss der Betriebsstättendefinition des Bundesgerichts müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Betriebsstätte gegeben ist: Es müssen ständige körperliche Anlagen oder Einrichtungen vorliegen, worin eine Tätigkeit von qualitativer und quantitativer Bedeutung ausgeübt wird. Sodann ist die Zugehörigkeit zum Unternehmen als dessen Teil erforderlich.<sup><a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">03</a></sup></p>
<h3>2.2 Im Besonderen zur Home-Office Betriebsstätte</h3>
<p>Es ist grundsätzlich möglich, dass auch private Wohnräume als feste Geschäftseinrichtung qualifizieren können. In diesem Zusammenhang gilt es sodann zu prüfen, ob die feste Geschäftseinrichtung von dauerhafter Natur ist und das Unternehmen ein Verfügungsrecht über die Einrichtung erhält.</p>
<p>Insbesondere am Kriterium der (faktischen und rechtlichen) Verfügungsmacht dürfte es in der Regel scheitern, dass die privaten Räumlichkeiten eines Mitarbeitenden zur steuerlichen Betriebsstätte des Unternehmens werden. Denn das Unternehmen ist in der Regel weder Eigentümerin noch Mieterin der gesamten oder eines Teils der privaten Räumlichkeiten des Mitarbeitenden. Ausserdem bleibt der Zugang zu den Arbeitsräumen des Arbeitnehmenden unter dessen Kontrolle. Das Unternehmen hat somit kein umfassendes Recht auf die Nutzung dieser Räume (das Unternehmen besitzt bspw. keinen Schlüssel zur Wohnung des Mitarbeitenden). Das Unternehmen hat damit kein ausreichendes Nutzungsrecht.<sup><a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4">04</a></sup></p>
<p>Infolgedessen sollte es auch nicht darauf ankommen, ob die Arbeitgeberin den Mitarbeitenden dazu angehalten hat, sein Home-Office zu verwenden oder die Kosten dafür gesondert oder indirekt trägt.<sup><a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5">05</a></sup> Selbst wenn eine faktische Verfügungsmacht allenfalls statuiert werden könnte, sollte in der Regel keine rechtliche Verfügungsmacht über die privaten Räumlichkeiten durch das Unternehmen vorliegen.</p>
<p>Die Situation ist aber sicherlich stets zu analysieren und sollte entsprechend mit Bedacht vertraglich ausgestaltet werden. Problematisch könnte allenfalls bspw. eine Mietzahlung einschliesslich Mietvertrag für die Nutzung des Home-Office werden.</p>
<p>Für schweizerische Steuerzwecke unter Berücksichtigung der aktuellen Verwaltungspraxis, welche kürzlich anhand der <a href="https://www.steuerkonferenz.ch/downloads/Dokumente/Analysen/220425_Analyse_Teletravail_DE.pdf" target="_blank" rel="noopener">SSK-Analyse</a> bestätigt wurde, sollte eine Home-Office Tätigkeit soweit ersichtlich aktuell grundsätzlich keine Betriebsstätte in der Schweiz begründen.<sup><a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6">06</a>,<a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7">07</a></sup></p>
<h2>3. Home-Office Betriebsstätte international</h2>
<p>Während die Risiken der Begründung einer Betriebsstätte gemäss aktueller schweizerischer Verwaltungspraxis folglich moderat einzustufen sind, sind ausländische Jurisdiktionen hier teilweise weniger zurückhaltend, wenn es um die Annahme einer Home-Office Betriebsstätte geht.<sup><a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8">08</a></sup></p>
<p>Im grenzüberschreitenden Verhältnis sind Schweizer Unternehmen daher gut beraten die nationalen Regelungen der Ansässigkeitsstaaten der einzelnen Mitarbeitenden sowie die zugehörigen Doppelbesteuerungsabkommen genau zu prüfen. Nachfolgend werden die aktuellen Empfehlungen der <a href="https://www.oecd.org/" target="_blank" rel="noopener">OECD</a> vorgestellt.<sup><a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9">09</a></sup></p>
<p>Gemäss Auffassung der <a href="https://www.oecd.org/" target="_blank" rel="noopener">OECD</a> soll die sporadische oder gelegentliche Nutzung von privaten Räumlichkeiten noch nicht zur Annahme einer festen Geschäftseinrichtung, die der Unternehmung zur Verfügung steht, führen. Werden die privaten Räume regelmässig und fortgesetzt ganz oder teilweise für Unternehmenszwecke genutzt und ist aus den Umständen zu schliessen, dass die betroffenen Mitarbeitenden von der Unternehmung zur geschäftlichen Nutzung der Privaträume angehalten wurden, könnte jedoch eine feste Geschäftseinrichtung und damit eine Betriebsstätte des Unternehmens angenommen werden.</p>
<p>Während es für schweizerische Steuerzwecke, der aktuellen Verwaltungspraxis folgend, grundsätzlich unbeachtlich wäre, wenn zum Beispiel einem Mitarbeitenden keine geschäftlichen Räumlichkeiten seitens des Arbeitgebers zur Verfügung gestellt werden, sondern dieser vom Arbeitgeber vielmehr dazu verpflichtet wird, von zu Hause aus für die Unternehmung tätig zu werden, könnte dies im internationalen Verhältnis für ein Schweizer Unternehmen im Ausland eine Betriebsstätte begründen.</p>
<p>Was den Fall einer Grenzgängerin angeht, bezieht die <a href="https://www.oecd.org/" target="_blank" rel="noopener">OECD</a> ebenfalls dezidiert Stellung und äussert, dass dieser keine Betriebsstätte zu begründen vermöge, solange die Unternehmung ihm im eigentlichen Arbeitsstaat ein Büro zur Verfügung stelle.<sup><a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10">10</a></sup></p>
<p>Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass nach aktueller Auffassung der <a href="https://www.oecd.org/" target="_blank" rel="noopener">OECD</a> die Nutzung eines Home-Office nur ausnahmsweise zur Begründung einer Betriebsstätte des Unternehmens führen soll. Wie eingangs erwähnt, sind soweit ersichtlich die ausländischen Verwaltungspraxen bezüglich Home-Office Betriebsstätte weniger moderat und weichen teilweise von der Sichtweise der <a href="https://www.oecd.org/" target="_blank" rel="noopener">OECD</a> ab.<sup><a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11">11</a></sup></p>
<h2>4. Praxisbeispiel</h2>
<h3>4.1 Sachverhalt</h3>
<p>Die IT AG ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Kanton Zürich. Die IT AG beschäftigt IT- Spezialisten, die spezielle IT-Dienstleistungen im Blockchain Bereich erbringen. Dabei handelt es sich um eine auf Informations- und Kommunikationstechnologien gestützte Tätigkeit. Die IT AG stellt ihren Mitarbeitenden einen Arbeitsplatz in den von ihr angemieteten Büroräumlichkeiten in der Stadt Zürich zur Verfügung. Aufgrund einer sehr modernen IT-Infrastruktur lassen sich die Tätigkeiten der Mitarbeitenden aber von überall aus erledigen. Die IT AG erlaubt es grundsätzlich, wenn die Mitarbeitenden ihrer Tätigkeit im "Home-Office" nachgehen möchten. Eine separate Entschädigung für die Nutzung der Wohnräumlichkeiten des Mitarbeitenden ist nicht vorgesehen. Die IT AG wächst äussert dynamisch. Aufgrund der stetig steigenden Anzahl an Mitarbeitern dürfte in naher Zukunft nicht mehr jedem IT-Spezialisten ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden können.</p>
<h3>4.2 Steuerrechtliche Würdigung</h3>
<p>Für schweizerische Steuerzwecke unter Berücksichtigung der aktuellen Verwaltungspraxis (siehe oben Ziff. 2.2), sollte die Home-Office Tätigkeit grundsätzlich keine Betriebsstätte im interkantonalen Verhältnis der Schweiz begründen. Das private Arbeitszimmer kann zwar grundsätzlich als feste Geschäftseinrichtung qualifizieren. Die Geschäftseinrichtung kann dabei sowohl örtlich als auch zeitlich als «fest» qualifiziert werden. Auch ist das Erfordernis der Geschäftstätigkeit vorliegend klarerweise erfüllt, indem die Mitarbeitenden mit ihrer – dem Geschäftszweck dienenden – Tätigkeit zur Wertschöpfung der IT AG beitragen. Selbst wenn eine faktische Verfügungsmacht über die privaten Räumlichkeiten vorliegend fingiert werden könnte, mangelt es allerdings an der rechtlichen Verfügungsmacht.<sup><a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12">12</a></sup></p>
<h2>5. Schlussbemerkungen</h2>
<p>Oft war die Rede von sog. «accidental permanent establishments», also davon, dass die Telearbeit von Mitarbeitenden unter Umständen eine Zuteilung von Gewinn/Kapital bzw. Einkommen/Vermögen des Unternehmens an den Ort des Telearbeitsplatzes auslösen könnte. Diese Unsicherheit dürfte zumindest auf Schweizer Territorium fürs Erste vergangenen Zeiten angehören. Die <a href="https://www.steuerkonferenz.ch/downloads/Dokumente/Analysen/220425_Analyse_Teletravail_DE.pdf" target="_blank" rel="noopener">SSK-Analyse</a> sollte hier für die gewünschte Rechtssicherheit sorgen. Im internationalen Verhältnis, wenn Mitarbeitende für Schweizer Unternehmen im ausländischen Home-Office tätig sind, ist jedoch Vorsicht geboten.</p>
<p>Das Steuerrecht ist allerdings keine statische Disziplin, sondern befindet sich in einem konstanten Wandel. So dürfte sich auch der schweizerische Betriebsstättenbegriff, der aus einer anderen Zeit stammt, als von der «Digital Economy» noch gar keine Rede war, schon bald den stetig verändernden Gegebenheiten anpassen. Es ist sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis sich die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen hier ändern dürften. Bis dahin müsste allerdings auch eine praktikable steuerliche Lösung gefunden werden, damit ein steuerlicher interkantonaler sowie internationaler Flickenteppich vermieden werden kann. Dies ist bis anhin sicherlich auch ein Beweggrund, weshalb die zuständigen Steuerbehörden in der Vergangenheit das Thema «Home-Office Betriebsstätte» mit grosser Zurückhaltung behandelt haben, da eine Zersplitterung der Steuerhoheiten enorme Ressourcen bei den Steuerbehörden für eine korrekte Besteuerung der steuerpflichtigen Unternehmen binden dürfte.</p></article>
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