<article class="rz"><h2>1. Einführung in die Problematik</h2>
<p>Gemäss einer Studie aus dem Jahr 2016 zum Thema der Unternehmensnachfolge kann man als Faustregel davon ausgehen, dass zu jedem beliebigem Zeitpunkt jeweils 1/5 der KMUs in der Schweiz vor einer Unternehmensnachfolge stehen.<sup><a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1">01</a></sup> Auch in einer aktuellen Studie, die im Tessin durchgeführt wurde,<sup><a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">02</a></sup> wurde festgestellt, dass von den rund 40.000 im Kanton tätigen Unternehmen 70 % Familienunternehmen sind, wovon die Hälfte in den nächsten 10 Jahren mit dem Problem der Unternehmensnachfolge konfrontiert sein wird. Es handelt sich somit um ein praktisch sehr relevantes Phänomen. Bei der Nachfolge zu Lebzeiten spielt insbesondere bei Familienunternehmen die familieninterne Nachfolge eine wichtige Rolle.<sup><a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">03</a> </sup>Die steuerliche Behandlung der (unterpreislichen) familieninternen Unternehmensnachfolge scheint relativ unproblematisch, da man in aller Regel von einer (einkommenssteuerbefreiten) Schenkung (bzw. Zuwendung von Todes wegen) ausgehen kann.<sup><a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4">04</a></sup> Diesbezüglich kennen verschiedene Kantone Normen, welche die Erbschafts- und Steuerlast im Falle einer Unternehmensnachfolge mildern.<sup><a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5">05</a></sup></p>
<p>Kommt keines der Familienmitglieder als Nachfolger in Frage, so spielt die Übertragung an Mitarbeiter (sog. Management-Buy-Out oder MBO)<sup><a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6">06</a></sup> oder an Externe (sog. Management-Buy-In oder MBI, vgl. Studie 2022, S. 12) eine wichtige Rolle. Zu den diesbezüglichen steuerlichen Folgen dieser spezifischen Fallkonstellation gibt es hingegen noch relativ wenig bis keine Literatur oder Rechtsprechung. Anknüpfend an dieser Feststellung soll der vorliegende Beitrag die Diskussion anspornen und eine mögliche Einordnung der rechtlichen Folgen vorschlagen. Dabei wird insbesondere auf die in diesem Bereich bereits konsolidierte Praxis der Tessiner Steuerbehörden hierzu eingegangen.</p>
<h2>2. Steuerbarkeit des Vorteils aus Unternehmensnachfolge</h2>
<h3>2.1 Unterscheidung zwischen Mitarbeiterbeteiligungen und Unternehmensnachfolge</h3>
<p>Angenommen, der bisherige Firmeninhaber einer Aktiengesellschaft entscheidet sich altershalber, 100% seiner Aktien an einen Mitarbeiter zu verkaufen und dies zu einem Wert, der unter dem Marktwert liegt. Dies bspw. deshalb, weil ein Verkauf zum vollen Marktwert für den betreffenden Mitarbeiter nicht finanzierbar wäre und es keine Alternativen gibt (bzw. Verkauf an einen Konkurrenten), die die Weiterführung der Unternehmung gleichermassen sicherstellen würden. Welche steuerliche Konsequenzen ergeben sich daraus?</p>
<p>Gemäss Art. 17b Abs. 1 DBG bzw. Art. 7d StHG sind geldwerte Vorteile aus echten Mitarbeiterbeteiligungen als Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit steuerbar. Als geldwerter Vorteil gilt dabei der Verkehrswert der Beteiligung, vermindert um deren Abgabe- bzw. Erwerbspreis. Gemäss dem Kreisschreiben der ESTV Nr. 37 vom 30. Oktober 2020 («KS 37»), stellen Beteiligungen, die einem Mitarbeitenden nicht durch den Arbeitgeber, sondern durch einen Aktionär aus seinem Eigenbestand abgegeben werden, zwar keine Mitarbeiterbeteiligungen i.S. v. Art. 17a DBG im engeren Sinne dar. Es rechtfertige sich allerdings, die Bestimmungen der Mitarbeiterbeteiligungen sinngemäss anzuwenden.<sup><a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7">07</a> </sup>Entscheidend ist nach dem KS 37 nicht, wer die Beteiligung abgibt, sondern ob die Übertragung auf das ehemalige, das aktuelle oder das künftige Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber zurückzuführen ist.<sup><a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8">08</a></sup> Dieser Grundsatz wurde auch in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bestätigt.<sup><a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9">09</a></sup> </p>
<p>Mitarbeiterbeteiligungsinstrumente dienen in der Regel dazu, Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden. Durch die Zuteilung solcher Instrumente setzen Arbeitgeber zudem einen finanziellen Anreiz für die Mitarbeiter ein, unternehmerisch zu handeln, sich mit dem Arbeitgeber zu identifizieren und allgemein eine bessere Leistung zu erbringen.<sup><a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10">10</a></sup> Die definitive Abgabe solcher Mitarbeiterbeteiligungsinstrumente (sog. vesting) erfolgt dementsprechend erst nach Ablauf eines Beobachtungszeitraums (sog. Vestingperiode), in der die Mitarbeitenden die Instrumente verdienen bzw. abverdienen müssen.<sup><a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11">11</a></sup></p>
<p>Es stellt sich die Frage, ob Aktien, die im Rahmen einer Nachfolgeregelung an einen (bestehenden oder zukünftigen) Angestellten unterpreislich veräussert werden, steuerlich ebenfalls analog der Regelung für Mitarbeiteraktien zu behandeln sind. Man könnte nämlich argumentieren, dass in einem solchen Fall der tiefere Verkaufspreis nicht als Leistungsanreiz bzw. nicht mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang steht, sondern darin begründet ist, dass der übertragende Aktionär seinem Nachfolger, dem Unternehmen und dessen Kunden eine bestmögliche Weiterführung ermöglichen will.<sup><a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12">12</a> </sup>Mit anderen Worten unterscheidet sich die Interessenlage des Aktionärs eines KMU, der z.B. 5% seiner Aktien an eine angestellte Führungsperson übergibt, um diese Person im Unternehmen zu halten, deutlich von jener eines Unternehmers, der den Kaufpreis für seine 100%-Beteiligung tief hält, um eine Unternehmensnachfolge überhaupt zu ermöglichen. Im ersten Fall spielen nämlich hauptsächlich Eigeninteressen des Unternehmers (und des Unternehmens) eine Rolle und eine Anknüpfung an das Arbeitsverhältnis erscheint somit gerechtfertigt. Im zweiten Fall verzichtet der Unternehmer – da er die Kontrolle des Unternehmens weitergibt und gar als Aktionär ausscheidet – auf eine Profitmaximierung zu Gunsten der Erhaltung und Weiterführung des Unternehmens und der Bezug zum eigentlichen Arbeitsverhältnis dürfte regelmässig in den Hintergrund rücken.</p>
<h3>2.2 Rechtsprechung</h3>
<p>Höchstrichterlich wurde die Frage noch nicht entschieden. Zwar hat sich das Bundesgericht in einem Entscheid aus dem Jahr 2020<sup><a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13">13</a></sup> mit einem Fall befasst, wo eine 50%-Beteiligung an einen Mitarbeiter<sup><a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14">14</a> </sup>übertragen wurde. Die Besteuerung der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem (höheren) Verkehrswert war allerdings «unbestritten», womit keine Auseinandersetzung mit der Abgrenzung zwischen Mitarbeiterbeteiligungen und Nachfolgeregelungen nötig war und auch nicht stattfand.<sup><a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15">15</a></sup></p>
<p>Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden hatte in einem Entscheid vom 12. Oktober 2020<sup><a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16">16</a> </sup>Gelegenheit, Erwägungen zur Unterscheidung zwischen Nachfolgeregelung und Mitarbeiterbeteiligungen anzustellen. Anlass dazu gab die 2013 erfolgte Übertragung von 5% der Aktien an einer Treuhandgesellschaft von E., einer Senior Partnerin und Aktionärin (mit einem Anteil von 25%) an A., einen jungen Partner der Gesellschaft im Rahmen einer «wohlgeplanten Unternehmensnachfolge».<sup><a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17">17</a></sup> Die Übertragung erfolgte – dem Aktionärbindungsvertrag entsprechend – zum Substanzwert und wurde dem erwerbenden Partner mit einer (steuerbaren und im Lohnausweis deklarierten) Bonuszahlung finanziert.<sup><a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18">18</a></sup></p>
<p>Die Steuerbehörde rechnete die Differenz zwischen dem Steuerwert der Aktien der Treuhandgesellschaft gemäss Kreisschreiben 28 der Schweizerischen Steuerkonferenz und dem Substanzwert in der Steuerveranlagung des jungen Partners als Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit auf,<sup><a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19">19</a></sup> woraufhin A. hiergegen Beschwerde führte.</p>
<p>Das Verwaltungsgericht Nidwalden erwog, Aktien, die im Rahmen einer Nachfolgeregelung übertragen würden, seien nicht wie Mitarbeiterbeteiligungen zu behandeln. In einem solchen Fall könne nämlich der tiefere Verkaufspreis in der Ermöglichung einer bestmöglichen Weiterführung des Unternehmens begründet sein.<sup><a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20">20</a></sup> Diesfalls resultiere im Zeitpunkt des Erwerbs der Beteiligung kein Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit. Erfolge jedoch ein Verkauf innerhalb einer fünfjährigen Beobachtungsfrist, so komme es zur Besteuerung des Übergewinns (Mehrwert).<sup><a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21">21</a></sup> Zur Frage, ob die Übertragung von der Senior Partnerin an den jungen Partner als Nachfolgeregelung zu verstehen sei, berücksichtigte das Verwaltungsgericht Nidwalden, dass der Erwerber seine Aktien in seiner Funktion als Partner und Aktionär (mit einer bereits bestehenden Beteiligung von 35%) erhalten hatte. Zwar sei die Übertragung der Aktien über die Gesellschaft selber abgewickelt worden, indem die Gesellschaft die Aktien von E. zurückgenommen und anschliessend an A. übertragen habe, dies führe jedoch für sich alleine nicht zum Schluss, dass es sich um Mitarbeiteraktien i.S.v. Art. 17a DBG (und Art. 20a StG-NW) handle.<sup><a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22">22</a></sup> Indizien, die gegen eine Mitarbeiterbeteiligung sprachen waren nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Nidwalden, dass die Treuhandgesellschaft über keinen Mitarbeiterbeteiligungsplan verfügte und auch keine entsprechende Bescheinigungen eingereicht hatte. Ferner sei glaubhaft gemacht worden, dass im betreffenden Fall die Aktivitäten der Gesellschaft durch die persönliche Beziehungen der mandatsführenden Partner und Aktionäre massgeblich bestimmt worden seien.<sup><a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23">23</a></sup> Darüber hinaus sei erstellt worden, dass A. als Partner und Aktionär in den Jahren 2006 bis 2014 sukzessive Aktien von anderen Partnern (darunter E.) erworben habe und bereits vor dem gegenständlichen Kauf ein massgeblicher Teilhaber gewesen sei, wobei im darauffolgenden Jahr die Beteiligung noch auf 65% aufgestockt worden sei. Dies bezeuge, dass A. als Aktionär und Partner für die Weiterführung der Treuhandgesellschaft von grosser Bedeutung sei.<sup><a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24">24</a></sup> Weitere entscheidende Überlegung war nach dem Verwaltungsgericht Nidwalden, dass A. nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise kein geldwerter Vorteil gewährt worden sei, da die Aktien zum Substanzwert erworben worden seien und nach dem Aktionärbindungsvertrag ein Weiterverkauf nur mit einstimmiger Zustimmung der anderen Aktionäre und nur zum Substanzwert veräussert werden könnten, wobei diese Verpflichtung zusätzlich durch gegenseitige Vorkaufs- und Vorhandrechte abgesichert worden sei.<sup><a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25">25</a> </sup>Entsprechend wurde die Beschwerde von A. gutgeheissen.</p>
<p>Ein zweites Beispiel der Behandlung der Thematik der Nachfolgeregelung durch ein kantonales Gericht ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus aus dem Jahr 2021.<sup><a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26">26</a></sup> Im erwähnten Fall verkaufte der Hauptaktionär der Gesellschaft 10% der Aktien der Gesellschaft zu CHF 4'000 pro Aktie, wobei die Gesellschaft die Aktien am darauffolgenden Tag an den Mitarbeiter D. für CHF 2'000 pro Aktie weiterverkaufte. Im betreffenden Verfahren ging es zwar nicht um die Besteuerung von D., sondern um die Abzugsfähigkeit des Aufwands im Zusammenhang mit der erwähnten Transaktion bei der Gesellschaft. Im vorliegenden Fall vertrat die (vor der Vorinstanz unterlegene und beschwerdeführende) Steuerverwaltung Glarus die Auffassung, es handle sich bei der betreffenden Transaktion um eine Nachfolgeregelung und nicht um die Abgabe einer Mitarbeiterbeteiligung, weshalb der betreffende Aufwand nicht als geschäftsmässig begründet sei.<sup><a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27">27</a></sup> Das Verwaltungsgericht Glarus stellte zur Unterscheidung zwischen Nachfolgeregelung und Mitarbeiterbeteiligung ähnliche Erwägungen an wie das Verwaltungsgericht Nidwalden im oben zitierten Fall. Zusätzlich befand es, dass das Urteil des Bundesgerichts vom 7. April 2020<sup><a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28">28</a></sup> an der Unterscheidung nichts ändere, weil sich das Bundesgericht nicht mit der Qualifikation der Beteiligung als Mitarbeiterbeteiligung habe befassen müssen.<sup><a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29">29</a></sup> Das Verwaltungsgericht sah angesichts der Beweise – darunter die Bestätigung des Hauptaktionärs, wonach E. sein designierter Nachfolger sei<sup><a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30">30</a></sup> – eine Nachfolgeregelung für erstellt an und beurteilte den entsprechenden bei der Gesellschaft angefallenen Aufwand, als nicht geschäftsmässig begründet.</p>
<p>Im Ergebnis wäre im erwähnten Nidwaldner Fall unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach Vorkaufsrechte zu einem vorbestimmten Wert (i.c. Substanzwert) bei der Bemessung des geldwerten Vorteils zu berücksichtigen seien,<sup><a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31">31</a></sup> wohl auch ohne die Qualifikation als Nachfolgeregelung gleich zu entscheiden gewesen. Dennoch sind die Ausführungen zur besagten Qualifikation von grossem Interesse, da es sich um ein in der Rechtsprechung noch wenig durchleuchtetes Thema handelt.</p>
<h3>2.3 Kantonale Praxis der Steuerbehörden</h3>
<h4>2.3.1 Die Praxis des Kantons Tessin</h4>
<p>Seit der Umsetzung der Unternehmenssteuerreform II im Jahr 2011 hat der Kanton Tessin in seiner Steuergesetzgebung (Legge tributaria; nachfolgend "StG-TI") eine Reihe von Massnahmen zur Erleichterung von Unternehmensübertragungen «inter vivos» oder «mortis causa» aufgenommen, die auch als Unternehmensnachfolge bezeichnet werden. Wir verweisen insbesondere auf den Aufschub der Besteuerung der stillen Reserven im Falle einer Erbteilung, wenn nur ein Teil der Erben den Betrieb gemäss Art. 17a Abs. 2 StG-TI (siehe auch Art. 18a Abs. 3 DGB) übernimmt, sowie die privilegierte Besteuerung des Liquidationsgewinns bei endgültiger Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit nach Vollendung des 55. Altersjahres oder wegen Unfähigkeit zur Weiterführung infolge Invalidität gemäss Art. 37b StG-TI (siehe auch Art. 37b DGB). Es kann deshalb argumentiert werden, dass die Unternehmensnachfolge im Kanton Tessin bei entsprechender Planung bereits steuerlich attraktiv gestaltet werden kann. Der Kanton Tessin kennt hingegen (noch) keine weiteren Steuererleichterungen bei der Unternehmensnachfolge, wie sie derzeit in zahlreichen Gesetzen anderer Kantone vorgesehen sind. Gemeint ist damit im Besonderen die Möglichkeit einer prozentualen Steuerermässigung bei einer unentgeltlichen oder erbrechtlichen Übertragung der Unternehmenstätigkeit, der Gesellschaftsanteile oder der Aktien.</p>
<p>Angesichts dieser grossen Zahl von Unternehmen hat die Tessiner Regierung kürzlich eine Botschaft verabschiedet<sup><a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32">32</a></sup>, die derzeit von der Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates geprüft wird. Darin schlägt sie neben verschiedenen Massnahmen zur Anpassung des Steuergesetzes im Bereich der Besteuerung natürlicher Personen auch die Einführung von Steuererleichterungen bei Unternehmensnachfolge vor, vergleichbar mit jenen, die in anderen Kantonen bereits eingeführt wurden.</p>
<p>Bevor jedoch auf die Einzelheiten der vorgeschlagenen Regelung eingegangen wird, sollte geklärt werden, unter welchen Umständen die Tessiner Steuerbehörden von einer Unternehmensnachfolge ausgehen können.</p>
<p>Sowohl Einzelunternehmen und Anteile an Personengesellschaften als auch Anteile an Kapitalgesellschaften können verschenkt oder vererbt werden. Demgegenüber sind – wie erwähnt – Minderheitsaktien oder -anteile, die aufgrund eines gegenwärtigen, künftigen oder früheren Arbeitsverhältnisses zu Vorzugsbedingungen (nicht zum Preis, der für einen Dritten in einer Situation des freien Marktes festgesetzt würde) vom Unternehmen selbst, von anderen Konzerngesellschaften oder direkt von einem Aktionär erworben werden, im Prinzip als Mitarbeiterbeteiligungen zu qualifizieren. Der entgeltliche Aspekt, d. h. die Bereitschaft, die beruflichen Leistungen des Arbeitnehmers zu vergüten, sollte in solchen Fällen überwiegen.<sup><a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33">33</a></sup> Diese Unterscheidung ist von grundsätzlicher Bedeutung, da die steuerlichen Folgen je nach Qualifikation sehr unterschiedlich ausfallen können. Während bei einer Unternehmensnachfolge kantonale Erbschafts- oder Schenkungssteuern anfallen können, liegt bei Mitarbeiterbeteiligungen regelmässig eine einkommenssteuerpflichtige Vergütung vor.</p>
<p>Ersterer Fall, jener der Unternehmensnachfolge, bezieht sich im Allgemeinen auf die Übertragung der gesamten Geschäftstätigkeit oder die Übertragung von mindestens der Mehrheit der Anteile oder Aktien eines Unternehmens, was zu einem Wechsel der Kontrolle über das Unternehmen führt.<sup><a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34">34</a></sup> Diese Übertragung muss zudem unentgeltlich oder auf jeden Fall zu einem Preis erfolgen, der offensichtlich unter dem Wert der Gegenleistung liegt. In solchen Fällen liegt grundsätzlich eine gemischte Schenkung vor (Art. 142 Abs. 2 lit. e StG-TI) und das Vorliegen einer Schenkungsabsicht auf Seiten des Übertragenden kann unter bestimmten Umständen vermutet werden.<sup><a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35">35</a></sup></p>
<p>Auf jedem Fall nimmt die Tessiner Steuerbehörde die Qualifikation je nach den Umständen des konkreten Einzelfalles vor. </p>
<p>Die neue kantonale Regelung, sofern sie vom Parlament genehmigt wird, sieht unter bestimmten Bedingungen eine 50-prozentige Ermässigung der Erbschafts- oder Schenkungssteuer vor, um die notwendige Unternehmenskontinuität zu gewährleisten. Die erste Bedingung ist, dass der Berechtigte eine leitende Position im Unternehmen mit Sitz im Tessin innehat. Eine leitende Position bedeutet insbesondere, dass der Berechtigte die Kontrolle über das Unternehmen hat und es persönlich leitet, entweder als Eigentümer, als Mitglied der Geschäftsführung oder als Mitglied des Verwaltungsrats der Personen- bzw. Kapitalgesellschaft. Die Schenkungs- oder Erbschaftssteuer auf ein Betriebsvermögen oder auf eine qualifizierte Beteiligung am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft wird in diesen Fällen um 50 Prozent ermässigt. Die Steuerermässigung entfällt insbesondere, wenn innerhalb der nächsten 5 Jahre das Vermögen aus dem Betrieb entnommen wird, wenn die Geschäftstätigkeit entgeltlich veräussert, eingestellt oder ins Ausland verlegt wird, wenn die Tätigkeit des Begünstigten in seiner leitenden Funktion eingestellt wird (ausser in Fällen, in denen der Begünstigte vorzeitig verstirbt), oder wenn die Beteiligung oder das Aktienkapital veräussert wird oder unter 51 % sinkt. In solchen Fällen wird der Teil der ermässigten Steuer im Rahmen eines Nachsteuerverfahrens erhoben. Die Steuerbehörde kann zum Zeitpunkt der Gewährung der Vergünstigungen, und wenn sie es für erforderlich hält, angemessene Garantien zur Deckung des Risikos der Nichteinhaltung der oben genannten Fristen verlangen.</p>
<p>Mit dieser Massnahme soll auch der letzten Reform des zivilen Erbrechts<sup><a title="" href="#_ftn36" name="_ftnref36">36</a></sup> Rechnung getragen werden, mit welcher das Bundesparlament die gesetzlichen Pflichtteile der Nachkommen und des überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partners verringert hat. Damit erhöht sich der für den Erblasser frei verfügbare Anteil, so dass diesem ein grösserer Spielraum bei der Nachfolgeplanung, einschliesslich der Unternehmensplanung, zukommt.</p>
<h4>2.3.2 Praxis in anderen Kantonen</h4>
<p>Einige kantonale Steuerverwaltungen anerkennen diesen Unterschied denn auch und sehen unter gewissen Voraussetzungen von einer Einkommensbesteuerung des geldwerten Vorteils aus Übertragung von Beteiligungen im Rahmen einer Nachfolgeregelung ab.</p>
<p>Gemäss dem St. Galler Steuerbuch ergeben sich beim (im Unternehmen angestellten) Empfänger der Beteiligungen, wenn anerkanntermassen eine Nachfolgeregelung vorliegt, vorerst keine Einkommenssteuerfolgen und zwar auch dann nicht, wenn der Verkaufspreis nicht nach einer «tauglichen und anerkannten Methode» gem. KS 37, Ziff. 3.2.2. festgelegt wurde.<sup><a title="" href="#_ftn37" name="_ftnref37">37</a></sup> Sofern in den nachfolgenden fünf Jahren ein Verkauf stattfindet, wird ein allfälliger Übergewinn (bzw. die Differenz zwischen dem ursprünglichen und dem neuen Kaufpreis) als Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit besteuert.<sup><a title="" href="#_ftn38" name="_ftnref38">38</a></sup> Die publizierte St. Galler Praxis verzichtet hierbei, den Begriff der Nachfolgeregelung zu erläutern und verweist auf die Prüfung des Einzelfalls.<sup><a title="" href="#_ftn39" name="_ftnref39">39</a></sup></p>
<p>Auch der Kanton Luzern hat in einer Newsletter der Dienststelle Steuern vom 23. Januar 2020<sup><a title="" href="#_ftn40" name="_ftnref40">40</a></sup> über seine Praxis zur steuerliche Behandlung der Übertragung von Beteiligungsrechten im Zusammenhang mit einer Unternehmensnachfolge veröffentlicht. Danach sei eine Abgrenzung zwischen steuerbaren Mitarbeiterbeteiligungen und steuerfreien Nachfolgeregelung «nicht immer klar» und abhängig vom Einzelfall.<sup><a title="" href="#_ftn41" name="_ftnref41">41</a> </sup>Liege eine Nachfolgeplanung bzw. Betriebsübergabe vor, so gelte eine fünfjährige Beobachtungsfrist. Komme es zu einer Veräusserung innerhalb dieser Frist, so werde ein Übergewinn, der auf einen Wechsel der Bewertungsmethodik zurückzuführen sei, zu besteuern.<sup><a title="" href="#_ftn42" name="_ftnref42">42</a></sup> Unklar ist, ob vorausgesetzt wird, dass für die Preisfestsetzung eine besondere Bewertungsmethodik, z.B. im Sinne einer «tauglichen und anerkannten Methode» gem. KS 37, Ziff. 3.2.2. angewendet wird.</p>
<p>Die relevanten Indizien für eine Unterscheidung gemäss Newsletter LU sind die Folgenden:<sup><a title="" href="#_ftn43" name="_ftnref43">43</a></sup></p>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/7Gv9AZbFzkcjhvHBNjMHUK/0c1cf087154ebf58c4d7d0e49d6b29a9/A13_RZ25.png" alt="Tabelle der Die relevanten Indizien für eine Unterscheidung gemäss Newsletter LU." width="900" height="490" /></p>
<p>Bezüglich des Kriteriums der Beteiligungshöhe erwähnt das Newsletter LU ferner, dass bei Beteiligungen bis 10% grundsätzlich von Mitarbeiteraktien auszugehen ist.<sup><a title="" href="#_ftn44" name="_ftnref44">44</a></sup></p>
<p>Zur Praxis des Kantons Zürich wurde im Rahmen eines Vortrags von Jürg Altorfer aus 2021 mitgeteilt, dass «ungeachtet der Höhe der Beteiligung», Aktien, die im wirtschaftlichen und kausalen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, als Mitarbeiteraktien gelten und zwar auch dann, wenn sie von einem Dritten erworben werden.<sup><a title="" href="#_ftn45" name="_ftnref45">45</a></sup></p>
<h2>3. Würdigung</h2>
<p>Aus dogmatischer Sicht fällt auf, dass weder die oben erwähnte publizierte kantonale Praxis noch die (spärliche) Rechtsprechung genau begründet, weshalb ein geldwerter Vorteil, den ein Mitarbeiter (oder ein Dritter) im Rahmen einer Nachfolgeregelung erhält, nicht als Einkommen gelten soll. Auch wenn man nämlich zum Schluss kommt, dass die Regelung der Mitarbeiterbeteiligungen gemäss Art. 17b DBG bzw. Art. 7d StHG keine Anwendung findet – auch nicht analog, so bleibt es grundsätzlich bei der Einkommensgeneralklausel (Art. 16 Abs. 1 DBG, Art. 7 Abs. 1 StHG). Danach unterliegen nach dem Konzept der Reinvermögenszugangstheorie alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte der Einkommenssteuer, sofern kein privater Kapitalgewinn (Art. 16 Abs. 3 DBG, 7 Abs. 4 lit. b StHG) vorliegt oder eine Ausnahme nach Art. 24 DBG bzw. Art. 7 Abs. 4 StHG greift.<sup><a title="" href="#_ftn46" name="_ftnref46">46</a></sup> Als Ausnahme in diesem Sinne, die eine (Einkommens-)Besteuerung im Zusammenhang mit einer Nachfolgeregelung ausschliessen könnte, liegt grundsätzlich nur der Schenkungstatbestand (Art. 24 lit. a DBG, Art. 7 Abs. 4 lit. c StHG) auf der Hand. Steht fest, dass eine Beteiligung vom Aktionär an einen Mitarbeiter unterpreislich verkauft wurde, scheint hingegen wenig Raum für die Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne zu bestehen, da der geldwerte Vorteil bei Übertragung bereits vorliegt und nicht durch eine Werterhöhung der Beteiligung nach Übertragung generiert wird: Entweder es liegt eine (gemischte) Schenkung vor, oder man muss davon ausgehen, dass die unterpreisliche Übertragung mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang steht. Dementsprechend scheint auch die Grundlage für eine Übergewinnbesteuerung fraglich, wenn von einer eigentlichen Nachfolgeregelung (d.h. Schenkung) ausgegangen werden kann. </p>
<p>Angesichts der Steuererleichterungen, die verschiedene Kantone in ihren Schenkungs- und Erbschaftssteuergesetzgebungen für den Fall der Unternehmensnachfolge vorsehen oder einführen wollen sowie angesichts der durchaus grossen praktischen Relevanz der Thematik, kann erwartet werden, dass die Frage der steuerlichen Qualifikation der Übertragung von Beteiligungsrechten im Zusammenhang mit einer Nachfolgeplanung in Praxis, Rechtsprechung und Literatur weiter Gewicht annehmen wird. Auch eine diesbezügliche richtungsweisende Entscheidung des Bundesgerichts scheint in der nicht zu entfernten Zukunft möglich zu sein und darf mit Spannung erwartet werden.</p></article>
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