<article class="rz"><h2>1. Einleitung</h2>
<p>Im Rahmen des <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/" target="_blank" rel="noopener">Inclusive Framework BEPS</a> haben sich im Herbst letzten Jahres 137 Ländern auf die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15% geeinigt (BEPS 2.0 – Pillar II), welche bei internationalen Konzernen mit einem Mindestumsatz von EUR 750 Mio. greifen soll. Der <a href="https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-87569.html#:~:text=Der%20Bundesrat%20plant%20die%20Mindestbesteuerung,Mindeststeuer%20von%2015%20Prozent%20ausgleicht" target="_blank" rel="noopener">Bundesrat hat beschlossen</a>,<a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1"><sup>01</sup></a> diese Mindeststeuer auch in der Schweiz <a href="https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-87569.html#:~:text=Der%20Bundesrat%20plant%20die%20Mindestbesteuerung,Mindeststeuer%20von%2015%20Prozent%20ausgleicht" target="_blank" rel="noopener">mittels einer Verfassungsänderung</a> (<a href="https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/70597.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 129a und 197 Ziff. 14 eBV</a>, vorbehältlich der Zustimmung von Volk und Stände am 18. Juni 2023) und einer darauf abgestützten Verordnung per 1. Januar 2024 einzuführen. Diese Verordnung soll sodann zusammen mit kantonalen Standortförderungsmassnahmen in ein Bundesgesetz überführt werden. Im Dezember 2021 hat <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">die OECD ihre Modellregelungen</a><a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener"> («Model Rules», nachfolgend «MR»)</a><a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2"><sup>02</sup></a> zur unilateralen Einführung des Regelwerks publiziert. Im März 2022 veröffentliche die OECD sodann <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two-commentary.pdf" target="_blank" rel="noopener">den dazugehörigen Kommentar</a>,<sup><a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">03</a></sup> welcher die Intention dieses Regelwerks illustrieren soll. Ergänzt wird dieser Kommentar um <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two-examples.pdf" target="_blank" rel="noopener">ein weiteres Dokument mit verschiedenen illustrativen Fallbeispielen</a>.</p>
<p>Kernelement dieser globalen Mindeststeuer ist die «Income Inclusion Rule» (abgekürzt «IIR», <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 2.1 MR</a>). Es handelt sich hierbei um eine nationale Gewinnsteuer sui generis, welche in ihrer Funktionsweise mit einer umfassenden Hinzurechnungsbesteuerung (CFC-Rules) vergleichbar ist. Umfassend deshalb, weil sie nicht wie bspw. die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung <a href="https://www.gesetze-im-internet.de/astg/__7.html" target="_blank" rel="noopener">(§ 7 ff. AStG</a>) zwischen aktiven und passiven Einkünften differenziert. Gemäss der IIR werden sämtliche Gewinne von direkt und indirekt gehaltenen, ausländischen Tochtergesellschaften und Betriebsstätten (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 2.2.1 MR</a>), welche aggregiert pro Land («jurisdictional blending», <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 5.1.1 MR</a>) nicht mind. einer Steuerbelastung von 15% unterliegen, mittels einer Ergänzungssteuer («top-up tax», <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 5.2 MR</a>) erfasst. Die Bemessung der Gewinne erfolgt auf Basis global harmonisierter Regeln (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">GloBE Rules, Art. 3 MR</a>), ausgehend von internationalen «True-and-Fair-View»-Rechnungslegungsstandards, ohne Möglichkeit zur Bildung von stillen Willkürreserven, wie die <a href="https://www.ifrs.org/" target="_blank" rel="noopener">International Financial Reporting Standards (IFRS)</a> oder <a href="https://www.fasb.org" target="_blank" rel="noopener">US GAAP</a> (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 3.1.1 MR</a>). Diese Steuer entfaltet eine extraterritoriale Wirkung, indem der Ansässigkeitsstaat der obersten Konzerngesellschaft («ultimate parent entity») Gewinne von ausländischen, zu tief besteuerten Konzerngesellschaften erfasst, die – ausser der Zugehörigkeit zum Konzern mit Hauptsitz im jeweiligen Land – keinen Konnex zu dieser Steuerjurisdiktion haben.</p>
<p>Soweit in diesem Aufsatz auf konkrete Regelungen in internationalen Rechnungslegungsvorschriften verwiesen wird, beschränkt sich der Verweis auf den international sehr verbreiteten Standard IFRS.</p>
<h2>2. IIR in der Schweizer Steuerrechtsordnung</h2>
<p>Aus Sicht der Schweizer (Steuer-)Rechtsordnung ist diese neue Gewinnsteuer sui generis mit ihrer extraterritorialen, entitätsübergreifenden Wirkungsweise nicht unproblematisch und kann im Einzelfall gemäss hier vertretener Auffassung gar verfassungsmässigen Grundsätzen widersprechen. Durch den vom Bundesrat vorgeschlagenen <a href="https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/70597.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 129a Abs. 3 eBV</a> soll allerdings die verfassungsmässige Grundlage geschaffen werden, um von diesen Grundsätzen im Einzelfall abzuweichen.</p>
<h3><strong>2.1 </strong><strong>Prämisse des physischen Konnexes </strong></h3>
<p>Dem Schweizer Steuerrecht inhärent ist die Prämisse, dass die verschiedenen politischen Ebenen der Schweiz (Bund, Kanton, Gemeinde) nur dann eine Steuer erheben dürfen, wenn das Steuersubjekt und damit verbunden das Steuerobjekt einen physischen Konnex zur jeweiligen Steuerjurisdiktion aufweisen. Dieser Konnex kann formeller (bspw. Sitz) oder funktionaler Natur (bspw. Betriebsstätte, Leistungserbringung) sein. Die Gewinnsteuer bspw. darf bei juristischen Personen nur dann erhoben werden, wenn diese eine persönliche (Sitz oder tatsächliche Verwaltung; <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_50" target="_blank" rel="noopener">Art. 50 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer, DBG</a>) oder eine wirtschaftliche Zugehörigkeit (Teilhaber an Geschäftsbetrieben, Betriebsstätten oder Grundstücke; <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_51" target="_blank" rel="noopener">Art. 51 DBG</a>) zur Schweiz haben. Der Umfang der Steuerpflicht umfasst bei einer unbeschränkten Steuerpflicht das weltweite Einkommen, jedoch steuereinschränkend ohne das Einkommen, welches ausländischen Geschäftsbetrieben, Betriebsstätten und Grundstücke zugerechnet wird (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_52" target="_blank" rel="noopener">Art. 52 Abs. 1 DBG</a><u>)</u>. Bei einer beschränkten Steuerpflicht werden nur jene Gewinne erfasst, welche dem inländischen Geschäftsbetrieb, Betriebsstätte oder dem Grundstück zuzurechnen sind (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_52" target="_blank" rel="noopener">Art. 52 Abs. 2 DBG</a>). Diese Zurechnung erfolgt in beiden Konstellationen auf Basis einer funktionalen bzw. wertschöpfungsbasierten Betrachtungsweise, methodisch entweder direkt (objektmässig) oder indirekt (quotenmässig mittels wirtschaftlich adäquater Hilfsfaktoren).</p>
<p>Auch andere Steuerarten wie die Verrechnungssteuer<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4"><sup>04</sup></a><sup> </sup>oder die Mehrwertsteuer<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5"><sup>05</sup></a> basieren auf der Prämisse eines Konnexes. In ihrem <a href="https://www.alexandria.unisg.ch/265858/1/Working%20Paper%20final.pdf" target="_blank" rel="noopener">Arbeitspapier zur globalen Mindeststeuer</a> begründet das <a href="https://iff.unisg.ch/" target="_blank" rel="noopener">Institut für Finanzwirtschaft, Finanzrecht und Law & Economics der Universität St. Gallen (IFF-HSG)</a> diesen Konnex mit der völkerrechtlichen Genuine Link-Doktrin.<a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6"><sup>06</sup></a><sup> </sup></p>
<p>Mit der IIR wird diese Prämisse allerdings durchbrochen, indem zukünftig Gewinne ausländischer Gesellschaften der Schweizer Ergänzungsbesteuerung nur deshalb unterworfen werden, weil diese</p>
<ul>
<li>zu einem Konzern mit einer in der Schweiz ansässigen Obergesellschaft gehören (vorbehältlich der Umsatzgrenze von EUR 750 Mio., <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 1.1.1 MR</a>) und</li>
<li>ihre Gewinne entitätsübergreifend pro Land auf Basis einer separaten Bemessungsgrundlage im Ausland nicht zu mind. 15% besteuert werden.</li>
</ul>
<p>Die örtliche, steuerrechtliche Erfassung erfolgt damit losgelöst von den dem Gewinnsteuerrecht inhärenten funktions- bzw. wertschöpfungsbasierten Prinzipien. Formell sind zwar nicht die ausländischen Konzerngesellschaften, sondern die bereits in der Schweiz ansässige (d.h. aufgrund eines physischen Konnexes unbeschränkt steuerpflichtige) Konzernobergesellschaft Steuersubjekt. In ihrer Wirkungsweise kommt die IIR materiell einer Steuerpflicht der ausländischen Gesellschaften gleich. Die formelle IIR-Steuerpflicht der inländischen Konzernobergesellschaft wurde wohl rein aus praktischen Überlegungen zur Durchsetzbarkeit der Regeln gewählt. Völkerrechtlich könnte der jeweilige Staat die Steuer jurisdiktionsübergreifend nur schwer durchsetzen.</p>
<p>Etwas überspitzt basiert die IIR auf einer «steuerlichen Sippenhaftung», indem die Konzernobergesellschaft für die zu tiefe Steuerbelastung der rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften einstehen muss. «Zu tief» wurde rein willkürlich und losgelöst rechtsstaatlicher Grundsätze bei 15% festgesetzt.</p>
<h3><strong>2.2 </strong><strong>Narrativ der Entitätsbesteuerung </strong></h3>
<p>Weiter basieren sämtliche Steuerarten der Schweiz (mit Ausnahme der optionalen, mehrwertsteuerlichen Gruppenbesteuerung; <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_13" target="_blank" rel="noopener">Art. 13 ff. Mehrwertsteuergesetz (MWSTG</a>)) auf dem historisch etablierten Narrativ, wonach die einzelnen rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften (juristische Person), nicht jedoch der Gesamtkonzern als wirtschaftliches Gebilde steuerpflichtig sind (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_49" target="_blank" rel="noopener">Art. 49 Abs. 1 DBG</a> e contrario). Die Steuerrechtsfähigkeit der juristischen Personen basiert dabei auf der Rechtsfähigkeit des Privatrechts.<sup><a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7">07</a></sup> Dieses Narrativ zeigt sich exemplarisch im Rechtsinstitut der verdeckten Gewinnausschüttung (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_58" target="_blank" rel="noopener">Art. 58 Abs. 1 lit. b DBG</a>), wonach Leistungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter (bzw. diesem nahestehende Dritte) zu Drittkonditionen erfolgen müssen.</p>
<p>Dieses Narrativ wird mit der Einführung der IIR durchbrochen, indem die Gewinne ausländischer, nicht oder niedrig besteuerter Tochtergesellschaften entitätsübergreifend dem inländischen Fiskus zur Besteuerung zugewiesen werden. Im Übrigen wird dieses Narrativ auch in Bezug auf die rein schweizerischen Konzerngesellschaften durchbrochen, indem die Ermittlung der effektiven Steuerbelastung sowie der Bemessungsgrundlage auf aggregierter Basis («jurisdictional blending») erfolgt.</p>
<p>Indirekt wird über die IIR im Gewinnsteuerrecht nicht nur eine horizontale, sondern auch eine vertikale Gruppenbesteuerung eingeführt. Horizontal, indem das Trennungsprinzip zwischen Gesellschaft und Gesellschafterinnen durchbrochen wird; vertikal, indem die Quellensteuer auf Dividenden in Abhängigkeit von der steuerlichen Qualität der Gesellschafterin (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/pillar-two-model-rules-in-a-nutshell.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 4.2.1(b) i.V.m. Art. 4.3.2(e) MR</a>) als massgebende Steuer («covered taxes») erfasst wird.</p>
<h3><strong>2.3 </strong><strong>Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (</strong><a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_127" target="_blank" rel="noopener"><strong>Art. 127 Abs. 2 BV</strong></a><strong>)</strong></h3>
<p>Ein zentraler verfassungsmässiger Richtsatz bei der Erhebung von Steuern in der Schweiz ist der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_127" target="_blank" rel="noopener">Art. 127 Abs. 2 der Bundesverfassung, BV</a>). Gemäss dem Bundesgericht verlangt dieser Grundsatz, dass sich die Steuerbelastung «nach den dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehenden Wirtschaftsgütern und den persönlichen Verhältnissen richten» muss.<a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8"><sup>08</sup></a><sup> </sup>Nach der Lehre hat dieses Leistungsfähigkeitsprinzip eine subjektive und eine objektive Komponente. Die subjektive Komponente verlangt, dass sich die Besteuerung auf die zugegangenen Mittel in Bezug auf die persönliche Leistungsfähigkeit limitieren muss. Die objektive Komponente verlangt, dass – und dies ist im Lichte der IIR besonders relevant – nur aber immerhin, sämtliche zugeflossenen Mittel besteuert werden.<a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9"><sup>09</sup></a></p>
<p>Gemäss Ansicht des Autors basiert <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_127" target="_blank" rel="noopener">Art. 127 Abs. 2 BV</a> im Unternehmenssteuerrecht wesentlich auf dem betriebswirtschaftlichen Konzept der Wertschöpfung («value creation»), welches steuerrechtlich hauptsächlich mittels Verrechnungspreisrecht umgesetzt wurde. Das national und international etablierte Konzept «dealing at arm’s length» (bzw. Drittvergleich) ist ein Instrument zur transaktionalen Gewinnallokation auf die rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften auf Basis der effektiven Wertschöpfung (Funktions- und Risikoanalyse).</p>
<p>Gemäss hier vertretener Auffassung wird dieser verfassungsmässige Grundsatz verletzt, wenn eine Schweizer Konzernobergesellschaft – nebst der ordentlichen Gewinnsteuer auf dem selbst erwirtschafteten Gewinn – auch eine Ergänzungssteuer auf den Gewinnen ihrer zu tief besteuerten, direkt oder indirekt gehaltenen Tochtergesellschaften bezahlen muss («steuerliche Sippenhaftung»). Diese Gewinne wurden betriebswirtschaftlich durch die Tochtergesellschaften und nicht die Konzernobergesellschaft erwirtschaftet. Würden diese Gewinne konzernintern mittels Verrechnungspreise willentlich so allokiert, würde dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu gewinnsteuerlichen Aufrechnungen führen.</p>
<h3><strong>2.4 </strong><strong>Eigentumsgarantie (</strong><a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_26>)" target="_blank" rel="noopener"><strong>Art. 26 BV</strong></a><strong>)</strong><strong> </strong></h3>
<p>Im Einzelfall kann nebst einer Verletzung des verfassungsmässigen Gebots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch eine Verletzung der Eigentumsgarantie (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_26>)" target="_blank" rel="noopener">Art. 26 BV</a>) vorliegen. Die Institutsgarantie von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_26>)" target="_blank" rel="noopener">Art. 26 BV</a> bietet unter anderem einen Schutz gegen eine sog. konfiskatorische Besteuerung, d.h. die Aushöhlung des Privateigentums durch die Erhebung von Steuern und Kausalabgaben<a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10"><sup>10</sup></a> oder das Verunmöglichen der Neubildung von Vermögen<sup><a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11">11</a></sup>. Wo die Grenze zu einer konfiskatorischen Besteuerung liegt, kann nicht generell bestimmt werden und muss im Einzelfall unter Würdigung aller Umstände vorgenommen werden (u.a. Gesamtbelastung, relative Tiefe des Eingriffs, Dauer der Besteuerung, Möglichkeiten der Überwälzung).<a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12"><sup>12</sup></a> Durch die Kombination der ordentlichen Gewinnsteuer mit der Ergänzungssteuer unter der IIR sind im Einzelfall Steuerbelastungen von über 100% der selbst erwirtschafteten Gewinne denkbar.</p>
<h4><strong>Beispiel 1</strong></h4>
<p>Eine Schweizer Konzernobergesellschaft verfügt nebst Beteiligungen mit einem Buch- und Verkehrswert von CHF 500 Mio. über liquide Mittel von CHF 10 Mio. und erzielt einen Gewinn von CHF 10 Mio. (Steuersatz 20%). Eine der Tochtergesellschaften ist in einem Offshore-Staat angesiedelt und erzielt einen Gewinn von 60 Mio. Die Steuerlast der Konzernobergesellschaft beläuft sich auf CHF 2 Mio. Gewinnsteuer (10 Mio. x 20%) sowie CHF 9 Mio. Ergänzungssteuer (60 Mio. x 15%), was eine Steuerbelastung von 110% ergibt. Ihre vorhandenen liquiden Mittel reichen nicht zur Begleichung der Steuern.</p>
<p>Obwohl der Bundesrat mittels <a href="https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/70597.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 129a Abs. 3 eBV</a> eine Grundlage zur Abweichung verfassungsmässiger Grundsätze schaffen will, wird interessanterweise die Eigentumsgarantie nicht erwähnt («…abweichen von: den Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gemäss Artikel 127 Absatz 2…»). Gemäss Ansicht des Autors würde daher Beispiel 1 trotz geplanter Anpassung der Bundesverfassung verfassungswidrig sein.</p>
<h2>3. Statuswechsel per 1. Januar 2024</h2>
<h3><strong>3.1 </strong><strong>Ausgangslage </strong></h3>
<p>Gemäss Ansicht des Autors sind diese in Ziff. 2 illustrierten, steuersystematischen und verfassungsrechtlichen Kritikpunkte an der IIR aus Sicht der Schweiz umso stossender, wenn die Schweiz zukünftig extraterritorial stille Reserven und originären Mehrwert (Goodwill) von Konzerngesellschaften besteuern muss, die bereits vor dem 1. Januar 2024 (voraussichtliches<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13"><sup>13</sup></a> Datum Inkrafttreten IIR) geschaffen wurde. Sie gelten aus Sicht der IIR als «unversteuert». Die stillen Reserven und der Goodwill beziehen sich dabei nicht auf die Beteiligung an der ausländischen Konzerngesellschaft bzw. deren Beteiligungsbuchwert in der Konzernobergesellschaft, sondern auf das Geschäft in der ausländischen Konzerngesellschaft. Allfällige stille Reserven auf der Beteiligung werden vor und nach dem 1. Januar 2024 mit der ordentlichen Gewinnsteuer (vorbehältlich des Beteiligungsabzuges) erfasst.</p>
<h4><strong>Beispiel 2</strong></h4>
<p>Eine Schweizer Konzernobergesellschaft hat eine Tochtergesellschaft in einem Offshore-Staat, welche vor dem 1. Januar 2024 mittels eigenem Personal ein Patent geschaffen hat. Die Forschungs- und Entwicklungskosten beliefen sich auf CHF 5 Mio. und konnten im Offshore-Staat steuerlich nicht geltend gemacht werden. Im Jahr 2026 veräussert die Tochtergesellschaft das Patent für CHF 7 Mio. an einen Dritten. Da der Offshore-Staat weiterhin keine Gewinnsteuer erhebt, werden die realisierten stillen Reserven beim Verkauf des Patents durch die Schweiz über die IIR zu 15% besteuert.</p>
<p>Die Erhebung der IIR-Ergänzungssteuer auf zukünftig erwirtschafteten Gewinnen (zukünftige Wertschöpfung) mag im Lichte der globalen Rechtsentwicklung vielleicht noch vertretbar sein, da der Steuerpflichtige im Wissen um das Regelwerk seine wirtschaftliche Tätigkeit strukturieren kann. Die Erhebung erscheint jedoch stossend bei der Besteuerung von realisierten stillen Reserven und originärem Goodwill, welche historisch vor Inkrafttreten der IIR geschaffen wurden (historische Wertschöpfung). Der Steuerpflichtige konnte seine Geschäftstätigkeit nicht so strukturieren, dass die Kosten der Wertschöpfung steuerlich abzugsfähig waren. Er ist mit der dogmatisch problematischen Situation konfrontiert, dass die Kosten steuerunwirksam sind, die Erträge jedoch besteuert werden. De-facto handelt es sich hier um eine steuerliche Rückwirkung.</p>
<p>Die Einführung der IIR durch die Schweiz auf den 1. Januar 2024 führt in Bezug auf niedrig- oder nicht besteuerte, ausländische Konzerngesellschaften somit zu einem Statuswechsel, indem stille Reserven und originärer Goodwill von einer steuerfreien bzw. niedrig besteuerten, ausländischen Sphäre in eine durch die Schweiz im Umfang der Satzdifferenz zu max. 15% besteuerten (IIR-) Sphäre extraterritorialer Art überführt werden. In anderen Worten findet ein extraterritorialer, steuerlicher Statuswechsel statt. Ein solcher Statuswechsel ergibt sich nach 2024 bspw. auch dann, wenn ein Konzern bisher nicht von der globalen Mindeststeuer erfasst war und zukünftig durch die Überschreitung der Umsatzgrenze von EUR 750 Mio. (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 1.1.1 MR</a>) neu betroffen sein wird.</p>
<h3><strong>3.2 </strong><strong>Lösungsvorschlag </strong></h3>
<h4>3.2.1 STAF-Analogie</h4>
<p>In Analogie zur Abschaffung der kantonalen Steuerprivilegien (Holdingprivileg, Domizilprivileg) auf den 1. Januar 2020 infolge der Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) wäre es daher gedanklich nur folgerichtig, dass auch durch die Einführung der IIR ebenfalls ein Step-up auf diesen überführten stillen Reserven und dem originären Goodwill (sog. unversteuerte, historische Wertschöpfung) geltend gemacht werden könnte. Dies würde bedeuten, dass vor dem 1. Januar 2024 die Konzernobergesellschaft als Steuersubjekt der IIR allfällige stille Reserven und originärer Goodwill ohne Steuerfolgen aufdeckten und anschliessend ab dem 1. Januar 2024 als sog. versteuert geltende stille Reserven steuerwirksam abschreiben könnte.</p>
<p>Dies gilt selbstverständlich nur dann, wenn sicher oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die stillen Reserven bzw. der Goodwill im ausländischen Ansässigkeitsstaat der Konzerngesellschaft zukünftig nicht mit einer ordentlichen Gewinnsteuer von mind. 15% erfasst würden. Plant der Ansässigkeitsstaat die Einführung eines Gewinnsteuerregimes bzw. die Erhöhung der ordentlichen Gewinnsteuer auf mind. 15% (bspw. durch die Einführung einer «Qualified Domestic Minimum Top-up Tax», <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 5.2.3(d) MR</a>), würde ein solcher Step-up hinfällig.</p>
<h4>3.2.2 Praktische Relevanz</h4>
<p>Es stellt sich die Frage, ob durch das OECD-Projekt nicht sowieso alle Staaten ohne oder mit tiefer Gewinnsteuer ihre Sätze auf mind. 15% anheben werden und dadurch das Gedankenspiel dieses Aufsatzes bloss akademischer Natur ist. Der Autor ist anderer Ansicht, wie die folgenden illustrativen Praxisbeispiele zeigen:</p>
<ul>
<li>Die Vereinigte Arabische Emirate (VAE) hat grundsätzlich die Einführung einer Gewinnsteuer auf 2023/2024 angekündigt. Jedoch kennt die VAE Freihandelszonen<a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14"><sup>14</sup></a>, in welchen bei der Gründung von (Tochter-)Gesellschaften eine 50-jährige Steuerbefreiung zugesichert wurde. Die Steuerbehörden der VAE haben bereits angekündigt, dass diese Steuerbefreiung weiterhin Gültigkeit haben wird. In anderen Worten, Tochtergesellschaften werden in diesen Freihandelszonen weiterhin keine Gewinnsteuer zahlen. Diese Thematik könnte sich auch in anderen Staaten mit Freihandelszonen oder anderweitig zugesicherten Steuerbefreiungen (Tax Holidays) ergeben.</li>
<li>Im Nachgang zum BEPS-Projekt sowie zur Einführung des automatischen Informationsaustausches (AIA) hat sich gezeigt, dass gewisse Offshore-Staaten ohne etabliertes Steuersystem und funktionierende Steuerbehörden viele Jahre brauchten, um diese neuen internationalen Regeln überhaupt umzusetzen. Wenn selbst die Schweiz die globale Mindeststeuer zeitlich nur unter grösstem Druck und fachlichen Herausforderungen auf 2024 umsetzen kann, ist davon auszugehen, dass solche Offshore-Staaten viele Jahren brauchen werden.</li>
<li>Ein gesetzlicher Gewinnsteuersatz von 15% bedeutet nicht automatisch, dass eine Tochtergesellschaft auch unter den relevanten Modellregelungen einen effektiven Steuersatz von mind. 15% (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf">Art. 5.5.1 MR</a>) haben wird. Aufgrund der unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen (lokaler Steuer-GAAP vs. internationaler Rechnungslegungsstandart vs. GloBE-Bemessungsgrundlage) mit zum Teil divergierenden Regeln ist durchaus denkbar, dass eine Tochtergesellschaft regelmässig einen Satz von unter 15% haben wird (bspw. Verwendung von steuerlichen Verlustvorträgen ohne Aktivierung eines latenten Steuerguthabens unter <a href="https://www.iasplus.com/de/standards/ias/ias12">IAS 12</a>, Verbuchung von Wertveränderungen von Finanzinstrumenten via «Other Comprehensive Income OCI» unter <a href="https://www.iasplus.com/de/standards/ifrs/ifrs9">IFRS 9</a>).</li>
</ul>
<h4>3.2.3 Relevante Steuerart für Step-up</h4>
<p>Das Problem ist allerdings, dass dieser angedachte Step-up steuersystematisch bei der IIR geltend gemacht werden müsste, was in den Modellregelungen der OECD nicht vorgesehen bzw. erlaubt ist.</p>
<p>Der Autor bringt daher die Idee auf, ob dieser Step-up nicht bei der ordentlichen Gewinnsteuer der Konzernobergesellschaft geltend gemacht werden könnte (sog. «gewinnsteuerlicher GloBE-Step-up»). Mit anderen Worten: Die ordentlich geschuldete Gewinnsteuer der Konzernobergesellschaft müsste um denjenigen Betrag reduziert werden, den sie infolge Realisation von stillen Reserven oder originärem Goodwill der ausländischen Konzerngesellschaften, welche auf den 1. Januar 2024 überführt wurden, zusätzlich an Steuern über die IIR bezahlen müsste.</p>
<p>Es kommt dadurch systematisch zwar zu einer «Vermischung» der Gewinnsteuer und IIR, jedoch sprechen verschiedene Punkte dafür. Zuerst handelt es sich bei der IIR um eine Gewinnsteuer sui generis, d.h. es werden gleichartige Steuern «vermischt». Weiter könnte mit diesem gewinnsteuerlichen GloBE-Step-up die Verletzung verfassungsmässiger Grundsätze (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_26" target="_blank" rel="noopener">Art. 26 BV</a>, <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_127" target="_blank" rel="noopener">Art. 127 Abs. 2 BV</a>)<a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15"><sup>15</sup></a> wenigstens teilweise geheilt werden, indem die verfassungsrechtlich unzulässige Mehrbesteuerung partiell gemildert wird. Auch würden die für das Schweizer Steuerrecht grundlegende Prämisse des Konnexes<sup><a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16">16</a></sup> und das Narrativ der Entitätsbesteuerung<sup><a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17">17</a></sup> wenigstens teilweise wiederhergestellt. Schliesslich gilt es zu bedenken, dass gestützt auf <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_61_a" target="_blank" rel="noopener">Art. 61a DBG</a> bzw. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_24_c" target="_blank" rel="noopener">Art. 24c StHG</a> bei einer «echten» Überführung der stillen Reserven und des Goodwills mittels Sitzverlegung bzw. Verschiebung des Betriebs, Funktionen oder Vermögenswerten in die ordentliche Gewinnsteuerbesteuerung der Schweiz ebenfalls ein Step-up geltend gemacht werden könnte.</p>
<h2>4. Ausgestaltung GloBE-Step-up infolge Statuswechsel</h2>
<h3>4.1 Vorschlag Gesetzeswortlaut</h3>
<p>Da nach dem Willen des Bundesrates die Erhebung und Verwendung der Mindeststeuer ausschliesslich in den Kompetenzbereich der Kantone fallen soll (gegebenenfalls andere Beurteilung nach Abschluss der Vernehmlassung), müsste der gewinnsteuerliche GloBE-Step-up bei den Staats- und Gemeindesteuern und nicht bei der Direkten Bundessteuer gewährt werden. Da es sich um eine steuerliche Korrekturvorschrift handeln und durch die rein steuerbilanzielle Abschreibung des Step-ups vom Massgeblichkeitsprinzip abgewichen würde, müsste wohl im StHG eine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen werden.</p>
<p>Allerdings könnte berechtigterweise auch die Meinung vertreten werden, dass dieser Step-up keine neue gesetzliche Grundlage im StHG bräuchte, da in der Vergangenheit der altrechtliche STAF-Step-up ebenfalls keine explizite Grundlage hatte. Im Rahmen der Abschaffung der Privilegien per Ende 2019 bzw. bei einem früheren freiwilligen Austritt aus den Privilegien haben verschiedene Kantone den Step-up lediglich basierend auf Verwaltungsanweisungen gewährt (Appenzell-Ausserhoden, Basel-Stadt, Bern, Graubünden, Obwalden, St. Gallen, Schwyz, Thurgau)<a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18"><sup>18</sup></a> und wohl mit der reinen Sachlogik begründet. Im Rahmen von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_78_g" target="_blank" rel="noopener">Art. 78g StHG</a>, welcher per 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, wurde diese Praxis allerdings (wenn auch nur nachträglich) ins StHG überführt.</p>
<p>Soweit man das StHG effektiv anpassen würde, müsste thematisch gemäss hier vertretener Auffassung <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_25" target="_blank" rel="noopener">Art. 25 Abs. 1 StHG</a> um einen neuen lit. g ergänzt werden:</p>
<blockquote>Art. 25 Aufwand<br />1 Zum geschäftsmässig begründeten Aufwand gehören auch:<br /><br />[…] <br /><br />g. Auf jährlichen Antrag der steuerpflichtigen Person: Abschreibung von auf den 1. Januar 2024 oder einen späteren Zeitpunkt (relevanter Zeitpunkt) bei der steuerpflichtigen Person ohne Gewinnsteuer aufgedeckten stillen Reserven und selbst geschaffenen Mehrwert von direkt oder indirekt gehaltenen, ausländischen Tochtergesellschaften, Betriebsstätten und Geschäftsbetrieben, die infolge Realisation im Ausland bei der steuerpflichtigen Person im Inland einer Ergänzungssteuer auf Basis der Income Inclusion Rule unterliegen oder voraussichtlich unterliegen werden. Der Maximalbetrag der Aufdeckung ergibt sich durch die Multiplikation der stillen Reserven einschliesslich des selbst geschaffenen Mehrwertes im relevanten Zeitpunkt mit dem durchschnittlich erwarteten Ergänzungssteuersatz der Income Inclusion Rule auf den Gewinnen der direkt oder indirekt gehaltenen, ausländischen Tochtergesellschaften, Betriebsstätten und Geschäftsbetrieben und der anschliessenden Division mit dem erwarteten, effektiven Gewinnsteuersatz (Staats- und Gemeindesteuern) der steuerpflichtigen Person.</blockquote>
<h3>4.2 Elemente des Gesetzeswortlauts</h3>
<h4>4.2.1 Auf Antrag</h4>
<p>Der GloBE-Step-up müsste aus Sicht der steuerpflichtigen Person als Wahlrecht ausgestaltet sein («Auf jährlichen Antrag der steuerpflichtigen Person…»), da die Abschreibung der aufgedeckten stillen Reserven und des Goodwills in den Folgejahren zu einer Reduktion der ordentlichen Gewinnsteuer führen würde. Die ordentliche Gewinnsteuer qualifiziert als massgebende Steuer («covered taxes», <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 4.2.1(a) MR</a>) für die Ermittlung des GloBE-Steuersatzes. Eine tiefere Gewinnsteuer könnte im Einzelfall zur Folge haben, dass der Konzern auf aggregierter Basis in der Schweiz einen Steuersatz von unter 15% hätte und daher anstelle der inländischen IIR bei den ausländischen Konzerngesellschaften die Undertaxed Payment Rule (kurz «UTPR») greifen würde. Aus Sicht Schweizer Konzerne gilt es dies allein schon aus administrativen Gründen zu vermeiden. Das Wahlrecht sollte der steuerpflichtigen Person jährlich zustehen, da aufgrund des Zusammenspiels des innerstaatlichen Massgeblichkeitsprinzips und der GloBE-Bemessungsgrundlage je nach Branche der relevante Steuersatz materiellen Schwankungen unterliegen könnte. Die steuerpflichtige Person würde daher vom Wahlrecht nur dann und nur in dem Umfang Gebrauch machen, als dass sie noch «Luft» beim effektiven Steuersatz hätte.</p>
<h4>4.2.2 Zeitpunkt</h4>
<p>Systematisch müsste die Aufdeckung in temporaler Hinsicht eine «logische Sekunde» vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der IIR in der Schweiz per 1. Januar 2024 oder einen späteren (relevanten) Zeitpunkt erfolgen. Mit dem Wortlaut «einen späteren Zeitpunkt» sollen Fälle erfasst werden, in welchen ein Konzern infolge Überschreitung der relevanten Umsatzgrenze von EUR 750 Mio. erst später von der globalen Mindeststeuer erfasst oder ausländische Gesellschaften erwerben würde, die bisher nicht von der Mindeststeuer erfasst waren.</p>
<h4>4.2.3 Überführungsobjekt</h4>
<p>Die Aufdeckung müsste sich auf stille Reserven und originären Goodwill («…stillen Reserven und selbst geschaffenen Mehrwert…») beziehen, welche im relevanten Zeitpunkt<sup><a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19">19</a></sup> bereits vorhanden waren (unversteuerte, historische Wertschöpfung). Im Fokus stehen dabei nicht nur stille Reserven und Goodwill von direkt oder indirekt gehaltenen ausländische Tochtergesellschaften, sondern auch Betriebsstätten und Geschäftsbetriebe («…von direkt oder indirekt gehaltenen ausländischen Tochtergesellschaften, Betriebsstätten und Geschäftsbetrieben…»). Die Aufdeckung würde jedoch durch die im Inland steuerpflichtige Person vorgenommen werden («…bei der steuerpflichtigen Person…»), was aufgrund der Modelregelungen typischerweise die Konzernobergesellschaft wäre (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 2.1.1 MR</a>).</p>
<h4>4.2.4 Bewertungsmethodik</h4>
<p>Die stillen Reserven und der originäre Goodwill würden allerdings methodisch leicht anders als im Rahmen des STAF-Step-ups ermittelt werden.</p>
<p>Bei der Abschaffung der kantonalen Steuerprivilegien wurden das Aufdeckungssubstrat ermittelt in der Differenz zwischen dem Verkehrswert (auf Basis eines beobachtbaren Marktwertes oder etablierter Bewertungsmethoden, bspw. DFC oder Multiples) und dem gewinnsteuerlichen Buchwert. Dieser Buchwert entsprach gemäss Massgeblichkeitsprinzip dem handelsrechtlichen Buchwert (Rechnungslegung gemäss Obligationenrecht), korrigiert um allfällige vergangenheitsbezogene steuerliche Berichtigungen (Gewinnsteuerwert). Weiter gab es je nach Kanton Sondervorschriften in Bezug auf qualifizierte Beteiligungen, welche von der Aufdeckungslösung ausgenommen waren.<sup><a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20">20</a></sup> Da sich die mit den stillen Reserven behafteten Vermögenswerte allerdings häufig sehr lange in der privilegierten Sphäre (bspw. Holdingprivileg) befanden, waren in der Praxis die steuerlichen Korrekturvorschriften meist kaum relevant.</p>
<p>In Bezug auf den gewinnsteuerlichen GloBE-Step-up würde sich der Wert des Aufdeckungssubstrats aus der Differenz zwischen dem Verkehrswert und dem steuerlichen Buchwert gemäss Modellregelungen (GloBE-Wert) ergeben. Dieser Buchwert entspräche gemäss dem «GloBE-Massgeblichkeitsprinzip» dem bilanziellen Wert gemäss internationalem Rechnungslegungsstandard (bspw. Property, plant and equipment [<a href="https://www.iasplus.com/de/standards/ias/ias16" target="_blank" rel="noopener">IAS 16]</a>, Impairment of assets [<a href="https://www.iasplus.com/de/standards/ias/ias36" target="_blank" rel="noopener">IAS 36]</a>, Intangible assets [<a href="https://www.iasplus.com/de/standards/ias/ias38$" target="_blank" rel="noopener">IAS 38]</a>, Financial instruments [<a href="https://www.iasplus.com/de/standards/ias/ias7" target="_blank" rel="noopener">IFRS 7/9]</a>), korrigiert um allfällige zukünftige Steuerausnahmen unter den Modellregeln (insb. <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 3.2.1 MR</a>). Diese steuerlichen Korrekturvorschriften sind jedoch sehr limitiert.</p>
<p>Die nachfolgende Tabelle fasst das Gesagte summarisch zusammen.<img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/2rLosDc5l8exr6lsslQtqT/24ba00c40bce07c4bd887c4dcac0b6f0/_Band_2-2022_Grafik1.png" alt="Tabelle im zsis-Artikel von Thomas Hug zum Thema "Extraterritorialer Statuswechsel durch Einführung der Income Inclusion Role". " width="940" height="437" /></p>
<p>Die internationalen Rechnungslegungsstandards verfolgen zwar einen «True-and-Fair-View»-Ansatz, was allerdings nicht bedeutet, dass die relevanten Vermögenswerte immer zwingend zum Verkehrswert (fair value) bilanziert sind, was im Ergebnis einen Step-up von CHF 0 zur Folge hätte.. Unter IFRS darf bspw. originär erschaffener Goodwill nicht aktiviert werden (<a href="https://www.iasplus.com/de/standards/ias/ias38" target="_blank" rel="noopener">IAS 38.48</a>; «internally generated goodwill») oder Vermögenswerte werden bei Anwendung des sehr verbreiteten «cost model» (<a href="https://www.iasplus.com/de/standards/ias/ias16" target="_blank" rel="noopener">IAS 16.30</a>) anstelle des «revaluation model» (<a href="https://www.iasplus.com/de/standards/ias/ias16" target="_blank" rel="noopener">IAS 16.31 ff.</a>) zu den historischen Anschaffungskosten abzüglich Abschreibung bilanziert.</p>
<h4>4.2.5 Satzadjustierung des ermittelten Wertes</h4>
<p>Die relevante Abschreibungsbasis<a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21"><sup>21</sup></a> des Überführungsobjekts<a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22"><sup>22</sup></a> müsste sodann satzadjustiert werden. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Besteuerung der stillen Reserven und des Goodwills bei der IIR im Umfang des Ergänzungssteuersatzes (15% abzügl. effektiver Satz, <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 5.2.1 MR</a>), die Abschreibung des Step-ups bei der ordentlichen Gewinnsteuer jedoch zum normalen Satz erfolgt. Zur Illustration wird auf Beispiel 3 verwiesen. Könnte die Abschreibung ohne Satzadjustierung vollumfänglich geltend gemacht werden, würde es fiskalisch betrachtet zu einer Überabschreibung kommen.</p>
<h4><strong>Beispiel 3</strong></h4>
<p>Eine Schweizer Konzernobergesellschaft unterliegt auf Stufe Kanton und Gemeinde einem effektiven Steuersatz von 13.8%<a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23"><sup>23</sup></a>, die relevanten stillen Reserven von 300 werden bei der IIR mit einem Ergänzungssatz von 10% erfasst. Die satzadjustierten stillen Reserven belaufen sich auf 300 x 10% / 13.8% = 217.<img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/2ypvv8EcTDoy1J4BwZRltH/84a605c0a19be18c42466eae448a8791/_Band_2-2022_Grafik2.png" alt="Tabelle im zsis-Artikel von Thomas Hug mit einem Beispiel zur Satzadjustierung des ermittelten Wertes bei der Gewinnsteuer." width="940" height="197" /></p>
<p>Allenfalls müsste die relevante Abschreibungsbasis noch weiter reduziert werden, da die Modellregelungen bei der Bemessungsgrundlage auch eine substanzbasierte Reduktion («Substance-based Income Exclusion») auf Basis des Personalaufwandes und fiktiver Abschreibungen von materiellen Vermögenwerten vorsehen (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 5.3 MR</a>).</p><h4>4.2.6 Bedingung und Abschreibungsmethodik</h4>
<p>Diese Aufdeckung könnte sich nur auf stille Reserven und originären Goodwill<a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24"><sup>24</sup></a> beziehen, die bei einer zukünftigen Realisation im Ausland durch die IIR im Inland erfasst würden («…infolge Realisation im Ausland bei der steuerpflichtigen Person im Inland einer Ergänzungssteuer auf Basis der Income Inclusion Rule unterliegen…»). Dies könnte entweder dem Umstand geschuldet sein, dass der ausländische Staat keine bzw. eine zu tiefe Gewinnsteuer erhebt oder die ausländische Konzerngesellschaft aufgrund der neuen Bemessungsgrundlage trotz einem gesetzlichen Satz von über 15% den Mindeststeuersatz nicht erreichen würde. In Bezug auf die Abschreibung der aufgedeckten stillen Reserven und des Goodwills wären zwei Varianten denkbar:</p>
<ul>
<li>Variante direkte Verknüpfung mit unstetiger Abschreibung: Die gewinnsteuerliche Abschreibung würde erst und nur in dem Umfang möglich sein, als dass die relevanten stillen Reserven oder der Goodwill effektiv mit der IIR erfasst würden («… einer Ergänzungssteuer […] unterliegen…»). Verfahrensrechtlich bedeutet dies, dass die ordentliche Gewinnsteuer erst nach der definitiven Veranlagung der IIR erfolgen dürfte. Diese Variante ist aus praktischen Überlegungen dann adäquat, wenn die Steuerbelastung der ausländischen Tochtergesellschaft Schwankungen unterliegt (bspw. je nach Jahr unter bzw. über 15%).</li>
<li>Variante indirekte Verknüpfung mit stetiger Abschreibung: Soweit sicher oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen wäre («… einer Ergänzungssteuer […] voraussichtlich unterliegen werden…»), dass die Realisation nicht zu mindestens 15% erfolgen wird, könnte die Abschreibung in Anlehnung an <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_24" target="_blank" rel="noopener">Art. 24c Abs. 3 und 4 StHG</a> linear, degressiv oder auch dynamisch über einen gewissen Zeitraum erfolgen.</li>
</ul>
<h2>5. Frage der OECD-Konformität</h2>
<h3><strong>5.1 </strong><strong>Konzeptkonformität </strong></h3>
<p>Abschliessend stellt sich die Frage, ob dieses Gedankenspiel zur Einführung eines gewinnsteuerlichen GloBE-Step-ups überhaupt OECD-konform wäre.</p>
<h4>5.1.1 Gewinnsteuerliche Ausgestaltungskompetenz</h4>
<p>Gemäss hier vertretener Auffassung hat die OECD über die Modellregelung keine direkte Kompetenz zur Ausgestaltung der unilateralen (schweizerischen) Gewinnsteuer, wohl aber eine indirekte. Die OECD kann dem jeweiligen Staat nicht direkt vorschreiben, wie die Bemessungsgrundlage der Gewinnsteuer ausgestattet sein muss oder welche Steuerprivilegien gewährt werden. Die Regeln haben nicht den Charakter von völkerrechtlichen Verträgen, welche dem nationalen Recht vorgehen («treaty overriding»). Je enger die Bemessungsgrundlage ist und je mehr Steuerprivilegien gewährt werden, desto tiefer ist allerdings die geschuldete Gewinnsteuer. Diese wird wiederum als massgebliche Steuer («covered taxes») bei der Berechnung des effektiven Steuersatzes berücksichtigt (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 5.1 MR</a>). Ist dieser Satz unter 15%, greift die Modellregelung allerdings indirekt in das unilaterale Gewinnsteuersystem ein, als dass ein oder mehrere andere Staaten auf Basis der IIR oder der UTPR eine Ergänzungssteuer erheben dürfen. Das Gedankenspiel des GloBE-Step-ups führt zu einer Reduktion der Bemessungsgrundlage der ordentlichen Gewinnsteuer auf Stufe der Kantone und Gemeinden, was aufgrund des Gesagten OECD-konform ist. Solange der Konzern in der Schweiz auf aggregierter Basis (alle relevanten Konzerngesellschaften zusammen) weiterhin den Mindestsatz von 15% erreicht (wobei die ordentliche Gewinnsteuer im Zähler berücksichtigt wird), funktioniert das Gedankenspiel. Gerade in Kantonen mit einem relativ hohen Steuersatz wie bspw. Zürich (19.7%) und Bern (21.05%) sollte dies bei den betroffenen Konzernen mit Hauptsitz in der Schweiz zu einer relevanten (Gesamt-) Steuerentlastung führen.</p>
<h4>5.1.2 Qualifikation als «Refundable Tax Credit»?</h4>
<p>Die OECD adressiert in ihren Modellregelungen das unilaterale Instrument eines «Refundable Tax Credits». Es handelt sich hierbei um einen bedingten Cash-Zuschuss<a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25"><sup>25</sup></a> des jeweiligen Staates im Sinne einer Steuergutschrift, welche typischerweise unter den internationalen Rechnungslegungsstandards<a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26"><sup>26</sup></a> als Reduktion der ordentlichen Gewinnsteuer gebucht wird (bspw. F&E-Credits in angelsächsischen Ländern<a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27"><sup>27</sup></a>). Soweit die jeweilige Konzerngesellschaft die unilateralen Voraussetzungen erfüllt und die Auszahlung innerhalb von vier Jahren erfolgt, qualifiziert der Zuschuss als «Qualified Refundable Tax Credit» (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 10.1.1 MR</a>).<a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28"><sup>28</sup></a> Dies hat zur Folge, dass dieser Tax Credit korrigierend berücksichtigt wird (Erhöhung effektiver Steuersatz, <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 4.1.2(d) MR</a>).</p>
<p>Gemäss Ansicht des Autors fällt der gewinnsteuerliche GloBE-Step-up ganz grundsätzlich nicht unter den Begriff des «Refundable Tax Credit», da dieser lediglich eine Reduktion der Bemessungsgrundlage und nicht eine Reduktion der geschuldeten Gewinnsteuer durch die Anrechnung eines Tax Credits zu Folge hat. Dies mag zwar unerfreulich sein, gerade in Bezug auf Konzerne mit Hauptsitz in Niedrigsteuerkantonen (bereits (zu) tiefe effektive Steuerbelastung wird durch Abschreibung des Step-ups weiter reduziert und kann unter den Modellregelungen nicht korrigiert werden), hat aber nicht zur Folge, dass der Step-up in seiner Konzeption per se unzulässig wäre.</p>
<h4>5.1.3 Missbrauchsklausel (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 9.1.3 MR</a>)</h4>
<p>Weiter fällt der gewinnsteuerliche Step-up gemäss hier vertretener Auffassung auch nicht unter die Missbrauchsklausel von <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 9.1.3 MR</a>, da kein «transfer of assets» stattfindet. Dieser Artikel zielt auf Konstellationen ab, in welchen zwischen dem 30. November 2021 (Datum Publikation Modellregelung) und dem Inkrafttreten innerhalb des Konzerns Vermögenswerte (zum Verkehrswert) verschoben werden und dadurch beim Verkäufer steuerwirksames Abschreibungssubstrat geschaffen wird.<a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29"><sup>29</sup></a> Dadurch soll verhindert werden, dass die Steuerquote willentlich beeinflusst wird.</p>
<h4>5.1.4 Risiko einer fehlenden Anerkennung der IIR?</h4>
<p>Das geplante Regelwerk der OECD basiert auf einem Zusammenspiel zwischen der IIR und der UTPR. Nur soweit der Staat der obersten Konzerngesellschaft (bzw. einer Zwischengesellschaft) keine Ergänzungssteuer auf Basis einer «Qualified IIR» erhebt, dürfen die Ansässigkeitsstaaten der übrigen Konzerngesellschaften eine Ergänzungssteuer auf Basis der UTPR erheben (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 2.5.2 MR</a>). Eine Bedingung für die Anerkennung der Schweizer IIR als «qualified» durch das Ausland ist, dass die Schweiz keine Vorteile mit Bezug auf diese Ergänzungssteuer gewährt («…such jurisdiction does not provide any benefits that are related to such rules…») (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 10.1.1 MR</a>). Der Ausdruck «benefit» wird dabei im Kommentar sehr breit definiert und umfasst u.a. steuerliche Anreize, Zuschüsse und Subventionen, welche einen direkten Konnex zur IIR bzw. UTPR haben.<sup><a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30">30</a></sup></p>
<p>Diese genannte Regelung könnte sich als nicht überwindbare Hürde für die Einführung eines GloBE-Step-ups herausstellen, wenn man sie streng auslegt. Allerdings würden damit de-facto sämtliche Entlastungsmassnahmen für betroffene internationale Konzerne in der Schweiz verunmöglicht werden. Gemäss Ansicht des Autors verfügt die OECD gar nicht über die notwendige direkte Kompetenz, in die Ausgestaltung der Schweizer Gewinnsteuer bzw. generell das innerstaatliche Steuersystem einzugreifen (siehe Ziff. 5.1.1). Es ist rechtsstaatlich hoch bedenklich, wenn durch ein paar Zeilen in einem Kommentar, geschrieben durch OECD-Technokraten, faktisch der internationale Steuerwettbewerb über Entlastungsmassnahmen verhindert wird. Weiter würde es sich beim hier andiskutierten Step-up nicht um eine systematische und umfassende Entlastung der betroffenen Konzerne handeln (bspw. durch die vollständige Anrechnung der bezahlten Ergänzungssteuer an die Arbeitgeberbeiträge der AHV), sondern vielmehr um eine zeitlich begrenzte, sehr punktuelle und individuelle Übergangsregelung bei einzelnen Konzernen. Es muss sich zeigen, ob die Anerkennung der Schweizer IIR als «qualified» auf Stufe der Schweiz oder Stufe eines einzelnen Konzerns erfolgt und wie streng dieser Abschnitt in den Modelregelungen durch die ausländischen Staaten in der Praxis effektiv ausgelegt wird.</p>
<p>Alternativ könnte auch darüber nachgedacht werden, ob dieser Step-up lediglich als eine Schattenrechnung geführt wird und der daraus resultierende Steuervorteil letztlich in der Form eines (zulässigen) «Refundable Tax Credit» gewährt wird.</p>
<h3><strong>5.2 </strong><strong>Unerwünschte GloBE-Rückkoppelung durch IAS12? </strong></h3>
<p>Soweit ein solcher Step-up zur Anwendung kommen würde, stellt sich die Frage, wie dieser in Bezug auf latente Steuern unter dem relevanten internationalen Rechnungslegungsstandard abgebildet werden müsste. Dies ist sodann wieder relevant für die Bestimmung des anwendbaren Steuersatzes unter den Modellregelungen. Nebst laufenden Steuern («current taxes», vereinfacht: bezahlte bzw. abgegrenzte tatsächliche Cash-Steuern) gelten grundsätzlich auch latente Steuern («deferred taxes», vereinfacht: hypothetische, zukünftige Steuern) als massgebende Steuern («covered taxes»). Latente Steuern werden auf temporären Differenzen («temporary differences») zwischen dem IFRS-Buchwert und dem relevanten Steuerwert angesetzt (<a href="https://www.iasplus.com/de/standards/ias/ias12" target="_blank" rel="noopener">IAS 12.5</a>).</p>
<h4>5.2.1 Latente IIR-Steuerverbindlichkeiten bei ausländischen Tochtergesellschaften</h4>
<p>Da stille Reserven ausländischer Tochtergesellschaften bei der zukünftigen Realisation auf Basis der IIR mittels einer Ergänzungssteuer erfasst werden, muss gemäss Meinung des Autors auf der temporären Bewertungsdifferenz («taxable temporary differences») zwischen IFRS (nicht zwingend Verkehrswert)<a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31"><sup>31</sup></a> und dem steuerlichen GloBE-Buchwert eine latente Steuerverbindlichkeit<a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32"><sup>32</sup></a> («deferred tax liability») gebucht werden. Diese allfällige Differenz zwischen IFRS und GloBE wäre ausschliesslich durch die Steuerausnahmen gemäss Modellregelungen getrieben und sehr limitiert, weshalb wohl in der Praxis mangels (temporärer) Bewertungsdifferenz kaum latente Steuern angesetzt werden müssten. Falls doch, sind diese gemäss <a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 4.2.2(a) MR</a> keine massgebenden Steuern («covered taxes»).</p>
<h4>5.2.2 Latentes Steuerguthaben bei Konzernobergesellschaft</h4>
<p>Durch den gewinnsteuerlichen GloBE-Step-up hat die Konzernobergesellschaft zukünftig abzugsfähige temporäre Differenzen («deductible temporary differences»), weshalb hierauf grundsätzlich ein latentes Steuerguthaben («deferred tax asset») angesetzt werden müsste. Voraussetzung ist, dass bei der Gesellschaft «wahrscheinlich […] ein zu versteuerndes Ergebnis verfügbar sein wird» (<a href="https://www.iasplus.com/de/standards/ias/ias12" target="_blank" rel="noopener">IAS 12.24</a>). In der Praxis bedeutet dies, dass die Gesellschaft mittels Budgetzahlen das Ergebnis der zukünftigen Jahre projizieren und den Wert dieser Abschreibungen (im Sinne der effektiv nutzbaren Abschreibungen) bestimmen müsste. Gerade bei Anwendung der oben beschriebenen Variante «direkte Verknüpfung mit unstetiger Abschreibung»<a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33"><sup>33</sup></a>, bei welcher die Abschreibung von der definitiven Erhebung der IIR abhängt, ist die Bestimmung des Wertes sehr schwierig. Die jährliche steuerbilanzielle Abschreibung ist nicht fix und abhängig von schwer zu projizierbaren Faktoren. Es wird deshalb an der von <a href="https://www.iasplus.com/de/standards/ias/ias12" target="_blank" rel="noopener">IAS 12.24</a> geforderten Wahrscheinlichkeit (probable) fehlen, weshalb eher kein latentes Steuerguthaben angesetzt werden kann. Sofern ein solches angesetzt würde, sind folgende Punkte zu beachten:</p>
<ul>
<li>Erstmalige Ansetzung bzw. Erhöhung führt zu einem Steuerertrag (bzw. reduziertem Steueraufwand; Buchungssatz: Latentes Steuerguthaben / Steueraufwand), welcher gemäss Ansicht des Autors als massgebende Steuer («covered taxes») berücksichtigt werden muss (<a href="https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf" target="_blank" rel="noopener">Art. 4.4.1 MR</a> e contrario).</li>
<li>Reduktion durch effektive Nutzung (was mit einer Reduktion der laufenden Cash-Steuern einhergeht) führt zu einem Steueraufwand (Buchungssatz: Steueraufwand / latentes Steuerguthaben), welcher wiederum als massgebende Steuer («covered taxes») berücksichtigt wird.</li>
</ul>
<p>In anderen Worten führt die Aktivierung eines latenten Steuerguthabens und die nachfolgende Reduktion im Rahmen der Nutzung lediglich dazu, dass der Steuernutzen einmalig (im vollen Umfang) und nicht pro Steuerperiode (im Umfang des jährlichen Nutzens) gezeigt wird. Dies muss selbstverständlich bei der Ermittlung des effektiven Steuersatzes bei der IIR reflektiert werden.</p>
<h4><strong>Beispiel 4</strong></h4>
<p>Einer Schweizer Konzernobergesellschaft wird ein gewinnsteuerliche GloBE-Step-up von 500 gewährt mit einer linearen Abschreibung über zwei Jahre. Der Gewinnsteuersatz ist 20%.</p>
<p>Variante 1 – Aktivierung latentes Steuerguthaben<img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/4bjikk8QKnfUdc3foru3Hp/2aaee8228d38938da4e7c733ccfbfaf5/_Band_2-2022_Grafik3.png" alt="Tabelle im zsis-Artikel von Thomas Hug mit einem Beispiel einer Schweizer Konzernobergesellschaft, der ein gewinnsteuerlicher GloBE-Step-up von 500 mit einer linearen Abschreibung über zwei Jahre gewährt wird." width="940" height="225" /></p>
<p>Variante 2 – keine Aktivierung<img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/2DgHkWJ6njog1pkQsNSZWJ/edea77ef245688dc18cb981898229701/_Band_2-2022_Grafik4.png" alt="Tabelle im zsis-Artikel von Thomas Hug mit einem Beispiel einer Schweizer Konzernobergesellschaft, der ein gewinnsteuerlicher GloBE-Step-up von 500 mit einer linearen Abschreibung über zwei Jahre gewährt wird." width="940" height="225" /></p>
<h2>6. Fazit</h2>
<p>Die globale Mindeststeuer wird ab dem 1. Januar 2024 Realität und die Schweiz kann sich dieser aufgrund der fiskalischen «Genialität» des OECD-Regelwerkes nur schlecht entziehen. Warum den anderen geben (UTPR), was man selbst kriegen kann (IIR)? Gemäss Ansicht des Autors verletzt allerdings gerade die IIR verschiedene steuersystematische und verfassungsmässige Grundsätze der Schweiz. Mittels des Gedankenspiels eines gewinnsteuerlichen GloBE-Step-ups auf Basis eines neuen <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1256_1256_1256/de#art_25" target="_blank" rel="noopener">Art. 25 Abs. 1 lit. g StHG</a> könnte die Verletzung dieser Grundsätze wenigstens teilweise geheilt werden. Es bedarf eines politischen Diskurses, ob die geplante Mindesteuer in den einzelnen Kantonen zu einem Projekt zur Erhöhung der Fiskaleinnahmen oder aus Sicht der Standortattraktivität zu einem Projekt des rechtlich Erlaubten (OECD Modellregelungen) bzw. Notwendigen (Verletzung von Grundprinzipien der Schweizer Rechtsordnung) werden soll. Der Bundesrat wenigstens wünscht sich in der <a href="https://www.efd.admin.ch/efd/de/home/das-efd/nsb-news_list.msg-id-87569.html" target="_blank" rel="noopener">Pressemitteilung vom 11. März 2022</a>, dass allfällige Mehreinnahmen Spielraum schaffen, «um die Standortattraktivität zu erhöhen».</p>
<p>Die Idee des gewinnsteuerlichen GloBE-Step-ups wurde anlässlich des 2. Symposium zur Implementierung der globalen Mindeststeuer in der Schweiz vom 23. März 2022 an der Universität St. Gallen präsentiert. Der Autor dankt folgenden Personen für ihre wertvollen Inputs und Diskussionen:</p>
<ul>
<li>Dr. Peter Brülisauer, dipl. Steuerexperte, Partner, MME Legal | Tax | Compliance;</li>
<li>Dr. Jan Weissbrodt, Schweizerische Bankiervereinigung</li>
</ul></article>
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