Die Umsetzung des Bundesgesetzes über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) im Kanton Bern
Gestützt auf das vom Bundesparlament am 17. Juni 2016 verabschiedete Unternehmenssteuerreformgesetz III (USR III) hat sich der Berner Regierungsrat Ende November 2016 inhaltlich zur USR III sowie den möglichen Auswirkungen auf den Kanton Bern und die vorläufige Positionierung des Kantons Bern im interkantonalen Steuerwettbewerb geäussert. Im Interesse des Wirtschaftsstandortes Bern beabsichtigte der Regierungsrat die Aufhebung der kantonalen Steuerprivilegien und den damit verbundenen Übergang in die ordentliche Besteuerung im Rahmen der Steuergesetzrevision 2019 mit Ersatzmassnahmen abzufedern. So war vorgesehen, die maximale Gewinnsteuerbelastung von 21.64% in zwei Schritten zu senken; nämlich im Jahr 2019 auf 20.20% und dann im Jahr 2020 auf 18.71%. Weitere Senkungen des Gewinnsteuersatzes hätten dann mit der Steuergesetzrevision 2021 erfolgen sollen. Zudem war im Rahmen der Steuergesetzrevision 2019 auch der Senkung des massgebenden Kapitalsteuersatzes vorgesehen.
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Im Kanton Bern wurden die Vorgaben des Bundesgesetzes über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) im Rahmen der sog. Steuergesetzrevision 2021 in das kantonale Steuergesetz eingeführt. Nachdem der Grosse Rat des Kantons Bern die Steuergesetzrevision 2021 in der Wintersession 2019 in erster Lesung behandelt hat, wurde diese dann in der Frühlingssession 2020 in zweiter und finaler Lesung beschlossen. Die Referendumsfrist ist am 1. Juli 2020 ungenutzt abgelaufen. Somit sind die Massnahmen der STAF im Kanton Bern rückwirkend per 1. Januar 2020 in Kraft getreten.
Im Unterschied zu vielen anderen Kantonen wird der Gewinnsteuersatz im Kanton Bern nicht reduziert. Mit einer maximalen Gewinnsteuerbelastung von über 21% liegt die Gewinnsteuerbelastung rund 8% über dem zukünftig erwarteten schweizerischen Durchschnitt. Um einen Wegzug der Unternehmen in angrenzende steuergünstigere Kantone zu verhindern, wurden die den Kantonen eingeräumten Gestaltungsspielräume im Zusammenhang mit der Einführung der STAF im Kanton Bern maximal ausgeschöpft.
Der Statuswechsel von der privilegierten zur ordentlichen Besteuerung kann im Kanton Bern mittels der Aufdeckungslösung (sog. altrechtlicher Step-up) oder aber mittels der Sondersatzlösung (sog. neurechtlicher Step-up) erfolgen. Weicht das Geschäftsjahr eines Unternehmens vom Kalenderjahr ab, so besteht die Möglichkeit, mittels eines Zwischenabschlusses per 31. Dezember 2019 bis zu diesem Zeitpunkt die privilegierte Besteuerung in Anspruch zu nehmen.
Die im Rahmen der Aufdeckungslösung aufgedeckten stillen Reserven müssen innert maximal zehn Jahren abgeschrieben werden. Der Sondersatz (einfache Gewinnsteuer), zu dem die realisierten stillen Reserven künftig besteuert werden, beträgt 0.5%. Gemäss Auskunft der Steuerverwaltung des Kantons Bern kann auf Antrag einer steuerpflichtigen Person auch eine Kombinationslösung angewandt werden. Während den ersten fünf Jahren kann die Sondersatzlösung geltend gemacht werden. Anschliessend findet während weiteren fünf Jahren die Aufdeckungslösung Anwendung.
Die qualifizierenden Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen können Unternehmen im Kanton Bern im maximalen Umfang von 150% in Abzug bringen. Bei Anwendung der Patentbox kann der Reingewinn aus Patenten und vergleichbaren Rechten zudem im maximalen Umfang von 90% entlastet werden. Für die im Rahmen des Boxeneintritts nachzubesteuernden Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen werden 70% der entsprechenden Aufwendungen der letzten zehn Geschäftsjahre unmittelbar beim Boxeneintritt nachbesteuert. Der für die Nachbesteuerung massgebende Gewinnsteuersatz (einfache Gewinnsteuer) beträgt 0.5%.
Für das Eigenkapital, welches auf qualifizierende Beteiligungsrechte, auf Patente und vergleichbare Rechte, die für die Patentbox qualifizieren sowie auf Darlehen an Konzerngesellschaften entfällt, kann im Kanton Bern keine Steuerermässigung geltend gemacht werden. Im Gegenzug wurde aber der ordentliche Kapitalsteuersatz von 0.3‰ auf 0.05‰ reduziert. Ferner kennt der Kanton Bern bereits seit der Steuerperiode 2011 die Anrechnung der Gewinnteuer an die Kapitalsteuer.
Im Kanton Bern wurde auch der Spielraum für die Festlegung der Entlastungsbegrenzung maximal ausgeschöpft. Somit unterliegt jeweils mindestens 30% des Reingewinnes vor Anwendung der STAF-Sonderregelungen der Gewinnsteuer.
Die Einkommenssteuerbelastung für Einkünfte aus qualifizierenden Beteiligungen des Privat- und auch des Geschäftsvermögens beträgt unverändert 50%. Geändert wurde lediglich das Entlastungsverfahren. Mit Einführung der STAF erfolgt die Entlastung zwingend mittels dem Teilbesteuerungsverfahren.
Zitiervorschlag:
Reto Arnold
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Die Umsetzung des Bundesgesetzes über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) im Kanton Bern
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<article class="rz"><h2>1. Hintergrund</h2>
<p>Gestützt auf das vom Bundesparlament am 17. Juni 2016 verabschiedete <a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20150049" target="_blank" rel="noopener">Unternehmenssteuerreformgesetz III (USR III)</a> hat sich der Berner Regierungsrat Ende November 2016 inhaltlich zur USR III sowie den möglichen Auswirkungen auf den Kanton Bern und die vorläufige Positionierung des Kantons Bern im interkantonalen Steuerwettbewerb geäussert. Im Interesse des Wirtschaftsstandortes Bern beabsichtigte der Regierungsrat die Aufhebung der kantonalen Steuerprivilegien und den damit verbundenen Übergang in die ordentliche Besteuerung im Rahmen der Steuergesetzrevision 2019 mit Ersatzmassnahmen abzufedern. So war vorgesehen, die maximale Gewinnsteuerbelastung von 21.64% in zwei Schritten zu senken; nämlich im Jahr 2019 auf 20.20% und dann im Jahr 2020 auf 18.71%. Weitere Senkungen des Gewinnsteuersatzes hätten dann mit der Steuergesetzrevision 2021 erfolgen sollen. Zudem war im Rahmen der Steuergesetzrevision 2019 auch der Senkung des massgebenden Kapitalsteuersatzes vorgesehen.</p>
<p>Bekanntlich hat das schweizerische Stimmvolk die USR III am 12. Februar 2017 mit deutlichem Mehr abgelehnt. Trotz Scheiterns der USR III musste die Schweiz aufgrund der Verpflichtung gestützt auf den sog. Unternehmenssteuerdialog mit der EU die privilegierten Steuerregimes abschaffen. Der Bundesrat hat deshalb umgehend mit der Ausarbeitung einer neuen Vorlage, der sog. «Steuervorlage 17» begonnen und bereits im März 2018 die Botschaft und den Gesetzesentwurf verabschiedet, die dann aufgrund der Verknüpfung mit der AHV-Sanierung in «Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung», kurz STAF, umbenannt wurde.</p>
<p>Am 25. November 2018 hat das Berner Stimmvolk die Steuergesetzrevision 2019 dann ebenfalls verworfen. Infolge der Ablehnung der Steuergesetzrevision 2019 konnten im Kanton Bern der Gewinn- und der Kapitalsteuersatz nicht wie beabsichtigt gesenkt werden. Gleichzeitig konnten mit der Ablehnung der Steuergesetzrevision 2019 aber auch diverse unumstrittene Änderungen, die ebenfalls vorgesehen waren, wie beispielsweise der Wechsel vom Teilsatzverfahren zum Teilbesteuerungsverfahren bei Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, nicht umgesetzt werden.</p>
<p>Nach der Ablehnung der Steuergesetzrevision 2019 durch das Berner Stimmvolk hat der Regierungsrat umgehend die kantonale Steuergesetzrevision 2021 initialisiert. Zentraler Punkt der Steuergesetzrevision 2021 ist die Umsetzung der STAF-Massnahmen in das <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">bernische Steuergesetz</a>. Daneben umfasst die Steuergesetzrevision 2021 auch die Umsetzung weiterer zwingender Vorgaben wie beispielsweise das <a href="https://www.admin.ch/opc/de/official-compilation/2018/1813.pdf" target="_blank" rel="noopener">Bundesgesetz vom 16. Dezember 2016 über die Revision der Quellenbesteuerung des Erwerbseinkommens</a>. Als Folge der Ablehnung der Steuergesetzrevision 2019 wurde in der Steuergesetzrevision 2021 auf die Senkung des Gewinnsteuersatzes verzichtet. Der Kanton Bern gehört damit zu den Kantonen mit der höchsten Gewinnsteuerbelastung für juristische Personen. Zur erwarteten durchschnittlichen schweizerischen Gewinnsteuerbelastung von rund 14% resultiert im Kanton Bern eine Mehrbelastung von über 8%.<a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1"><sup>01</sup></a> Die Positionierung im interkantonalen Steuerwettbewerb soll daher mit der Ausschöpfung des maximalen Handlungsspielraums der STAF-Massnahmen erfolgen.</p>
<p>Die Steuergesetzrevision 2021 wurde vom Grossen Rat in der Frühlingssession 2020 in zweiter Lesung final beschlossen. Das Referendum wurde nicht ergriffen und die STAF-Massnahmen sind damit im Kanton Bern rückwirkend per 1. Januar 2020 in Kraft getreten.</p>
<h2>2. Umsetzung der einzelnen Massnahmen im Kanton Bern</h2>
<p>Nachfolgend wird die basierend auf den Vorgaben des <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html" target="_blank" rel="noopener">Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG)</a> vorgenommene Umsetzung der einzelnen Massnahmen der STAF in das Steuergesetz des Kantons Bern erläutert. Dabei werden nur diejenigen Massnahmen thematisiert, für welche den Kantonen ein Handlungsspielraum eingeräumt wird. Auf die steuerlichen Massnahmen, bei denen die Kantone keinen Gestaltungsspielraum haben (z.B. Einschränkungen beim Kapitaleinlageprinzip, Regelung des «Step-up» beim Zuzug, Anpassungen bei der Transponierung) wird nicht eingegangen. Zudem haben die Massnahmen zur Finanzierung der AHV haben keinen Einfluss auf das <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">bernische Steuergesetz</a> und daher werden diese nachfolgend nicht erläutert.</p>
<h3>2.1 Teilbesteuerung der Einkünfte aus Beteiligungen des Geschäftsvermögens und des Privatvermögens </h3>
<p>Gemäss <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a7" target="_blank" rel="noopener">Art. 7 Abs. 1 StHG</a> bzw. <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a8" target="_blank" rel="noopener">Art. 8 Abs. 2<sup>quinquies</sup> StHG</a> müssen Erträge aus qualifizierenden Beteiligungen des Geschäfts- wie auch des Privatvermögens (d.h. Beteiligungsquote von mindestens 10% am Nominalkapital) auf kantonaler Ebene mindestens im Umfang von 50% der Einkommenssteuer unterliegen. Die Kantone können aber auch eine höhere Besteuerungsquote festlegen.</p>
<p>Im Kanton Bern wurden Erträge aus qualifizierenden Beteiligungen bis Ende 2019 mittels Reduktion des anwendbaren Steuersatzes entlastet, d.h. es galt das sog. Teilsatzverfahren. Einkünfte aus Beteiligungen des Geschäftsvermögens wie auch aus Beteiligungen des Privatvermögens wurden dabei jeweils zu 50% des Gesamtsteuersatzes der steuerpflichtigen Person besteuert.</p>
<p>Gestützt auf die Vorgaben des <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html" target="_blank" rel="noopener">StHG</a> muss seit Einführung der STAF die Entlastung der Erträge aus qualifizierenden Beteiligungen des Privat- sowie des Geschäftsvermögens zwingend über die Reduktion der Bemessungsgrundlage erfolgen (d.h. mittels dem sog. Teilbesteuerungsverfahren). Entsprechend musste im Kanton Bern ein Systemwechsel vom Teilsatz- zum Teilbesteuerungsverfahren vollzogen werden. Darüber hinaus wurden im Kanton Bern betreffend die Besteuerung von Erträgen aus qualifizierenden Beteiligungen keine weiteren Anpassungen vorgenommen. Insbesondere wurde auf eine Erhöhung der Besteuerung von Erträgen aus qualifizierenden Beteiligungen verzichtet, weil die Gewinnsteuern für Unternehmen nicht gesenkt wurden.</p>
<p>Nach <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art 21b StG BE</a> sind Erträge aus Beteiligungen des Geschäftsvermögens (Dividenden, Gewinnanteile, Liquidationsüberschuss und geldwerte Vorteile) im Umfang von 50% steuerbar, sofern die Beteiligungsrechte mindestens 10% des Nominalkapitals einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft darstellen. Auf Veräusserungsgewinnen des Geschäftsvermögens wird die Teilbesteuerung gewährt, wenn die veräusserten Beteiligungsrechte mindestens ein Jahr gehalten wurden. Zudem muss mindestens eine Beteiligung von 10% veräussert werden, wobei mehrere Transaktionen im gleichen Geschäftsjahr für die Festlegung der Mindestquote zusammengerechnet werden.<a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2"><sup>02</sup></a></p>
<p>Erträge aus Beteiligungen des Privatvermögens sind nach <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 24a Abs. 1a StG BE</a> ebenfalls im Umfang von 50% steuerbar, wenn sie mindestens 10% des Nominalkapitals einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft darstellen.</p>
<p>Die Voraussetzungen, dass die Teilbesteuerung nur für Erträge aus qualifizierenden Beteiligungen von mindestens 10% Anwendung findet bzw. dass bei Kapitalgewinnen aus Beteiligungen des Geschäftsvermögens eine Beteiligung von mindestens 10% veräussert werden muss, die zudem während mindestens einem Jahr gehalten wurde, galten für Berner Kantons- und Gemeindesteuerzwecke bereits bis anhin.</p>
<h3>2.2 Aufhebung der kantonalen Steuerprivilegien</h3>
<p>Die Aufhebung der kantonalen Statusgesellschaften ist das zentrale Element der STAF und muss von sämtlichen Kantonen zwingend umgesetzt werden. Im Kanton Bern sind rund 1'300 Statusgesellschaften domiziliert, wobei die meisten als Holdinggesellschaften besteuert wurden.<a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3"><sup>03</sup></a></p>
<p>Infolge Wegfall der kantonalen Steuerprivilegien unterliegen diese Gesellschaften nun neu der ordentlichen Gewinn- und Kapitalsteuer. Im Kanton Bern steigt damit deren Gewinnsteuerbelastung von ehemals zwischen 7.8%-12% auf aktuell bis zu 21.64%.<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4"><sup>04</sup></a></p>
<p>Wie bereits erwähnt, ist eine Senkung des Gewinnsteuersatzes im Kanton Bern nicht vorgesehen. Per 1. Januar 2020 wurde jedoch die einfache (ordentliche) Kapitalsteuer von 0.3‰ auf neu 0.05‰ gesenkt (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 106 Abs. 1 StG BE</a>). Darüber hinaus kann im Kanton Bern bereits seit der Steuerperiode 2011 die Gewinnteuer an die Kapitalsteuer angerechnet werden (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 106 Abs. 4 StG BE</a>).</p>
<p>Der Statuswechsel von der privilegierten zur ordentlichen Besteuerung kann im Kanton Bern auf zwei Arten erfolgen. Eine steuerpflichtige Person kann den Übergang zur ordentlichen Besteuerung entweder mittels der Aufdeckungslösung (sog. altrechtlicher Step-up) oder alternativ mittels der Sondersatzlösung (sog. neurechtlicher Step-up) vollziehen. Beide Methoden stellen rein steuerliche Massnahmen dar und haben keine Auswirkungen auf die Handelsbilanz.<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5"><sup>05</sup></a></p>
<p>Mit dem Einreichen der Steuererklärung für die Steuerperiode 2019 muss sich die steuerpflichtige Gesellschaft entscheiden, nach welcher Methode der Statuswechsel vollzogen werden soll. Zusammen mit dem entsprechenden Antrag für eine der beiden Methoden muss der Steuerverwaltung zudem eine Bewertung eingereicht werden, aus welcher die vorhandenen stillen Reserven entnommen werden können. Die Bewertung der stillen Reserven muss nach einer anerkannten Methode erfolgen.<a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6"><sup>06</sup></a> Sofern im Rahmen der Steuererklärung für die Steuerperiode 2019 kein Antrag für eine der beiden vorgesehenen Methoden eingereicht wird, geht die Steuerverwaltung davon aus, dass keine stillen Reserven bestehen.<a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7"><sup>07</sup></a> </p>
<p>Weicht das Geschäftsjahr einer Gesellschaft vom Kalenderjahr ab, so besteht die Möglichkeit, per 31. Dezember 2019 einen Abschluss sowie eine Steuererklärung einzureichen. Bei einem unterjährigen Geschäftsjahr sind der entsprechende ordentliche Abschluss per 31. Dezember 2019 und die dazugehörige Steuererklärung einzureichen. Der Abschluss per 31. Dezember 2019 muss nicht revidiert sein. Anschliessend kann die steuerpflichtige Gesellschaft wieder auf das ursprüngliche Abschlussdatum zurück wechseln. Bei einem überlangen Geschäftsjahr besteht diese Möglichkeit ebenfalls. Im Unterschied zum unterjährigen Geschäftsjahr ist in diesem Fall aber ein revidierter Abschluss erforderlich.<a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8"><sup>08</sup></a></p>
<p>Die beiden Methoden zum Vollzug des Statuswechsels unterscheiden sich wie folgt:<a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9"><sup>09</sup></a></p>
<h4>2.2.1 Aufdeckungslösung (sog. altrechtlicher Step-up)</h4>
<p>Bereits vor Einführung der STAF konnten im Kanton Bern Statusgesellschaften freiwillig auf die privilegierte Besteuerung verzichten. Die stillen Reserven konnten dannzumal – soweit sie unter dem Steuerprivileg nicht steuerbar waren – steuerneutral aufgedeckt und sodann abgeschrieben werden.</p>
<p>Diese Aufdeckungslösung (sog. altrechtlicher Step-up) kann von den Statusgesellschaften bis zur Einführung der STAF am 1. Januar 2020 (d.h. bis Ende der Steuerperiode 2019) weiterhin geltend gemacht werden. Sämtliche vorhandenen stillen Reserven sind dannzumal in der kantonalen Steuerbilanz erfolgswirksam aufzudecken (soweit sie bisher infolge der privilegierten Besteuerung nicht steuerbar waren). Die Aufdeckung der stillen Reserven muss spätestens in der Steuerbilanz per 31. Dezember 2019 erfolgen. Das steuerbare Eigenkapital erhöht sich entsprechend im Umfang der aufgedeckten stillen Reserven.<a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10"><sup>10</sup></a></p>
<p>Die in der kantonalen Steuerbilanz aufgedeckten stillen Reserven sind anschliessend innert maximal zehn Jahren abzuschreiben. Für die Abschreibung gelten die Abschreibungssätze gemäss der <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/205" target="_blank" rel="noopener">Abschreibungsverordnung des Kantons Bern</a>. Originärer Goodwill ist innert zehn Jahren abzuschreiben.<a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11"><sup>11</sup></a> Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Abschreibungen bei der Berechnung der maximalen Entlastungsbegrenzung von 70% berücksichtigt werden müssen (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. T7-1 Abs. 3 StG BE</a>). Es handelt sich dabei um eine zwingende Vorgabe des StHG (<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a78g" target="_blank" rel="noopener">Art. 78g Abs. 3 StHG</a>).</p>
<h4>2.2.2 Sondersatzlösung (sog. neurechtlicher Step-up)</h4>
<p>Mit dem Ziel einer einheitlichen Besteuerung der bei Aufgabe einer privilegierten Besteuerung infolge Einführung der STAF vorhandenen stillen Reserven wurde <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a78g" target="_blank" rel="noopener">Art. 78g StHG</a> eingeführt. Diese Bestimmung sieht vor, dass bei Beendigung der privilegierten Besteuerung die stillen Reserven (inkl. originärer Goodwill) – soweit sie unter dem bisherigen Privileg nicht steuerbar waren – bei ihrer Realisation innert der nächsten fünf Jahre gesondert besteuert werden (<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a78g" target="_blank" rel="noopener">Art. 78g Abs. 1 StHG</a>). Die Höhe der vorhandenen stillen Reserven wird von den zuständigen Steuerbehörden mittels anfechtbarer Verfügung festgesetzt (<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a78g" target="_blank" rel="noopener">Art. 78g Abs. 2 StHG</a>).</p>
<p>Im Zusammenhang mit der Einführung der Sondersatzlösung (sog. neurechtlicher Step-up) beschränkt sich der Gestaltungsspielraum der Kantone im Wesentlichen auf die Festlegung des für die Besteuerung der realisierten stillen Reserven massgebenden Sondersatzes.</p>
<p>Beantragt ein im Kanton Bern steuerpflichtiges Unternehmen die Anwendung der Sondersatzlösung, so werden seitens der Steuerverwaltung des Kantons Bern die vorhandenen stillen Reserven (inkl. originärer Goodwill) per Ende 2019 im Rahmen einer anfechtbaren Feststellungsverfügung festgehalten (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. T7-1 Abs. 2 StG BE</a>). Werden die stillen Reserven anschliessend innert der nächsten fünf Jahren realisiert, so werden sie gesondert vom restlichen Gewinn besteuert. Der im Kanton Bern massgebende Sondersatz (einfache Gewinnsteuer) beträgt 0.5% (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. T7-1 Abs. 1 StG BE</a>). Neben einer echten, buchmässigen oder steuersystematischen Realisation stiller Reserven fallen unter den Begriff der Realisation auch die gesonderte Besteuerung des laufenden Gewinnes ab der Steuerperiode 2020 sowie die Nachbesteuerung der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, welche bei der erstmaligen Anwendung der Patentbox zum Tragen kommt.<a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12"><sup>12</sup></a></p>
<p>Es wird davon ausgegangen, dass die per Ende 2019 vorhandenen stillen Reserven nach dem Statuswechsel laufend gleichmässig realisiert werden. Für die Ermittlung des mit dem Sondersatz zu besteuernden Gewinnanteils ist die massgebende Besteuerungsquote bzw. Freistellungsquote anhand der Situation der steuerpflichtigen Gesellschaft der letzten drei Geschäftsjahre vor dem Statuswechsel zu ermitteln. Die Besteuerungs- bzw. Freistellungsquote wird ebenfalls in der Feststellungsverfügung der Steuerverwaltung festgehalten. Wurde eine Gesellschaft bis Ende 2019 als gemischte Gesellschaft besteuert und beträgt die durchschnittliche Besteuerungsquote der letzten drei Geschäftsjahre beispielsweise 20%, so wird davon ausgegangen, dass ab dem Geschäftsjahr 2020 jeweils 20% des steuerbaren Gewinnes mit dem ordentlichen Gewinnsteuersatz und 80% des steuerbaren Gewinnes mit dem Sondersatz besteuert werden. Maximal werden bis Ende des Geschäftsjahres 2024 (d.h. innert fünf Geschäftsjahren) die per Ende 2019 von der Steuerverwaltung verbindlich bestätigten stillen Reserven mit dem Sondersatz besteuert.<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13"><sup>13</sup></a></p>
<p>Die Sondersatzlösung führt nicht zu einer Erhöhung des steuerbaren Eigenkapitals. Zudem kommt die Entlastungsbegrenzung nach <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 90a StG BE</a> nicht zur Anwendung.<a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14"><sup>14</sup></a> </p>
<p>Gemäss Auskunft von Vertretern der Steuerverwaltung des Kantons Bern kann auf Antrag einer steuerpflichtigen Person auch eine Kombinationslösung angewandt werden. Während den ersten fünf Jahren erfolgt die Besteuerung der mittels Feststellungsverfügung bestätigten stillen Reserven gemäss den Bestimmungen der Sondersatzlösung. Soweit per Ende des Geschäftsjahres 2024 (d.h. nach Ablauf der Frist von fünf Jahren) nicht alle festgestellten stillen Reserven realisiert, d.h. mit dem Sondersatz besteuert wurden, kann auf Antrag der steuerpflichtigen Person der noch nicht realisierte Teil der stillen Reserven gemäss den Bestimmungen zur Aufdeckungslösung in der kantonalen bernischen Steuerbilanz aufgedeckt werden. Diese aufgedeckten stillen Reserven können dann während den nächsten fünf Jahren in der kantonalen bernischen Steuerbilanz gemäss den Vorgaben der Abschreibungsverordnung abgeschrieben werden. Danach verfällt ein allfällig noch vorhandener Restwert. Zu beachten ist, dass bei Anwendung der Aufdeckungslösung die Entlastungsbegrenzung von 70% zum Tragen kommt und dass die aufgedeckten stillen Reserven der Kapitalsteuer unterliegen.</p>
<h3>2.3 Erträge aus Patenten und vergleichbaren Rechten</h3>
<p>Die Einführung einer Patentbox ist eine von den Kantonen gestützt auf <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a24" target="_blank" rel="noopener">Art. 24b StHG</a> zwingend umzusetzende Massnahme. Die Patentbox kann von selbständig Erwerbstätigen (<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a8a" target="_blank" rel="noopener">Art. 8a StHG</a>) sowie von juristischen Personen (<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a24b" target="_blank" rel="noopener">Art. 24b StHG</a>) beansprucht werden. Einzelheiten der Patentbox werden in der <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20192178/index.html" target="_blank" rel="noopener">Verordnung über die ermässigte Besteuerung von Gewinnen aus Patenten und vergleichbaren Rechten (Patentbox-Verordnung)</a> geregelt.</p>
<p>Der Reingewinn aus Patenten und vergleichbaren Rechten wird auf Antrag der steuerpflichtigen Person im Verhältnis des qualifizierenden Forschungs- und Entwicklungsaufwands zum gesamten Forschungs- und Entwicklungsaufwand pro Patent oder vergleichbares Recht (Nexusquotient) mit einer Ermässigung von maximal 90% in die Berechnung des steuerbaren Reingewinnes einbezogen. Die Kantone können aber auch eine tiefere Entlastung vorsehen (<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a24b" target="_blank" rel="noopener">Art. 24b Abs. 1 StHG</a>).</p>
<p>Nach <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a24b" target="_blank" rel="noopener">Art. 24b Abs. 2 StHG</a> ermittelt sich der Reingewinn aus Patenten und vergleichbaren Rechten, die in Produkten enthalten sind, indem der Reingewinn aus diesen Produkten jeweils um 6% der diesen Produkten zugewiesenen Kosten sowie um das Markenentgelt vermindert wird. Sind Patente oder vergleichbare Rechte in einem Produkt enthalten, wird der dem Patent bzw. vergleichbaren Recht zuzuordnende Reingewinn nach der Residualmethode ermittelt. Mit dem Abzug von 6% der Gesamtkosten wird verhindert, dass auch der Gewinn aus Routinefunktionen ermässigt besteuert wird. Der Abzug für das Markenentgelt ist erforderlich, weil Marken nicht für die Patentbox qualifizieren.<a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15"><sup>15</sup></a></p>
<p><a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a24a" target="_blank" rel="noopener">Art. 24a StHG</a> definiert abschliessend die Patente und vergleichbaren Rechte, für deren Erträge eine ermässigte Besteuerung geltend gemacht werden kann. Die in <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a24a" target="_blank" rel="noopener">Art. 24a StHG</a> aufgezählten Patente und vergleichbaren Rechte sind für sämtliche Kantone verbindlich und es besteht kein Gestaltungsspielraum die ermässigte Besteuerung zusätzlich auf weitere Rechte auszudehnen.</p>
<p>Sofern die ermässigte Besteuerung des Reingewinnes aus Patenten und vergleichbaren Rechten erstmals beansprucht wird, müssen im Rahmen des sog. Boxeneintritts die in den vergangenen Steuerperioden bereits berücksichtigten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sowie ein allfälliger zusätzlicher Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen (vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen) zum steuerbaren Reingewinn hinzugerechnet werden(<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a24b" target="_blank" rel="noopener">Art. 24b Abs. 3 StHG</a>). Nach <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20192178/index.html#a7" target="_blank" rel="noopener">Art. 7 der Patentbox-Verordnung</a> müssen anlässlich des Boxeneintritts die in den letzten zehn Steuerperioden geltend gemachten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen nachbesteuert werden.</p>
<p>Im Umfang des hinzugerechneten Betrags ist eine versteuerte stille Reserve zu bilden. Die zukünftige Abschreibung der versteuerten stillen Reserve reduziert den für die Entlastung massgebenden Gewinn der Patentbox. Die Kantone können die Besteuerung innert fünf Jahren ab Beginn der ermässigten Besteuerung auch auf andere Weise sicherstellen (<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a24b" target="_blank" rel="noopener">Art. 24b Abs. 3 StHG</a>). Entsprechend besteht hinsichtlich der Nachbesteuerung der in der Vergangenheit geltend gemachten Aufwendungen anlässlich des Boxeneintritts ein kantonaler Handlungsspielraum.</p>
<p>Die Regelung der Patentbox wurde mit den <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 21c StG BE</a> (selbständig Erwerbstätige) bzw. <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 85a und 85b StG BE</a> (juristische Personen) in das kantonale bernische Steuergesetz aufgenommen. Die Regelungen sind für selbständig Erwerbstätige und juristische Personen deckungsgleich. Die maximale Entlastung für die Besteuerung von Erträgen aus Patenten und vergleichbaren Rechten beträgt jeweils 90% (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 85b Abs. 1 StG BE</a>). Mit anderen Worten unterliegen jeweils 10% der Erträge aus Patenten und vergleichbaren Rechten der Gewinnsteuer (sofern die Entlastungsbegrenzung nicht zum Tragen kommt; vgl. nachfolgende Ausführungen).</p>
<p>Gestützt auf die zwingende Vorgabe des <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html" target="_blank" rel="noopener">StHG</a> wird der Reingewinn aus Patenten und vergleichbaren Rechten, die in Produkten enthalten sind, ermittelt, indem der Reingewinn aus diesen Produkten jeweils um 6% der diesen Produkten zugewiesenen Kosten sowie um das Markenentgelt vermindert wird (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 85b Abs. 2 StG BE</a>).</p>
<p>Wie vorstehend erläutert, gewährt das <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html" target="_blank" rel="noopener">StHG</a> den Kantonen – neben der Festlegung der maximalen Entlastung der qualifizierenden Patenterträge von maximal 90% – einen Gestaltungsspielraum betreffend die Korrektur der in der Vergangenheit geltend gemachten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, d.h. der Ausgestaltung der Besteuerung im Zeitpunkt des Boxeneintritts.</p>
<p>Im Kanton Bern erfolgt die Besteuerung der in den letzten zehn Steuerperioden zum Abzug gebrachten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sowie ein allfälliger Zusatzabzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen gemäss <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 4 StG BE</a> (selbständig Erwerbstätige) bzw. <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 90 Abs. 3 bis Abs. 6 StG BE</a> (juristische Personen) unmittelbar im Zeitpunkt des Boxeneintritts. Die in der Vergangenheit geltend gemachten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen werden dannzumal gesondert im Einmalerledigungsverfahren nachbesteuert. Die massgebenden Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen der letzten zehn Steuerperioden werden nur im Umfang von 70% nachbesteuert. Der anwendbare Steuersatz (einfache Steuer) beträgt 0.5% (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 85b Abs. 3 StG BE</a>). Die Nachbesteuerungsquote wurde auf 70% festgelegt, weil unter Berücksichtigung der maximalen Entlastungsbegrenzung (vgl. <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 90a StG BE</a> bzw. nachfolgende Ausführungen) der steuerbare Reingewinn jeweils um maximal 70% reduziert wird. Im Umfang der nachbesteuerten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen kann die steuerpflichtige Gesellschaft eine versteuerte stille Reserve aktivieren und gemäss den Bestimmungen der bernischen Abschreibungsverordnung abschreiben.</p>
<p>Beanspruchte eine Gesellschaft in der Vergangenheit ein kantonales Steuerprivileg, so werden die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, welche anlässlich des Boxeneintritts der Gewinnsteuer unterliegen, nur im Umfang der seinerzeitigen Besteuerungsquote nachbesteuert.<a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16"><sup>16</sup></a> Eine Korrektur bzw. Nachbesteuerung der historischen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen ist nur in dem Umfang sachgerecht, als in der Vergangenheit die entsprechenden Aufwendungen auch tatsächlich zu einer Reduktion des in der Schweiz steuerbaren Gewinnes geführt haben. Nachbesteuert werden auch Abschreibungen auf aktivierten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen.</p>
<p>Gemäss <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art 85b Abs. 4 StG BE</a> wird der Regierungsrat noch Ausführungsbestimmungen zur Patentbox in einer separaten Verordnung erlassen. Die entsprechende Ausführungsverordnung ist bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels noch nicht publiziert worden. Die Ausführungsverordnung wird sich an der Patentbox-Verordnung des Bundesrates orientieren und die nachfolgenden Punkte regeln:<a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17"><sup>17</sup></a></p>
<ul>
<li>Berechnung des ermässigt steuerbaren Reingewinnes aus Patenten und vergleichbaren Rechten (inkl. Nexusquotient);</li>
<li>Anwendung der Regelung auf Produkte, die nur geringe Abweichungen voneinander aufweisen und denen dieselben Patente und vergleichbaren Rechte zugrunde liegen;</li>
<li>Dokumentationspflichten;</li>
<li>Beginn und Ende der ermässigten Besteuerung;</li>
<li>Behandlung von Verlusten aus Patenten und vergleichbaren Rechten.</li>
</ul>
<h3>2.4 Zusätzlicher Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwand</h3>
<p>Die Einführung eines zusätzlichen Abzugs für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen für eigene Forschung aber auch für Auftragsforschung (durch andere Konzerngesellschaften sowie durch Dritte) kann von den Kantonen gemäss <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a25a" target="_blank" rel="noopener">Art. 25a StHG</a> fakultativ umgesetzt werden. Der maximale zusätzliche Abzug beträgt 50% (<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a25a" target="_blank" rel="noopener">Art. 25a Abs. 1 StHG</a>). Die Kantone können jedoch auch einen tieferen Abzug festlegen.</p>
<p><a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a25a" target="_blank" rel="noopener">Art. 25a Abs. 2 StHG</a> definiert die für den zusätzlichen Abzug qualifizierende Forschung und Entwicklung abschliessend. Ferner wird in <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a25a" target="_blank" rel="noopener">Art. 25a Abs. 3 StHG</a> verbindlich festgelegt, für welche Aufwendungen der erhöhte Abzug möglich ist. Damit im Rahmen von Auftragsforschungstätigkeiten die gleichen Aufwendungen nicht doppelt in Abzug gebracht werden, steht der erhöhte Abzug primär dem Auftraggeber zu. Die Auftragnehmerin kann den erhöhten Abzug nur beanspruchen, wenn der Auftraggeber dazu nicht berechtigt ist (<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a25a" target="_blank" rel="noopener">Art. 25a Abs. 4 StHG</a>). Neben juristischen Personen können auch selbständig erwerbstätige Personen den erhöhten Abzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen geltend machen (<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a10a" target="_blank" rel="noopener">Art. 10a StHG</a>).</p>
<p>Sofern der zusätzliche Abzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen in das kantonale Steuergesetz aufgenommen wird, muss die Ausgestaltung zwingend nach den Vorgaben des StHG erfolgen. Somit beschränkt sich der kantonale Handlungsspielraum im Wesentlichen auf die Festlegung der maximalen Höhe der Abzugsfähigkeit qualifizierender Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen.</p>
<p>In <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 90 Abs. 1 lit. f StG BE</a> werden Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen neu explizit als geschäftsmässig begründeter Aufwand erwähnt. <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 90 Abs. 3 bis Abs. 6 StG BE</a> regeln die Einzelheiten des zusätzlichen Abzugs von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen für juristische Personen mit Sitz in der Schweiz sowie Betriebsstätten ausländischer Gesellschaften. Nach <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 32 Abs. 4 StG BE</a> gelten die analogen Bestimmungen auch für selbständig Erwerbstätige. Der im Kanton Bern geltende zusätzliche Abzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen beträgt 50% (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 90 Abs. 3 StG BE</a>). Der erhöhte Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen erfolgt auf Antrag der steuerpflichtigen Person.</p>
<p>Die in <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 90 Abs. 4 StG BE</a> enthaltene Definition der qualifizierenden Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen wie auch die in <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 90 Abs. 5 StG BE</a> enthaltene Bestimmung betreffend die Aufwendungen, für welche ein erhöhter Forschungs- und Entwicklungsabzug zulässig ist und die Regelung von <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 90 Abs. 6 StG BE</a>, wonach im Falle von Auftragsforschung dem Auftragnehmer kein Abzug zusteht, sofern der Auftraggeber abzugsberechtigt ist, entsprechen den zwingenden Vorgaben des <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html" target="_blank" rel="noopener">StHG</a>. Somit qualifizieren die wissenschaftliche Forschung (Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung) und die wissenschaftsbasierte Innovation nach <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20091419/index.html#a2" target="_blank" rel="noopener">Art. 2 des Bundesgesetzes über die Förderung der Forschung und der Innovation (FIFG)</a> als Forschung und Entwicklung. Bei eigener Forschung wird ein erhöhter Abzug auf dem direkt zurechenbaren Personalaufwand (Lohn- und Sozialversicherungsaufwand) für Forschung und Entwicklung, zuzüglich eines Zuschlags von 35% auf dem entsprechenden Personalaufwand (höchstens aber bis zum gesamten Aufwand der steuerpflichtigen Person), gewährt. Mit dem Zuschlag von 35% werden die übrigen Aufwendungen im Zusammenhang mit Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten pauschal abgegolten. Im Fall von Auftragsforschung wird der erhöhte Abzug auf 80% des durch Dritte in Rechnung gestellten Forschungs- und Entwicklungsaufwands gewährt.</p>
<p>Gemäss <a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 90 Abs. 7 StG BE</a> wird der Regierungsrat des Kantons Bern betreffend den zusätzlichen Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwand noch eine Ausführungsverordnung erlassen. Die entsprechende Ausführungsverordnung ist bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels noch nicht publiziert worden.</p>
<h3>2.5 Abzug auf Eigenfinanzierung</h3>
<p>Nach <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a25bis" target="_blank" rel="noopener">Art. 25a<sup>bis</sup> StHG</a> können die Kantone fakultativ einen Abzug für die Eigenfinanzierung einführen, sofern im Hauptort des Kantons das kumulierte Steuermass von Kanton, Gemeinde und allfälligen anderen Selbstverwaltungskörpern über den gesamten Tarifverlauf mindestens 13.5% beträgt. Ist die Voraussetzung einer minimalen Gewinnsteuerbelastung von 13.5% erfüllt, kann der kalkulatorische Zins auf dem Sicherheitseigenkapital als geschäftsmässig begründeter Aufwand geltend gemacht werden.</p>
<p>Im Kanton Bern wird die für die Einführung des Abzugs auf Eigenfinanzierung geforderte minimale kantonale Gewinnsteuerbelastung von 13.5% nicht erreicht und somit konnte dieser Abzug nicht eingeführt werden.</p>
<h3>2.6 Entlastungen bei der Kapitalsteuer</h3>
<p>Gemäss <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a29" target="_blank" rel="noopener">Art. 29 Abs. 3 StHG</a> können die Kantone für Eigenkapital, das auf qualifizierende Beteiligungsrechte (d.h. für deren Erträge der Beteiligungsabzug geltend gemacht werden kann), auf Patente und vergleichbare Rechte, die für die Patentbox qualifizieren sowie auf Darlehen an Konzerngesellschaften entfällt, eine Steuerermässigung vorsehen. Im Kanton Bern wurde diese fakultative Entlastungsmöglichkeit bei der Kapitalsteuer nicht eingeführt.</p>
<p>Im Gegenzug wurde aber im Rahmen der STAF der ordentliche kantonale Kapitalsteuersatz von 0.3‰ auf 0.05‰ gesenkt (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 106 Abs. 1 StG BE</a>). Ferner kennt der Kanton Bern bereits seit der Steuerperiode 2011 die Anrechnung der Gewinnteuer an die Kapitalsteuer (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 106 Abs. 4 StG BE</a>). </p>
<h3>2.7 Entlastungsbegrenzung</h3>
<p>Gemäss <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a25b" target="_blank" rel="noopener">Art. 25b StHG</a> darf die gesamte steuerliche Ermässigung im Zusammenhang mit den Massnahmen der Patentbox, dem zusätzlichen Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen und dem Abzug auf Eigenfinanzierung maximal 70% des steuerbaren Gewinnes vor Verlustverrechnung betragen (unter Ausklammerung des Nettobeteiligungsertrages auf qualifizierendenden Beteiligungen). Aus den Ermässigungen dürfen keine Verlustvorträge resultieren. Die Entlastungsbegrenzung muss von den Kantonen zwingend eingeführt werden. Die Kantone haben aber die Möglichkeit, eine tiefere maximale Entlastungsbegrenzung vorzusehen (<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html#a25b" target="_blank" rel="noopener">Art. 25b Abs. 2 StHG</a>).</p>
<p>Im Kanton Bern wurde die Entlastungsbegrenzung betreffend die Besteuerung von Erträgen einer Patentbox und den erhöhten Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen auf die maximale Obergrenze von 70% festgelegt (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 90a StG BE</a>). Somit unterliegt jeweils mindestens 30% des Reingewinnes vor Anwendung der STAF-Sonderregelungen der Gewinnsteuer. Verlustvorträge und Nettobeteiligungserträge werden dabei ausklammert. Darüber hinaus darf die Ermässigung betreffend Patentbox und der erhöhte Abzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen nicht zu einem Verlustvortrag führen (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. 90a Abs. 2 StG BE</a>). Weil im Kanton Bern ein steuerlicher Abzug für die Eigenfinanzierung nicht vorgesehen ist, erübrigt sich selbstredend eine Berücksichtigung bei der Entlastungsbegrenzung.</p>
<p>Sofern Statusgesellschaften für die per Ende 2019 vorhandenen stillen Reserven die Aufdeckungslösung (sog. altrechtlicher Step-up) wählen, so fallen die jährlichen Abschreibungen der aufgedeckten stillen Reserven ebenfalls unter die maximale Entlastungsbegrenzung (<a href="https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1940?locale=de" target="_blank" rel="noopener">Art. T7-1 Abs. 3 StG BE</a>).</p>
<h2>3. Fazit</h2>
<p>Mit einer maximalen Gewinnsteuerbelastung von 21.64% gehört der Kanton Bern zu den Kantonen mit der schweizweit höchsten Gewinnsteuerbelastung. Aufgrund der Ablehnung der Steuergesetzrevision 2019 durch das Berner Stimmvolk ist davon auszugehen, dass eine Senkung des Gewinnsteuersatzes in absehbarer Zukunft im Kanton Bern nicht realistisch ist. Um einen Wegzug von steuerpflichtigen Unternehmen in angrenzende Kantone mit teilweise erheblich tieferen Steuersätzen zu vermeiden, wurden die Entlastungsmassnahmen der STAF bzw. die den Kantonen gewährten Gestaltungsspielräume vollumfänglich ausgeschöpft.</p>
<p>Einzig für das Eigenkapital, welches auf qualifizierende Beteiligungsrechte, auf Patente und vergleichbare Rechte sowie auf Darlehen an Konzerngesellschaften entfällt, wurde im Kanton Bern keine Steuerermässigung eingeführt. Allerdings wurde der ordentliche Kapitalsteuersatz von 0.3‰ auf 0.05‰ reduziert und es besteht die Möglichkeit der Anrechnung der Gewinnteuer an die Kapitalsteuer. </p>
<p>Für privilegiert besteuerte Gesellschaften besteht im Kanton Bern die Besonderheit, dass mittels eines Zwischenabschlusses per 31. Dezember 2019 die privilegierte Besteuerung bis zu diesem Zeitpunkt sichergestellt werden kann. Darüber hinaus erhalten Statusgesellschaften mit der Aufdeckungslösung (sog. altrechtlicher Step-up) während maximal zehn Jahren bzw. alternativ mit der Sondersatzlösung (sog. neurechtlicher Step-up) mit einem Gewinnsteuersatz (einfache Gewinnsteuer) von 0.5% sowie mittels einer auf Antrag gewährten Kombinationslösung maximale Flexibilität betreffend den Übergang zur ordentlichen Besteuerung.</p>
<p>Im Vergleich zu anderen Kantonen ist zudem im Kanton Bern auch die nachträgliche Besteuerung der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen der vergangenen zehn Steuerperioden im Umfang von 70% mit einem Gewinnsteuersatz von 0.5% (einfache Gewinnsteuer) anlässlich der Beanspruchung der Patentbox vorteilhaft. Dadurch kann sichergestellt werden, dass der Boxeneintritt durch die Nachholung der Besteuerung von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen nicht unnötig erschwert wird.</p>
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