<article class="rz"><h2>1. Einleitung</h2>
<p>Die Digitalisierung in den Steuerverwaltungen und insbesondere die Automatisierung des Steuerverfahrens schreiten voran.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn1" name="_ftnref1">01</a></sup> Der Bundesrat hat im Mai 2020 vorgeschlagen, im Bereich der Verrechnungssteuer, der Mehrwertsteuer und der Stempelabgaben eine Verpflichtung zum elektronischen Verkehr mit der eidgenössischen Steuerverwaltung einzuführen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn2" name="_ftnref2">02</a> </sup>Im Juni 2021 wurden die Kantone verpflichtet, elektronische Steuerverfahren anzubieten.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn3" name="_ftnref3">03</a></sup> Dies betrifft insbesondere die Möglichkeit des (vollständig) elektronischen Einreichens der Steuererklärung sowie die elektronische Eröffnung der Veranlagungsverfügung durch die Steuerbehörde. Mit Letzterem werden die kantonalen Veranlagungsverfahren im Bereich der direkten Bundessteuern weitgehend digitalisiert. Dies bildet die Basis für weitere Digitalisierungsschritte bis hin zu vollständig automatisierten Veranlagungsverfahren, in denen die Veranlagung durch den Einsatz von Algorithmen und nicht mehr durch Menschen vorgenommen wird.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn4" name="_ftnref4">04</a></sup></p>
<p>Bei einer solchen Vollautomation des Veranlagungsverfahrens muss – genauso wie im regulären Veranlagungsverfahren – sichergestellt sein, dass die durch die steuerpflichtige Person eingereichte Steuererklärung geprüft wird. Die vollständig automatisierte Veranlagung darf nicht dazu führen, dass fehlerhafte Sachverhaltsangaben die Grundlage für die Veranlagungsverfügung bilden. Auch diese Prüfung wird vermehrt mithilfe von Algorithmen durchgeführt. Internationale Entwicklungen zeigen, dass Steuerbehörden maschinelle Lernverfahren einsetzen, um Steuererklärungen zu überprüfen und Steuerbetrug aufzudecken.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn5" name="_ftnref5">05</a></sup> Dazu werden nicht nur Daten genutzt, die auf konventionellem Weg – beispielsweise durch die Mitwirkung der steuerpflichtigen Personen – erhoben werden. So erlaubt etwa ein im Jahr 2021 erlassenes Dekret den französischen Steuerbehörden, verschiedene Online-Plattformen zu durchsuchen, um Beweise für Steuerbetrugsfälle zu ermitteln.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn6" name="_ftnref6">06</a></sup> Die Vermutung liegt nahe, dass auch in der Schweiz mit zunehmender Automatisierung des Steuerverfahrens eine zunehmende Automatisierung der Überprüfung der Steuererklärungen stattfindet.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn7" name="_ftnref7">07</a></sup></p>
<p>Die digitalisierten bzw. automatisierten Steuerverfahren, insbesondere die dabei notwendige Überprüfung der zugrunde gelegten Daten, haben den Anforderungen der Bundesverfassung (BV) und den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben zu genügen. </p>
<p>Der vorliegende Beitrag zeigt in einem ersten Schritt kursorisch die Entwicklung der Automatisierung des Steuerverfahrens auf (2.). Daraufhin wird die automatisierte Datenerhebung im Steuerverfahren genauer betrachtet (3.). Schliesslich werden die Überprüfung der Steuererklärung auf Plausibilität im automatisierten Veranlagungsverfahren und die damit einhergehenden grundrechtlichen und datenschutzrechtlichen Konsequenzen untersucht (4.). Abschliessend wird ein Fazit gezogen (5.). Im vorliegenden Beitrag werden beispielhaft die Rechtsgrundlagen der Kantone Basel-Stadt (BS), Bern (BE), Obwalden (OW) und Zürich (ZH) herangezogen.</p>
<h2>2. Schrittweise Automatisierung</h2>
<p>Automatisierungsbestrebungen im Steuerverfahren sind kein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Eine gewisse Standardisierung des Steuerprozesses geht bereits auf die Ursprünge des heute geltenden Abgaberechts zurück. Dazu zählen insbesondere verpflichtende Steuererklärungsformulare,<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn8" name="_ftnref8">08</a></sup> um Effizienz zu steigern und Verständlichkeit zu fördern (Form- bzw. Formularzwang<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn9" name="_ftnref9">09</a></sup>). </p>
<p>Mitte des 20. Jahrhunderts wurde im Rahmen des beginnenden rechtswissenschaftlichen Diskurses deutlich, dass die computergestützte Automatisierung insbesondere in jenen Bereichen sinnvoll ist, in denen es um Kalkulationen geht.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn10" name="_ftnref10">10</a></sup> Die Prozessautomatisierung bildete bereits damals einen zentralen Bestandteil der Diskussion um die allgemeine Verwaltungsdigitalisierung.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn11" name="_ftnref11">11</a></sup> Dazu waren insbesondere jene Bereiche der öffentlichen Verwaltung geeignet, in denen weitestgehend standardisiert eine grosse Menge an gleichartigen Fällen bearbeitet werden (sogenannte Massenverwaltung).<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn12" name="_ftnref12">12</a></sup> Der Abbau von Automatisierungshemmnissen, wie beispielsweise der Verzicht auf das Unterschriftserfordernis beim Erlass von Massenverfügungen,<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn13" name="_ftnref13">13</a></sup> trug zur weiteren Förderung der allgemeinen Digitalisierung in diesen Bereichen bei. Während in den Anfängen hauptsächlich die Teilautomation der Verfahren im Zentrum stand<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn14" name="_ftnref14">14</a></sup> – etwa die Entscheidungsunterstützung im Bereich der direkten und indirekten Bundessteuern und Zölle sowie der Kantons- und Gemeindesteuern<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn15" name="_ftnref15">15</a></sup> – geht es nunmehr um den vollautomatisierten Prozess.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn16" name="_ftnref16">16</a> </sup>Beide Automationsgrade können heute durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) unterstützt werden.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn17" name="_ftnref17">17</a> </sup>Automatisierung und der Einsatz von KI sind insbesondere dann sinnvoll und effizienzbringend, wenn viele Daten (in strukturierter oder unstrukturierter Weise) vorhanden sind (Big Data).<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn18" name="_ftnref18">18</a></sup></p>
<p>Im Rahmen der Totalrevision des Datenschutzgesetzes<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn19" name="_ftnref19">19</a></sup> wurden erste Schritte in Richtung vollautomatisierte Steuerverfahren getätigt, insbesondere indem Grundlagen für eine künftige Vollautomatisierung der Zollveranlagung vorgesehen wurden.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn20" name="_ftnref20">20</a></sup> Das föderalistisch geprägte Steuersystem der Schweiz führt allerdings dazu, dass die Voraussetzungen und Bedürfnisse der kantonalen Steuerverwaltungen ganz unterschiedlich sind.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn21" name="_ftnref21">21</a></sup> Für alle Kantone gilt jedoch, dass eine gewisse Automatisierung – ob mit KI oder ohne – insbesondere in zwei Bereichen vorstellbar ist: erstens bei der Überprüfung der Steuererklärung und zweitens bei der Steuerfestsetzung.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn22" name="_ftnref22">22</a></sup> Die Umsetzung sieht in den Kantonen hingegen unterschiedlich aus. Je nach Kanton werden einfache Fälle heute vollautomatisiert veranlagt.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn23" name="_ftnref23">23</a></sup> So sieht es auch mit Blick auf die Überprüfung der Steuererklärung auf ihre Plausibilität aus. Im Kanton Bern beispielsweise erfolgt die Überprüfung zuerst automatisiert durch das Veranlagungssystem. Dieses basiert auf Algorithmen, deren Prüfregeln von Menschen aufgestellt wurden.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn24" name="_ftnref24">24</a></sup> Damit die Überprüfung aber überhaupt automatisiert erfolgen kann, müssen die Steuererklärungsdaten elektronisch vorhanden sein.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn25" name="_ftnref25">25</a></sup></p>
<h2>3. Datenerhebung</h2>
<h3>3.1 Eingeschränkter Untersuchungsgrundsatz und Mitwirkungspflicht</h3>
<p>Das Schweizer Steuersystem ist föderalistisch ausgestaltet.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn26" name="_ftnref26">26</a></sup> Es wird durch die Gesamtheit der verschiedenen Steuerarten sowie die verschiedenen Steuerhoheitsträgerinnen und Steuerhoheitsträger, die zur Steuererhebung berechtigt sind, geprägt.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn27" name="_ftnref27">27</a></sup> Die Steuererhebung durch Bund, Kantone und Gemeinden setzt die Feststellung der individuell-konkreten Steuerschuld der steuerpflichtigen Personen voraus.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn28" name="_ftnref28">28</a></sup> Das Steuerveranlagungsverfahren wird grundsätzlich vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht; die Sachverhaltsabklärung obliegt der Veranlagungsbehörde.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn29" name="_ftnref29">29</a></sup> Diese erforscht die rechtserheblichen Tatsachen von Amtes wegen. Die grosse Anzahl zu fällender Entscheide führt vor dem Hintergrund der Verfahrensökonomie jedoch dazu, dass die Steuerverwaltungen auf die Mitwirkung der steuerpflichtigen Personen angewiesen sind.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn30" name="_ftnref30">30</a></sup> Nur sie verfügen regelmässig über die erforderlichen Tatsachenkenntnisse und haben Zugang zu den notwendigen Beweismitteln.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn31" name="_ftnref31">31</a></sup> Der Verwaltungsaufwand, der aufgebracht werden müsste, um jede einzelne Angabe jeder steuerpflichtigen Person zu überprüfen, stünde – jedenfalls heute noch – in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ziel der Veranlagung.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn32" name="_ftnref32">32</a></sup> Die Steuerbehörden stellen den tatsächlichen und rechtlich massgebenden Sachverhalt also unter Mitwirkung der Steuerpflichtigen fest.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn33" name="_ftnref33">33</a></sup> Diese haben die Pflicht zur Selbstdeklaration, während die Steuerbehörden die massgebenden Tatsachen überprüfen und den Steuerbetrag in der Veranlagungsverfügung festlegen. Mit diesem Schritt ist das Verfahren abgeschlossen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn34" name="_ftnref34">34</a> </sup>Beide nehmen eigentliche Veranlagungshandlungen vor, weshalb von einem gemischten Veranlagungsverfahren die Rede ist.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn35" name="_ftnref35">35</a></sup> Die Mitwirkungspflicht relativiert daher den Untersuchungsgrundsatz.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn36" name="_ftnref36">36</a></sup> Hauptanwendungsfälle des ordentlichen gemischten Veranlagungsverfahrens sind die direkten Steuern auf Einkommen, Vermögen, Gewinn und Kapital.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn37" name="_ftnref37">37</a></sup></p>
<p>Die Steuerbehörden haben die Steuern nach Massgabe der Bundesverfassung gleichmässig und verhältnismässig zu erheben.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn38" name="_ftnref38">38</a></sup> Gleichmässigkeit bedeutet, dass die steuerpflichtigen Personen nach der individuellen, objektiv gemessenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit veranlagt werden.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn39" name="_ftnref39">39</a></sup> Gleichzeitig müssen steuerpflichtige Personen, deren Sachverhalte ähnlich sind und die sich in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen befinden, gleich behandelt werden (steuerrechtliches Diskriminierungsverbot).<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn40" name="_ftnref40">40</a></sup> Die Verhältnismässigkeit knüpft an die Mitwirkungspflicht der steuerpflichtigen Person an; sie setzt den Mitwirkungshandlungen die Schranken der Geeignetheit, Notwendigkeit und Zumutbarkeit.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn41" name="_ftnref41">41</a></sup></p>
<h3>3.2 Datenerhebung als Datenbearbeitung</h3>
<p>Zur Feststellung des massgeblichen Sachverhalts sind regelmässig Personendaten, also Angaben, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person beziehen, zu erheben.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn42" name="_ftnref42">42</a></sup> Da grundsätzlich jeder Umgang mit Personendaten als Datenbearbeitung i. S. d. Datenschutzes zu qualifizieren ist, gilt dies auch für das Erheben («Beschaffen») von Daten.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn43" name="_ftnref43">43</a></sup> Ob dabei das <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1993/1945_1945_1945/de" target="_blank" rel="noopener">Bundes-Datenschutzgesetz</a> oder kantonale Datenschutzgesetze zur Anwendung kommen, hängt von der datenbearbeitenden Person ab. Bearbeiten Private oder Bundesorgane Daten, ist das <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2022/491/de" target="_blank" rel="noopener">revidierte Bundes-Datenschutzgesetz (revDSG)</a> einschlägig;<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn44" name="_ftnref44">44</a></sup> bearbeiten kantonale oder kommunale öffentliche Organe Daten, sind die kantonalen Datenschutzgesetze anwendbar.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn45" name="_ftnref45">45</a></sup> Dabei spielt es – etwa bei der Veranlagung von Einkommens- oder Vermögenssteuern – keine Rolle, ob die Aufgabe im Bundesrecht oder im kantonalen Recht verankert ist. Neben dem in den Datenschutzgesetzen enthaltenen «allgemeinen Datenschutzrecht» sind Vorgaben des «besonderen Datenschutzrechts», hier insbesondere allfällige datenschutzrechtliche Vorgaben der kantonalen Steuergesetze, zu beachten.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn46" name="_ftnref46">46</a></sup></p>
<p>Grundsätzlich gilt, dass ein öffentliches Organ – somit auch eine Steuerbehörde – Personendaten bearbeiten darf, wenn dies </p>
<ol style="list-style-type: lower-alpha;">
<li><span style="font-family: -apple-system, BlinkMacSystemFont, 'Segoe UI', Roboto, Oxygen, Ubuntu, Cantarell, 'Open Sans', 'Helvetica Neue', sans-serif;">eine gesetzliche Grundlage zulässt oder </span></li>
<li>zur Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe erforderlich ist.<sup style="font-family: -apple-system, BlinkMacSystemFont, 'Segoe UI', Roboto, Oxygen, Ubuntu, Cantarell, 'Open Sans', 'Helvetica Neue', sans-serif;"><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn47" name="_ftnref47">47</a></sup></li>
</ol>
<p>Allerdings dürfen die Daten nur für einen festgelegten Zweck bearbeitet werden.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn48" name="_ftnref48">48</a></sup> Der Zweck kann sich aus dem Regelungskontext, für besonders schützenswerte bzw. besondere Personendaten explizit aus einer formell-gesetzlichen Grundlage ergeben.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn49" name="_ftnref49">49</a></sup> Die Datenerhebung wird zudem in zeitlicher Hinsicht durch das Verhältnismässigkeitsprinzip begrenzt.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn50" name="_ftnref50">50</a></sup> Die Steuerbehörden dürfen die Steuerdaten nicht über die gesetzlich vorgesehene Dauer aufbewahren.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn51" name="_ftnref51">51</a></sup> Dies ergibt sich entweder aus der gesetzlichen Regelung oder aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip, das verlangt, dass die Daten nur so lange aufbewahrt werden dürfen, wie dies zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Die Steuerbehörden erheben die Daten für eine bestimmte Steuerart in einer bestimmten Steuerperiode, um die steuerpflichtigen Personen gleichmässig und verhältnismässig zu veranlagen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn52" name="_ftnref52">52</a> </sup>Allerdings bleibt mit der Bestimmung des Zwecks unklar, welche Daten durch die Steuerbehörden tatsächlich erhoben werden dürfen. Und auch die zeitliche Perspektive ist gesetzlich nicht umrissen. Mithin wird den kantonalen Steuerbehörden erheblicher Ermessensspielraum eingeräumt.</p>
<h3>3.3 Datenquellen</h3>
<p>Neben den Daten, welche die steuerpflichtige Person aufgrund des Mitwirkungsgrundsatzes selbst deklariert, sind verschiedene Quellen vorstellbar, derer sich die Steuerverwaltungen bedienen können, um die Korrektheit von Angaben in der Steuererklärung zu prüfen. Die vorliegend betrachteten kantonalen Steuergesetze sehen beispielsweise vor, dass gewisse Dritte Auskunfts- oder Bescheinigungspflichten unterliegen und bestimmte Informationen zu steuerpflichtigen Personen bekanntgeben müssen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn53" name="_ftnref53">53</a></sup> Es handelt sich dabei um spezifische Befragungen im Rechtsverhältnis zu einer steuerpflichtigen Person, nicht jedoch um eine standardisierte (automatisierte) Datenerhebung.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn54" name="_ftnref54">54</a></sup> Weiter kann sie im Rahmen der Amtshilfe von anderen Behörden Informationen herausverlangen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn55" name="_ftnref55">55</a></sup></p>
<p>Das Internet eröffnet darüber hinaus weitere Möglichkeiten. Es kann gezielt nach steuerrechtlich relevanten Daten betreffend eine bestimmte Person durchsucht werden.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn56" name="_ftnref56">56</a></sup> In Frankreich wurde beispielsweise am 11. Februar 2021 ein Dekret<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn57" name="_ftnref57">57</a></sup> erlassen, das es den französischen Steuerbehörden erlaubt, verschiedene Online-Plattformen zu durchforsten, um Beweise für Steuerbetrug ausfindig zu machen (z. B. nicht deklarierte Swimmingpools). Dazu können die <a href="https://www.economie.gouv.fr/dgfip" target="_blank" rel="noopener">Generaldirektion für öffentliche Finanzen (DGFiP)</a> und die französischen Zollbehörden während einer Experimentierphase von drei Jahren öffentlich zugängliche, personenbezogene Daten aus sozialen Medien, aber auch von Plattformen wie <a href="https://www.airbnb.ch" target="_blank" rel="noopener">Airbnb</a> oder der Kleinanzeigen-Webseite <a href="https://www.leboncoin.fr" target="_blank" rel="noopener">Le Bon Coin</a>, erheben.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn58" name="_ftnref58">58</a></sup> Die <a href="https://www.cnil.fr" target="_blank" rel="noopener">französische Datenschutzbehörde</a> erklärte in einer unverbindlichen Empfehlung<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn59" name="_ftnref59">59</a></sup>, es sei unerlässlich, die Umrisse des geplanten Systems zu präzisieren und die Einhaltung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes in allen Phasen der Datenbearbeitung zu prüfen. Schliesslich sei ein Gleichgewicht zu finden zwischen der Bekämpfung von Steuerbetrug und der Wahrung von Grundrechten der betroffenen Personen. </p>
<p>Eine weitere Entwicklung im Kontext der Digitalisierung stellt der Einsatz von Drohnen dar.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn60" name="_ftnref60">60</a></sup> Steuerbehörden werden insbesondere dann an einem Drohneneinsatz interessiert sein, wenn es um die bildliche Lageerfassung geht.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn61" name="_ftnref61">61</a></sup> So wurden etwa in Griechenland experimentell Drohnen eingesetzt, um in touristischen Regionen Angaben in Steuererklärungen zu überprüfen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn62" name="_ftnref62">62</a></sup> Anhand der durch die Drohnen erhobenen Daten konnten die Behörden feststellen, wie viele Passagiere sich an Bord von Ausflugsbooten befanden und diese Daten mit den deklarierten Quittungen der Steuerpflichtigen in der Steuererklärung abgleichen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn63" name="_ftnref63">63</a></sup></p>
<p>Werden hingegen sogenannte Smart Devices (intelligente Geräte) eingesetzt, die (steuerrechtlich relevante) Daten Dritter in Echtzeit an eine Steuerbehörde übermitteln, wird der Steuererhebungsprozess gewissermassen umgekehrt: Es würde nicht mehr um eine Überprüfung der Angaben in der Steuererklärung gehen, sondern bereits vorausschauend («beobachtend») festgesetzt, welche Angaben beizuziehen sind und welche nicht.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn64" name="_ftnref64">64</a></sup></p>
<p>So nutzt beispielsweise die Steuerverwaltung Grossbritanniens ein Datenerfassungs- und Analyseprogramm (His Majesty’s Revenue and Customs Connect Computer System<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn65" name="_ftnref65">65</a></sup>), das aus mindestens 30 verschiedenen Datenbanken unterschiedliche Informationen sammelt, analysiert und für weitere Zwecke speichert.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn66" name="_ftnref66">66</a></sup> Darunter finden sich Daten von online Zahlungsdienstleistern wie <a href="https://www.paypal.com/ch/home" target="_blank" rel="noopener">PayPal</a> oder Verkaufswebseiten wie <a href="https://www.amazon.com" target="_blank" rel="noopener">Amazon</a> und <a href="https://www.ebay.com" target="_blank" rel="noopener">eBay</a>, Social Media-Daten oder Informationen zu Flugpassagieren und Flügen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn67" name="_ftnref67">67</a></sup></p>
<h2>4. Überprüfung der Steuererklärung</h2>
<h3>4.1 Automatisierung und Untersuchungsgrundsatz</h3>
<p>Während der Untersuchungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflicht der steuerpflichtigen Personen im Veranlagungsverfahren eingeschränkt wird, obliegt es letztlich trotz allem den Steuerbehörden, den massgeblichen Sachverhalt festzulegen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn68" name="_ftnref68">68</a></sup> Dazu zählt auch die Überprüfung der Plausibilität der Angaben in den Steuererklärungen. Das heisst, dass sich eine Behörde von Amtes wegen von der Wahrheit und Richtigkeit des Sachverhaltes überzeugen muss. Der Untersuchungsgrundsatz bedeutet somit zweierlei: Die Behörden sind einerseits verpflichtet und berechtigt, die Sachverhalte abzuklären. Andererseits dürfen sie nur diejenigen Tatsachen übernehmen, von deren Richtigkeit sie sich überzeugt haben. Deshalb prüfen die Steuerverwaltungen die Steuererklärungen von Amtes wegen auf deren Richtigkeit und nehmen die erforderlichen Untersuchungen vor.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn69" name="_ftnref69">69</a> </sup>Dazu kann sich eine Behörde verschiedener gesetzlich vorgesehener Untersuchungsmittel bedienen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn70" name="_ftnref70">70</a></sup> Diese berechtigen sie, von einer steuerpflichtigen Person wie auch – in einem thematisch eng begrenzten Rahmen – von Dritten gewisse Auskünfte zu verlangen oder sich auf Informationen anderer Behörden im Rahmen der Amtshilfe abzustützen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn71" name="_ftnref71">71</a></sup> Damit können Angaben, die Steuerpflichtige über sich selbst machen anhand anderer Informationsquellen über die Steuerpflichtigen überprüft werden. Die im Zuge der Digitalisierung hinzugetretenen Datenquellen – wie etwa Informationen, die Steuerpflichtige selbst auf den sozialen Medien teilen – könnten eine weitere Möglichkeit eröffnen, um Angaben in Steuererklärungen mit anderen Informationsquellen über die betroffene Person zu vergleichen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn72" name="_ftnref72">72</a></sup></p>
<p>Die von steuerpflichtigen Personen gemachten Angaben könnten zudem mit Angaben anderer steuerpflichtiger Personen verglichen werden. Die jährliche Steuererhebung führt dazu, dass eine grosse Menge historischer und vergleichbarer Daten vorliegt. Da die Ermittlung des steuerrechtlich relevanten Sachverhalts bereits weitgehend in standardisierter Form erfolgt<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn73" name="_ftnref73">73</a></sup> und somit eine strukturierte Datengrundlage existiert, bietet sich diese als Ausgangsbasis zur Automatisierung des Steuerverfahrens und der Überprüfung von Angaben in Steuererklärungen geradezu an.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn74" name="_ftnref74">74</a></sup> Die Ergebnisse der Überprüfung der Plausibilität der Steuererklärung dienen dazu, abzuschätzen, ob eine steuerpflichtige Person die Steuererklärung wahrheitsgetreu ausgefüllt hat oder nicht.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn75" name="_ftnref75">75</a></sup> Beispiele im internationalen Kontext zeigen, dass die manuelle Überprüfung der Steuererklärungen durch eine solche automationsgestützte Risikobeurteilung ausgelöst werden kann.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn76" name="_ftnref76">76</a></sup></p>
<h3>4.2 Einsatz von Risikomanagementsystemen</h3>
<p>Aufgrund des Charakters als Massenverfahren<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn77" name="_ftnref77">77</a></sup> sehen sich die Steuerbehörden im Veranlagungsverfahren mit der Frage konfrontiert, wie weitgehend sie die Angaben der steuerpflichtigen Personen in den Steuererklärungen tatsächlich prüfen können.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn78" name="_ftnref78">78</a></sup> Zu beachten sind dabei stets die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der rechtsgleichen Behandlung.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn79" name="_ftnref79">79</a></sup> Angesichts der demographischen Entwicklung, der ansteigenden Datenverarbeitung und der knappen Personalressourcen steht die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grundsätze bei der manuellen Überprüfung der Steuererklärungen vor grossen Herausforderungen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn80" name="_ftnref80">80</a></sup> Die automatisierte Risikoprüfung von in der Steuererklärung gemachten Angaben kann deshalb Unterstützung leisten.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn81" name="_ftnref81">81</a></sup> Insbesondere Risikomanagementsysteme (RMS) können dabei zum Einsatz kommen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn82" name="_ftnref82">82</a></sup> Risiko bedeutet im steuerrechtlichen Kontext, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Angaben in einer Steuererklärung unwahrheitsgetreu sind,<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn83" name="_ftnref83">83</a></sup> mithin die gesetzesmässige Steuerfestsetzung verfehlt wird.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn84" name="_ftnref84">84</a></sup></p>
<p>In Deutschland existiert seit dem 1. Januar 2017 eine Rechtsgrundlage, welche die verpflichtende Einführung von RMS gesetzlich verankert (<a href="https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__88.html" target="_blank" rel="noopener">§ 88 Abs. 5 Abgabenordnung, AO</a><sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn85" name="_ftnref85">85</a></sup>).<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn86" name="_ftnref86">86</a></sup> Diese wurde im Rahmen der Zulassung vollautomatisierter Steuerverfahren geschaffen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn87" name="_ftnref87">87</a></sup> Die verpflichtende Einführung von RMS soll die mit der Vollautomation einhergehenden Abstriche am Untersuchungsgrundsatz kompensieren.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn88" name="_ftnref88">88</a></sup> Die Einzelfallprüfung wurde damit durch eine automationsbasierte Risikoprüfung ersetzt. Gemäss erläuterndem Bericht besteht ein Risikomanagementsystem aus der systematischen Erfassung und Bewertung von Risikopotenzialen sowie der Steuerung von Reaktionen in Abhängigkeit der festgestellten Risikopotenziale.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn89" name="_ftnref89">89</a></sup> Durch das Aussondern der risikobehafteten Fälle sollen die personellen Ressourcen (natürlicher Personen) auf jene Fälle beschränkt werden, die tatsächlich prüfungsbedürftig sind.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn90" name="_ftnref90">90</a></sup> Risikoreich sind beispielsweise Fälle, die Änderungen in den Sachverhaltsangaben im Vergleich zum Vorjahr aufweisen. Auch in Österreich sind RMS im Einsatz (siehe <a href="https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10003940" target="_blank" rel="noopener">§§ 48a, 114 Abs. 4 Bundesabgabenordnung, BAO</a><sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn91" name="_ftnref91">91</a></sup>). Diese sind in den Rechtsgrundlagen allerdings nicht wie in Deutschland legaldefiniert, sondern werden lediglich erwähnt.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn92" name="_ftnref92">92</a></sup></p><p>Zusammengefasst kann Risikomanagement als ein Prozess beschrieben werden, der Risiken identifiziert, evaluiert und bewältigt.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn93" name="_ftnref93">93</a></sup> Bei entsprechender Ausgestaltung des Systems kann dessen Einsatz dazu führen, den Grundsatz der Gleichmässigkeit der Besteuerung<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn94" name="_ftnref94">94</a></sup> besser umzusetzen, als dies durch natürliche Personen möglich wäre.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn95" name="_ftnref95">95</a> </sup>Fehler in der Ausgestaltung hätten jedoch weitreichende Konsequenzen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn96" name="_ftnref96">96</a></sup></p>
<p>Der Einsatz von RMS ist prinzipiell auch in der Schweiz vorstellbar. Hierzu bedarf es allerdings einiger grundlegender Voraussetzungen. Dazu zählt, dass die Datensätze so aufbereitet sein müssen, dass sie der technischen Ausgestaltung des Systems entsprechend verarbeitet werden können.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn97" name="_ftnref97">97</a></sup> Die elektronische Übermittlung der steuerrelevanten Angaben bildet mit anderen Worten den notwendigen Ausgangspunkt für den Einsatz von RMS. Zwar besteht in den Kantonen keine flächendeckende Pflicht zur elektronischen Einreichung der Steuererklärung. Gemäss Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn98" name="_ftnref98">98</a></sup> und der damit einhergehenden Anpassung des Steuerharmonisierungsgesetzes<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn99" name="_ftnref99">99</a></sup> sind die Kantone aber verpflichtet, bis zum 1.1.2024 die Möglichkeit des elektronischen Einreichens der Steuererklärung vorzusehen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn100" name="_ftnref100">100</a></sup></p>
<p>Eine weitere Voraussetzung bildet die Schaffung einer hinreichenden Rechtsgrundlage für den Einsatz von RMS. Die Anforderungen an die Rechtsgrundlage lassen sich allerdings nicht in allgemeingültiger Weise formulieren. Sie hängen vielmehr von der konkreten Ausgestaltung des RMS und den genutzten Daten ab. Die genaue Funktionsweise des Systems und insbesondere vordefinierte Kriterien, die der Risikoanalyse als Grundlage dienen, werden wohl aber nicht vollständig öffentlich kommuniziert werden, da dies zu Umgehungsstrategien der Steuerpflichtigen führen könnte.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn101" name="_ftnref101">101</a></sup></p>
<p>Es ist ferner denkbar, dass RMS mit Methoden maschinellen Lernens verbunden werden.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn102" name="_ftnref102">102</a></sup> Auch wenn es aufgrund der grossen Datenmengen offensichtlich erscheint, RMS mit maschinellen Lernverfahren zu verbinden,<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn103" name="_ftnref103">103</a> </sup>hängt der Einsatz einer spezifischen Technologie massgeblich von der praktischen Umsetzbarkeit und deren potenzieller Auswirkungen auf die betroffenen Personen ab.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn104" name="_ftnref104">104</a></sup> In Deutschland ist beispielsweise aufgrund einer Ausnahmeregelung in <a href="https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__32a.html" target="_blank" rel="noopener">§ 32a Abs. 2 Ziff. 2 AO</a> unklar, welche spezifische Technologie für RMS heute beigezogen wird. Eine Auskunfts- und Informationspflicht besteht nämlich nicht, wenn die Erteilung der Auskunft oder Information die ordnungsgemässe Erfüllung der in die Zuständigkeit der Steuerbehörden fallenden Aufgaben und Pflichten gefährden würde. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn durch die Offenlegung der Informationen Rückschlüsse auf die Ausgestaltung von RMS möglich sind und dadurch die Aufdeckung steuerlich bedeutsamer Sachverhalte wesentlich erschwert wird.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn105" name="_ftnref105">105</a></sup></p>
<p>Um aus rechtsstaatlicher Perspektive die Anforderungen zu konkretisieren, ist es jedoch zweitrangig, welche spezifische Technologie zur Anwendung gelangt.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn106" name="_ftnref106">106</a></sup> Wichtiger ist vielmehr, dass durch den Einsatz maschineller Lernverfahren gewissermassen ein Perspektivenwechsel stattfindet: Anstelle von Kausalitäten basieren diese Systeme – z. B. künstliche neuronale Netze<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn107" name="_ftnref107">107</a></sup> – auf Wahrscheinlichkeiten.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn108" name="_ftnref108">108</a></sup> Die Daten werden nicht anhand von vorgegebenen Prüfregeln verarbeitet, sondern stellen durch das Erkennen von Korrelationen eigene Regeln auf, die auf die Datensätze angewendet werden.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn109" name="_ftnref109">109</a></sup> Dabei bleibt regelmässig unklar, wie die Systeme zu ihren Ergebnissen gelangen und welche Daten schliesslich ausschlaggebend sind.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn110" name="_ftnref110">110</a></sup> Für den Einsatz von RMS bedeutet dies, dass Steuererklärungen nicht aufgrund vorgegebener, standardisierter Kriterien beurteilt werden, sondern das System selbst entscheidet, welche Kriterien im Einzelfall für die Ergebnisse massgebend sind. Die Wahl der Kriterien sowie die darauf basierenden Ergebnisse sind dadurch weder vorhersehbar noch überprüfbar.</p>
<p>Erste Praxiserfahrungen im Ausland zeigen, dass solche Systeme fehleranfällig sind. So wurde im Jahr 2019 etwa bekannt, dass die niederländischen Steuerbehörden einen selbstlernenden Algorithmus zur Erstellung von Risikoprofilen verwendet hatten, um Betrug bei Kinderbetreuungsleistungen zu erkennen. Auf der Grundlage der Risikoindikatoren des Systems wurden Familien schon bei einem blossen Verdacht auf Betrug mit Bussen belangt. Zehntausende von Familien – oft mit geringem Einkommen oder Angehörige ethnischer Minderheiten – waren von den Folgen betroffen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn111" name="_ftnref111">111</a></sup> Die Fehleranfälligkeit maschineller Lernverfahren kann u. a. auf mangelnde Qualität von Trainingsdaten zurückgeführt werden.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn112" name="_ftnref112">112</a></sup> In Bezug auf den Einsatz von RMS besteht das Risiko, dass risikobehaftete Fälle nicht erkannt werden. Dadurch würden der Untersuchungsgrundsatz und der Grundsatz der Gleichmässigkeit der Besteuerung beeinträchtigt.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn113" name="_ftnref113">113</a></sup> Hinzu kommt, dass bei einem Einsatz (komplexer) maschineller Lernverfahren die Kriterien, die der Risikoanalyse zugrunde gelegt werden, kaum vorhersehbar sind, da diese vom lernenden System selbst entwickelt werden. Damit ist der Prozess kaum mehr nachvollziehbar.</p>
<h3>4.3 Zweckänderung der Daten im Verfahren</h3>
<p>Im Rahmen der Veranlagungsverfahren werden Daten der steuerpflichtigen Personen für eine bestimmte Steuerart in einer bestimmten Steuerperiode erhoben (Grundsatz der Zweckbindung).<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn114" name="_ftnref114">114</a></sup> Im analogen Verfahren prüfen Steuerbehörden die Erklärungen gestützt auf die durch die steuerpflichtigen Personen bereitgestellten Beweismittel sowie gesetzlich definierte Untersuchungsmittel.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn115" name="_ftnref115">115</a></sup> Im automatisierten Steuerverfahren eröffnen sich hingegen weitere Möglichkeiten (z. B. Data Mining<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn116" name="_ftnref116">116</a></sup>). Vorstellbar ist etwa, dass Daten verschiedener steuerpflichtiger Personen genutzt werden, um die Steuererklärung einer weiteren Person auf Plausibilität zu prüfen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn117" name="_ftnref117">117</a></sup> Darin würde allerdings eine Änderung des Zwecks der erhobenen Daten liegen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn118" name="_ftnref118">118</a></sup> Der Zweck würde nicht mehr die Bearbeitung der Daten einer bestimmten steuerpflichtigen Person in einer bestimmten Steuerperiode, sondern die Bearbeitung der Daten verschiedener steuerpflichtiger Personen bzw. die Bearbeitung der Daten einer Person zur Nutzung für eine andere Person umfassen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn119" name="_ftnref119">119</a></sup></p>
<p>Ob eine solche Zweckänderung von den Rechtsgrundlagen für die ursprüngliche Datenbearbeitung gestützt wird, ist fraglich. Grundsätzlich ist die Bearbeitung von Personendaten zu einem anderen Zweck nicht durch die gesetzliche Grundlage gedeckt, welche die ursprüngliche Erhebung rechtfertigt.<a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn120" name="_ftnref120"><sup>120</sup></a> Unzulässig ist auch eine Datenerhebung «auf Vorrat», um diese später in einem anderen Kontext zu verwenden.<a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn121" name="_ftnref121"><sup>121</sup></a> In gesetzlichen Bekanntgabebestimmungen kann hingegen eine Rechtfertigung der Zweckänderung mitenthalten sein.<a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn122" name="_ftnref122"><sup>122</sup></a> Wenn beispielsweise Steuerdaten von der Steuerverwaltung an andere Behördenstellen bekannt gegeben werden dürfen, dann regelmässig nicht zu dem Zweck, zu dem sie erhoben worden sind (nämlich zur Veranlagung der Steuern), sondern z. B. zum Zweck der Beurteilung, ob jemand bedürftig ist (z. B. bei der Bekanntgabe an die Sozialhilfe). Allerdings fällt die Bearbeitung von Daten der Steuerverwaltung, die zum Zweck der Steuerveranlagung erhoben wurden, durch dieselbe Steuerverwaltung zu einem anderen Zweck – etwa der Überprüfung von Steuererklärungen anderer Steuerpflichtiger – nicht unter die Bekanntgabe.</p>
<h3>4.4 Profiling im Veranlagungsverfahren</h3>
<p>Die Datenüberprüfung durch die Steuerbehörden hat zum Ziel, die Steuererklärungen der steuerpflichtigen Personen, mithin die Korrektheit und Vollständigkeit der Angaben, zu prüfen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn123" name="_ftnref123">123</a></sup> Dies ändert sich im vollautomatisierten Steuerverfahren grundsätzlich nicht. Allerdings kann das Beiziehen anderer Datenquellen und der Abgleich dieser Daten mit jenen anderer steuerpflichtiger Personen, beispielsweise im Rahmen eines RMS-Einsatzes, dazu führen, dass Kontrollhandlungen gezielt und effizienzorientiert jeweils bei denjenigen steuerpflichtigen Personen vorgenommen werden, bei denen das Risiko der unwahrheitsgetreuen Steuererklärung am höchsten ist.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn124" name="_ftnref124">124</a></sup> Mit anderen Worten soll vorhergesagt werden, welche Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Steuererklärung unwahrheitsgemäss ausgefüllt haben.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn125" name="_ftnref125">125</a></sup> Bei diesem automatisierten Vorgang handelt es sich um nichts anderes als um ein Profiling.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn126" name="_ftnref126">126</a></sup></p>
<p>Gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2022/491/de#art_5" target="_blank" rel="noopener">Art. 5 lit. f revDSG</a> ist Profiling «jede Art der automatisierten Bearbeitung von Personendaten, die darin besteht, dass diese Daten verwendet werden, um bestimmte persönliche Aspekte, die sich auf eine natürliche Person beziehen, zu bewerten, insbesondere um Aspekte bezüglich Arbeitsleistung, wirtschaftlicher Lage, Gesundheit, persönlicher Vorlieben, Interessen, Zuverlässigkeit, Verhalten, Aufenthaltsort oder Ortswechsel dieser natürlichen Person zu analysieren oder vorherzusagen». Die im Gesetz genannten Merkmale sind nur beispielhaft.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn127" name="_ftnref127">127</a></sup></p>
<p>Mithin ist Profiling der Vorgang der Bewertung bestimmter persönlichkeitsrelevanter Attribute einer Person durch vollautomatisierte Auswertung der betroffenen Personendaten.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn128" name="_ftnref128">128</a></sup> Kein Profiling liegt vor, wenn eine Datenansammlung besteht, sie jedoch nicht automatisiert ausgewertet wird.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn129" name="_ftnref129">129</a></sup> Die Bearbeitung bedarf ferner einer bestimmten Wertung (subjektive Komponente), z. B. einer Prognose; die objektive Sachverhaltsfeststellung durch Datenerhebung ist kein Profiling.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn130" name="_ftnref130">130</a></sup></p>
<p>Der Fokus liegt beim Profiling nicht allein auf dem Ergebnis, sondern vielmehr auf dem gesamten Bewertungsprozess.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn131" name="_ftnref131">131</a></sup> Ziel und Zweck der Analyse ist die Vorhersage von Verhaltensweisen, Fähigkeiten oder Bedürfnissen einer bestimmten Person.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn132" name="_ftnref132">132</a></sup> Beim steuerrechtlichen Überprüfungsvorgang kann es – je nachdem, welche Art von RMS zugrunde gelegt wird – um die Bewertung, Analyse und Vorhersage persönlicher Aspekte der steuerpflichtigen Person – nämlich deren Arbeitsleistung, wirtschaftliche Lage, Verhalten<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn133" name="_ftnref133">133</a></sup> und auch weitere persönlichkeitsrelevante Aspekte<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn134" name="_ftnref134">134</a></sup> wie Ehrlichkeit oder Zuverlässigkeit gehen. Findet dieser Vorgang vollautomatisiert statt, handelt es sich um Profiling i. S. d. revDSG. Profiling kann ferner als Grundlage für den Erlass automatisierter Einzelentscheidungen i. S. v. <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2022/491/de#art_21" target="_blank" rel="noopener">Art. 21 revDSG</a> dienen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn135" name="_ftnref135">135</a></sup> Werden durch die Erhebung der steuerrechtlich relevanten Daten automatisiert wesentliche Aspekte der Persönlichkeit bewertet und die betroffene steuerpflichtige Person schliesslich vollautomatisiert veranlagt, basiert diese Entscheidung auf Profiling. Die beiden Begriffe müssen aber nicht zwingend miteinander in Verbindung stehen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn136" name="_ftnref136">136</a></sup></p>
<p>Es bleibt festzuhalten, dass nicht jedes RMS ein Profiling darstellt. Basiert ein RMS etwa schlicht darauf, dass Angaben der steuerpflichtigen Person von Angaben anderer Steuerpflichtiger abweichen, wenn es mithin einfach darum geht, «Ausreisser» zu finden, dann handelt es sich nicht um Profiling.</p>
<p>Staatliches Handeln setzt das Beachten der Grundrechte voraus (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_35" target="_blank" rel="noopener">Art. 35 Abs. 1 BV</a>). Im Kontext von Profiling ist insbesondere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_13" target="_blank" rel="noopener">Art. 13 Abs. 2 BV</a>) zu wahren.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn137" name="_ftnref137">137</a></sup> Der verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkt liegt dabei auf der Schwere der möglichen Grundrechtseinschränkung, die durch die Datenbearbeitung erfolgen kann. Schwerwiegende Einschränkungen müssen in einem Gesetz im formellen Sinn statuiert sein (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de#art_36" target="_blank" rel="noopener">Art. 36 Abs. 1 BV</a>).<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn138" name="_ftnref138">138</a></sup> Zudem muss die Rechtsgrundlage genügend bestimmt sein; die betroffene Person muss erkennen und voraussehen können, inwiefern ein Grundrechtseingriff erfolgt.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn139" name="_ftnref139">139</a></sup> </p>
<p>Das Datenschutzrecht konkretisiert das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und stellt erhöhte Anforderungen auf, wenn Behörden Profiling betreiben. Dies betrifft insbesondere die gesetzliche Grundlage und die Informationspflichten. Das revDSG statuiert, dass Profiling durch ein Bundesorgan einer Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2022/491/de#art_34" target="_blank" rel="noopener">Art. 34 Abs. 2 lit. b revDSG</a>) bedarf. Für Bundesorgane unbeachtlich ist, ob es sich um ein «Profiling mit hohem Risiko»<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn140" name="_ftnref140">140</a></sup> gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2022/491/de#art_5" target="_blank" rel="noopener">Art. 5 lit. g revDSG</a> handelt, oder um ein «gewöhnliches» Profiling gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2022/491/de#art_5" target="_blank" rel="noopener">Art. 5 lit. f revDSG</a>.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn141" name="_ftnref141">141</a></sup> Eine Grundlage im materiellen Sinn genügt, sofern die Bearbeitung für eine in einem Gesetz im formellen Sinn festgelegte Aufgabe unentbehrlich ist (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2022/491/de#art_34" target="_blank" rel="noopener">Art. 34 Abs. 3 lit. a revDSG</a>) oder der Bearbeitungszweck für die Grundrechte der betroffenen Person keine besonderen Risiken birgt (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2022/491/de#art_34" target="_blank" rel="noopener">Art. 34 Abs. 3 lit. b revDSG</a>). Die Ausnahme der Unentbehrlichkeit wird im Steuervollzug wohl schwierig zu beweisen sein,<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn142" name="_ftnref142">142</a></sup> zumal dieser bisher ohne Profiling erfolgte. Die zweite Ausnahme wird sodann ebenfalls nicht greifen, da das Bundesgericht bereits das Erstellen eines Persönlichkeitsprofils als schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte bezeichnete, da wesentliche Aspekte der Persönlichkeit zusammengestellt und beurteilt werden.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn143" name="_ftnref143">143</a></sup></p>
<p>Im Zuge der Revision des Datenschutzgesetzes auf Bundesebene werden mehrere Gesetze um den Begriff des Profilings ergänzt. Beispielsweise sieht das revidierte Zollgesetz (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2007/249/de" target="_blank" rel="noopener">revZG</a><sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn144" name="_ftnref144">144</a></sup>) nun vor, dass die eidgenössische Zollverwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben – der Erhebung von Personendaten zur Veranlagung nach Zollgesetz – Profiling (mit hohem Risiko) betreiben kann (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2007/249/de#art_110" target="_blank" rel="noopener">Art. 110 Abs. 2 revZG</a>). Dasselbe ist für das revidierte Mehrwertsteuergesetz (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de" target="_blank" rel="noopener">revMWSTG</a><sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn145" name="_ftnref145">145</a></sup>) vorgesehen: Die Eidgenössische Steuerverwaltung ist zum Profiling (mit hohem Risiko) befugt, wenn es der Erfüllung der gesetzlich vorgesehenen Aufgaben dient (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_76" target="_blank" rel="noopener">Art. 76 Abs. 3 revMWSTG</a>). </p>
<p>Die Kantone sind in ihrer Gesetzgebung im Datenschutzrecht unterschiedlich weit fortgeschritten. Es ist aber zu erwarten, dass sie mit Inkrafttreten des revDSG ihre Gesetze ebenfalls anpassen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn146" name="_ftnref146">146</a></sup> So wurde z. B. im Kanton Basel-Stadt im Zuge der Revision des IDG<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn147" name="_ftnref147">147</a></sup> eine ähnliche Definition des Profilings wie auf Bundesebene eingefügt.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn148" name="_ftnref148">148</a></sup> Gemäss § 3 Abs. 7 revidiertes IDG-BS ist Profiling jede automatisierte Auswertung von Informationen, um wesentliche persönliche Merkmale zu analysieren oder Entwicklungen, insbesondere bezüglich Arbeitsleistung, wirtschaftliche Lage, Gesundheit, persönliche Vorlieben, Interessen, Zuverlässigkeit, Verhalten, Aufenthaltsort oder Ortswechsel, vorherzusagen.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn149" name="_ftnref149">149</a></sup></p>
<p>Unabhängig davon, ob die kantonalen Datenschutzgesetze das Profiling regeln, ist aus grundrechtlichen Erwägungen eine spezifische formell-gesetzliche Grundlage notwendig. Denn die Zusammenstellung und Beurteilung wesentlicher Aspekte der Persönlichkeit hat das Bundesgericht unter dem Begriff des «Persönlichkeitprofils» als schwerwiegenden Grundrechtseingriff gewertet.<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn150" name="_ftnref150">150</a></sup> Zwar ging es in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung um Persönlichkeitsprofile nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1993/1945_1945_1945/de#art_3" target="_blank" rel="noopener">Art. 3 lit. d Datenschutzgesetz (DSG)</a><sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn151" name="_ftnref151">151</a></sup>. Da das Profiling gemäss revDSG den bisherigen Begriff des Persönlichkeitsprofils ausdrücklich ablösen soll<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn152" name="_ftnref152">152</a></sup>, bietet sich eine analoge Anwendung der Rechtsprechung auf das Profiling an. </p>
<p>Die Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung einer gesetzlichen Grundlage zum Einsatz von Profiling können nicht pauschal formuliert werden. Im Veranlagungsverfahren wird sie sich stark am Zweck der Datenbearbeitung orientieren müssen, um insbesondere auch die Anforderungen an die Normdichte einzuhalten. Die Durchführung eines Profilings müsste eindeutig ersichtlich sein,<sup><a title="" href="applewebdata://93E6AC50-0318-49E2-BE4A-878672EA8D23#_ftn153" name="_ftnref153">153</a></sup> ebenso wie die Tatsache, dass die Daten zum Zwecke des Abgleichs mit anderen Daten erhoben werden.</p>
<h2>5. Fazit</h2>
<p>Das internationale Umfeld zeigt, dass sich Steuerbehörden neuer Technologien bedienen, um die Steuererklärungen auf Plausibilität hin zu prüfen. Grundsätzlich ist dies auch in der Schweiz denkbar. Aus verfassungs- sowie datenschutzrechtlicher Sicht ist dies bedenklich, zumal insbesondere der Einsatz von Risikomanagementsystemen zu einem Profiling im Sinne des revidierten Datenschutzgesetzes führen kann und dieser entsprechender gesetzlicher Grundlagen bedarf. </p></article>
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