1. Sachverhalt
Das Ehepaar A. und B. wohnte in Binningen in einer Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 336m2 (exkl. Terrasse) und hatte zwei Autoeinstellplätze, in denen ihre beiden Fahrzeuge, ein Maserati GranTurismo und ein Ferrari 458, standen. Im September 2015 wurde der Ehefrau unter Freistellung von ihrer Arbeitgeberin, der G. AG, fristlos gekündigt.
Mitte November 2015 meldete sich das Ehepaar am Schalter bei den Einwohnerdiensten der Gemeinde Binningen ab und am Schalter des Einwohneramts der Gemeinde Wollerau an. Auf der Homepage der Gemeinde Binningen ist zu lesen: «Wir wünschen Ihnen alles Gute am neuen Wohnort.» und auf der Homepage der Gemeinde Wollerau «Wir heissen Sie herzlich willkommen!» Die drei Schwyzer Gemeinden Feusisberg, Freienbach und Wollerau führen die schweizerische Steuerrangliste an. Auf der Homepage des Bezirks Höfe steht jedoch ein Vorbehalt, der für die interkantonale Steuerplanung ernst zu nehmen ist: «Es ist nicht im Sinne der drei Höfner Gemeinden […] Scheindomizile zu unterstützen oder zu dulden.»
Das Ehepaar mietete in Wollerau eine möblierte 2½-Zimmerwohnung im ersten Obergeschoss eines Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von 140m2 für einen Mietzins von Fr. 800.-. Der Ehemann arbeitete weiterhin in Basel. Abonnements mit Telekommunikationsanbietern (Swisscom, Cablecom) wurden gekündigt bzw. neu abgeschlossen und die Adresse bei der Krankenkasse geändert. Die beiden Fahrzeuge wurden nicht umgemeldet und standen weiterhin in Binningen zur Verfügung. Die Eigentumswohnung in Binningen wurde nicht vermietet und nicht verkauft und im ursprünglichen Zustand mit allen Einrichtungsgegenständen belassen.
Kurze Zeit nach der der Abmeldung in Binningen und der Anmeldung in Wollerau begab sich das Ehepaar bis Mitte Januar 2016 auf eine mehrwöchige Weltreise.
Mit Schreiben vom 7. März 2017 teilte die Steuerverwaltung des Kantons Schwyz dem Ehepaar mit, dass sie sich aufgrund von Erkenntnissen aus einer Kontrolle des Gemeindesteueramtes Wollerau veranlasst sehe, die Veranlagungsverfügung der direkten Bundessteuer und der kantonalen Steuern für die Steuerperiode 2015 zu widerrufen. Das Gemeindesteueramt Wollerau löschte das Ehepaar aufgrund eines Scheindomizils rückwirkend aus dem Steuerregister. Die Steuerverwaltung des Kantons Schwyz informierte die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft. In der Folge veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft mit Verfügung vom 24. April 2017 das Ehepaar für die direkte Bundessteuer und die Staatssteuer für die Steuerperiode 2015.
2. Streit vor dem Bundesgericht
2.1 Ort des steuerrechtlichen Wohnsitzes
Vor dem Bundesgericht war der Ort strittig, an dem sich der steuerrechtliche Wohnsitz des Ehepaars am 31. Dezember 2015 für die Zwecke der Kantons- und Gemeindesteuern befand. Der Steuerwohnsitz am letzten Tag des Kalenderjahres ist für die Besteuerung natürlicher Personen von steuerrechtlicher Bedeutung. Das Ehepaar war im Jahr 2015 in dem Kanton für die Zwecke der Kantons- und Gemeindesteuern steuerpflichtig, in dem es am 31. Dezember 2015 seinen Steuerwohnsitz hatte. Es ging somit vor dem Bundesgericht um die Besteuerung des Einkommens des Ehepaars im Jahr 2015 und des Vermögens des Ehepaars per 31. Dezember 2015.
2.2. Standpunkt des Ehepaars
Das Ehepaar stellte sich auf den Standpunkt, dass sich der steuerrechtliche Wohnsitz am 31. Dezember 2015 in Wollerau befunden habe. Ausserdem sei die Eigentumswohnung in Binningen im Rahmen einer interkantonalen Steuerausscheidung zu berücksichtigen.
Das Ehepaar machte geltend, die Ehefrau sei im September 2015 unter Freistellung gekündigt worden und damit sei der Wunsch einhergegangen, die Region Basel zu verlassen und sich in die Region Höfe zu begeben. Die Ehefrau habe beabsichtigt, nach ihrer Freistellung eine selbständige Erwerbstätigkeit im Weinhandelsgeschäft mittels einer Onlineplattform aufzubauen. Es habe daher in der Region eine Liegenschaft zum Kauf oder ein Projekt zum Bau gesucht, weshalb die 2½-Zimmerwohnung vorübergehend als Mietlokalität gedient habe. Die Situation bezüglich Kaufs oder Bau einer Liegenschaft in Wollerau habe sich jedoch als schwierig herausgestellt. Weiter machten die Eheleute geltend, dass aufgrund ihrer komfortablen finanziellen Situation eine sofortige Vermietung oder ein sofortiger Verkauf der Eigentumswohnung in Binningen nicht notwendig gewesen sei.
2.3 Standpunkt der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft
Die Steuerverwaltung stellte sich auf den Standpunkt, dass sich der steuerrechtliche Wohnsitz am 31. Dezember 2015 in Binningen befunden habe. Die auffallend günstige Miete von Fr. 800.- für eine Wohnung «im Steuerparadies der Schweiz» sei allein Indiz genug, dass es sich beim Domizil in Wollerau um ein Scheindomizil handle.
3. Erwägungen des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
Das Kantonsgericht zitierte die Erwägungen des Steuergerichts, wonach das Ehepaar die Eigentumswohnung in Binningen in ihrem ursprünglichen Zustand mit allen Einrichtungsgegenständen belasse hatte. Demnach habe kein Umzug unter Mitnahme aller und nicht nur der persönlichen Gegenstände stattgefunden. Auf den eingereichten Kreditkartenabrechnungen, welche offenbar die Wohnsitznahme in Wollerau nachweisen sollten, war weder ein Name oder eine Kreditkartenummer noch sonst eine Information ersichtlich, die einen konkreten Rückschluss auf das Ehepaar zulassen würde. Auch die eingereichten Fotos vom angeblichen Umzug von Binningen nach Wollerau liessen keinen konkreten Rückschluss auf das Ehepaar zu. Es sei zudem unwahrscheinlich, dass vom Einkauf von Möbeln in einem grossen Möbelgeschäft zufälligerweise und im Alltags- bzw. Umzugsstress Fotos gemacht würden. Die nicht umgemeldeten Fahrzeuge würden klar darauf hinweisen, dass sich der Wohnsitz immer in Binningen befunden habe.
Das Kantonsgericht wies das Ehepaar darauf hin, dass deren drei Fahrzeuge in der Schwyzer Steuererklärung 2015 nicht deklariert worden waren und gewährte eine Frist zur Nachbesserung. Das Ehepaar machte geltend, dass ihre drei Fahrzeuge im Jahr 2015 bereits vollständig abgeschrieben waren und deshalb in der Schwyzer Steuererklärung 2015 nicht deklariert wurden.
Das Kantonsgericht hatte die Rechtsfrage des steuerrechtlichen Wohnsitzes per 31. Dezember 2015 mit den folgenden objektiven Indizien geprüft:
- Zwischen der grossen und luxuriösen Eigentumswohnung in Binningen und der gemieteten 2½-Zimmerwohnung in Wollerau bestand eine augenfällige Diskrepanz.
- Die Eigentumswohnung in Binningen wurde weder vermietet noch verkauft.
- Der Ehemann arbeitete weiterhin in Basel.
- Der Mietzins für die 2½-Zimmerwohnung in Wollerau erscheint tief und somit nicht marktüblich.
- Die drei Fahrzeuge des Ehepaars wurden nicht auf den Kanton Schwyz umgemeldet.
4. Erwägungen des Bundesgerichts
4.1 Begründung eines neuen steuerrechtlichen Wohnsitzes
Zunächst geht das Bundesgericht auf die Bestimmung des Ortes des steuerlichen Wohnsitzes und die Begründung eines neuen steuerrechtlichen Wohnsitzes ein:
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt als steuerrechtlicher Wohnsitz einer natürlichen Person der Ort, an dem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet. Dieser Ort bestimmt sich nach der Gesamtheit der objektiven Umstände, aus denen sich diese Interessen erkennen lassen. Der steuerrechtliche Wohnsitz ist demzufolge nicht frei wählbar. Der Ort, wo die natürliche Person im Einwohnerregister eingetragen ist, spielt keine entscheidende Rolle.
Für die Begründung eines neuen steuerrechtlichen Wohnsitzes müssen zwei Merkmale erfüllt sein:
- Ein objektives, äusseres Merkmal: der Aufenthalt, sowie
- ein subjektives, inneres Merkmal: die Absicht dauernden Verbleibs. Dabei kommt es nicht auf den inneren Willen an. Massgebend ist, welche Absicht objektiv erkennbar ist. Die nach aussen erkennbare Absicht muss auf einen dauernden Aufenthalt gerichtet sein.
4.2 Beweislast und Mitwirkungspflicht
Anschliessend unterscheidet das Bundesgericht die Beweislast auf der Seite der Steuerbehörden und der Mitwirkungspflicht auf der Seite der steuerpflichtigen Person:
- Die zur Bestimmung des Ortes des steuerrechtlichen Wohnsitzes zugrunde liegenden Tatsachen sind steuerbegründet und daher von den Steuerbehörden nachzuweisen.
- Die steuerpflichtige Person ist jedoch zur Mitwirkung und zu umfassender Auskunftserteilung über die für die Besteuerung massgebenden Umstände verpflichtet. Diese Mitwirkungspflicht besteht insbesondere für die Aufgabe und die Begründung eines steuerrechtlichen Wohnsitzes.
In der Erwägung 5.1.4 gelangt das Bundesgericht an die für den Ausgang des Verfahrens entscheidende Stelle: «Die steuerpflichtige Person ist jedoch zur Mitwirkung und zu umfassender Auskunftserteilung über die für die Besteuerung massgebenden Umstände verpflichtet […]. […] Dazu gehört nicht nur die endgültige Lösung der Verbindungen zum bisherigen Wohnsitz, sondern auch die Darstellung der tatsächlichen Umstände, welche zur Begründung des neuen Wohnsitzes geführt haben […].»01 Nach der vom Bundesgericht zitierten Rechtsprechung bleibt der einmal begründete Wohnsitz grundsätzlich bis zum Erwerb eines neuen bestehen (BGE 138 II 300, E. 3.4) Auf diese steuerrechtliche Fiktion im Zusammenhang mit der Mitwirkungspflicht der steuerpflichtigen Person hatte bereits das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung hingewiesen (810 18 59, Erwägung 4.5).
4.3 Indizien
Im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht bei der Bestimmung des Ortes des steuerrechtlichen Wohnsitzes in erster Linie auf die Wohnsituation am 31. Dezember 2015 abgestellt. Im massgebenden Zeitpunkt:
- war das Ehepaar Eigentümer einer Eigentumswohnung in Binningen mit mehr als doppelt so grosser Wohnfläche als die in Wollerau für CHF 800.— gemietete und möblierte 2½-Zimmerwohnung im ersten Obergeschoss eines Einfamilienhauses;
- hatte das Ehepaar die Liegenschaft in Binningen nicht vermietet und nicht verkauft;
- arbeitete der Ehemann weiterhin in Basel; und
- war das Ehepaar auf einer längeren Weltreise, auf die es sich kurz nach der Abmeldung in Binningen und kurz nach der Anmeldung in Wollerau begab.
4.4 Schlussfolgerung
Das Bundesgericht ist im Lichte dieser Umstände zum Schluss gelangt, dass die zur Beurteilung der Rechtsfrage zu berücksichtigenden Umständen die Aufgabe des Steuerwohnsitzes und die Begründung eines neuen Steuerwohnsitzes per 31. Dezember 2015 in Wollerau nicht nahelegen. Das Bundesgericht stellt weiter fest, dass es sich bei der Kündigung von Abonnenten mit Telekommunikationsanbietern und Adressänderungen bei Krankenkassen um schwache Indizien handelt, die im Vergleich zur Wohnsituation in den Hintergrund treten.
5. Schlussbemerkungen
Voraussetzung für die Verlegung des Steuerwohnsitzes ist nicht nur die endgültige Lösung der Verbindungen zum bisherigen Wohnsitz, sondern auch die Knüpfung von Verbindungen zum neuen Wohnsitz. Die Wohnsitzverlegung setzt die Aufgabe des bisherigen und die Begründung eines neuen Wohnsitzes voraus. Die Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes genügt für sich alleine grundsätzlich nicht.
Die steuerpflichtige Person muss im Rahmen der Mitwirkungspflicht die tatsächlichen Umstände darlegen, die zur Begründung des neuen Wohnsitzes geführt haben. Die neue Wohnsituation muss sich in objektiver Weise materialisieren. Diese Materialisierung hätte im vorliegenden Fall zum Beispiel in der Vermietung der Eigentumswohnung in Binningen und der Ummeldung des Maserati GranTurismo und des Ferrari 458 nach Schwyz bestanden.
Das Ehepaar plante die mehrwöchige Weltreise entweder zu früh, zu lange oder zum falschen Zeitpunkt, um den Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Wollerau zu verlegen. Es konnte am 31. Dezember 2015 keinen Lebensmittelpunkt in Wollerau begründen; da es über Silvester auf Weltreise war.