<article class="rz"><h2>1. Einleitung</h2>
<p>«Home Office», «remote work», «smart working»! All diese Begriffe haben sich im Verlaufe des Jahres 2020 zu Schlagwörtern im Alltag entwickelt. Die Covid-19-Pandemie hat zu vielerlei Änderungen im Alltag geführt. Neben Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen, verursacht durch die Drosselung des Waren- und Dienstleistungsangebots und einer Änderung im Konsumverhalten der einzelnen Personen, wurde auch der Arbeitsmarkt auf den Kopf gestellt. Nebst der zahlreichen Erwerbstätigen, die in Kurzarbeit waren, mussten die Unternehmen ihre Mitarbeitenden von zu Hause aus arbeiten lassen.<a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1"><sup>01</sup></a> Auf einen Schlag wurde aus der eigenen Wohnstätte auch gleich der Arbeitsort. Dies hat zu zahlreichen Diskussionen auf nationaler wie auch internationaler Ebene geführt. Ein besonders brisanter Punkt sind die damit einhergehenden steuerrechtlichen Fragestellungen. Im Folgenden fokussieren wir uns auf die bestehenden Steuerprobleme im Zusammenhang mit Erwerbseinkünften von internationalen Arbeitnehmenden und geben einen kurzen Ausblick auf die Risiken, welche die neuen Arbeitsmodelle für Unternehmen, welche internationale Arbeitnehmende beschäftigen, mit sich bringen.<a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2"><sup>02</sup></a> </p>
<h2>2. Besteuerung von internationalen Arbeitnehmenden</h2>
<p>Der Begriff der internationalen Arbeitnehmenden ist weit gefasst und beinhaltet verschiedene Fallkonstellationen.<a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3"><sup>03</sup></a> Grenzgänger, welche typischerweise jeden Tag wieder an ihren ausländischen Wohnort zurückkehren, stellen eine Kategorie solcher Arbeitnehmenden dar. Bei internationalen Arbeitnehmenden, welche bei einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen tätig sind, stellt sich immer die Frage, welche steuerrechtlichen Verpflichtungen der Schweizer Arbeitgeberin im Zusammenhang mit ausländischen Arbeitnehmenden zukommen. Dabei ist sauber zwischen den nationalen Besteuerungsregeln und den internationalen Zuteilungsregeln der DBA zu unterscheiden. Zu beachten ist, dass nur nationale Steuernormen eine Steuerpflicht begründen können. Die internationalen Zuteilungsnormen regeln, ob ein auf der Grundlage des nationalen Steuerrechts bestehendes Besteuerungsrecht ausgeübt werden darf oder – falls nicht – es eingeschränkt wird.<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4"><sup>04</sup></a></p>
<h3>2.1 Besteuerungsregeln in der Schweiz</h3>
<p>Gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_5">Art. 5 Abs. 1 lit. a DBG</a> unterliegen Arbeitnehmende ohne steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz einer beschränkten Steuerpflicht, wenn sie in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben. Dabei gelangt das Quellensteuerverfahren gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_91">Art. 91</a> i.V.m. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_83">Art. 83ff. DBG</a> zur Anwendung, was bedeutet, dass der inländische Arbeitgeber bei Fälligkeit der geschuldeten Leistungen die geschuldete Steuer zurückbehalten und periodisch der zuständigen Steuerbehörde abliefern muss. Die Besteuerung der ausländischen Arbeitnehmenden setzt voraus, dass die für die Entstehung des Leistungsanspruchs massgebende Tätigkeit physisch in der Schweiz ausgeübt wird. Diese Position wurde vom Bundesgericht mehrfach bestätigt.<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5"><sup>05</sup></a> Diesbezüglich sei auf ein Leiturteil verwiesen, welchem ein deutscher Staatsangehöriger zu Grunde lag, der bei einer Schweizer Gesellschaft angestellt war.<a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6"><sup>06</sup></a> Zu Beginn übte er seine Tätigkeit physisch in der Schweiz aus. Später zog er jedoch nach Katar, wo er auch für die Schweizer Gesellschaft arbeitete. Der Arbeitgeber stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit die Quellensteuerpflicht wegfiel und beantragte die Rückerstattung bereits geleisteter Quellensteuern. Das Bundesgericht schützte die Auffassung des Arbeitgebers und verpflichtete die Steuerbehörde, die unrechtmässig eingenommene Quellensteuer zurückzuerstatten. Diese Rechtsprechung gilt es nun auch im Zusammenhang mit den Home-Office-Aktivitäten, welche durch die Covid-19-Pandemie verursacht wurde, im Blick zu behalten.</p>
<h3>2.2 Besteuerungsregeln der DBA</h3>
<p>Ausgangspunkt bei Einkünften aus unselbständiger Erwerbstätigkeit im internationalen Ver-hältnis gemäss Art. 15 OECD-MA 2017 ist das Arbeitsortsprinzip. Dieser Grundsatz besagt, dass der Staat, in dem die Arbeit ausgeübt wird, Einkünfte aus dieser Erwerbstätigkeit besteuern darf. Der Staat, in dem der Arbeitnehmende ansässig ist, hat diese Einkünfte entweder von der Steuer zu befreien oder die ausländische Steuer an die inländische Steuer anzurechnen.<a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7"><sup>07</sup></a></p>
<p>Die Grenzgängerbestimmungen, welche zwischen den einzelnen Staaten als leges specialis ausgestaltet sind, schränken die Besteuerung am Arbeitsort nun aber punktuell ein. Die Schweiz kennt sog. Grenzgängerregelungen mit Deutschland, Frankreich, Italien und dem Fürstentum Liechtenstein, nicht aber mit Österreich.<a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8"><sup>08</sup></a></p>
<h4>2.2.1 Deutschland</h4>
<p>Die Besteuerung der Grenzgängerinnen im Verhältnis zu Deutschland ist in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1972/3075_3128_2910/de#art_15_a">Art. 15a DBA CH-D</a> geregelt. Das DBA enthält eine Definition des Begriffes. Grenzgängerin ist gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1972/3075_3128_2910/de#art_15_a">Art. 15a Abs. 2 DBA CH-D</a>, wer regelmässig an seinen Wohnsitz zurückkehrt. Dabei werden pro Kalenderjahr bis zu 60 Nichtrückkehrtage toleriert, um den Grenzgängerstatus nicht zu verlieren. Die Einkünfte aus Erwerbstätigkeit werden dem Grundsatze nach in Deutschland besteuert, wobei die Schweiz 4.5% des Bruttobetrags der Vergütungen als Quellensteuer abziehen darf. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1972/3075_3128_2910/de#art_15_a">Nach Art. 15a Abs. 3 lit. a DBA CH-D</a> rechnet Deutschland die in der Schweiz erhobenen Quellensteuern an die deutsche Einkommenssteuer an.</p>
<h4>2.2.2 Liechtenstein</h4>
<p>Das DBA mit dem Fürstentum Liechtenstein geht einen Schritt weiter. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_15">Art. 15 Abs. 4 DBA CH-FL</a> sieht vor, dass die von Grenzgängern erzielten Einkünfte nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden dürfen. Die Schweiz darf bei in Liechtenstein ansässigen Grenzgängern keine Quellensteuer erheben. In einem Protokoll, welches integralen Bestandteil des DBA bildet, ist geregelt, dass die Grenzgängereigenschaft entfällt, wenn die Person in einem Kalenderjahr an mehr als 45 Arbeitstagen nach Arbeitsende aus beruflichen Gründen nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt.<a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9"><sup>09</sup></a> Grenzgänger im öffentlichen Dienst werden gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2016/763/de#art_19">Art. 19 Abs. 1 DBA CH-FL</a> am Ort besteuert, von dem die Zahlung geleistet wird.</p>
<h4>2.2.3 Italien</h4>
<p>Im Gegensatz zur Rechtslage, wie sie im Verhältnis zu Deutschland und Liechtenstein be-steht, folgt die derzeit noch bestehende Grenzgängervereinbarung mit Italien dem Ar-beitsortsprinzip. Das Besteuerungsrecht ist ausschliesslich dem Arbeitsort vorbehalten. Die Vereinbarung sieht aber, ähnlich wie im Fall von Frankreich, einen Ausgleich der Kantone Graubünden, Tessin und Wallis zugunsten der italienischen Grenzgemeinden in der Höhe von 40% resp. bei einigen Kantonen 38.5% des Bruttobetrags der von den italienischen Grenzgängern bezahlten Steuern vor.<a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10"><sup>10</sup></a> Am 23. Dezember 2020 haben die Schweiz und Italien ein Protokoll unterzeichnet, welches für die Zukunft eine Abkehr vom Arbeitsortsprinzip vorsieht.<a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11"><sup>11</sup></a></p>
<h4>2.2.4 Frankreich</h4>
<p>Wiederum anders präsentiert sich die Rechtslage im Verhältnis zu Frankreich. Dabei ist zu beachten, dass eine Grenzgängervereinbarung mit dem Kanton Genf und eine solche mit den Kantonen Bern, Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Land, Waadt, Wallis, Neuenburg und Jura bestehen.<a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12"><sup>12</sup></a> In der Grenzgängervereinbarung mit dem Kanton Genf ist geregelt, dass das Arbeitsortsprinzip gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1967/1079_1119_1113/de#art_17">Art. 17 DBA CH-F</a> zur Anwendung gelangt. Der Kanton Genf hat im Gegenzug aber jährlich einen Betrag von 3.5% der Bruttolöhne, welche an in den Departementen Ain und Haute-Savoie ansässigen Grenzgängerinnen bezahlt werden, als Ausgleich zu leisten.<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13"><sup>13</sup></a> Im Verhältnis zu den übrigen Kantonen enthält die entsprechende Vereinbarung eine Definition der Grenzgängerin und sieht eine sog. Karenzfrist von 45 Tagen pro Kalenderjahr vor. Der Wohnsitzstaat hat dabei das ausschliessliche Besteuerungsrecht, wobei dieser eine jährliche Ausgleichszahlung von 4.5% des Gesamtbetrages der jährlichen Bruttovergütungen leistet.<a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14"><sup>14</sup></a></p>
<h2>3. Verständigungsvereinbarungen mit den Nachbarstaaten</h2>
<h3>3.1 Allgemeines</h3>
<p>Die Phase der Pandemie, welche zum heutigen Zeitpunkt leider immer noch nicht überstanden ist, hat in Anbetracht der gesetzlichen Regelungen zu grossen Rechtsunsicherheiten geführt. Durch das Homeoffice entfällt die physische Präsenz am gewöhnlichen Arbeitsort sowie die tägliche Grenzüberschreitung, was zu einer Verschiebung der Besteuerungsbefugnisse und des Steuersubstrats hätte führen können. Deshalb haben diverse Staaten mit ihren jeweiligen Nachbarstaaten befristete Verständigungsvereinbarungen abgeschlossen, so auch die Schweiz.</p>
<p>Die Schweiz hat solche vorübergehenden Vereinbarungen mit Frankreich, Italien, Deutschland und dem Fürstentum Liechtenstein abgeschlossen. Alle Vereinbarungen sind noch in Kraft. Die Schweiz und Frankreich haben sich Mitte März geeinigt, dass die Verständigungsvereinbarung bis am 30. Juni 2021 in Kraft bleibt. Ähnliches wird bei den anderen Staaten auch erwartet. Die Vereinbarungen beruhen auf einer sog. Tatsachenfiktion: Bei der Ausübung des Besteuerungsrechts wird so getan, als wären die Arbeitnehmenden auch während des Lockdowns ihrer Erwerbstätigkeit in gewohnter Manier am bisherigen Arbeitsort nachgegangen.<a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15"><sup>15</sup></a> Bei den Grenzgängern hat dies zur Folge, dass die Tage, die im Homeoffice im Ansässigkeitsstaat verbracht werden, gleich behandelt werden, wie die Arbeitstage, an denen vor der Pandemie typischerweise im anderen Staat gearbeitet wurde. Die Steuerbehörden in der Schweiz stellen sich auf den Standpunkt, dass diese Verständigungsvereinbarungen nun auch auf das nationale Steuerrecht durchschlagen. Danach müssen schweizerische Arbeitgeberinnen ihren gewohnten Quellensteuerverpflichtungen nachkommen und die Besonderheiten der einzelnen Verständigungsvereinbarungen berücksichtigen, obwohl die betroffenen Arbeitnehmenden ihre Erwerbstätigkeit nun gar nicht mehr regelmässig in der Schweiz ausüben. Diese Praxis steht im Widerspruch zu den Grundsätzen, welche das Bundesgericht in der Vergangenheit herausgearbeitet hat.<a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16"><sup>16</sup></a></p>
<h3>3.2 Deutschland</h3>
<p>Im Verhältnis zu Deutschland bedeutet dies, dass die Schweiz weiterhin eine Quellensteuer von 4.5% der Bruttolöhne der Grenzgänger erheben darf, welche Deutschland entsprechend anrechnet. Der Zeitraum, in dem ein Grenzgänger von Covid-19-Massnahmen betroffen ist, wird bei der Prüfung der Anzahl Tage, die für die Beibehaltung des Grenzgängerstatus nicht überschritten werden dürfen, nicht berücksichtigt. Er muss von der Arbeitgeberin schriftlich nachgewiesen werden.</p>
<p>Kommt die Grenzgängerregelung nicht zur Anwendung, ist zu beachten, dass die Schweiz nach wie vor besteuern kann und Deutschland eine Freistellung gewährt. Aufgrund der fehlenden physischen Präsenz, welche die Steuerpflicht in der Schweiz voraussetzt, wird der Arbeitgeber nun verpflichtet, den Arbeitnehmenden eine Bestätigung über die Anzahl Arbeitstage, an denen diese der Erwerbstätigkeit im Ansässigkeitsstaat nachgegangen sind, auszustellen. Diese Bestätigung gilt zugleich als Einverständnis, dass der Lohn im Staat, der im Normalfall als Arbeitsortsstaat gilt, tatsächlich besteuert wird. Diese Bestätigung muss dem zuständigen deutschen Steueramt eingereicht werden. Nur dann gewährt Deutschland die Freistellung. Damit soll eine doppelte Nichtbesteuerung verhindert werden.<a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17"><sup>17</sup></a></p>
<h3>3.3 Liechtenstein</h3>
<p>Bei liechtensteinischen Grenzgängern hat die Arbeitgeberin eine Bestätigung auszustellen über den Zeitraum, an denen die Arbeitskraft ihre Tätigkeit aufgrund der Pandemie im Ansässigkeitsstaat ausgeübt hat. Damit soll sichergestellt werden, dass der Grenzgängerstatus durch die Überschreitung der 45 Tage nicht verloren geht.</p>
<p>Die Vereinbarung soll nämlich verhindern, dass die Schweiz aufgrund des Wegfalls des Grenzgängerstatus für die tatsächlich in der Schweiz ausgeübte Erwerbstätigkeit ein Besteuerungsrecht geltend machen kann.</p>
<p>Kommt die Grenzgängerregelung nicht zur Anwendung, so gilt die Tatsachenfiktion, dass der Arbeitnehmende am gewöhnlichen Arbeitsort tätig ist, sofern er nachweisen kann, dass sein Arbeitslohn an diesem Ort besteuert wird.<a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18"><sup>18</sup></a></p>
<h3>3.4 Italien</h3>
<p>In Bezug auf die in Italien ansässigen Arbeitnehmenden gilt, dass die Schweiz auch für die Zeit während des Lockdowns ihr Besteuerungsrecht behält, wenn die Erwerbstätigkeit übli-cherweise in der Schweiz ausgeübt wurde.</p>
<p>Bei den Arbeitnehmenden, die nicht Grenzgänger sind, rechnet Italien die schweizerische Steuer an die italienische Steuer an. Bei den Grenzgängern müssen die von der Grenzgängervereinbarung betroffenen Kantone nach wie vor eine Ausgleichszahlung von 40% resp. 38.5% an Italien entrichten.<a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19"><sup>19</sup></a></p>
<h3>3.5 Frankreich</h3>
<p>Die Vereinbarung mit Frankreich stellt im Verhältnis zu den Grenzgängern sicher, dass Frankreich trotz fehlender physischer Erwerbstätigkeit in der Schweiz die Ausgleichszahlung von 4.5% leistet, soweit nicht die Vereinbarung mit Genf zur Anwendung gelangt.</p>
<p>Im Verhältnis zum Kanton Genf kommt die Tatsachenfiktion zur Anwendung, welche sicher-stellen soll, dass Genf weiterhin besteuern kann. Im Gegenzug muss Genf weiterhin die Aus-gleichszahlung in Höhe von 3.5% der Bruttolöhne, welche an in den Departementen Ain und Haute-Savoie ansässige Grenzgänger bezahlt werden, an Frankreich leisten.</p>
<p>Im Übrigen gewährt die Vereinbarung den Arbeitnehmenden ein Wahlrecht. Wenn Arbeit-nehmende die Besteuerung des auf die ausserordentlichen Homeoffice-Tage entfallenden Einkommens im Wohnsitzstaat wünschen, so haben sie dies den Steuerbehörden des Wohnsitzstaats mitzuteilen.<a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20"><sup>20</sup></a></p>
<h2>4. Vergleich mit den übrigen Ländern</h2>
<p>In der Schweiz leben auch internationale Arbeitnehmende aus anderen Staaten, mit denen keine Verständigungsvereinbarungen abgeschlossen wurden, weshalb auch keine Sonderregelungen im Rahmen der besonderen Pandemiesituation gelten.</p>
<p>Das Kantonale Steueramt Zürich und die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt haben am 28. April 2020 resp. am 18. Mai 2020 angeordnet, dass Arbeitstage, welche im Ausland ansässige Arbeitnehmende aufgrund der Pandemie im Homeoffice verbracht haben, der schweizerischen Quellensteuer unterliegen. Dabei hat das Kantonale Steueramt Zürich auf die Möglichkeit der Revision hingewiesen, sollte es zu einer internationalen Doppelbesteuerung kommen.<a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21"><sup>21</sup></a> Gemäss den beiden Steuerämtern sollen die Sonderregelungen, wie sie mit den Ländern, mit welchen man Verständigungsvereinbarungen abgeschlossen hat, den Regelfall darstellen.</p>
<p>Wie bereits ausgeführt, verstösst diese Rechtsauffassung sowohl gegen die DBA-Regelungen wie auch gegen das interne Recht. Die Arbeitgeberinnen befanden sich für das Steuerjahr 2020 hier in einer Zwickmühle. Gesetzeskonform wäre eigentlich gewesen, wenn sie im Verhältnis zu den Ländern, bei welchen die Sonderregelungen nicht gelten, für die Tage im Homeoffice keinen Quellensteuerabzug mehr vorgenommen hätten. Hätten sie den Quellensteuerabzug aber nicht vorgenommen, was rechtlich korrekt gewesen wäre, so hätten sie entgegen der Ansicht des Steueramtes gehandelt. In diesem Fall hätten sich Haftungsfragen gestellt, da das Haftungsrisiko gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_88">Art. 88 Abs. 3 DBG</a> bei der Arbeitgeberin liegt. Aufgrund dieses Dilemmas haben sich viele Schweizer Arbeitgeberinnen dafür entschieden, den Quellensteuerabzug vorzunehmen. Ein Quellensteuerabzug wurde teilweise sogar im Zusammenhang mit neu in den Schweizer Arbeitsmarkt eingetretenen Mitarbeitenden vorgenommen.</p>
<p>Folgendes Beispiel möge diese Konstellation illustrieren:</p>
<p>Mitarbeiterin X hat seit März 2020 einen Schweizer Arbeitsvertrag, arbeitet seither von zu Hause aus. Der Schweizer Arbeitgeber zieht Quellensteuer ab. Aufgrund der Rechtsprechung kann aber eine Steuerpflicht erst mit Aufnahme der physischen Tätigkeit in der Schweiz begründet werden, weswegen sich die Erhebung der Quellensteuer auch in dieser Konstellation als rechtswidrig erweist. </p>
<p>Erfreulicherweise haben sowohl der Kanton Zürich wie auch der Kanton Basel-Stadt ihre bisherige rechtswidrige Praxis aufgegeben.<a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22"><sup>22</sup></a> Neu gelten die Regeln gemäss den anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen. Somit sind die Corona bedingten Homeoffice-Tage, welche im Wohnsitzstaat geleistet werden, grundsätzlich in der Schweiz nicht steuerpflichtig.</p>
<p>Es stellt sich nun die Frage, ob und wie zu Unrecht entrichtete Quellensteuern, welche im Steuerjahr 2020 abgeliefert wurden, zurückgefordert werden können. Nach internem Recht können ausländische Arbeitnehmende sowie wie auch das schweizerische Unternehmen in Bezug auf die im Jahr 2020 entrichteten Steuern bis Ende März 2021 von der zuständigen kantonalen Verwaltung gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_137">Art. 137 Abs. 1 DBG</a> eine Verfügung über den Bestand der Steuerpflicht verlangen. Beharrt das Steueramt auf eine Steuerpflicht, muss der Steuerpflichtige oder das Unternehmen die Rückerstattung auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend machen.</p>
<p>Der Kanton Basel-Stadt sieht ausserdem explizit vor, dass Arbeitnehmende, bei welchen der Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht für im Home Office geleistete Arbeitstage beansprucht, schriftlich innerhalb von 90 Tagen seit Bekanntmachung der Doppelbesteuerung (Eröffnung des Veranlagungsentscheids) durch die ausländische Steuerbehörde, bei der zuständigen kantonalen Steuerbehörde eine Rückerstattung der in der Schweiz zu viel bezahlten Quellensteuern verlangen können. Die steuerpflichtigen Personen haben dafür Beweise zu erbringen wie z.B. ein ausländischer Steuerbescheid sowie eine Bescheinigung des schweizerischen Arbeitgebers über im Home Office geleistete Arbeitstage.<a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23"><sup>23</sup></a> </p>
<h2>5. Ausblick</h2>
<p>Am 23. Dezember 2020 haben die Schweiz und Italien ein neues Grenzgängerabkommen unterzeichnet, welches das derzeit gültige Abkommen von 1974 ersetzen soll. Die wichtigsten Neuerungen bestehen darin, dass sich die beiden Staaten auf eine Grenzgängerdefinition geeinigt haben, was aus Gründen der Rechtssicherheit erfreulich ist.</p>
<p>Zudem wird eine Unterscheidung zwischen neuen und bestehenden Grenzgängerinnen gemacht. Bei den neuen Grenzgängerinnen darf der Arbeitsortsstaat eine Quellensteuer von 80% des Einkommens aus unselbständiger Erwerbstätigkeit erheben. Im Ansässigkeitsstaat unterliegen die Grenzgänger der ordentlichen Besteuerung, wobei der Ansässigkeitsstaat eine allfällige Doppelbesteuerung durch Anrechnung beseitigen muss. Um die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat zu gewährleisten, unterliegen die Einkünfte der neuen Grenzgänger einem elektronischen Informationsaustausch. Bei den bestehenden Grenzgängern gilt die bisherige Regel bis Ende des Steuerjahres 2033 weiter. Nachher muss die Schweiz keine Ausgleichzahlungen mehr leisten und kann das gesamte Steuersubstrat behalten.</p>
<p>Das Inkrafttreten des Abkommens ist noch ausstehend. Das Protokoll des neuen Abkommens enthält in Ziff. 3 eine Bestimmung, wonach regelmässige Konsultationen zwischen den Vertragsstaaten hinsichtlich der möglichen Weiterentwicklung von Homeoffice stattfinden sollen.<a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24"><sup>24</sup></a> Aufgrund der starken Vernetzung der schweizerischen globalen Unternehmen mit dem Ausland und der grossen Attraktivität, welche diese auf internationale Arbeitnehmende ausstrahlen, besteht seitens der Schweiz ein Interesse daran, das Besteuerungsrecht auch dann ausüben zu können, wenn der im Ausland ansässige Arbeitgeber vom Homeoffice aus arbeitet, sofern die Entschädigung vom schweizerischen Hauptsitz des Arbeitgebers entrichtet wird. Sollte die Schweiz in ihrem Bestreben erfolgreich sein, müsste sie freilich das interne Steuerrecht anpassen, um sicherzustellen, dass eine beschränkte Steuerpflicht infolge Erwerbstätigkeit in der Schweiz unabhängig von einer physischen Präsenz in der Schweiz erfolgen kann.</p>
<p>Das neue Grenzgängerabkommen ist ein Paradebeispiel dafür, dass Home-Office als die neue Normalität reell geworden ist. Dies wird unweigerlich aufgrund der geltenden gesetzlichen Regelungen und allfälligen weiteren Vereinbarungen zu einer Umverteilung des Besteuerungssubstrats führen, falls keine spezifischen Homeoffice-Klauseln vereinbart werden können. Die Arbeitgeber müssen aufgrund der derzeitigen Rechtslage besondere Vorsicht walten, um nicht in Stolperfallen zu treten. Homeoffice kann zu neuen Bescheinigungspflichten sowie zu differenzierten Abrechnungen im Hinblick auf die Quellensteuer bis zur Begründung einer Betriebsstätte oder der Neubegründung des Orts der tatsächlichen Verwaltung führen.<a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25"><sup>25</sup></a> Unerlässlich dabei ist eine frühzeitige Planung vorzunehmen und unternehmensinterne Richtlinien zu schaffen, wobei allfällige steuerliche Risiken nicht ausser Acht gelassen werden dürfen.<span style="vertical-align: super;"><span style="font-size: 11.0pt; font-family: Arial, sans-serif;"><a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26">26</a></span></span></p></article>
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